20.Reiche Beute
Der Kapitän des französischen Schiffes gab auf als er ihren Gesang vernahm. Ernergisch, und voller wütendem Fluchen, hisste er die weiße Flagge. Jubelschreie wurden daraufhin auf dem Piratenschiff ausgerufen. Die Pistolen und Entermesser wurden an ihren Gürteln verstaut und schonmal der Wein auf Deck gebracht.
Sie ankerten auf der backbordseite des Handelsschiffes. Moriarty war der erste der feierlich die Planke überquerte. Und wiedereinmal konnte Sebastian feststellen wie elegant Kapitän James Moriarty war. Seine Bewgungen waren so fließend und ästehtisch, das Sebastian nicht anders konnte als ihn anzustarren. Nach und nach folgten seine Männer ihm und bald stand die halbe Besatzung auf dem Schiff der Franzosen.
„Was schifft Ihr ?" „Tabak Sir. Und Stoffe und Gewürze" Moriarty trat einen Schritt auf den Kapitän zu. „Was für Stoffe ?" „Seide und Brokat" Der Kapitän grinste und wandte sich zu seiner Mannschaft herum, die ihn erwartungsvoll anschaute. Sie hatten nichts von dem vollkommen auf französisch stattgefundenen Wortwechsel verstanden. „Seide, Brokat, Tabak und Gewürze!", rief er und wandte sich dann nochmal zu dem Franzosen um: „Wo ?" „Zwischendeck" Moriarty übersetzte und die Mannschaft rannte mit lautem Gebrüll und Euphorie hinunter.
Er und drei weitere Männer widmeten sich währenddessen der französischen Mannschaft und deren Kapitän. Den Säbel gezogen dirigierte sie Moriarty in die Mitte des Schiffes, um den Mast herum. „Ausziehen", kommandierte er. „Pardon ?! ", fragten sie entsetzt, hoffend das sie es falsch verstanden hatten. Moriarty verdrehte die Augen. „Ausziehen!", wiederholte er den Befehl, jede Silbe betonend. Langsam und zögernd begannen die Männer ihre kostbaren Kleidern von sich zu nehmen und ordentlich vor dem Piratenkapitän abzulegen. Dieser betrachtete das Geschehen mit einem zufriedenen Lächeln. Er musterte die Kleider. Sie zeigten gehobene Mittelschicht. Es gab sie in den verschiedensten Farben, bestickt mit Perlen, besonderen Mustern und teilweise auch Brokat. Seine Gedanken wurden unterbrochen.
Der Rest der Mannschaft kletterte durch die Luke. Sie hielten Kisten und Fässer in den Armen und pfiffen während sie diese über die Planke auf ihr eigenes Schiff brachten. Moriarty schenkte diesem Treiben nur solange Aufmerksamkeit wie es dauerte das Sebastian an Deck auftauchte. Er hielt ein dunkelrotes Kleid in den Händen. Es war mit goldenen Steinen und schillernden Rubinen verziert und schrie geradezu nach Reichtum. James' Mundwinkel zuckten. Das würde Irene sicher gefallen. Außerdem sah sie in rot nicht so blass aus.
Er wandte sich ab. Die Franzosen hatten sich nun bis auf die Unterwäche ausgezogen und zitterten nun in dem Wind. „Fesseln", gab er den Befehl an Mister Cooper und Mister Beckett. Sie kamen dem nach und begannen der feindliche Mannschaft die Hände hinter dem Rücken zu Fesseln und diese Knoten dann mit einem weiteren Seil um den Mast zu befestigen.
„Wir haben fast allles hinüber geschafft Käpt'n", informierte Hector ihn, die letzte Kiste Gewürze auf dem Arm. Moriarty nickte. „In Ordnung, bereitet die Kanonen vor, niemand soll diesen Abschaum hier wiederfinden" Hektor nickte und der Pirat richtete seinen Blick auf die nun zur Genüge gedemütigten Gefangenen. Er musterte sie und wählte schließlich einen südländisch aussehenden Jungen aus. Er nickte Beckett zu und der löste ihn aus dem Geflecht von fesseln. Verwirrt sah der Junge drein, bis Beckett ihn über die Reling schubste. Mit einem lauten Platschen landete er im Wasser. Drei weitere seiner Kollegen folgten ihm.
Sie ergriffen sofort die Flucht und schwommen los. Moriarty schaute ihnen grinsend hinterher.
„Sir warum haben sie das getan ?", fragte der Koch des französischen Schiffes, die Brauen zusammen gezogen und die Stirn gerunzelt. Moriarty ging einige Schritte auf ihn zu und hockte sich dann vor ihn hin. Sein Mantel lag nun auf den Dielen des Schiffes und er war mit dem Koch auf Augenhöhe, was diesen sichtlich verängstigte. Er packte sein unrasiertes Kinn.
„Wie ist dein Name ?", fragte er auf französisch, den Kopf leicht schief gelegt. Der Koch schüttelte den Kopf. „Ist nicht wichtig Sir, entschuldigen Sie" Moriarty's Griff wurde fester. „Wie.Ist.Dein.Name ?" Der Koch schluckte. „Guillaume Richard" Moriarty lächelte und lehnte sich vor. „Also Guillaume; Du ahst doch sicher schon oft von Piraten wie mir gehört oder ? Welchen die Angst und Schrecken verbreiten..." Der Koch nickte. „Ist dir nie etwas an diesen Geschichten aufgefallen Guillaume ?" Der Koch schüttelte den Kopf. „Nein Sir"
Moriarty schaute in den Himmel und kratzete sich mit der freien Hand am Kinn. „Wirklich nicht ? Hast du nie bemerkt dass das Ende immer gleich ist ?", er wandte sich wieder dem Franzosen zu. „Und er ließ niemanden am Leben", zitierte er. „Aber wenn nun niemand überlebt hat, wer erzählt dann diese Geschichten ? Verbreitet sie und bringt Nationen dazu vor einem Namen zu erzittern ?"
Bellend lachte er und stand auf, den Kopf des Koches mit Wucht nach hinten werfend.
„Es muss immer jemand überleben, Guillaume, schließlich wäre es ohne Überlebende doch langweilig"
_..._
Die samtige Decke der Nacht legte sich über den wolkenlosen Himmel und tauchte ihn in dunkle Farben. Nur der weiß leuchtende Mond durchbrach die Schwärze und erhellte das Deck der Amphrite. Das Schnarchen der Mannschaft und das Klatschen der Wellen waren die einzigen Geräusche.
Er war fast allein an Deck. Nur Thomas, der Steuermann und zwei der Takelare leisteten ihm stumm Gesellschaft. Es war ruhig. James liebte das. Seine Gedanken ließen sich so am Einfachsten entfalten und ordnen. In dieser nächtlichen Stille hatte er schon des Öfteren Pläne geschmiedet und sein Gold gezählt.
Doch heute war ihm nicht danach zumute. Etwas in ihm ächzte und verzehrte sich nach etwas, nein jemandem. James wusste woher dieses Gefühl rührte, doch er hatte seinen Stolz. Er würde dem nicht nachgehen, das würde er nie mit sich vereinbaren können. Er verschränkte die Arme vor der Brust und stützte sich auf die Reling, den Blick nun auf die tief unter ihm liegenden Wellen gerichtet. Er hatte in den letzten Tagen etwas fest stellen müssen, etwas schreckliches, etwas wovor er, James Moriarty, sich fürchtete. Sebastian war ihm ans Herz gewachsen. Er vertraute ihm, mehr als sonst jemandem, auch nach der Sache mit Miss Dilton. Er mochte das Geräusch von seinem Lachen und seiner Stimme und das Gefühl von seiner rauen Haut unter seiner. Er war aufgeregt wenn Sebastian etwas über sich erzählte und mehr von seinem früheren Leben preisgab.
Dieses Gefühl war ihm unbekannt, deswegen machte es ihm Angst. Was dumm war. Er brauchte doch nicht Angst vor einem Gefühl zu haben! So einem menschlichem und albernen noch dazu!
Ein leises Knarren unterbrach seine Gedanken. Seine Mundwinkel zuckten. „Sebastian" Er wandte sich herum und wie erwartet stand er dort. Hochgewachsen und sehnig muskulös. Barfuß, in Leinenhose und verdreckter Tunika. Die blonden Haare im gebräunten Gesicht hängen, ein ertapptes Lächeln auf den Lippen. Wieder konnte James sein Herz ächzen spüren.
„Käpt'n", erwiderte der Blonde mit angedeutetem Lächeln. James wandte sich nun vollkommen herum, den Rücken gegen die Reling gelehnt. „Du willst mit mir über Miss Dilton sprechen", deduzierte James mit gespitzen Lippen. Sebastian nickte und machte einen Schritt auf ihn zu. „Sie ist vollkommen genesen, sie kann wieder zurück an ihre Arbeit" „Das wurde auch Zeit", sagte James seufzend, Sebastians bitteren Blick daraufhin ignorierend. „Dann wirst du zurück an deinen Platz als Steuermann gehen, bis auf weiteres" Sebastian machte einen weiteren Schritt auf ihn zu sodass er nun neben ihm an der Reling lehnte. „Wie meinst du das ?" James befeuchtete seine Lippen und wandte sich ihm seitlich zu. „Ich habe mir etwas überlegt wie wir aus den Holländern Geld schlagen können. Du bist ein Teil davon mein Lieber"
Er hob den Blick und begegnete Sebastians blitzenden Saphiren. „Eine Erpressung", stellte Sebastian fest, „Und ich bin der Unterhändler" James grinste. „Du solltest dein schlaues Köpfchen öfter benutzen" „Ich habe keine Chance das auf jemand anderen abzuwälzen, nicht wahr ?" James schüttelte den Kopf. „Nein, nein, da kommst du nicht mehr heraus Teuerster" Sebastian kicherte leise und drehte sich nun zum Wasser, ähnlich wie James zuvor. Einige Minuten schauten sie stumm hinaus, bis...
„Ist das eine Insel ?" James zog sein Fernrohr aus der Tasch und schaute hindurch. „Ja, eine kleine" Er reichte Sebastian das Instrument. „Sie ist schön", bemerkte er. James nickte. „Ja und sehr unauffällig", er lachte, „Sie wäre ein wunderbares Versteck" Sebastian gab ihm das Fernrohr zurück und fragte amüsiert: „Wofür ?" James zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht, alles. Ich bezweifle das die Franzosen oder sonst jemand weiß das es sie gibt, und selbst wenn. Sie wäre doch zu unscheinbar um irgendetwas von Bedeutung an sich zu haben"
Sebastian lachte auf. Leise, vorsichtig. James beobachtete ihn dabei und spürte sein Herz wieder an ihm ziehen und hörte es ächzen. Vielleicht war es das Geräusch seines fröhlichen Lachens, vielleicht das Hochgefühl was er wegen seiner Gegegenwart verspürte. Aber es war auch egal was der Grund war; das Ergebnis zählte. Und das Ergebnis war das James Moriarty einknickte, seinen Stolz über Bord warf und nachgab.
Schnell, als fürchtete er sich umzuentscheiden, packte er Sebastian am Kragen seiner Tunika und zog ihn an sich heran. Ihm war es egal das Thomas oder einer der Takelare sie sehen könnte. In diesem Moment hier mit ihm, glaubte er jeder Gefahr, ob von innen oder außen, trotzen zu können. Er hatte das Gefühl als würde die Zeit und alles in ihr anhalten, nur um ihnen diesen kleinen Moment des Glücks zu gewähren.
_..._
Ihr Herz klopfte wie wild. Sie würde Jackson wieder sehen können. Unsicher erhob sie sich. Es fühlte sich seltsam an wieder zu stehen, nach all diesen Tagen im Bett. Langsam tat sie die ersten Schritte, einen nach dem anderen. Sie spürte wie sie zitterte und wie ihre Beine nach jedem Schritt nachgeben wollten. Aber sie beherrschte sich und behielt die Kontrolle.
„Geht es ?", fragte Sebastian besorgt neben ihr, eine Hand durchgehend ausgestreckt falls sie sich aufstützen müsste. Sie nickte. „Ja, geht gut", presste sie zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Das war gelogen; In Wirklichkeit schmerzten ihr Muskeln von denen sie nicht gewusst hatte das sie existierten, aber im Moment würde sie alles sagen solang nur die kleinste Chance bestand das sie Jackson bald sehen könnte.
Vorsichtig ging sie weiter. Sie bemerkte James bohrenden Blick in ihrem Rücken. Etwas war vorgefallen, zwischen ihm und Sebastian. Sie hatte es gemerkt, sofort als sie die Kajüte betreten hatten. Die brennenden Blicke und das finstere Knurren hatten aufgehört und wurden durch sanfte Gesten und heimlich ausgetaschte Lächeln ersetzt. Wieder wusste Alice nicht ob das gut oder schlecht war.
An der Tür wandte sie sich, wenn auch etwas wackelig, zu den beiden herum. „Ich bin bereit", sagte sie so überzeugend wie möglich, mutig die Hände in die Hüften gestemmt. Die Männer wechselten einen Blick, dann nickten sie. Alice spürte eine Freude in sich aufbauen, eine unendliche, unbändige, unschuldige Freude.
Sie würde Jackson wiedersehen.
_..._
Getuschel erhob sich im Speiseraum. „Sie ist zurück", hieß es. Jackson erhob sich von seinem Platz und schaute zur Ausgabe hinüber. Ihm stockte der Atem. Sie hatten Recht.
Sie war zurück.
Schöner denn je. Das Lächeln was sie ihm schenkte ließ sein Herz höher schlagen. Mit einer subtilen Geste ihrer rechten Hand gab sie ihm zu verstehen das er hinüber kommen sollte. Er zögerte keinen Moment. Er nahm seine halbvolle Schüssel und ging schnellem Schrittes zu ihr hinüber.
Sie senkte augenblicklich den Blick und begann mit der Kelle ihm aufzutun. „Was ist passiert, was -" „Shh", ihre Blicke begegneten sich. „Wir können hier nicht reden. Komm nach deiner letzten Schicht in die Kombüse" Er nickte und wandte sich ab. Als er über die Schulter schaute zwinkerte sie ihm zu, die Wangen gerötet. Eine süße Wärme wallte in ihm auf und ließ ihn grinsen wie einen Idioten.
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