15
Der nächste tag begann wie der vorherige: mit Schmerzen!
Und wieder durfte ich in meiner Hundegestalt weiter laufen, auch wenn mir die Beine von gestern noch immer weh taten und ich Muskelkater hatte. Noch immer sah die Umgebung genauso trist und gelb aus wie gestern, doch der anderen Landschaft waren wir schon deutlich näher gekommen.
Bis Mittags liefen wir stur durch, ohne Pause zu machen. Doch dann kam von hinten das Glück auf vier Rädern auf uns zu! Eine Staubwolke hatte sich um den grünen Traktor gelegt, der - als er uns erreicht hatte - eine Vollbremsung einlegte und uns der Staub nur so verschlang. Wäre ich jetzt in meiner Menschenform gewesen, hätte ich einen starken Hustenanfall bekommen, doch so konnte ich mir nur meine eine Pfote über die Schnauze legen und röcheln.
Als der Dreck und Staub sich endlich gelegt hatte, erkannten wir einen älteren, freundlich drein blickenden Mann am Steuer des Gefährt sitzen.
»Wer seid ihr denn? Hier her verschlägt sich sonst keine Menschenseele!«, lachte er auf und ein Fragezeichen bildete sich in seinem Gesicht.
»Wir sind bloß auf der durchreise«, erklärte Alejo, auch nett lächelnd. Da mir nichts besseres einfiel, bekräftigte ich seine Aussage mit einem hellen Kläffen. Nun fiel der Blick des Traktorfahrers auf mich.
»Oh, das ist aber ein hübscher Hund!«, sagte er und musterte mich weiter, während ich mich hinsetzte, da seine Blicke echt unangenehm waren.
»Ja, ich weiß, danke. Ich hab ihn gerettet.« Bei diesen Worten hätte ich meinem Entführer fast ins Bein gebissen, doch ich zügelte mich und konzentrierte mich auf ein - in der leichten Briese - schwankenden Grashalm vor meiner Schnauze.
»Wo müsst ihr denn hin?«, interessierte sich der alte Mann.
»Zur Küste.«
Erstaunt verzog unser Gegenüber das Gesicht. »Das ist aber weit! Soll ich euch ein Stück mitnehmen?«
Bei dieser Frage sprang ich auf, kläffte meine Zustimmung laut heraus und wedelte wie wild mit dem Schwanz.
»Tja, da hat mein Hund wohl schon die Entscheidung gefällt«, grinste Alejo amüsiert und zuckte mit seinen muskulösen Schultern.
»Ihr könnt hinten auf den Anhänger klettern, ich fahr' auch nicht so schnell.«
»Super, danke!«, sagte ich, doch nur Alejo verstand mich. Für den alten Mann musste es wie ein Bellen klingen.
Wir liefen um den Traktor herum und sprangen, beziehungsweise stiegen, auf den kleinen, flachen Anhänger drauf, indem sich bis jetzt nur Heu oder Stroh befand. So war es auch ein bisschen bequemer für und beide.
»Sitzt ihr gut?«, schallte die Stimme von vorne zu uns hinter.
»Alles klar, kann los gehen!«, schrie Alejo zurück und hielt beide Daumen in die höhe.
Kurz darauf sprang der Motor wieder an und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Wir ruckelten den staubig, steinigen Weg entlang, den ich vor kurzem noch selbst entlang gelaufen war. Aus der fahrt die Umgebung zu betrachten gefiel mir um einiges besser, und es war nicht ganz so langweilig und vor allem nicht anstrengend.
Ich legte mich gemütlich in das Heu, streckte alles viere von mir und schloss die Augen. Das sich Alejo darüber beschwerte, dass er nun so wenig Platz hatte, hörte ich gar nicht mehr, denn ich war schon eingenickt.
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Eine laute Stimme riss mich aus dem Schlaf, den ich mehr als ich gedacht hatte, vermisste. Verwirrt sah ich zu Alejo herüber, da ich die ganze Situation noch nicht richtig begriff. Doch dieser hielt sich nur die Ohren zu und verzog sein Gesicht qualvoll.
»Was ist das?«, fragte ich ihn nun irritiert.
Er seufzte erschöpft. »Der da hinten singt! Und total schräg, krumm und was es noch so alles gibt! Ich rate niemandem, wirklich NIEMANDEM hier mitzufahren, wenn man keinen Höhrschaden erleiden will!«, brüllte er über den ›Gesang‹ hinweg.
Nun auch bemerkte ich, dass die komischen Geräusche sich zu Wörtern zusammensetzten und eher wie Hilferufe oder Schmerzensschreie anstatt wie Lieder klangen.
»Ach du ... was ist denn mit dem schief?!«, rief ich zurück und versuchte mir die Pfoten auf die Ohren zu pressen, was mir misslang.
»Sorry, aber du kannst dich jetzt echt schlecht zurück verwandeln, außerdem hast du eine Leine um, weshalb du das eh nicht hin bekommst.« Dank der Erinnerung von dem jungen Mann, wurde ich nur noch nervöser und panischer. Mit Hundeohren hörte man alles viel lauter!
Da ich mir nicht anders zu helfen wusste, schickte ich eine Salbe Gebell in den Himmel, woraufhin der alte Mann verstummte. Mitten beim drehte er sich zu uns um und fragte besorgt: »Ist alles mit deinem Hund in Ordnung?«
Alejo nickt und nahm die Hände von den Ohren. »Ja, aber ich glaube, sie haben zu laut gesungen, mein kleiner Hund hört doch alles viel lauter!«
Damit alles Ästhetischer wirkte, streichelte mein Gegenüber mir den Kopf, wofür ich ihm gern einen saftigen Biss verpasst hätte. Und: wie konnte er es wagen MICH so zu nennen?!
Aber seine Worte zeigten Wirkung. Erschrocken riss der Traktorfahrer die Augen auf. »Oh, das tut mir so unendlich leid! Ich hoffe sehr deinem Hund geht es gut! Ich werde die letzten paar Kilometer aufhören, aber wir sind ja bald bei meinem Dorf wo ich wohne. Ich habe auch einen Hund, weiß du. Er ist schwarz weiß gefleckt und ...«
Der alte Mann hörte zwar auf zu singen, aber quasselte nun ununterbrechbar in einer Lautstärke eines Bären weiter, sodass es fast so schlimm wie sein vorheriger Gesang war. Doch zum Glück konnte ich bei dem Redeschwall leicht abschalten und legte mich wieder auf meine Pfoten, ließ diesmal aber Alejo mehr Platz.
Diesmal aber schlief ich nicht wieder ein - ich ruhte nur - und so bemerkte ich, wie Alejo seine große Hand auf meinen Rücken legte und sanft mit seinen Fingern durch mein braunes, flauschiges Fell fuhr.
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