Kapitel 15
In Lethias Welt wogte das Gras weiterhin wie hell grünes Wasser zwischen Neel und dem unheilvollen Schatten.
Ohne erkennbaren Grund traten Tränen in die Kinderaugen und das Mädchen setzte sich in Bewegung, Richtung Unheil.
Obwohl die schlanken Frauenfinger das Jagdmesser an Maliks Gurt unbewusst gelöst hatten, war Lethia nicht im Stande sich zu rühren bis die Hyäne den ersten Schritt Richtung Schatten machte. Wie ein Blitzschlag durchzuckte die Lösung ihre Gedanken und ohne zu zögern rannte sie los, wobei sie den humpelnden Gefährten überholte.
Kurz bevor schwarze Arme sich um Neel zu legen drohten, stach die Frau ihre Waffe tief in die Augenhöhe des wimmernden Jägers.
Ihrer Meinung nach musste das der Kern des Übels sein.
Ein qualvolles Stöhnen des Todes war der letzte Versuch ihres Peinigers am Leben festzuhalten.
Neel stolperte immer noch auf die lächelnden Gesichter zu, doch dann erzitterte die Welt; ein zornerfüllter Schrei erklang.
„Neel! Neel! BLEIB STEHEN!!!", brüllte Su-Su panisch. Neel blinzelte, das Heiligtum verblasste vor ihren Augen, alles verschwand und sie stand wieder in der weiten Steppe.
Das hohe Gras kitzelte ihre Beine, die Brise spielte mit ihrem Haar, die Tränen trockneten kalt auf ihrem Gesicht.
Das Kind war verwirrt, sie brauchte einige Herzschläge um die Situation zu erfassen.
Lethia war über den Jäger gebeugt ihr Messer in der Hand, das Schattenwesen wand sich vor Wut schreiend und wurde in die Augenhöhle zurückgezogen.
Dann entdeckte das schwarze Etwas den Grund seiner Niederlage und bewegte sich auf Lethia zu. Neels war es als hätte ihr Herz aufgehört zu schlagen, instinktiv wusste das Mädchen, sollte der Schatten Lethia erreichen, würde diese es nicht überleben.
Angstschweiß brach auf ihrer Haut aus; das böse Ding war seinem Opfer ganz nah: Lethia sah auf, ihre grünen Augen weiteten sich.
Su-Sus Augenhöhlen leuchteten silbern und dann schnellte Neels Schatten vor, auf Lethia zu, der Schatten verformte sich zu einer großen Hand, packte Lethia an der Schulter und schleuderte die junge Frau mehrere Meter fort, in das hohe Gras.
„Ich bekomme dich! Ja wohl! Neel! Komm zurück oder ich werde jeden einzelnen töten, der dir hilft!", fauchte die zuckersüße Frauenstimme aus dem zähflüssigen, schwarzen Brei, der nun endgültig wieder in der Augenhöhle des toten Jägers verwunden war.
Malik sprang zu Lethia, die wieder auf die Beine kam, ihr kurzes Haar stand ihr wild vom Kopf ab. Als Neel sah, dass ihre Gefährten wohl auf waren, atmete sie bebend aus, die Gefahr schien vorüber.
Blut tropfte ihr aus der Nase, ein heftiges Zittern ging durch den kleinen Körper, die zum Zerreißen gespannten Muskeln entspannten sich, als das Kind mit einem Seufzen ohnmächtig wurde.
Lethia, die von ihrem Standpunkt aus den hilflosen Kinderkörper in sich zusammensacken sah, ergriff eine innere Kälte.
Zwar hatten die anderen Jäger, welche nur zu Fuß aufholten, ihre Geschwindigkeit immens gedrosselt, doch völlig aufgegeben schienen sie nicht zu haben.
Sofort setzte sie sich in Bewegung, obwohl erste Tränen der Verzweiflung ihre Sicht verschwimmen ließen.
„Neel!!!", rief sie, als ihre Knie hart auf dem Boden neben ihrer Gefährtin aufschlugen.
Auch Malik kam herbei gehumpelt, doch durch den Pfeil, welcher noch immer den Hinterlauf durchdrang, war es unmöglich ihm Neel als zusätzliche Last aufzubürden.
Liebevoll zog sie das Kind auf ihre Oberschenkel, um zu schauen, ob sie noch atmete.
Ein schmales Rinnsal aus Blut verlief von der Nase über die Lippen das Kinn hinab.
„Neel!", rief sie erneut, doch nur das schwache Atmen zeugte davon, dass ihre Gefährtin noch lebte. Als die Silhouetten der Jäger allmählich menschliche Konturen annahmen, beschloss sie, das Kind zu tragen. Mit der kleinen Last auf ihren Armen stolperte sie los, um nicht noch mehr Vorsprung zu verlieren.
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