Kapitel 7 - Gerüchte
„Ich kann sie zu nichts gebrauchen!"
Der Nimrod saß bei dem Bauer Kasar am Tisch, ein Becher Met in den Händen. Wenn er ehrlich sein sollte, wollte er noch gar nicht zurück. Diese Fremde brachte ihn durcheinander und ob ihm das gefiel, konnte er nicht unbedingt sagen.
„Und warum hast du sie dann aufgenommen? Und du kaufst ihr jetzt noch ein Pferd! Eigentlich bist du nicht für deine Wohltätigkeit bekannt!"
Nimrod sah den Mann vor ihm ernst an.
Er kannte Kasar schon ein Leben lang. Er war nicht immer ein Bauer gewesen, so wie er nicht immer Aufträge für reiche Leute angenommen hatte. Kasar kannte ihn sehr gut und wusste mehr als jeder andere.
„Und für was bin ich bitte bekannt?"
Kasar nahm einen tiefen Schluck und wischte sich den Met mit dem Ärmel vom Gesicht.
„Das weißt du selbst! Du bist bekannt hier auf Lesara, weil du eben nicht so bist wie andere! Du tauchtest hier einfach auf und warst gleich ein Jemand! Jeder weiß, dass du eigentlich ein Einzelgänger bist. Den Golem und die Elfe hast du nur bei dir aufgenommen, weil sie dir von Nutzen sind. Kasek ist stark und Kulara ist die beste Diebin, die ich kenne! Aber dieses Mädchen...! Warum hast du sie überhaupt zu dir genommen? Das würde mich selbst interessieren! Du hättest sie auch zu mir bringen können. Du weißt, dass sie auch bei mir sicher gewesen wäre. Aber irgendwas siehst du in ihr!"
Nimrod schnaubte. Natürlich sah er etwas in ihr. Aber das konnte er nicht gebrauchen. Nicht jetzt, da er die Prophezeiung gelesen hatte.
Er wusst, warum er gerade dieses Mädchen bei sich aufgenommen hatte. Er wollte es nur nicht zugeben.
Zuerst war es Hoffnung.
Hoffnung war es gewesen, was ihn dazu veranlasst hatte, sie mit zu nehmen. Doch behaöten wollte er sie aus einem anderen, persönlichem Grund.
Diese verdammte Prophezeiung!
Erst hatte er diesen Zettel in der Hand gehalten, aber nichts auf das gegeben, was darauf stand. Warum sollte er das auch? Das war alles nicht gerade einleuchtend gewesen. Gut! Teilweise schon, aber da stand auch etwas von Menschen, die nicht in diese Welt gehörten, aber trotzdem da waren. Was hätte er mit dem Satz anfangen sollen?
Es war sehr verwirrend für ihn gewesen. Doch dann hatte er die junge Frau gefunden. Sie lag vor ihm auf dem Boden. Erst schien es so, als ob sie vom Baum gefallen wäre, doch als sie angefangen hatte zu sprechen, wurde es ihm klar. Sie war eine derjenigen, die hier auf Lesara waren, aber nicht hierher gehörten.
Sie war verwirrt und als sie die Augen geöffnet hatte, wurde die Verwirrung noch größer.
Nimrod musste zugeben, dass er erst um ihren Verstand gezweifelt hatte.
Da waren zu viele Dinge, die sie ihn fragte, die er nicht verstand.
Sie hatte von Städten gesprochen und war sehr verwirrt, dass er über Wiesen geritten war.
Erst hatte sie ihm leid getan. Doch dann schlug das in Bewunderung um.
Trotz allem war sie ruhig geblieben. Sie hatte sich einfach angepasst. Ohne zu jammern. Da war er anderes gewohnt.
Auch ihr Hinweis, dass es ihr da wo sie herkam schlecht ging, änderte nichts an der Tatsache, dass sie wohl härter im Nehmen war, als sie zugeben wollte.
Doch da stand auch was etwas in dieser Prophezeiung, dass sich bewahrheitet könnte, wenn er nicht aufpasste.
Verfluchtes Ding!
Er trank den letzten Schluck Met aus und stand auf.
„Hast du ein Pferd für mich, das zu ihr passen könnte? Sie ist klein, aber trotzdem stark!"
Kasar nickte und stand ebenfalls auf.
"Da hätte ich sogar etwas! Komm mit!"
Sie gingen gemeinsam zur Koppel und Kasar zeigte mit einem Finger auf die Pferde.
„Das weiße Pferd da! Eine Stute. Sehr ruhig und geeignet für einen Anfänger!"
Nimrod musste grinsen.
Eine ruhige, weiße Stute. Genau das Gegenteil von seinem schwarzen, temperamentvollen Hengst.
„Ich nehme sie! Wie viel verlangst du für sie?"
Kasar zuckte mit den Schultern.
„Sieh es als Geschenk an."
Als Nimrod ihn fragend ansah, zuckte er wieder mit der Schulter.
„Dieses Mädchen...ich kann es dir ansehen, dass sie etwas Besonderes ist. Außerdem bekomme ich die Stute nicht los! Schau sie genauer an!"
Nimrod verstand nicht ganz was er meinte. Doch er kletterte über den Zaun und ging langsam auf die Stute zu. Erst konnte er nichts erkennen, was darauf vermuten ließ, dass Kasek sie nicht verkauft brachte. Doch dann sah er es und musste lachen.
Er hob die Mähne und sah eine schwarze Blesse in einer Sternform. Sehr ungewöhnlich. Aber sein Hengst hatte dieselbe Zeichnung, nur in weiß! Schwarze Blessen galten hier als schlechtes Omen. Besonders bei einem weißen Pferd! Kasar brachte es aber nie über sich, solche Tiere zu töten! Und er auch nicht! Meistens waren es besondere Tiere, die nur Pech hatten, so ein Mal zu bekommen und es stellte sich meist heraus, dass sie die besten Tiere waren, die man haben konnte. Und diese Stute hier wirkte auf ihn, als ob sie auf dem besten Weg dazu war!
Er klopfte der Stute leicht auf den Hals.
„Du wirst dich mit Fodor gut verstehen, meine Kleine! Du scheinst wie gemacht für ihn. Aber du musst auch nett zu deiner neuen Herrin sein. Sie kennt dich nicht und kann mit Pferden nicht umgehen! Aber ich glaube, du wirst ihr das schon beibringen, nicht wahr, Mädchen?"
Als ob sie ihn verstanden hätte, hob und senkte sie den Kopf und als er ging, folgte sie ihm.
„Ich nehme sie Kasar!"
Dieser lachte.
„Das sehe ich!"
Er ging in den Stall und Nimrod folgte ihm. Genauso wie die weiße Stute, als ob sie verstehen würde, dass der Nimrod sie nach Hause brachte.
„Ich gebe dir noch einen leichten Sattel mit. Dafür möchte ich allerdings bezahlt werden! Es ist eine sagenhafte Arbeit und der Sattler, der ihn hergestellt hat...nun, er hat neun Kinder zu Hause!"
Nimrod nickte und gab ihn drei der Diamanten, die Asiri ihm gegeben hatte. Neun Kinder! Verdammt!
„Hier, alter Freund! Wenn du noch Lebensmittel hast, würde ich sie auch mitnehmen. Wir sind ja jetzt eine Person mehr!"
Kasar nickte.
„Ich habe es schon in deinen Wagen verladen lassen. Gut, dass du das Pferd des Golems mitgenommen hast und nicht deinen Hengst!"
Nimrod zuckte mit den Schultern.
„Fodor braucht mal Pause. Ich habe ihn in der letzten Zeit viel zu sehr beansprucht. Und Minas ist ja eigentlich ein Arbeitspferd. Er ist eben der Einzige, der Kasek tragen kann!"
Kasar lachte.
„Das mit der Zeit wird sich auch nicht ändern! Und ich habe das Gefühl, dass ihr baöd wieder reisen müsst."
Als Nimrod ihn fragend ansah, zeigte er mit dem Kopf in den Hof. Ein männlicher Elf stand dort. Ein Nachtelf!
Nimrod spuckte aus. Er konnte diese Kerle nicht leiden. Söldner! Sie ließen sich fürs Töten bezahlen! Wie er so etwas hasste!
Seufzend ging er hinaus. Es sah so aus, als ob der Elf auf ihn wartete. Woher wusste er, dass er bei Kasar war?
Der Nachtelf sah ihn kommen und neigte seinen Kopf.
„Edler Herr...", fing er an, doch Nimrod stoppte ihn.
„Bist du wahnsinnig, mich so anzusprechen? Ich bin kein Herr! Ich bin der Nimrod!"
Der Nachtelf grinste.
„Ah, ihr verbirgt immer noch die Wahrheit! Nun gut. Ich bin nicht hier her gekommen, um mit euch darüber zu diskutieren! Mein Herr schickt mich!"
Nimrod hob eine Augenbraue.
„Und dein Herr ist...?"
Der Nachtelf lächelte immer noch. Nimrod musste sich zusammenreißen, dass er ihm das Lächeln nicht aus dem Gesicht schlug. Er wusste genau, zu was diese Elfen fähig waren. Sie waren Mörder, nichts anderes! Aber leider hatten sie auch die Gabe, Wahrheiten zu erkennen.
„Mein Herr ist Kelzo, Kommandant der Hoasüren, Berater..."
Nimrod hob seine Hand.
„Ich weiß wer dein Herr ist! Was will Kelzo von mir?", unterbrach er ihn.
Der Elf holte tief Atem.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ihr schon von den Gerüchten gehört habt."
Nimrod zuckte mit den Schultern.
„Welche Gerüchte?"
Er lehnte sich gegen einen Pfahl um den Anschein der Ruhe zu bewahren. Er war aber nicht ruhig. Hatte es sich herumgesprochen, dass er eine fremde Frau bei sich beherbergte? War Kelzo hinter ihr her?
„Nun, es sind keine Gerüchte! Vor ein paar Tagen hat ein Stamm einen Fremden gefangen genommen. Er war verwirrt, erzählte merkwürdige Dinge. Bevor Utek ihn holen konnte, war er geflohen!"
Nimrod wurde es abwechselnd heiß und kalt.
Ein Mann!
Eine Frau!
Beides Fremde!
Verflucht, die Prophezeiung wurde immer klarer!
Und das bedeutete...nein, soweit wollte er gar nicht denken! Dazu war er nicht bereit!
Nimrod holte tief Atem.
„Kelzo will jetzt also, dass ich den Fremden suche und ihn Utek ausliefere! Das kann er vergessen! Ich werde Utek..."
Der Elf hob die Hand.
„Nein! Kelzo möchte nicht, dass ihr den Fremden Utek ausliefert. Aber ihr sollt ihn finden! Und ihn Asiri bringen!"
Er holte einen Beutel hervor, der prall gefüllt war.
„Mein Herr Kelzo ist sich bewusst, dass Utek den Fremden umbringen wird, denn er gefährdet seinen Plan. Besonders dann, wenn noch eine Frau auftauchen sollte! Du weißt, was das bedeutet. Es würde zeigen, dass Utek kein Anrecht auf die Königreiche hätte. Bisher war es nur ein Mann, der aufgetaucht ist. Wer sagt uns aber, dass nicht auch eine Frau hier ist? Es ist noch nichts bekannt, aber sie könnte schon unter uns weilen!"
Nimrod horchte auf.
„Eine Frau?"
Der Elf nickte.
„Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis sie gefunden wird!"
Er sah zu dem weißen Pferd.
„Was mich fragen lässt, warum du ein neues Pferd brauchst!"
Nimrod verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Ich glaube nicht, dass es dich etwas angeht! Aber ich will deine Neugier befriedigen! Wir sind zu oft unterwegs. Unsere Pferde schaffen die Belastung nicht mehr! Deswegen brauchen wir Ersatzpferde! Diese Stute stand eben gerade zur Verfügung! Beantwortet das deine Frage?"
Der Elf lächelte spöttisch und sah zu den anderen Pferde auf der Koppel. Man sah, dass er Nimrod kein Wort glaubte!
„Ich werde mich mit deiner Antwort zufrieden geben! Nimmst du den Auftrag an?"
Der Nimrod nickte.
„Ich werde den Fremden finden und ihn zu Asiri bringen! Aber das hier..." er warf den Beutel kurz in die Luft und fing ihn wieder auf. „...das wird meine Ausgaben kaum decken! Ich muss schließlich meine Leute mitnehmen. Und die brauchen Nahrung und Unterkunft."
Brauchten sie nicht, aber wenn Kelzo schon so einen Auftrag erteilte, dann sollte er auch richtig bluten dafür! Nimrod hatte immer noch vor seinen Augen, wie Kelzo die Golem angegriffen und kleine Kinder getötet hatte!
Der Elf schnaubte kurz.
„Ich werde es Kelzo ausrichten. Der Rest deiner Belohnung wird auf dich bei Asiri warten!"
Nimrod nickte.
„Gut! Dann werde ich den Auftrag übernehmen!"
Der Elf verneigte sich und ging zu seinem Pferd.
Nimrod blieb stehen und dachte nach. Das waren erschreckende Neuigkeiten! Er musste sich beeilen und diesen Mann finden. Er durfte keine Zeit verlieren, denn wenn Utek ihn wirklich vor ihm in die Finger bekommen sollte, wäre alles verloren. Aber ob er ihn dann zu Asiri bringen würde, dass konnte Nimrod auch nicht versprechen! Wenn der Fremde wirklich der aus der Prophezeiung war, dann war er wahrscheinlich genauso verwirrt und verängstigt wie Astrid! Nein, Aleada!
Er würde die Zwei schützen. Auch wenn das der Verlust seiner Freiheit bedeutete!
Dr. Kaysa saß zwischen den zwei Komapatienten und beobachtete sie genau. Beide zeigten Aktivitäten in den Gehirnströmen. Doch keiner von Ihnen erwachte.
„Wo seid ihr nur?", fragte er leise.
Er hatte einmal gesehen, dass Astrid lächelte.
Er war sich sicher, dass sie das schon sehr lange nicht mehr getan hatte.
Christian lag meist still da. Aber auch er hatte starke Aktivitäten.
Eigentlich müssten die beiden erwachen. Doch sie taten es einfach nicht.
„Die beiden beschäftigen sie sehr, nicht wahr?"
Greta, die Krankenschwester, die ihm schon seit dem Unfall zur Seite stand, war unbemerkt an ihn herangetreten.
„Ich kann es mir einfach nicht erklären, warum sie nicht erwachen!"
Greta setzte sich zu Christian und nahm seine Hand. Sie sah sehr ernst aus.
„Ich habe mich nach den zwei erkundigt. Auch wenn es nur Gerüchte sind, kann ich mir nichts Schlimmeres vorstellen."
Er schaute sie ernst an.
„Ich kann es mir schon denken, dass Astrid es nicht leicht hatte. Schon allein ihr Mann. Er ist mir unheimlich! Seine Besuche haben nachgelassen, aber...ich kann es mir nicht erklären. Sobald er da ist, wird sie unruhig!"
Greta lachte sarkastisch.
„Das wundert mich nicht. Er schlägt sie. Haben sie die Brandwunden gesehen?"
Er nickte und schaute unwillkürlich auf ihren Arm.
„Ich kenne solche Narben. Er ist ein dominanter Mann. Zumindest bei ihr. Ich will nicht wissen, wie lange er sie schon misshandelt!"
Er hob eine Hand.
„Ich will es nicht hören. Ich kann es mir auch so denken, was er ihr angetan hat. Aber ich frage mich trotzdem warum sie beide so starke Gehirnströme zeigen und nicht aufwachen."
Greta stand auf und strich Christian eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Wenn ich ehrlich sein soll...warum sollten sie aufwachen? Wahrscheinlich geht es ihnen dort besser, wo sie jetzt sind. Auch wenn sie als Wissenschaftler nicht daran glauben, ich hoffe, sie können dort bleiben und endlich glücklich werden!"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro