23.Vergib mir Vater für all meine Sünden
Der Marsch erschien Sebastian endlos. Alles sah gleich aus und alles war gleich. Das zufriedene Lachen der Holländer stach ihm in den Ohren und das endlose dunkel des Waldes in den Augen. Ihm kam es vor wie der Vormarsch der Hölle, und in gewisser Weise war er es auch. Den Zellenaufenthalt den sie in dem Städchen haben würden wäre nur eine Rast bis es für ihn, Carlos und Tippens weiter zum Hauptreiseziel gehen würde.
Ein Stich durchfuhr sein Herz. James.
Ihre Geschichte schien nun zuende. Für ihn würde ein neues Kapitel beginnen und für Sebastian würde sich das Buch für immer schließen. Da war so viel was er noch mit James vor hatte, so viel was er gedacht hatte und ihm nie gesagt hatte, so so viel. Er blinzelte die Tränen beiseite und schloss für einen Moment die Augen.
Vergib mir Vater für all meine Sünden. Vergib mir all die Gelüste denen ich nachging, all das Leid das ich zugefügt, all die Menschen die ich getötet und all die schändlichen Gedanken.
Vergib mir meine wenige Sensibilität, meine Liebe zu dem Risiko und der Gefahr, meine Goldsucht und meine wenige Disziplin.
Er bekreuzigte sich behilfsmäßig.
Vergib mir Vater für all meine Sünden.
_..._
„Anker lichten! Segel setzten! Wir nehmen Kurs auf Nord-Ost!"
Niemand rührte sich. Die ganze Mannschaft starrte ihn an, die Münder geöffnet, die Augen weit offen. Noch niemand hatte ihn je so wütend gesehen. Vor der Luke wirbelte er herum. „Los anfangen worauf wartet ihr!" Sie zuckten zusammen und machten sich dann schnell an die Arbeit.
Schweren Fußes trampelte er die Treppe hinunter, auf direktem Wege seiner Kajüte. Mit einem lauten Knall stieß er die Tür auf. Als sie sich von selbst wieder geschlossen hatte warf er einen weiteren Dolch, diesmal neben das Schlüsselloch. Plötzlich schien sein Körper diese ganze Kraft und Wut zu verlieren. Der benommene Ausdruck trat zurück auf sein Gesicht und ließ seine Zornesfalten erschlaffen. Wie eine Holzpuppe sank er auf seinem Thron zusammen.
„Käpt'n was " James fuhr hoch, die Zornesfalten sich wieder bildend. „Was ist los? Was wird Harry der Mannschaft erzählen ?", beendete Hektor seine Frage, die Tür leise hinter sich schließend. „Es war eine Falle", begann Moriarty sich erhebend, „Eine verdammte Falle! Soldaten des holländischen Königs haben auf sie gewartet und haben sie festgenommen. Bis auf Harry er konnte fliehen" Er begann in seinem Karten Regal zu stöbern. „Aber ähm Käpt'n... Was hast du vor ? Will-willst du sie etwa retten ?"
James nickte und zog eine faltige, gelbliche Karte hervor. Vorsichtig legte er sie auf seine Pult und befestigte sie mit seinen Briefbeschwerern. Hektor meldete sich wieder, kleinlauter als zuvor, zu Wort. „Da-das hast du aber doch noch nie gemacht... Warum jetzt ?" „Verlass meine Kajüte Hektor" „Aber-" James fuhr herum, die Augen funkelnd mit Hass. „Warum glaubst du wohl ?! Dieser dämliche Holländer soll doch nicht glauben er könnte drei meiner besten Leute köpfen und sich damit küren! Nein das kann er ganz schnell vergessen! Und denk an das Geld! Drei volle Goldbarren,- die lasse ich uns nicht durch die Lappen gehen!" Hektor nickte unterwürfig. „Gut, Käpt'n"
Mit kleinen Schritten verließ er die Kajüte, die Tür wieder hinter sich schließend. Der Kapitän beachtete ihn schon gar nicht mehr. Sein Blick lag auf Vught. Er besah sich den Marktplatz, machte seine Gassen ausfindig, Straßen und Lädchen. Er musste sich so gut wie möglich dort auskennen um Sebastian zu retten, und dass er das tat stand außer Frage.
Er hatte gerade den ersten Briefbeschwerer von der Karte genommen als seine Tür erneut geöffnet wurde. Er erkannte die Schritte. Es war Alice. Er wandte sich herum. „Schließ' bitte die Tür" Sie tat wie ihm geheißen, blieb aber stumm. Stell lehnte sie nun an der Tür, ihr Blick auf ihm ruhend. „Du wirst es schaffen" Er hob eine Braue. „Was ?" „Du wirst ihn retten. Ich weiß es, ich kann es spüren"
Er lachte. „Darum geht es mir doch gar nicht. Das Gold ist mir das worum es geht. Moran kann mir gestohlen bleiben, es geht hier nur um meine Ehre" „Und deinen Stolz. Und Sebastian", erwiderte sie, ganz natürlich. Kopfschüttelnd verstaute er die Karte wieder im Regal. „Wie kommst du darauf es würde mir um ihn gehen. Er ist nur eine Steuermann und Küchengehilfe" „James", begann sie, tief Luft holend, „Ich kenne dich jetzt schon fünf Jahre und ich habe dich noch nie jemanden so ansehen sehen wie ihn. Er bedeutet dir etwas, du -"
Plötzlich hatte sie einen Pistolenlauf vor der Nase. Aber sie blieb ruhig und sprach weiter. „Du liebst ihn" James nahm die Pistole herunter. „Soweit würde ich nicht gehen. Soweit kann ich gar nicht gehen" Sie seufzte. „Doch mit ihm schon. Diese Rettungsaktion ist sehr gefährlich. Es könnte sein das wir alle am Ende am Galgen hängen. Du würdest dieses Risiko nicht wegen drei x-beliebigen Matrosen auf dich nehmen" Er verdrehte die Augen. „Weißt du es gibt Tage da denke ich das mein Schuss auf dich übertrieben war", er grinste, „Heute ist keiner dieser Tage"
Sie lachte. Es fühlte sich komisch an das in seiner Gegenwart zu tun, wegen ihm, wegen eines Witzes den er über eine beinahe tödliche Verletzung die er ihr zugefügt hatte, machte. Es fühlte sich fast so an als wären sie wie früher, vor dem Schuss.
„Was ist dein Plan ?" Er ließ sich auf seinem Thron nieder und sie kam zu ihm hinüber, durch das nun wieder stetig schaukelnde Deck nicht durcheinander gebracht. „Ich werde bei der nächtlichen Patrouille die Wachen überfallen und ihnen die Uniformen abnehmen. Wir werden, verdeckt als Wachen, zur Hinrichtung geschickt. Die Anderen, also der Rest von uns wird nach Verlesung des Urteils beginnen in der Menge für Unruhe zu stiften sodass sich erst darum gekümmert werden muss. Während das passiert werden die von uns die für die Gefangenen zuständig sind, fliehen. Ganz einafch und narrensicher" Sie schüttelte den Kopf. „Was wenn die anderen verhaftet werden ? Dann wäre doch nichts gewonnen. In den Augen der Mannschaft. Das ist nicht gut überleg dir etwas anderes"
Er grinste schief. „Test bestanden" „Was ?" „Das war ein Test. Ich wollte sehen ob du dich nach meinem Schuss auf dich immernoch so frei äußerst" Unbehaglich fragte sie: „Und das heißt ?" „Das heißt das das gut ist. Ich mag das eigentlich an dir"
„Wenn du deine Meinung nicht an die Mannschaft weitergibst", fügte sie in Gedanken hinzu.
„Nun die Tarnung mit den Wachen war nicht gelogen, aber mehr sage ich dir nicht" Er legte selbstsicher die Füße auf den Tisch. „Dir sei versichert; Dieser Plan wird ihn befreien" „Aber was wird er uns kosten ?" James grinste. „Das lass meine Sorge sein" Alice seufzte. Sie hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. „Versprich mir nur das du Jackson aus diesem Plan raushälst" „Wegen deinem Braten ?" Alice legte den Kopf schief. „Ich verstehe nicht..." James deutete auf ihren Bauch. „Den Braten den du in der Röhre hast. Ich gehe davon aus das er von Jackson kommt ?" Ihre Augen weiteten sich doch sie kommentierte es nicht. Sie hatte dies zu oft erlebt, warum sollte sie es überraschen das er nun auch von dieser Sache schnell Notiz genommen hatte ?
Langsam nickte sie. „Ja, es ist Jacksons Kind", sie räusperte sich, „Darüber wollte ich auch mit dir sprechen... Jackson und ich werden gehen" „Gehen ?" „Ja wir werden uns auf Nassau niederlassen und dort einen Laden betreiben" Es kostete sie einiges an Überzeugung und Mut diese Worte hervorzubringen. Sie hatte Angst vor seiner Reaktion doch diese fiel, gelinde gesagt, mild aus. Erst blinzelte James, dann nickte er. „Gut" „Gut ?" Er nickte wieder und stand nun auf. „Ich kann keine Schwangere und Liebeskranken an Bord gebrauchen"
Es waren harte aber ehrliche Worte.
Sie trafen Alice auf eine Art und Weise die sie noch nie zuvor gespürt hatte oder gar für möglich gehalten hatte. Ohne sie erwartet zu haben brachen die Tränen aus ihr heraus. Sofort schlug sie die Hände vor das Gesicht, versuchte sie und ihre Emotionen zu verstecken. Tief atmete sie ein und aus, versuchte nicht zu schluchzen und sich vor ihm noch mehr zu beschämen. Sie spürte seinen Blick auf sich. Beobachtend, neugierig. In der Zukunft würde man diesen mit dem Blick eines Wissenschaftlers vergleichen.
Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich herum und verschwand in die Kombüse, diesen kalten Blick ihres Kapitäns im Rücken.
_..._
Sie bekamen eine gemeinsame Zelle.
Mit kaltem Sandstein am Boden, eisigen Stäben vor dem einzigen kleinen Fenster, oder besser gesagt, Loch in der Wand und ein Haufen Heu um darauf ihr Geschäft zu verrichten. Es gab weder Decken oder Kissen noch Uhren oder irgendetwas. Es war leer, nur der Gestank nach Exkrementen aus den Nachbarzellen lag in der Luft.
Erschöpft ließen sich die drei noch immer verketteten Männer auf den Boden sinken. „Ich bin froh das Harry es geschafft hat", sagte Carlos leise, seine dreckigen Nägel betrachtend. „Ich auch", sagte Tippens, „Weißt du ich hätte gerne nocheinmal alle gesehen" Carlos nickte zustimmend und lachte leise. „Erinnerst du dich an damals als Craig in den Eimer gefallen ist ?" Tippens kicherte. „Oder als Henry sich die Suppe über's Gesicht gekippt aht und dann ne Narbe davon gekriegt hat ?" „Oder als Thomas und Harold ihr Duett gesungen haben ?" „Oder als wir uns mit den Johnsons geprügelt haben, letzten Sommer ?"
Langsam verklang ihr Lachen bis es in ein nostalgesches und trauriges Schweigen überging.
„Vielleicht rettet der Käpt'n uns", murmelte Tippens in die Stille hinein und kassierte dafür einen Tritt von Carlos. „Sei nicht albern! Der Käpt'n schert sich doch keinen Pfifferling um uns! Er riskiert doch nicht sein Leben oder das von der Mannschaft um uns frei zu kriegen" Abrupt erhob Sebastian sich und ging auf den größeren der beiden Heuhaufen zu. Wie ein Sack Kartoffeln fiel er dort hinein, die Augen geschlossen zu einem traumlosen Schlaf.
Tippens und Carlos schauten ihn einen Moment an, dann schüttelte ersterer den Kopf. „War nur so ein Gedanke" „Ja ein dummer Gedanke den du auch für dich hättest behalten können" Tippens seufzte. „Tut mir Leid... Es ist nur so; ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben" Carlos legte den Kopf in den Nacken. „Dann tu' das mal lieber, dann haste die Enttäuschung schneller hinter dir"
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