Kapitel 22 - Ramors Flucht
Wieder war ein Kampftag vorüber.
Und wieder hatte Ramnor das getan, was Darenen von ihm wollte.
Diese Frau schaffte es immer wieder, ihn in der Nacht die Kräfte zurück zu geben, so dass er am anderen Morgen keinen Grund mehr hatte, die Kämpfe nicht an zu treten. Jeden Morgen wachte er auf und rechnete schon damit, dass er Schmerzen haben würde. Aber er es kam ihm vor,als ob erfrischender wäre, las am Tag zuvor.
Aber er wollte einfach nicht mehr. Er konnte nicht mehr. Denn obwohl er körperlich nichts zu bemängeln hatte, so war er seelisch nicht ganz auf der Höhe.
Er verlor wieder keinen der Kämpfe, aber Darenen war unzufrieden. Seine Quote war mittlerweile so niedrig, dass er kaum Münzen verdiente, wenn auf ihn gewettet wurde.
„Du solltest verlieren!", hatte sie ihm vorgeschlagen. „Nur eine Weile, bis man vergisst, dass du der Beste bist. Nach ein paar Wochen kannst du wieder anfangen zu gewinnen. Wir haben kaum noch Münzen."
Ramnor hatte keine Ahnung, wo das ganze Geld, das er in den letzten Wochen gewonnen hatte, geblieben war. Doch sie schien wirklich keine Münze mehr zu haben. Er fragte sich, für was Danesis so viel Geld brauchte.
Nach seinem letzten Kampf, den er dieses Mal verlor, um Danesis zu beruhigen, ging er aus der Scheune heraus und an den Fluss.
Er wusste genau, dass Hutop kommen würde.
Bisher war es jeden Abend so gewesen.
Er stieg in die Fluten und ließ sich etwas flussabwärts treiben, bis er sicher war, dass ihn Darenen hier nicht finden würde.
Wie erwartet saß Hutop schon am Ufer und wartete auf ihn. Als er Ramnors entschlossenen Gesichtsausdruck bemerkte, lächelte er.
„Ich sehe deinem Gesicht an, dass du meinen Vorschlag heute annehmen willst!", grinst er.
Ramnor nickte, stieg aus dem Fluss und schüttelte sich das Wasser aus den Haaren.
„Ja! Ich möchte nicht mehr für sie kämpfen. Weißt du, was sie heute vorgeschlagen hat? Sie möchte, dass ich Kämpfe verliere. Offenbar verdiene ich zu wenig. Sie behauptet, ich hätte keine Münze mehr."
Hutop wurde auf einmal ernst.
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich alleine habe mit Wetten auf dich schon ein größeres Vermögen angehäuft. Du gibst doch kaum etwas für dich aus? Wo ist dein Geld geblieben?"
Ramnor zuckte mit den Schultern.
„Heute Morgen hat sie mich tatsächlich kurz allein gelassen. Ich habe einige Münzen gefunden, aber bei weitem nicht so viel, wie Darenen schon wahrscheinlich eingestrichen hat."
Er zog aus seinen Leinenhosen einen Beutel heraus, der immerhin gut gefüllt war.
Hutop lachte laut.
„Irgendwie habe ich immer das Gefühl, ich müsste dich retten. Aber das ist wohl Preis, den ich mit dir habe. Im Gebüsch habe ich zwei gute Pferde versteckt. Die Taschen sind gut mit Essen und Kleidung gefüllt. Ich werde dich bis nach Upsati begleiten und dir noch einmal helfen, aber dann musst du dich alleine durchschlagen."
Ramnor war überrascht. Er hätte nicht geglaubt, dass Hutop ihn einfach so gehen lassen würde.
„Du siehst mich sehr überrascht an, Ramnor. Ich kann dir auch eine Erklärung dafür geben. Du hast mich schon einmal gebeten, dich ziehen zu lassen. Damals habe ich nur an den Reichtum gedacht und einen Handel mit einer Hexe geschlossen. Das war ein großer Fehler, wie ich jetzt bemerke!"
Ramnor verstand nicht ganz, was Hutop damit meinte.
„Ich habe dich gebeten, mich ziehen zu lassen? Wann denn? Und wer war die Hexe?"
Hutop schaute beschämt auf den Boden.
„Darenen ist die Hexe. Sie hat mir vorgeschlagen, dass sie dich deine Vergangenheit vergessen lässt. Ich weiß noch, dass du nach einer Frau suchen wolltest. Leider weiß ich nicht mehr, aber ich werde dir nun bei der Flucht helfen, denn ich habe mehr als genug durch dich verdient!"
Ramnor ließ sein Blick in die Ferne schweifen.
„Astrid!"
Hutop nickte.
„Du kannst dich an sie erinnern?"
Ramnor schüttelte wieder den Kopf.
„Nein. Nur an ihren Namen! Wie hat es Darenen geschafft, mir meine Erinnerung zu nehmen?"
Hutop grinste nun schelmisch.
„Lag sie nicht jede Nacht bei dir?"
Ramnor nickte vorsichtig.
„Was hat das damit zu tun?"
Nun lachte Hutop schallend.
„Manche Hexen sind berühmt dafür, dass sie den Männern ihren Willen aufzwingen können, wenn sie den Beischlaf mit ihnen praktizieren. Aber so mächtig scheint sie doch nicht zu sein, denn wenn sie den Zauber jede Nacht erneuern musste, dürfte deine Erinnerungen bald wieder kommen!"
Er sah zu der Scheune und sah die weibliche Gestalt, die sich suchend am Ufer auf und ab bewegte.
„Jetzt müssen wir uns beeilen. Darenen sucht schon nach ihrem Spielzeug."
Er zog Ramnor mit sich mit und als sie endlich die Pferde erreichten, stiegen sie auf und ritten davon.
Darenen schrie ihre Wut heraus.
Sie hätte sich denken können, dass Ramnor ihr irgendwann entwischte.
Verdammter Mensch!
So undankbar!
Sie ging zum Wagen und öffnete die Schatulle, in der sie ihre Münzen aufbewahrte. Es war genug vorhanden, um sich ein großes Gut zu kaufen.
Wenn sie nicht so böse wäre, hätte sie Ramnor ziehen lassen und sich irgendwo niedergelassen. Er hatte für sie genug verdient und kaum etwas für sich verlangt.
Aber er hätte sie um Erlaubnis fragen müssen.
Ihre Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen.
Sie hatte ihn so weit gebracht.
Sie hatte ihn Nacht für Nacht aufgepäppelt, damit er am anderen Tag wieder kämpfen konnte.
Und das war nun der Dank? Er verschwand einfach?
Sie schloss die Truhe wieder und verstaute sie unter den Wagen. Dann ging sie zu Hutop. Er würde vielleicht wissen, wohin Ramnor gegangen war.
Zu dieser Frau bestimmt nicht. Nein, die Erinnerung war ausgemerzt. Er erinnerte sich wahrscheinlich nicht einmal mehr an ihren Namen.
Sie hatte seine Erinnerungen gesehen. Sie war ein nettes Mädchen, aber Ramnor brauchte nichts Nettes. Er brauchte eine richtige Frau, die ihm zeigte, wo es lang ging. Und das war sie.
Sie kam bei Hutops Wagen an.
Danesis hatte ihm eingeschärft, dass er nichts Neues kaufen sollte. Man sollte ihnen den Reichtum nicht ansehen.
Hutop hatte sich daran gehalten und den alten, wackligen Wagen behalten, den er schon seit Ewigkeiten besaß.
„Hutop!", rief sie und klopfte an die Tür des Wagens. Nicht rührte sich. Nur ein kleiner Lichtschein drang durch die Türritze hindurch.
„Hutop! Mach die verdammte Tür auf. Oder bist du endlich tot, du Mistkerl?"
Langsam aber sicher steigerte sich Darenens Wut.
Nachdem Hutop sich wieder nicht meldete, öffnete sie entschlossen die Tür und trat in den Wohnbereich des Wagens ein.
Entgegen ihrer Vermutung war es im Inneren erstaunlich sauber und aufgeräumt.
Eine einzelne Kerze brannte auf dem Tisch, aber von Hutop fehlte jede Spur. Sie suchte den Schlafbereich ab, aber sie fand weder Hutop, noch seine Kleidung.
Langsam dämmerte es ihr.
Der alte Mistkerl hatte Ramnor geholfen. Wer weiß schon, wie lange sie das schon planten. Darenen war sich ihrer Sache so sicher gewesen.
Sie würde ihn finden.
Kein Mann verließ sie einfach so.
Das würde sie nicht zulassen.
„Meinst du, sie hat es schon bemerkt?", fragte Hutop.
Ramnor lachte zynisch.
„Ob Darenen bemerkt hat, dass ihr Goldesel verschwunden ist? Ganz sicher hat sie das schon bemerkt."
Er gab dem Pferd die Sporen.
„Ich hoffe nur, sie folgt der falschen Fährte."
Sie waren erst in eine andere Richtung geritten, bevor sie wieder wendeten und nun ihrem eigentlichen Ziel entgegen ritten. Hutop hatte einen genauen Plan im Kopf.
Upsati war die nächste Stadt, die sie ansteuern, denn dort gab es eine Kampfarena und Ramnor wollte noch etwas Geld verdienen, bevor sie sich trennten.
Hutop wollte ihn zur Seite stehen, bis Ramnor genug hatte und ihn nicht schon verlassen, wenn sie die nächste Stadt erreichten. Er würde ihn wieder als seinen Kämpfer ausgeben, obwohl er das nicht mehr war. Ramnor hatte ihm genug bezahlt.
„Upsati...ist das eine große Stadt?", fragte Ramnor Hutop.
Dieser nickte.
„Oh ja. Daher denke ich, dass Darenen uns dort nicht suchen wird. Sie wird denken, dass wir die großen Städte meiden."
Ramnor sah nachdenklich in die Ferne.
„Ich denke dabei gar nicht mehr an Darenen."
Hutop hob eine Augenbraue. Dann wusste er, worauf Ramnor an spielte.
„Dein Gedächtnis scheint schneller zu genesen, als ich gedacht habe, wenn du wieder an die andere denkst."
Der junge Mann schüttelte seinen Kopf.
„Nein. Ich erinnere mich immer noch nicht an sie. Aber es wäre doch möglich, dass sie mich auch sucht."
Hutop nickte.
„Das ist möglich. Dann sollten wir sehen, dass sie mitbekommt, dass du kämpfst! Aber wir müssen vermeiden, dass Darenen davon Wind bekommt. Mach dir keine Sorgen. Ich werde mir etwas einfallen lassen."
Ramnor war sich nicht so ganz sicher, ob das eine gute Idee war. Aber bisher hatte er immer einen guten Freund in Hutop gehabt. Warum sollte er ihn nun verarschen?
Er stutzte einen Moment.
Doch, das hatte er eigentlich schon, als er sich mit der Hexe einließ.
Ramnor wusste, dass er niemand mehr trauen konnte. Denn bisher hatten ihn alle meist nur benutzt. Aber er hatte das Gefühl, dass er bald noch mehr Grund zum Misstrauen haben sollte. Oder zumindest, dass er vorsichtiger werden würde.
Himmel, hoffentlich fand er die Frau und sie erklärte ihm, was er hier tat!
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