Kapitel 2
Das Lichtspiel der Bäume war dem Schatten eines lückenlosem Blätterdaches gewichen und verbarg den Farbschimmer in Lethias Haaren. Ihre smaragdgrünen Augen wanderten aufmerksam von einer Waldseite zur anderen, irgendwie musste sie versehentlich doch zu weit nach Norden gegangen sein, den der Ort welcher sich vor ihren Füßen ausbreitete, glich denn Erzählungen über das Sumpfland.
Die schmatzenden Geräusche ihrer Schritte waren der einzige Laut, weit und breit. Sie hatte schon oft die Märchen gehört, in denen die Leute davon erzählten, welch grauenvolle Gestalten sich in den undurchdringlichen Wäldern verbargen.
Wenn sie an die vielen Plätze und Menschen dachte, die sie schon gesehen hatten, wurde ihr klar, dass sich die Leute selten so einig waren, wie bei diesem Ort.
Das Brechen morschen Holzes, holte sie aus den Gedanken.
Eilig wandte sie ihren Kopf, mit der kurzen, wilden Frisur.
Jetzt war es deutlich zu vernehmen, jemand bewegte sich außerhalb ihrer Sicht, quer durch das Unterholz.
Viel zu schnell um etwas hätte klar erkennen zu können huschte ein unbeständiger Schatten umher, nur um mit einem Satz aus dem Ungewissen in ihre Richtung zu springen.
Das Tier war riesig, hatte einen wuchtigen Kopf der auf einem muskulösen Nacken saß und das Maul entblößte messerscharfe, weiße Zähne.
Abrupt, kam der Fell bedeckte Körper neben ihr zum stehen, während die Taschen, Gefäße und anderer Kram, welcher auf dessen Rücken befestigt war, ein chaotisches Klimpern verursachten. "Und Malik? Hast du einen Weg hier raus gefunden?" Fragte Lethia ungerührt von der Vorstellung, während sie ihre Hände im drahtigen Pelz der Hyäne vergrub.
Die Schultern mit den kräftigen Vorderpfoten reichten dem Mädchen problemlos über die Hüfte. Plötzlich zuckten Maliks Ohren und der schwarze Kamm, welcher vom Nacken bis zum kurzen Schwarz reichte, richtete sich abrupt auf.
Mit einem leisen Grummeln verlieh er seinem Misstrauen, Ausdruck.
Immer noch eine Hand auf seiner Schulter, machte die junge Frau einen Schritt auf den Ort zu, an dem das Fremdartige hinter Blättern zu lauern schien.
Sie löste ihre Finger, um die Bepflanzung bei Seite zu schieben, nur damit sich im geringen Licht weiteres dichtes Grün abzeichnete.
Malik machte eine kraftvollen Satz durch das Geäst, wobei sein Fell ihn vor Schrammen und Kratzern schützte. Dann folgte auch seine menschliche Begleitung, doch es dauerte eine ganze Weile bis sie sich durch das Dickicht gekämpft hatte.
Unbeständige Schatten huschten nun vor ihr über den feuchten Untergrund und spielten mit dem wenigen Hell. Die massige Hyäne hatte sich auf dem modrigem Stamm eines alten Baumes aufgebaut, den Blick ins verborgene dahinter.
Die toten Wurzeln ragten aus dem Holz gen Himmel, als Lehtia plötzlich glaubte eine kleine Hand im Chaos des Geästes zu erkennen.
Ohne große darüber nachzudenken, sprang sie behände über das Hindernis.
Beim Anblick ihres Fundes, legte sich ein mitleidiger Ausdruck über ihre Züge.
Ein Mädchen mit endlos vielen Wunden und Schrammen übersät, vielleicht gerade alt genug um erste Arbeiten in der Familie zu verrichten, auf dem Kopf ein Tierschädel.
Da sich der kleine Brustkorb kaum merklich hob und senkte, befand sich doch noch ein Hauch Leben in dem schlaffen Körper.
Malik grummelte erneut. "Ernsthaft?" Fragte sie ihren Partner und schaute dabei in seine bernsteinfarbenen Augen.
"Sie ist ein Kind, hör auf zu grummeln und komm her!" Das Tier landete auf der freien Fläche zwischen ihr und dem fremden Mädchen, während der weiche Boden unter seinen Pfoten schmatzte.
Im Normalfall hätte sie ein Feuer entfacht und an Ort und Stelle ein Lager aufgeschlagen, doch ganz unglaubwürdig wollte sie die Warnungen der alten Geschichten nicht in den Wind schlagen. Notdürftig polsterte sie den Rücken ihrer Transportwahl, mit der alten Schlafunterlage, welche immer einen zusammengerollten Platz auf der rechten Flanke hatte.
Das Kind war kaum ein Gewicht auf ihren Armen, als Lethia sie behutsam trug.
Das Blut, welches den Körper benetze, war bereits getrocknet, Arme und Beine hingen widerstandslos herab. Der Anblick tannengrüner Haare brachte sie zum Schmunzeln, während sie den leblosen Körper auf die Decke Pakte. Das Raubtier wartete geduldig, bis das Gewicht gleichmäßig verteilt war, auch wenn man an den gespitzten Ohren und der entblößen Zahnreihe erahnen konnte, dass ihm diese Idee nicht behagte. Der bunte Schal aus einer Seitentasche, diente als Befestigung. "Auf geht's", beschloss sie auffordernd und Malik setzte sich widerwillig in Bewegung.
Die Richtung hatte die feuchte, aber untrügliches Nase ihres Gefährten bestimmt, doch wie spät es bereits war konnte sie unter den Bäumen nicht ausmachen.
Sicher war nur, dass ihr Fund sie langsamer gemacht hatte.
Inzwischen war es noch schwerer geworden den Weg im Dämmerlicht unbeschadet zu bewältigen, aber wirkliche Sorgen machte sich Lethia um die Tatsache, dass ihr Freund immer unruhiger wurde. Fahle Schatten huschten am Rande ihrer Sicht immer wieder ins Dunkel und Geräusche mehrten sich um sie.
Die junge Frau war sich bewusst, dass noch vor wenigen Stunden nur die Schritte ihre, zusammen, sechs Beine sie begleitet hatten. Jetzt knackte und raschelte das Unterholz.
Trotz scheinbar zahlenmäßiger Überlegenheit, traute sich keine näher heran, was wahrscheinlich an der wuchtigen Raubtiergestalt lag.
Auf einmal brach wilde Panik um sie herum aus.
Das Getier in den Sümpfen, hechtete, wie vom Tod verfolgt, an und zwischen ihren Füßen vorbei, vereinzelt sogar dagegen. Erst jetzt erkannte sie die spinnenähnliche, aber katzengroße Geschöpfe, welche kleine Schwänze hatten.
Eine genaueres in Augenschein nehmen war ihr verwehrt, als ihr Freund seine unbeschadeten Zahnreihen entblößte.
Was auch immer da war, an Maliks Körperspannung konnte sie erkennen, dass auch er Respekt vor diesem etwas hatte.
"Raus hier", rief sie ihm panischer zu als sie wollte, denn ihr war bewusst, dass er ohne zu zögern auch gekämpft hätte, nur um ihr einen Vorsprung zu verschaffen.
Während ihre Füße verzweifelt halt im feuchten und von Hindernissen gespickten Untergrund suchten, hatte die Hyäne kein Problem im minimalen Licht alles genau zu erkennen.
Ohne nachzudenken packte sie seinen Schwarz und ließ sich so führen. Ihr Herz raste vor Anstrengung und Angst, immer wieder gegen die Rippen hämmernd.
Plötzlich erklang ein ohrenbetäubenden Geräusch hinter ihnen. Ein markerschütternder Aufschrei peitschte durch den Sumpf und das Brechen gewaltigen Holzes folgte.
Dass dieses Wesen wahrscheinlich viel größer und wesentlich brutaler war, als alles was sie kannte, beruhigte Lethia nicht im geringsten.
Immer wieder verfing sich ihr Fuß in Wurzeln, oder der Morast wurde abrupt tiefer, was sie unweigerlich zum Stolpern brachte. Mit einer unnatürlich Geschwindigkeit holte ihr Verfolger auf, als sie das tosende Geräusch von Wasser vernahm und die konturenlose Schwärze den Blick auf eine Lichtung zuließ.
Sofort löste sie den Griff ihrer verkrampften Hand und sie rannte, alle Kraftreserven mobilisierend, ins Freie, nur um einen brennenden Atemzug später zu erkennen, dass dies eine Sackgasse war.
Vor ihr lag ein Abhang, der nur wenige, steile Vorsprünge hatte, an dessen Ende sich ein Fluss erbarmungslos fort wand.
Noch bevor ein Plan zwischen ihren pochenden Schläfen zu Stande kommen konnte, flog ein gewaltiger Ast auf die Lichtung, er verfehlte sie nur knapp und zog eine tiefe Furche ins Erdreich, bevor er die Klippe hinab verschwand.
In Maliks Augen leuchtete Entschlossenheit, bereit seine knochenbrechenden Kiefer in das Monster zu graben, aber wenn er dies tun würde, hätte das fremde Mädchen auf seinem Rücken keine Chance, das wusste sie.
"Die Schlucht, Malik, nein! Komm her!" Der wuchtige Kopf wandt sich Richtung Abgrund, auf den auch ihre schlanken Finger deuteten.
"Unten!!!" rief sie und ihre Schritte trugen sie auf den Rand der Klippe zu, ohne einen Halt darüber hinaus zu machen.
Mit letzter Kraft stieß sie sich ab und hoffte das Wasser zu erwischen, währen sich die Hyäne mit kräftigen Sätzen über die Vorsprünge einen eigenen Weg nach unten bahnte.
Ein letztes mal sog ihre brennende Lunge die Luft ein, bevor eine unerträglich Kälte sie umhüllte und wie flüssiges Eis durch ihre Adern peitschte.
Alles war schwarz und die Geräusche dumpf, während die klebrigen Fäden der Dunkelheit sie in die Hoffnungslosigkeit zogen. Dann war es still.
Ein bitterer Eisengeschmack war das erste was Lehtia wahrnahm, dann folgte ein ein brennender Schmerz, welcher jeden Muskel ihres Innersten besetzt hatte.
Sie lag mit einer Gesichtshälfte auf dem kühlen Untergrund, zum Test, ob ihr Körper noch gehorchte, vergrub sie ihre Hände im weichen Sand. Es funktionierte, wenn auch nur unter großer Anstrengung.
Eine nasse Substanz giltt über ihr Gesicht und warmer Atem berührte die Haut.
Dass ihr so vertraute Kichergeräusch hämmerte hart in ihrem Schädel, als Malik erkannte, das seine Freundin erwachte.
Vorsichtig öffnete sie die Augen, es war immer noch finster, doch das drahtige Fell vor ihr glänzte silbern, was bedeutete, das der Mond nicht mehr von Blättern verdeckt wurde.
Schmerzlich rappelte sie sich auf, um sich auf den Knien sitzend ihrer Umgebung bewusst zu werden.
Der Fluss war seicht an dieser Stelle und es sah so aus als hätte ihr Begleiter sie vom Ufer weg gezerrt, vielleicht sogar aus dem Wasser gefischt.
Die Erdwand an der anderen Seite schimmerte braun im Mondschein und offenbarte stellenweise schwarze Flecken, welche nach erster Einschätzung Höhlen sein mussten. Der Wald hinter ihr wirkte dagegen unsympathisch.
Also stemmte sie sich auf ihre wackeligen Beine, nur um stöhnend durch das Nass zu waten. An einem schmalen Loch, kaum höher als die Hyäne, machte sie Halt und stütze, mit ihrer Hand über dem Eingang, ihren aufrechten Gang.
Ein prüfender Blick verriet ihr, dass das Kind noch immer nicht bei Bewusstsein war, also löste sie die Halterung und ließ sie, so vorsichtig sie konnte, zu Boden gleiten.
Anscheinend hatte der wilde Ritt dem Mädchen nicht weiter geschadet, dass es trotzdem unmöglich war jetzt noch weiter zu laufen, das wäre selbst einem Geistesschwachen klar gewesen, also packte sie das hilflose Wesen von hinten unter den Schultern mit einer Hand die Decke haltend und zog sie in das Loch.
Die Anstrengung entflamme erneut den Schmerz in ihren Gliedern und doch raffte sie sich wieder auf und löste das Tragegeschirr, mit all dem Zeug, welches sich auf Maliks Rücken befand, bevor sie sich neben den kühlen Kinderkörper sinken ließ.
Sie drehte das fremde Geschöpf in ihre Arme, liebevoll umschließend und zog die Decke über alles, während das riesige Raubtier sich ebenfalls vor das Kind legte, mit dem massigen Körper den Eingang verdeckte.
Eine Sekunde nachdem sie sich nieder gelegt hatte, griffen schweren Ketten der traumlosen Schwärze nach ihr und zogen sie hinab, erneut in die einheitliche Dunkelheit.
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