Kapitel 1
„Ihr seid die Kinder des Königsmörders?", unruhig stampfte Cerins schwarzer Wallach hin und her. Der Regen missfiel ihm und seinem Reiter.
„Er ist kein Mörder", fuhr ihn das junge Mädchen an. Ihre Haare waren triefend nass und glänzend schwarz. Ihr Blick lastete stechend und eiskalt auf seinen Zügen und er war sich sicher, dass sie ihn durchbohrt hätte, wenn es ihr möglich gewesen wäre.
„Ruhig, Lea", ihr Bruder, ein Junge von knapp fünfzehn Jahren legte ihr eine Hand auf den Arm, während er selbst damit beschäftigt war seinen Wallach dicht bei seiner kleinen Schwester zu halten. Seine Flanken bebten noch immer von dem heftigen Ritt und salziger Schweiz mischte sich in das klare Wasser, dass über sein Fell rann.
„Das ist er aber", widersprach Cerin, nicht weil er sich mit den Beiden anlegen wollte, sondern weil es stimmte, „Und wenn der Prinz erst einmal weiß, dass ihr noch lebt, wird er Jagd auf euch machen."
Trotzig funkelte ihn das Mädchen an, die Hände zu Fäusten um die Zügel geballt, „Er muss uns erst einmal finden", es lag eine unterschwellige Warnung in ihren Worten, denn bis jetzt schien noch niemand außer Cerin zu wissen, dass diese unheilvolle Nacht wieder ins Land gebracht hatte.
„Bo?", sie drehte sich ein wenig im Sattel zu ihrem Bruder um, dessen nasse Locken ihm in die Stirn gefallen waren, „Können wir jetzt weiter reiten? Mir ist kalt und ich will nicht die gesamte Nacht hier draußen verbringen." Bos Augen sahen gequält von Cerin wieder zurück zu seiner Schwester. Wie alt war sie? Zwölf, dreizehn Jahre? Oder erst zehn? Wie alt auch immer, ihr großer Bruder hatte es wohl nicht fertig gebracht ihr in die Augen zu sehen und die Wahrheit zu sagen: Sie würden hier nirgends unterkommen. Nicht in dieser und in keiner kommenden Nacht. Ihre Gesichter waren zu bekannt. Sie selbst sah genauso aus wie ihr Vater und den kannte nun inzwischen jeder Säugling in diesem Land.
Auf ein mal hatte Cerin Mitleid mit ihnen. Es erschien ihm falsch die Kinder für die Taten ihres Vaters büßen zu lassen, vor allem, wenn sie noch so jung waren. Er selbst war kaum älter, vielleicht ein oder zwei Jahre über Bo, doch in diesem Moment fühlte er sich erwachsener denn je.
Bo wandte sich ab und sah plötzlich wieder ihn an: „Wo ist hier die Grenzwache?"
Cerin zuckte erstaunt zusammen. Wieso wollte ein Kind des Königsmörders unbedingt zur Grenzwache? Hilfe? Die Grenzwache hatte im Moment kein Problem mit dem Adel aber... plötzlich ging Cerin ein Licht auf.
„Etwas weiter südlich sind die Kasernen. Sie dienen nicht dem König, das heißt sie sind nicht verpflichtet euch auszuliefern, wenn sie nicht wollen. Entweder ihr versucht es dort, oder nirgendwo", es war eine Feststellung, kaum mehr, als Bos ausgesprochene Gedanken. Mit ruhigem Blick fixierte er den Jungen ihm gegenüber, der ihm noch am vernünftigsten erschien, denn die kleine Lea setzte schon wieder diesen trotzig kindischen Blick auf. Sie war definitiv noch zu jung, um zu verstehen, was hier vor sich ging. Doch weder in ihren und noch weniger in den Augen des Jungen lag etwas bösartiges. Viel mehr verschüchtert und erschreckt. Cerin wollte sich gar nicht ausmalen, was die zwei heute Nacht gesehen haben mussten. Wo war ihre Mutter? Und wie waren sie von ihrem Haus weggekommen, bevor die Männer des Königs dort eingetroffen waren.
„Darf ich dich etwas fragen?", Bo klang weit weniger eingeschüchtert, als er eben noch ausgesehen hatte, „Woher kommst du und wie lautet dein Name?" Sein Pferd begann mit dem Kopf zu schlagen und nervös nach hinten zu tänzeln, als spüre es die Anspannung seines Reiters. Sein Gegenüber ließ sich mit der Antwort Zeit, bis Bo seinen Wallach wieder unter Kontrolle hatte. „Mein Name ist Cerin und ich gehöre zur Grenzwache."
„Der König wird toben", aufgebracht marschierte Gelbore Carewell durch den viereckigen Turm in dessen unterstem Geschoss sie eine Art Beratungssaal eingerichtet hatten. Kreisförmig standen hier zwanzig Stühle, jeder aus massivem teurem Holz und Kunstvoll verziert, doch nur einer war besetzt. Cerin wusste, dass sie den zwanzig Mauer-Wachen gehörten. Jenen Männern, die die Ranghöchste Person ihres Grenzabschnittes waren, doch in jeder Nacht war nur der Ihrige Anwesend. Sir Carewells Schritte hatten von den kargen grauen Wänden wieder und erfüllten den Raum mit seinem Monotonen Stampfen, was bis hinaus in das kleine Vorzimmer zu hören sein musste, in dem Bo und Lea warteten. Man hatte sie nicht zur Diskussion eingeladen und auch für Cerin war es das erste Mal, dass er mit den alten Herren des Dorfes in einem Raum diskutieren durfte. Sir Gladrin hatte sich für ihn ausgesprochen, weil er derjenige gewesen war, der Wache hatte schieben müssen und die Zwei aufgesammelt hatte und vielleicht auch, weil er sein Sohn war. Genau genommen waren sie seine Gefangenen, doch man sah es als selbstverständlich an, dass er sie der Grenzwache übergeben würde, wenn der Beschluss gegen sie ausfallen würde.
Sir Gladrin selbst, ein großer massiger Mann mit schwarzen Haare und einem dichten Bart, saß auf einem der Stühle und lauschte den Worten seiner Ältesten. Er war der einzige Ritter unter ihnen, denn die meisten waren Soldaten oder Söldner, die sich hier einen ruhigeren Lebensabend verdienen wollten. Außer ihm gehörte nur noch Lord Kremmen zu den höheren Rängen hier unten im Norden. Der Lord, ein graubärtiger Mann von ungewissem Alter hatte sich bisher ebenfalls aus der Diskussion heraus gehalten. Er würde das abschließende Urteil fällen, so wie es ihm als Ältester zugesprochen wurde. Cerin war sich dabei überhaupt nicht sicher, wie die Grenzwache sich verhalten würde, denn noch nie hatte sie jemand zwischen sich und die Macht des Königs geschoben. Es erschien ihm neu und abenteuerlich, doch hatte er nie seinen Vater etwas abenteuerliches machen sehen. Er war ein ruhiger Mann mit gut durchdachten Überlegungen. Der Mann der ihm antwortete war genauso wenig ein Teil der Grenzwache, wie Cerins Mutter. Er war ein Abgesandter des alten Königs, der Carwell eine Nachricht hatte überbringen sollen. Er stand ein Stück weit im Schatten des fast runden Raumes und hatte, genau wie Cerins Vater, die Situation interessiert beobachtet. Als er nun in den dumpfen Schein der Kerzen trat, die den Stuhlkreis erhellten, schimmerte sein teurer
„Der König muss es nicht erfahren", Belfon Store, oder Spitzbart, wie ihn die Meisten seiner Bekannten nannten, war eine hagere, kleine Gestalt, mit gepflegtem Äußeren und immer einem erheiterten Lächeln, als würde er die Welt nicht ernst nehmen. Cerin hatte häufig gehört, dass Sir Gladrin sagte, er und seine Intrigen gehörten wieder zurück an den königlichen Hof, als an eine Mauer. Bei Store sei man sich nie sicher, ob er mit einem Kompliment, nicht nur schöne Jungfern betören, als auch starke Männer töten könne. Genau daran schien Carwell zu denken, als er sich zu Spitzbart umdrehte und ihm einen langen eisigen Blick zuwarf. Dieser jedoch hatte für ihn nichts weiter übrig als einen kurzen überlegenen Blick. Er schien mehr zu wissen, als der alte Königstreue und offensichtlich auch mehr, als Cerin, denn als er seine nächsten Worte aussprach konnte Cerin ihm nicht mehr folgen: „Ihr habt doch den Brief des Jungen erhalten, oder Sir Gladrin? Lasst mich raten: Ihr seid dem Schutz der Kinder verpflichtet?", Cerins Blick flatterte hinüber zu seinem Vater, dessen Miene undurchdringlicher war, denn je. Was für einen Brief? Und seit wann war die Grenzwache jemand anderem, als sich selbst verpflichtet? Cerin spürte, wie die Gedanken durch seinen Kopf rasten, verzweifelt im Versuch sich daraus einen Reim zu machen.
Carwell dagegen schien diese Anspielung vollkommen kalt zu lassen und ohne das man ihm angemerkt hätte, dass er das Gespräch überhaupt mitbekommen hatte.
„Ihr wollt den König hintergehen?", fragte er fast schon ungläubig und Spitzbart zuckte die Achseln, „Im Moment haben wir keinen König. Nur eine hysterische Frau mit zwei Söhnen, von denen einer nach Rache schreit wie ein Baby nach der Brust der Mutter und der Andere sich hinter Mauern und Fenster versteckt, als fürchte er um sein eigenes Leben. Im Moment sind wir auf uns alleine gestellt und damit ist auch die Entscheidung unser.", mit einem kleinen triumphierenden Lächeln wandte sich Spitzbart dem Lord zu und erntete ein zustimmendes Nicken. Carwell errötete deutlich, „Der Prinz wird nach ihrem Köpfen verlangen und früher oder später werden wir dem nachkommen müssen. Wir sind zwar an der Grenze, doch nicht frei von des Königs Macht!", brauste er auf und schleuderte seine Faust in die Luft. Sir Gladrins Blick verdüsterte sich, „Beruhigt euch Gelbore. Ihr habt nichts von dem neuen König zu befürchten, ihr seid Teil der Grenzwache und selbst dem neu ernannten König ist es nicht möglich uns zu richten", seine Stimme klang tief und selbstsicher. Er wusste wovon er sprach und sein Blick hielt Gelbore Carwell deutlich gefangen. Etwas ruhiger, aber kaum gelassen widersprach er, „Aber wir haben einen Eid geschworen."
Der alte Lord bewegte sich ein wenig und das dumpfe Rascheln seiner schweren Kleider ließ ihm alle Aufmerksamkeit zukommen, „Wenn ich erinnern dürfte...", seine Stimme klang hoch und zittrig, als fiele es ihm schwer die Worte in seinem Mund zu formen, „... das es von jeher Sitte ist nicht die Kinder für die Taten ihres Vaters büßen zu lassen, sondern sie als Mündel anderen Familien zu geben, damit sie dort eines Besseren erzogen werden?" Das Schweigen das folgte rührte von regen Gedankenströmen her. Cerin persönlich gefiel der Gedanke, dass die beiden Kinder weder auf der Flucht leben mussten, noch irgendwo hingerichtet werden würde. Er selbst würde sich wünschen weiter kämpfen zu können, wäre es an ihm, doch dafür erschienen ihm Beide noch zu jung. Tatsächlich fühle er sich, seitdem er diesen Raum betreten hatte größer, stärker und weiser. Als wäre er mit der Anerkennung seiner Tat erwachsen geworden. Es waren närrische Gedanken, Gedanken eines Kindes, die ihn bestimmten.
„Dann sollten wir entscheiden, wer welches Kind zu sich nimmt", sprach Spitzbart wieder mit amüsiertem Lächeln, „Ich gehe davon aus, dass ihr sie trennen wollt, denn zusammen könnten sie wiederum eine Gefahr für den jungen Prinzen darstellen und er könnt auf die Idee kommen sich über die alten Bräuche zu stellen und doch ihnen nachzustellen."
„Das wäre von Vorteil", stimmte ihm der Ritter zu und strich über seinen eigenen dunklen Rauschbart, als wäre er in Gedanken bei dem Namen seines Gegenübers und nicht bei den Kindern.
„Ich werde keines dieser Bälger in mein Heim lassen!", spie Carwell aus. Seine Züge waren in Wut zu einer steinernen Maske geworden, die sogar Cerin erschaudern ließ. Er wusste, dass der alte Mann ein guter Freund des Königs gewesen war, ehe er sich der Grenzwache angeschlossen hatte. Sein Hass war das Resultat uneingeschränkter Trauer. Unbeabsichtigt schwangen alle Blicke zu der kleinen Holztür hinter der die Kinder des Königsmörders saßen und geduldig ihr Urteil abwarteten. Sir Gladrin war sich durchaus bewusst, dass diese Kinder noch viel Unruhe in seine Heimat bringen würden. Es war nie einfach einem König zu widersprechen und schon gar nicht, wenn er noch jung war, die Folgen seiner Taten nicht kannte und im Gefühl der Macht badete. Er würde unberechenbar sein, doch innerlich hoffte er sehnlichst, dass die Königin Witwe nicht auf ihre Macht beharren würde, sondern ihren älteren Sohn auf den Thron setzten würde. Das würde den Kindern vielleicht ein wenig mehr Zeit geben. So oder so... das alles hier war keine Frage ein Leben zu retten, sondern viel mehr das von vielen zu gefährden und ihnen einen Aufschub zu gewähren.
Der Gedanke schmerzte ihn und für einen Moment fühlte er sich fast geneigt einfach Gelbore Carwell zuzustimmen. Doch das Versprechen und der Schwur den er, wie alle hier, Gelbore, sein Sohn und Spitzbart einmal ausgenommen, geleistet hatten, besiegelte das Schicksal der Kinder Bleischwer und er würde der Letzte sein, der einen Eid brach, dem er einem Toten gegeben hatte.
„Dann nimm du den Sohn an dich, Belfon. Bringe ihn an den Hof und lehre ihn das taktische Kalkül, das sein Vater besaß für königliche Zwecke einzusetzen. Außerdem wird des den Kronprinzen milder stimmen, wenn er wenigstens auf das eine der Kinder ein Augen haben kann. Er wird sich sicherer fühlen. Trotzdem solltet ihr Acht geben, dass er niemanden und vor allem niemanden ihm das Leben nimmt. Ich vermute ihr habt Geschick genug das in die Wege zu leiten", Belfon verbeugte sich halb und nickte. Wieder hatte er dieses hinterliste Lächeln auf den Lippen, dass ihm das Aussehen eines Fuchses gab.
Cerin behagte es ganz und gar nicht, dass er bei diesem Mann immer das Gefühl hatte, er wisse mehr als alle andern in diesem Raum. Außerdem hatte Cerin gelernt, dass sich Leute aus dem Palast nie hier blicken ließen. Der König war nicht einmal vorbei gekommen, während sie sein Land gegen seine Feinde verteidigt hatten. Nicht er hatte seine Kriege geführt, sondern sie und alles was sie davon hatten war ihre eigene Freiheit. Das war manchmal mehr, als man sich wünschen konnte, doch Cerin hatte sich nie durchringen können, den alten König zu mögen. Er hatte Spaß an Gefechten, aber nur wenn er gewann und damit seine Macht vergrößerte. Sein ältester Sohn war dabei ebenfalls nie auf dem Schlachtfeld erschienen, auch wenn er zwei Jahre älter war, als Cerin und dieser hatte bereits einen Mann erschlagen. Die Bluttaufe. Niemand kannte den Ältesten des Königs. Niemand hatte ihn jemals gesehen. Ein Muttersöhnchen nannten ihn die Männer der Grenzwache, die nichts mehr verabscheuten als Feiglinge und Drückeberger. Cerin verstand sie. Hier im Norden lag die Grenze am Meer. Sie mussten weniger kämpfen, als alle anderen, doch die Westgrenze wurde belagert und angegriffen.
Es war gar nicht zu lange her, dass sein Vater Cerin mit dorthin genommen hatte und Cerin wollte nicht dorthin zurück, auch wenn seine Mutter im Westen wohnte. Sie lebte inzwischen bei der Schwester seines Vaters, weil sie den Norden nicht mochte.
Die plötzlich ausgesprochenen Worte ließen den Jungen ein wenig zusammen fahren und sich umsehen.
„Und ihr wollt die Tochter an euch nehmen?", Carwells Ton peitschte höhnisch durch die Luft, „... sie hat die Augen ihres Vaters. Späher Augen? Wollt ihr sie hier im Norden lassen? An der Grenze? Ihr habt schon einen Sohn und eine Tochter!", sein eisiger Blick glitt über Cerin, sodass dieser in seinen dicken Kleidern erschauderte. „Da ihr sie nicht aufnehmen wollt werde ich es tun. Die Schwester meiner Frau hat einen Hof im Westen. Ich werde meine Familie dort hin schicken", bestimmte sein hoher Vater ruhig, ohne Cerin auch nur eines Blickes zu würdigen.
„Im Westen gibt es nur Bauern und Händler- wolltet ihr euren Sohn nicht zum Ritter ausbilden lassen?", Cerin war sich nicht sicher, wie lange sein Vater noch den Spott Carwells dulden würde. Cerin spürte, wie plötzlich die Spannung in ihm wuchs. Natürlich wollte er Ritter werden. Er wollte das Erbe seines Vaters antreten. Für ihn war das eine Ehrenentscheidung.
„Ich sagte ich schicke meine Familie dort hin. Ich muss hier bei meiner Grenze bleiben und Cerin wird es mir gleich tun. Er kann immer wieder in den Westen reiten, um seine Mutter und seine Schwester zu sehen. Doch wünsche ich zukünftig, dass ihr die familiären Angelegenheiten mir überlasst, vor allem wenn es die Meinige betrifft.", seine letzten Worte klangen wie das tiefe Knurren eines Bären, der gleich angreifen würde und tatsächlich trat der unbeholfene Carwell ein paar Schritte zurück, nicht ohne den Ritter weiter wütend anzustarren. Erleichterung und ein kleiner Triumph ließen Cerin breit grinsen, bis sein Blick plötzlich von Store abgefangen wurde und ihm das Lächeln von den Zügen glitt.
Der schmale Mann fixierte ihn auf eine befremdende dringliche Weise, dass Cerin sich sicher war, dass er der Gegenstand von Spitzbarts Überlegungen war, und das beruhigte ihn keineswegs. Gleichzeitig hatte Carwell sich gefangen und hatte sich wieder zu seiner gesamten Größe aufgerichtet. Wütend funkelte einen nach dem anderen an und unterbrach so auch Stores Blick; „Wartet ab... wartet ab, bis sie der Gerechtigkeit nicht mehr entfliehen können. Keiner der beiden Bastarde wird alt werden. Keiner", das waren seine letzten, geflüsterten Worte, ehe er herum fuhr, sodass sein dicker Mantel über den Boden fegte und an Cerin vorbei hinaus stürmte.
Er streifte den Jungen nur leicht mit dem Mantel, doch dieser glaubte, dass diese feine Berührung an seinem Hals brannte wie ein Schnitt. Der ganze Raum schien die Luft anzuhalten und sich langsam zu spannen. Cerin hatte noch nie eine solche Auseinandersetzung innerhalb des Rates erlebt. Niemand erhob das Wort gegen seinen Vater und keiner warf irgendjemandem Verrat vor. Doch außer Gelbor Carwell hatte hier auch niemand den alten König geliebt.
„Dann ist also die Entscheidung gefällt?", die Stimme des Lords klang rau durch die eingetretene Stille und das erste Mal fragte Cerin sich, was er diesen Kindern vielleicht angetan hatte- es würde das erste von vielen Malen sein.
Langsam verflüchtigte sich die Gesellschaft, bis Sir Gladrin alleine mit seinem Sohn im Raum stand. In den fingern hielt er den kleinen Brief, dessen Papier vom Regen bereits aufgeweicht war und die Tinte an einigen Stellen zerlaufen hatte lassen. Er spürte, wie verkrampft seine Miene war und versuchte sich zu entspannen, doch die Geschehnisse dieser Nacht würden ihm auch noch in Weiteren den Schlaf rauben. Wäre er ein Dummkopf gewesen hätte er von sich selbst behauptet, dass er keine Angst kenne, doch niemand, der einmal auf einem Schlachtfeld eine Waffe benutzt hatte, vergaß was wahre Furcht war. Wer sonst sollte das Leben wirklich verdient haben, wenn nicht die, die sich um ihr eigenes sorgten?
Doch in dieser Nacht saß er nicht zwischen den Reihen vieler Zelte und wetzte seine Klinge. Er hatte hier keine Rückendeckung, führte einen verborgenen Krieg, ohne zu wissen, wer wirklich auf seiner Seite war und wer nicht. All diese Gedanken zogen an ihm vorbei, bis sein Sohn sich mit Schatten der hohen Mauern bewegte und ihn zurück holte, in die kleine Halle.
Er konnte ihm ansehen, wie unwohl er sich fühlte und wie gern er all seine Fragen gestellt hätte, die ihn jetzt wohl quälen mussten. Es war bereits zu viel gesprochen worden und jedes Wissen, das der Junge haben könnte, könnte ihn schützen und umbringen. Nein, Gladrin wollte seine Kinder nicht in seine Angelegenheiten mit hineinziehen. Er wollte klüger sein, als der Vater der Geschwister. Als hätten sie auf dieses Zeichen gewartet hörte er plötzlich ein abgehacktes Schluchzen, dass zu dem Mädchen gehören musste. Wenigsten schrie sie nicht und klammerte sich an ihren Bruder. Sie akzeptierte ihr Schicksal, das sagte viel über eine Persönlichkeit aus. Sie hatte viel schreckliches erlebt in diesen Tagen und niemand konnte sich vorstellen, wie es ihr gehen musste, wenn er es nicht selbst erlebt hatte.
Mit einem tiefen Seufzen erhob sich der Herr der Grenzwache langsam und ließ seinen Blick über die leeren Stühle schweifen.
„Glaubst du ich hätte einen großen Rat einberufen sollen?", fragte er träge, als er den Raum durchquerte und an seinen Sohn trat. Dieser zuckte erst die Achseln, entschied sich dann aber doch zu antworten: „Ich glaube du hast die richtige Entscheidung getroffen. Dafür brauchst du nicht den Rat.", es war ein ehrliches Lob und Gladrin freute sich immer, wenn sein Sohn zeigte, wie stolz er auf seinen Vater war, doch in diesem Moment konnte er nicht darüber lachen. Zu unsicher war er, ob sein Junge recht hatte, zu beschäftigt mit der gesamten Lage.
Cerin schien von all seinen Sorgen nichts mitzubekommen, doch sein Vater wusste zu gut, dass er nur ihm zuliebe all seine Fragen zurück hielt.
Gemeinsam traten sie durch die große Tür hinein in den kleinen Vorraum des Ratsaals. Er war rechteckig und kaum mehr, als ein dunkler Gang, erhellt von einer einzigen Kerze, die im Wandleuchter steckte. Ihr gegenüber stand eine Holzbank, auf der Lea saß und ihre Füße betrachtete. Ihre Hände hatte sie wehrlos in den Schoß fallen lassen und ihre Haare fielen leicht über ihr Gesicht. Sie bewegte sich nicht, als die Männer den Raum betraten, doch Gladrin war sich sicher, dass das Mädchen sich ihnen bewusst war. Als die Sekunden verstrichen und Cerin ihn fragend ansah, wurde ihm klar, dass er etwas sagen musste und nicht wusste was. Woher auch? Wie sagte man einem Mädchen, dass sie keine Familie mehr hatte und sie nun versuchen würden ihr Leben zu retten, ohne sie vollkommen gegen einen aufzubringen? In diesem Moment fühle Gladrin sich plötzlich wehrlos und unvorbereitet.
Doch sie nahm ihm die Entscheidung einfach ab, indem sie den Kopf hob. Die Haare fielen zurück in ihren Nacken und offenbarten ein bereits jetzt hübsches Gesicht, mit ein wenig schmaler Oberlippe, was ihr das Aussehen eines Schmollmundes gab, auch wenn sie in diesem Moment einfach nur den Mann vor sich fixierte. Ihre Augen brannten in einem ungewöhnlich intensiven Blau und ließen den Alten sofort unbequem vorkommen, doch das schien ebenfalls nicht ihre Absicht zu sein. Doch Carwell hatte Recht gehabt. Sie hatte die Augen des Königsmörders, die ihres Vaters und ihres Bruders.
„Was wird mit mir passieren?", ihre Stimme klang so klar, dass sie kaum noch an die Tränen zurück denken ließ, die ihre Spuren auf ihren Wangen hinterlassen hatten. Sie klang nach Verzweiflung und Trauer, doch in keinem Fall gleichgültig und das beruhigte den Ritter tatsächlich ein wenig. Sie wollte nicht sterben und für den Augenblick war er sich sicher, dass sie bestimmt gut in seine Familie passen würde.
AN//
Hallo! Endlich schreibe ich meine eigene Geschichte! Juhu! Es ist die Erste, das heißt sie wird wohl nicht perfekt, aber ich liebe sie jetzt schon!!
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