Kapitel 10
Die Augenhöhlen des seltsamen Schädels blitzten silbern auf, Malik hob den Kopf und knurrte.
Im Raum herrschte eine bedrohliche Spannung, doch dann lachte die Alte gackernd. „Na! Na! Keine Angst, wir kennen uns, auch wenn ihr mich vergessen habt! Darum seid ihr hier."
Der Geruch nach exotischen Gewürzen zog Lethia förmlich an. Seltene Kräuter waren auf anderen Märkten sehr begehrt, weshalb sie den Geldbeutel ungemein auffüllten, wenn man sie in fernen Städten anbot. Die junge Frau hatte gerade eine lohnende Menge der Waren zusammengesucht, als ihr das erste Mal auffiel, dass Malik und das Kind nicht mehr in der Nähe waren. Die grünen Augen schauten sich suchend im Gedränge um, doch erhaschten keine Spur von einem achtzig Kilo schweren Raubtier, mit einem Kind auf dem Rücken. Zwar hatte sie den Geldbeutel fest in der Hand, immer griffbereit zu einem Spontankauf, aber Malik hatte alle Taschen und Beutel an seinem Geschirr befestigt.
Einen Moment dachte sie daran, ihren treuen Gefährten mit dem guten Gehör zu rufen, doch als ihr das Bild der leuchtend grauen Kinderaugen wieder einfiel, wollte sie Neel nicht die Chance nehmen, den Markt mit allen Geheimnissen zu erkunden. Also beschloss sie nach etwas Essbaren zu schauen und traf, mit den Waren selbst beladen, auf einen Händler der frisches Obst anbot.
Seine Mine war finster und er beschwerte sich angewidert bei seinem Nachbarn. „Wenn ich es dir doch sage, Sumpfmenschen sind widerwärtig. Hast du das dreckige Kind nicht gesehen?", fragte er empört. „Einfach aufgefressen...!", log der Mann und spielte sich künstlich auf, während Lethia ein paar leckere Sachen zum Abendessen aussuchte. „Papperlapapp!", blockte sein Gegenüber ab, doch der Mann ließ nicht locker. „Nix da, du hat das fleckige Tier und den grünen Gnom ja nicht gesehen!", fauchte der Obsthändler, entschlossen den Anderen zu überzeugen. Auch die junge Frau hatte bereits verstanden, dass es sich um ihre Begleiter handeln musste. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrem Innersten aus.
Neel war erschrocken, die Alte lachte immer noch. "Wer bist du, du altes, vertrocknetes Krokodil?!", fragte Su-Su und versuchte bedrohlich zu klingen. „Freundlich wie immer... Hekate bin ich und habe euch nur gesucht, weil ihr mich darum gebeten habt.", erwiderte die Blinde mysteriös. „Wir haben um gar nichts gebeten, wir kennen dich ja nicht mal! Und woher weißt du überhaupt von mir?", rief Su-Su zornig. "Ich hasse es, mich zu wiederholen!", Hekate machte ein frustriertes Geräusch. „Ich sagte doch, ihr habt mich vergessen, liegt wohl an dem harten Schlag auf euren Schädel! Vor langer Zeit habt ihr mir etwas gegeben...", die Alte verließ abrupt den Raum zügigen Schrittes, Neel zweifelte langsam daran, dass sie tatsächlich blind war.
„Su-Su was sollen wir jetzt machen? Mir ist die Alte unheimlich!", jammerte das Mädchen. „Sei kein Feigling! So können wir etwas darüber herausfinden, wer wir vor der Spaltung waren, du bist doch auch neugierig?!" Su-Su kicherte wieder einmal in sich hinein. Hekate kam wieder in das Zimmer und warf einen kleinen Beutel vor Neel auf den Tisch, dann setzte sie sich wieder mit einem breiten zahnlosen Grinsen. Die schneeweißen Haare der alten Frau standen auf einmal zu Berge, zuvor waren sie ordentlich zu einem Knoten hoch gesteckt gewesen, es schien als hätte sie das Beutelchen unterm einem Bett gesucht.
Der Beutel war aus schwarzem Samt und ziemlich schwer in Neels kleiner Hand. Sie öffnete den Verschluss und schüttelte den Inhalt auf den Tisch. Zum Vorschein kam eine silberne Kette. Sie hatte eine daumendicke, silberne Kugel als Anhänger, dieser war mit unglaublich filigranen Schnörkeln verziert und anscheinend aus massiven Silber, denn er war ziemlich schwer. "Und für was ist der, alte Oma?", fragte Neel und wendete das Schmuckstück in den Händen.
Hekate lachte wieder, ein böses Grinsen legte sich über ihr zerknittertes Gesicht. „Das weiß ich doch nicht! Es ist eure Kette, ich habe sie nur verwahrt!" So wie sie es sagte war es offenkundig, dass sie log. Neel und Su-Su gerieten in Zorn und sprangen auf. „Du lügst!", riefen sie gleichzeitig. Hekate lachte diesmal etwas gehässig. „Ja das kann sein, ihr müsst es wohl selbst herausfinden... Soo fürs erste reicht es mir jetzt! Wir sind erstmal quitt!", erwiderte sie im Plauderton. Dann sprang sie mit einer unmenschlichen Geschwindigkeit auf und stand plötzlich vor Neel. Hekate beugte sich zu ihr herab, das schrumpelige Gesicht ganz nah an ihrem; die blinden glasigen Augen blickten in die des Mädchens.
Malik und Neel waren nicht mehr in einer gemütlichen Stube, sie standen in einem zerfallenen Haus, das aussah als wolle es jeden Augenblick völlig einstürzen. Die Hyäne schnüffelte neugierig im Zimmer herum, Neel stand einfach, mit der schweren silbernen Kette in der Hand da, sie war unsagbar verwirrt. „Hahahaah! Also das war ja mal was!", lachte Su-Su und Neel dachte, dass sie viel besser zu der alten verrückte Hekate passte als zu ihr.
Malik stupste das Kind mit seiner nassen Schnauze an und löste so die Starre, in der sich Neel befunden hatte. Plötzlich bekam sie Gänsehaut und ihr war ganz bange, schnell stieg sie auf Maliks Rücken und fand Trost, als sie ihre Hände im warmen Fell ihres Freundes vergrub. „Los schnell weg hier! Ich will zu Lethia!", wisperte sie der Hyäne zu. Diese schien damit mehr als einverstanden und rannte augenblicklich los.
Bei jedem Schritt klirrte die geheimnisvolle Silberkette in Neels kleiner Hand.
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