Kapitel 41 - Altes/Neues Leben
„Lasander! Bist du hier? Komm raus, du Feigling!"
Nimrod lag auf seinem Lager und hatte einen Arm auf die Augen gelegt. Er wollte niemanden sehen. Vor allem nicht Kasar, der ihm zweifelsohne die Leviten lesen wollte.
„Verschwinde!", lallte er.
Die Tür ging auf und Kasar kam naserümpfend herein.
Hätte er sich ja denken können, dass sein früherer Mentor nicht auf ihn hören würde. Stöhnend drehte er sich zur Seite in der Hoffnung, dass Kasar den Wink verstand.
„Meine Güte! Hast du die letzten sieben Tage durch gesoffen?"
Nimrod knurrte nur.
Natürlich hatte er das. Bevor er hierher kam, hatte er einem Bauer eine große Menge Alkohol gekauft und hier begonnen zu trinken, bis er umgekippt war. Sobald er wieder aufgewacht war, trank er weiter, bis er den gesamten Inhalt wieder auskotzte. Nein, das war bestimmt nicht das würdige Verhalten eines Prinzen, aber es war ihm in dem Moment wirklich egal gewesen! Er musste nur daran denken, was er verloren hatte.
Kasar hatte nicht ganz Unrecht. Er bemitleidete sich selbst. Und zwar so gewaltig, dass es schon eklig war. So verhielt sich der Nimrod nicht!
Kasar schnappte sich einen Schemel und setzte sich in die Nähe des Lagers.
„Du siehst beschissen aus. Ich kann mich nicht erinnern, wann du dich jemals so hast gehen lassen!"
Nimrod drehte sich auf den Bauch und blinzelte Kasar wütend an.
„Du hast doch keine Ahnung!", knurrte er. Leise fügte er hinzu: "Ich habe Astrid verloren."
Kasar lachte schallend.
„Oh doch! Kulara und der Golem sind zu mir gekommen und haben mir alles haarklein erzählt. Deine Herzdame ist verschwunden und du sitzt nun hier und bedauerst dich selbst, während deine Aufgaben von jemand übernommen werden, der sich einbildet, wenn die Revolution vorbei ist, wird sich schon alles zum Guten wenden. Also besser gesagt, sie macht gar nichts, außer herum jammern, weil du sie im Stich gelassen hast. Und nun sage ich dir noch etwas: dein Mädchen kannst du nicht zurückholen, wenn du dich hier so gehen lässt. Also bewege deinen Arsch, tritt in den magischen von Asiri und setzte deinen Kopf ein. Asiri ist keine würdige Vertretung und würde am liebsten alles dir überlassen."
Nimrod stöhnte.
Konnte ihn die Zauberin nicht einen Moment Ruhe gönnen? Verdammt nochmal, bisher hat sie es doch auch gut alleine hinbekommen. Gut, es war nicht viel geschehen, aber jetzt alles auf ihn ab zu wälzen, das war frech!
„Das ist vollkommener Blödsinn! Bis vor einer Woche hat Asiri nicht einmal gewusst, dass ich der Prinz bin. Was mich zu der Frage bringt, woher Kelzo das wusste!"
Kasar zuckte mit den Schultern.
„Woher soll ich das wissen? Die Nachtelfen haben für sowas immer ein Gespür. Ich denke, er wusste es von Anfang an."
Nimrod stand schwerfällig auf.
„So, Asiri schiebt mir also die alleinige Schuld zu? Das ist ja allerliebst!", meinte er bitter.
Kasar lachte böse.
„Hast du jemals erlebt, dass es anders war? Was hat sie bisher schon getan, als sich im Schloss deines Vaters zu verstecken und Utek machen zu lassen, was er will?"
Kasar betrachtete ihn, während er auf das Fass zu wankte und sich einen Schluck Wasser nahm.
Als Nimrod sich einen Eimer über den Kopf leeren wollte, packte ihn Kasar am Kragen und zerrte ihn nach draußen zum Fluss. Ohne auf Nimrods Gegenwehr zu achten, schmiss er ihn in die Fluten.
Erst als Nimrod wieder halbwegs nüchtern war, ließ er ihn ans Ufer.
„So, was hast du jetzt vor?"
Nimrod fuhr sich durch den Bart, der ihm mittlerweile gewachsen war.
„Erst einmal sollte ich mich etwas herrichten und dann werde ich ins Schloss zurückkehren. Mal schauen, was Asiri mittlerweile angestellt hat. Und dann sollte ich mir überlegen, wie ich Aleada wieder herholen kann."
Kasar nickte wohlwollend.
„Das ist der Mann, den ich seit Kindesbeinen an kenne!"
„Du kannst nicht einfach so hinaus!"
Mikael stand vor der Haustür, die Arme vor der Brust verschränkt, doch Astrid zuckte nur mit den Schultern. Sie war keineswegs von seiner Statur oder Größe beeindruckt. Sie hatte schon größere und stärkere Männer gesehen, wie zum Beispiel den Waldelfenkönig. Leise seufzte sie. Schon wieder musste sie an Lesara denken.
„Ich werde wahnsinnig, wenn ich noch einen Tag in dieser Villa bleiben muss, ohne etwas tun zu können!"
Mikael hob eine Augenbraue.
„Du bist tot, das weißt du doch! Wenn dich nun jemand erkennt? Dein Bild war tagelang in jeder TV-Show zu sehen."
Sie schnaubte.
„Wer soll mich schon erkennen. Ich war immer unauffällig und immer darauf bedacht, nicht auf zu fallen! Außerdem sehe ich anders aus, als ich damals ausgesehen habe."
Das konnte niemand bestreiten.
Nicht nur ihr Aussehen, nein, ihr Auftreten war selbstbewusster.
Sie hatte sich das Haar von Greta dunkler färben lassen. Außerdem hatte sie eine riesige Sonnenbrille auf und trug Kleidung, die sie früher nie getragen hätte. Warum sollte sie jemand erkennen?
„Komm schon, Mikael. Ich muss irgendetwas tun."
Greta kam ihr zu Hilfe.
„Lass sie gehen, Mikael. Wenn Astrid noch eine Weile hier versauern muss, wird sie in Depressionen verfallen. Und du musst zugeben, dass sie sehr verändert aussieht! Es wird schon nichts passieren!"
Mikael seufzte leise.
„Na gut, aber ich sollte dich begleiten!"
Astrid schnaubte.
„Das wäre dann wirklich sehr unauffällig! Lass mich einfach einen Moment alleine durch die Gegend ziehen. Ich werde in einer Stunde wieder zurück sein! Das verspreche ich!"
Mikael war noch etwa skeptisch, doch Greta zog ihn einfach von der Tür weg und scheuchte Astrid hinaus.
Diese atmete tief ein.
Himmel, der Kerl war sturer als Lasander. Und der war schon ein sturer Mistkerl gewesen.
Sie lief durch die Straßen des Nobelviertels.
Ja, hier würde sie bestimmt niemand erkennen, denn hier war sie noch nie gewesen.
Sie lief in einen kleinen Park und setzte sich auf eine Bank.
Greta hatte schon Recht gehabt. Sie steuerte wirklich auf eine kleine Depression zu, aber das passte nicht zu ihr. Das hatte zu Astrid gepasst, aber nicht zu Aleada.
Vor ein paar Tagen hatte Mikael einen Brief bekommen. Er sollte als Zeuge im Prozess gegen Gerald aussagen, der in Kürze begann.
Sie wunderte sich darüber, dass es so schnell ging, aber da sie durch diesen Brückeneinsturz schon eine kleine Berühmtheit gewesen war, wollte der Staatsanwalt wohl so schnell wie möglich beginnen. Auch war das öffentliche Interesse an diesem Prozess enorm.
Sie sah ein paar Kindern zu, die am See spielten. Sofort erinnerte sie sich an Kasars Kinder, die auch immer am See spielten, sobald sie ihren Eltern entwischen konnten.
Und sie erinnerte sich daran, als Lasander einmal mit ihnen gespielt hatte.
Unwillkürlich lächelte sie, als sie an diesen Mann dachte. Sie fragte sich, was er gerade tat. Lief die Revolution schon ohne sie an? Ging Lasander nun endlich seiner Bestimmung nach? War er nun endlich der Prinz, der er seit seiner Geburt sein sollte?
Langsam stand sie wieder auf und verließ den Park. Vor einem Café blieb sie stehen und bestellte sich einen Kaffee. Sie genoss die letzten Sonnenstrahlen, denn es wurde bald dunkel. Sie konnte sich vorstellen, dass Mikael in der Villa schon sehr ungeduldig wartete. Nun, dann würde er noch länger warten müssen. Sie bestellte sich aus Trotz noch ein Stück Kuchen und genoss es sichtlich.
Erst dann ging sie zurück.
Vor der Villa drehte sie sich noch einmal um und betrachtete die Stadt.
Ihr war schon bewusst, dass sie die Stadt nun anders sah. Sie hatte keine Angst mehr, in ihr zu leben. Trotzdem wollte sie zurück nach Lesara.
Aber jeden weiteren Tag, den sie hier verbringen musste, schwand ihre Hoffnung.
Lasander, du Mistkerl! Mach jetzt endlich und hol mich zurück. Ansonsten bekommst du eine Menge Ärger!
Der Nimrod schreckte auf.
Er war auf den Weg zum Schloss, als er laut und deutlich Astrids Stimme in seinem Kopf hörte.
Lasander, du Mistkerl! Mach jetzt endlich und hol mich zurück. Ansonsten bekommst du eine Menge Ärger!
Erst war einen Moment verwundert und erbost. Was glaubte sie denn, was er tat?
Dann grinste er.
Sie hatte schon irgendwie Recht. Er musste nun endlich etwas tun. Und wenn er nur mal gewissen Personen mal mächtig in den Hintern trat. Oh ja. Wenn sie zurück wollte, dann würde er alles ihm Mögliche tun, um ihr den Wunsch zu erfüllen. Schließlich war es auch in seinem Sinne, dass sie endlich wieder an seiner Seite war.
Asiri würde er notfalls in ihrer Hütte einsperren, bis sie einen Weg gefunden hatte, Astrid zurück zu holen. Und den Nachtelf konnte ein ähnliches Schicksal erwarten.
Irgendwie erstaunte es ihn, dass sie, trotz der Entfernung, offensichtlich ahnte, dass er nichts getan hatte.
Er verzog etwas das Gesicht.
Es ändert sich alles, Astrid! Ich werde mich bemühen! Bald kommst du wieder zurück nach Hause!
Ihm war so, als ob sie ihm antworten würde. Was natürlich Blödsinn war. Wie sollte er sich mit ihr unterhalten können.
Dennoch!
Er hörte sie!
Das wird verdammt noch mal Zeit!
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