Kapitel 55 - Angriff
„Du hast Recht gehabt, Landor! Alles sieht friedlich aus. Keiner rechnet damit, dass wir heute angreifen! Die Überraschung wird unser Verbündeter sein!"
Utek grinste zufrieden.
Landor nickte.
Auch er schien gelassen mit der Situation umzugehen. Also ein gutes Zeichen.
„Meine Spione haben mir berichtet, dass es keine Truppenbewegungen in der letzten Zeit gab. Entweder ist der Verräter sich sicher, dass ihr ihn fürchtet oder er ist wirklich so naiv zu glauben, dass ihr alles gut heißt, was er tut. Auf jeden Fall hat er nichts getan, um sich zu schützen!"
Utek schnaubte leise.
„Als ob ich das akzeptieren würde, was er hier tut!"
Nun gut, seit er das letzte Mal hier gewesen war, hatte sich einiges verändert.Er musste zugeben, dass in der kurzen Zeit, in der Nimrod hier das Sagen hatte, sich vieles zum Positiven verändert hatte. Sie waren an Felder vorbeigekommen, die in voller Blüte standen und so eine reiche Ernte versprachen. Das musste Utek ihm lassen. Zum Bauer war der Nimrod zu gebrauchen! Aber sonst zu nichts!
Er hob eine Hand und seine Truppen setzten sich langsam in Bewegung. Utek blieb auf der Anhöhe, wo er alles überblicken konnte.
Er würde sich nicht ins Kampfgetümmel stürzen. Warum sollte er? Er war der König! Er musste geschützt werden!
Das große Feld vor dem Schloss bot ein hervorragendes Schlachtfeld.
„Ich würde nicht alles nach vorne schicken. Wir sollten nicht gleich zeigen, was wir alles haben!"
Landor war bei ihm geblieben.
Utek schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich möchte, dass er vor Angst in seinem Schloss zittert. Der kleine Junge soll sich in die Hosen machen vor meiner Macht!"
Landor sagte nichts, aber Utek wusste auch so, dass er damit nicht einverstanden war. Sollte er doch! Utek war der König! Nicht Landor!
Utek sah zum Schloss.
etwas verwundert war er nun schon.
Obwohl die Erde von den Schritten der tausenden Soldaten bebte, tat sich nichts.
Keine der Wachen brüllte Warnungen. Es wurde kein Alarm geschlagen. Es geschah einfach gar nichts.
„Was ist da los? Ich habe wenigstens mit ein paar Angstschreien gerechnet!"
Landor wurde unruhig. Das war nicht gut. Dieser Waldelf war eigentlich immer die Ruhe selbst. Doch nun ging sein Blick hektisch zwischen den Truppen und dem Schloss hin und her. Sein Kiefer mahlte und man sah, dass er sich selbst Fragen stellte.
Dann drehte er sich um und wurde bleich.
„Mein König! Ich habe den Nimrod unterschätzt!"
Utek schrie seine Wut hinaus.
„Wie konnte so etwas passieren? Wie kann man den Nimrod unterschätzen? Einen Niemand!"
Landor erwiderte nichts.
Utek wusste auch so, dass er Blödsinn sprach.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte er den Nimrod noch als kleinen Jungen bezeichnet und ihn ebenfalls unterschätzt. Allerdings verstand er nicht, warum der Waldelf nun seine Ruhe und Zuversicht verlor.
„Ich würde raten, euch zurück zu ziehen!"
Utek kniff die Augen zusammen.
„Ich habe hier mehr als zehntausend Mann, die begierig darauf sind, die Anhänger des Nimrods zu töten. Glaubt ihr, ich kann sie zurückhalten?"
Landor schüttelte den Kopf. Mittlerweile bedeckten hektische rote Flecke seine Wangen.
„Was? Was ist?"
Landor schluckte hart.
„Wenn du Scheißkerl dich nicht in Sicherheit bringen willst, dann kann ich dir auch nicht helfen! Aber wir werden hier bald eingekreist sein. Ich habe das im Gefühl! Und mein Gefühl hat mich noch nie im Stich gelassen!"
Utek lachte.
„Warum sollte er Nimrod wissen, dass wir kommen? Und mit was will er uns angreifen?"
Landor wendete sein Pferd, das auch immer nervöser wurde.
„Es ist wohl irgendetwas vorgefallen, dass ich nicht vorausgese..."
In dem Moment ertönten dunkle Fanfarentöne, die alle aus dem Wald kamen.
Landor riss entsetzt die Augen auf und Utek drehte sich ebenfalls um.
Was er sah, erschütterte ihn bis ins Mark.
„Dieser gerissene Hund! Er hat das Schloss ohne Schutz zurückgelassen, um uns zu verarschen!", flüsterte er.
Aus dem Wald kamen mächtige Wagen, gezogen von Ochsen. Auf ihnen waren große Einsenrohre befestigt, die jetzt auf Uteks Soldaten zielten. Was war das für ein Höllenwerkzeug? Utek hatte dergleichen noch nie gesehen!
Der erste Schuss aus dem Einsenrohr war schon zu hören und er war präzise gesetzt. Die Truppen trieben auseinander, als die erste Eisenkugel auf die Erde traf und ein Schneiße der Zerstörung verursachte.
„Was ist das? Was hat er da bauen lassen?"
Landor konnte nicht antworten. Er war gebannt von dem Geschehen unter ihn.
Immer wieder erklang der dumpfe Knall und immer mehr Männer mussten ihr Leben lassen. Ihre Körper lagen zerrissen und verstreut auf dem Schlachtfeld.
Es dauerte nicht lange, bis seine Truppen um ein Viertel dezimiert worden war und selbst dann hörten die Schüsse nicht auf.
Gnadenlos gingen sie weiter und Utek stellte fest, dass einige Soldaten schon flohen.
Er riss seinen Hengst herum und preschte in die Richtung der Fliehenden.
„Wenn einer von euch abhaut, dann wird er mit dem Leben bezahlen!", drohte er.
Unwillig drehten die Soldaten wieder um. Nur einer schrie!
„Wir werden so oder so drauf gehen! Das wurde uns nicht versprochen, als es hieß, es würde ein leichter Sieg werden. Wir werden alle verrecken!"
Utek zog sein Schwert und trieb es den Mann in den Brustkorb. Dieser riss seine Augen auf. Blut spritzte auf Uteks Pferd und auf die Soldaten, die stehen geblieben waren.
Utek hörte das befriedigende Geräusch splitternder Knochen und das Schmatzen, als er sein Schwert wieder heraus zog. Er ließ das Blut an der Waffe und hob sie in die Höhe.
„Ihr habt mir einen Eid geschworen! Mir, dem wahren und einzigen König von Lesara! Wollt ihr euch unterdrücken lassen von einem Vagabunden? Einen Niemanden, der behauptet, der verschollene Prinz zu sein? Was kann er euch bieten? Nichts!"
Er sah den Zweifel in den Gesichtern, aber keiner wagte ihm zu widersprechen.
Langsam drehten sie sich um und nun konnte man auch erkennen, was sie zur Rückkehr bewog. Es war die nackte Angst, die sie dazu trieb.
Utek spürte Befriedigung in sich aufsteigen. Er ritt wieder auf die Anhöhe, auf der Landor immer noch stand.
Utek stieß ihn unsanft an.
„Geh! Und mach deine Arbeit! Ich bin der Herrscher und niemand wird mir das wegnehmen. Vor allem nicht der Nimrod!"
„Ich will verdammt sein, aber das habe ich nicht voraus gesehen!"
Meleonon nickte anerkennend, als er sah, wie immer mehr Soldaten des Uteks fielen. Lasander lächelte leicht. Nein, er hatte sich das auch nicht in seinen kühnsten Träumen ausgemalt, was diese Waffen ausrichten konnten.
Ramnor war schon vor einigen Wochen zu ihm gekommen und hatte diesen Vorschlag gemacht. Er hatte ihm Zeichnungen und Berechnungen vorgelegt und außerdem noch die passende Strategie dazu.
Auch wenn er Ramnor vorher nicht getraut hatte, aber das schien wirklich zu funktionieren. Zumindest hat es auf dem Papier gut ausgesehen.
Er hatte Ramnor in dem Fall freie Hand gelassen und nun sah er, dass er ihn nicht enttäuscht hatte.
Ramnor stand neben ihm und hielt wieder Papiere in der Hand. Immer wieder ging sein Blick vom Geschehen auf dem Schlachtfeld zu den Aufzeichnungen. Er redete leise mit sich selbst und man hörte ihn Zahlen vor sich hin murmeln.
Lasander war eher der Macher, aber Ramnor...er musste alles berechnen und aufschreiben. Unterschiedlicher hätten sie gar nicht sein können. Dennoch ergänzten sie sich gerade in diesem Moment.
„Sie ziehen sich jetzt zurück. Das ist schlecht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie sich so früh zurückziehen!"
Meleonon starrte ihn fragend an.
„Wie meinst du das?"
Ramnor zeigte auf die Menge.
„Schau genau hin, wohin sie fliehen!"
Lasander sah, was er meinte.
„Verflixt! Sie gehen auf das Schloss zu!"
Es sollte für Utek zwar den Anschein haben, dass niemand mehr auf dem Schloss war, aber die Frauen und Kinder waren noch dort. Und auch Aleada, die er dazu überredet hatte, nach der Einstimmung seiner Soldaten ins Schloss zurück zu gehen.
„Ich kann sie nicht mehr beschießen, denn dann würden die Kugeln das Schloss treffen!"
Lasander zog das Schwert und nickte Farani zu, der mit seinen Truppen am Waldrand wartete.
„Dann muss es jetzt wohl auf die herkömmliche Methode gehen."
Er wandte sich an den Zauberer.
„Nehme Kontakt zu Borquias auf. Er kann loslegen!"
Meleonon nickte und sofort wurden seine Augen glasig und man sah ihm an, dass er mit seinem Geist schon weit weg war.
Nimrod stieg auf seinen Hengst.
„Ramnor, du bist mein Auge und überblickst alles?"
Ramnor verzog den Mund.
„Ich habe immer noch keine Ahnung, warum ich hier bleiben soll. Ich kann kämpfen."
Lasander nickte, beugte sich aber zu ihm vor.
„Einer von uns muss am Leben bleiben! Du weißt für wen!"
Ramnor seufzte leise.
„Dann lass mich kämpfen. Du bist ihr wichtiger."
Lasander schüttelte den Kopf.
„Es ist mein letztes Wort. Ich bin der Prinz, nicht du! Meleonon steht dir zur Seite. Und wenn du eine Möglichkeit siehst, dann wird er Verbindung zu mir aufnehmen."
Ohne auf eine Antwort zu warten, preschte er vor und sein Volk folgte ihm!
Es war auf der einen Seite ein eigenartiges, aber auch ein bestätigendes Gefühl. Er war wohl da angekommen, wo er schon immer sein sollte.
Er war der Prinz und der zukünftige König!
Er würde sein Volk anführen und sich nicht wie ein Feigling im Wald verstecken.
Die ersten Gegner kamen ihm schon entgegen und er schwang sein Schwert präzise.
Er musste aufpassen, dass er nicht in eine Art Blutrausch verfiel, denn er musste auch bedenken, dass die Leute, die er jetzt noch angriff, auch zu seinem Volk gehörten. Deswegen tötete er nur diejenigen, die ihn mit voller Wut angriffen.
Er wusste genau, zu wem er vordringen musste, aber der Feigling stand immer noch auf der Anhöhe und betrachtete das Geschehen, als ob es ihn nichts anginge.
Es ertönten Signalhörner und Lasander lächelte, als er Uteks entsetztes Gesicht bemerkte.
Oh ja!
Die Waldelfen waren endlich angekommen.
Nun würde es erst richtig losgehen!
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