Kapitel 20 - Wut
„Bist du sicher, dass sie bald aufwacht? Sie schläft schon einige Zeit und macht irgendwie keine Anstalten, dass sie erwachen könnte."
Aleada wachte langsam auf, dämmerte aber vor sich hin. Sie lag wieder auf etwas Weichem, dass sich wie Moos anfühlte. Also war sie immer noch auf Lesara und nicht wieder in ihrer Welt.
Sie war erleichtert, als sie diese Stimme wieder erkannte, die sie vor ihrer Ohnmacht noch geärgert hatte.
„Sie ist zäher als es zuerst den Anschein hat. Du hättest sie erleben sollen, als ihr bewusst wurde, dass sie nicht mehr in ihrer Heimat ist. Jede andere Frau wäre verzweifelt, aber sie hat nicht lange gebraucht, um sich anzupassen."
Da war Lasander. Eigentlich sollte sie auch auf ihn sauer sein, aber seltsamerweise war sie es nicht. Sie war froh, dass er auch noch bei ihr war.
Sie stöhnte leise auf, als sie versuchte, sich auf zu richten. Ihr Rücken schmerzte höllisch von der ungewohnten Haltung, in der sie diese Deppen gezwungen hatten und auch ihre Handgelenke brannten wie Feuer.
Sie spürte, wie jemand ihr auf half.
Sie öffnete die Augen und sah Lasanders Gesicht.
„Astrid! Geht es dir gut?"
Seine Stimme klang besorgt.
Benommen rieb sie sich über die Stirn.
„Mir tut alles weh, aber ansonsten geht es mir eigentlich gut."
Seine Miene wurde noch eine Spur besorgter.
„Das liegt bestimmt daran, dass du so lange gefesselt warst."
Sie stöhnte erneut, ließ sich aber von Lasander aufhelfen. Er lehnte sie gegen einen Baum und reichte ihr danach einen Trinkschlauch.
„Hier! Trink das!"
Sie nahm einen kräftigen Schluck und hustete stark. Himmel, war das Schnaps?
Die Männer grinsten, während sie mühsam versuchte, das Zeug in sich zu behalten.
„Wollt ihr mich vergiften?", fragte sie, als ihr Husten endlich abgeklungen war.
Der andere Kerl, dessen Stimme sie bisher nur kannte, stand auf und wischte sich das Laub von der Lederhose.
„Ihr solltet wirklich noch eine Nacht bei uns bleiben, wenn mein Vater euch schon einlädt. Das macht er bei Menschen nicht so oft"
Er sah zu ihr.
„Borquias ,der König der Waldelfen und eben mein Vater, ist schwer beeindruckt von dir. Er findet, du hast dich sehr gut gehalten, als unmittelbar ein Mann nach dem anderen starb. Selbst als du dachtest, du würdest sterben hast du ihm getrotzt."
Lasander schnaubte.
„Er hat aber auch gesagt, dass ich sie so schnell wie möglich weg bringen soll! Manchmal verstehe ich ihn nicht."
Der Kerl zuckte mit den Schultern und hockte sich vor Aleada.
„Nun, kleine Frau aus einer anderen Welt, ich denke, du bist neugierig genug, um einmal einen Blick in die Welt der Waldelfen zuwerfen. Habe ich Recht? Mein Vater will damit deinen Mut belohnen."
Aleada sah zögernd zu Lasander.
Natürlich war sie neugierig, aber sie wollte es sich nicht mit dem Nimrod verscherzen. Schließlich hatte sie gesehen, zu was er fähig war.
Doch er sah sie lächelnd an.
„Ich denke, sie will einen Blick riskieren."
Aleada merkte, wie sie errötete.
„Aber nicht, wenn wir dadurch Zeit verlieren.", versuchte sie abzulenken.
Er lachte leise.
„Ich habe dir so einen Schreck eingejagt, da sollte ich dir schon eine Entschädigung bieten."
Er zog sie vorsichtig vom Baum weg, behielt sie einen Moment in seinen Armen bis er sicher war, dass sie alleine stehen konnte und dann drehte er sich zu dem Kerl um.
„Dann wollen wir mal zu deinem Volk."
Sie waren lange gelaufen. Zumindest kam es Aleada so vor.
Immer wieder bestand Lasander auf eine kleine Pause. Heron, so hieß der Kerl, der sie begleitete, schüttelte dann andauernd gespielt entrüstet den Kopf.
„Man könnte meinen, du schleppst ein kleines Kind mit dir herum, Nimrod! Sie ist stark. Das hast du selbst gesagt."
Lasander schnaubte.
„Das mag sein, aber sie ist entführt worden, hat nichts zu essen bekommen und lag stundenlang gefesselt unter einem Baum. Sie braucht Rast, denn sonst hält sie die Wanderung nicht durch."
Heron lachte laut.
„Ich habe noch nie erlebt, dass du so besorgt bist. Vor allem nicht zu einer Frau. Bisher warst du ja nicht am weiblichen Geschlecht interessiert."
Aleada verzog das Gesicht.
„Das ist er jetzt auch nicht! Es ist harmlos. Ich bin doch angeblich die Prophezeiung. Ist doch klar, dass er nicht will, dass mir etwas geschieht. Schließlich soll ich ja eure Welt retten!"
Nimrod blieb abrupt stehen, so dass sie beinahe gegen ihn stieß.
„So denkst du also von mir? Dass ich dich nur beschütze, weil ich denke, du bist eine der Weltenretter?"
Sie runzelte die Stirn.
„Ist es denn nicht so?"
Er zog seine Augenbrauen zusammen.
„Du hast keine Ahnung! Wenn ich so denken würde, dann hätte ich dich bei der Zauberin abgeliefert und dich nicht mitgenommen!"
Heron setzte sich auf einen Baumstumpf und beobachtete ihren Streit grinsend.
„Du hast mich mitgenommen, weil du wissen willst, ob der Fremde zufällig mein Freund ist. Ich bin ja die Einzige, die Christian erkennen könnte. Ich habe mich nie beschwert, dass ich hier bin. Aber du streitest doch die ganze Zeit mit mir. Dann werde ich entführt und festgehalten, bis jede Menge Elfen auftauchen, mich bedrohen und du stehst da mit einer Maske. Du hast dich mir nicht einmal zu erkennen gegeben. Ich habe mir bald aus Angst in die Hose gemacht!"
Er stieß verblüfft seinen Atem aus.
„Ach! Und nur deswegen denkst du, ich wäre ein mieser Kerl?"
Er brüllte sie nun an.
Das kannte sie nicht von ihm. Nicht von Lasander, der noch an dem einen Abend mit ihr am Feuer saß und ihr zuhörte.
Nein, vor ihr stand nun der Nimrod. Hitzköpfig, stur und herrisch.
„Das habe ich gar nicht gesagt. Dreh mir nicht meine Worte im Mund herum! Willst du dich nun unbedingt immer mit mir streiten? Ist es das, was du willst?"
Er stieß krachend seine Faust in einen Baum, was ihm ein Schnauben von Heron einbrachte.
„Ich will mich nicht mit dir streiten! Du hast angefangen, irgendeinen Blödsinn zu erzählen!"
Aleada kreuzte ihre Arme vor ihrer Brust.
„Du hast mir bis jetzt auch noch keinen Grund gegeben, meine Behauptungen zu revidieren!"
Seine Kinnlade fiel herunter. Er japste nach Luft, dann drehte er sich um und ließ sie mit Heron alleine.
„Das ist alles, was du kannst? Abhauen, wenn es dir mal nicht in den Kram passt?", schrie sie ihm hinterher.
Sie spürte, wie Heron eine Hand auf ihre Schulter legte.
„Es reicht, Aleada! Lass ihn in Ruhe."
Sie schnellte den Kopf zu ihm.
„Habe ich nicht Recht?"
Er schüttelte den Kopf.
„Du hast keine Ahnung! Dein letzter Satz wird ihn noch sehr lange beschäftigen und er wird sich wieder mit Vorwürfen quälen. Aber mit allem anderen hast du Unrecht!"
Sie schnaubte wütend.
„Kennst du ihn so gut, dass du das behaupten kannst?"
Heron lachte leise.
„Oh ja, ich kenne ihn. Und du hast ihn mit deinen Worten gerade sehr verletzt!"
Auf einmal wurde ihr bewusst, was sie im Zorn Lasander alles an den Kopf geschmissen hatte. Ihr wurde schlecht. Sie hatte keinen Grund gehabt, ihn so anzugreifen. Bisher war er immer gut zu ihr gewesen und hatte nie etwas von ihr verlangt, was sie nicht wollte.
Heron ließ ihr einige Augenblick zum Nachdenken.
„Er hat eine große Verantwortung. Ich habe gehört, wie du ihn bei seinem richtigen Namen genannt hast. Er hat ihn dir verraten, oder?"
Sie nickte misstrauisch. Was hatte das mit der Verantwortung zu tun.
„Nun, kleine Fremde, weißt du alles von der Prophezeiung?"
Sie zuckte mit der Schulter.
„Nur, dass zwei Fremde kommen um eure Welt zu retten."
Heron nickte.
„Lasander ist auch ein Teil der Prophezeiung, auch wenn er es nicht wahrhaben will. Sein Name bedeutet viel Verantwortung, die er übernehmen muss, sobald man ihn mit dem Namen in Verbindung bringt. Bis jetzt hatte er seine Freiheit, aber die muss er dann aufgeben. Er ist zerrissen zwischen seinen Schuldgefühlen, weil er sich bisher der Verantwortung gedrückt hat und der kleinen Rebellion, dass er eben alles machen kann, was er will, solange er unerkannt bleibt."
Aleada runzelte die Stirn.
"Ich verstehe nicht ganz."
Heron lächelte sie an.
"Es ist eigentlich ganz einfach. Du wirst es erfahren, wenn er bereit dazu ist. Doch bis dahin solltest du ihn einfach so sein lassen, wie er will."
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