18
Der Pilot gab durch, dass sie in der nächsten halben Stunde landen würden. Noch einmal küsste Louba zart Souls Stirn, bevor er sich setzte.
Seit Stunden war unter ihnen nichts als grüner Dschungel zu sehen gewesen. Nun ragte eine Festung aus dunklem Stein aus dem grünen Meer, erstreckt sich über einen riesigen Bereich. Es erschien fast schon wie eine kleine Stadt. Das Flugzeug setzte auf einer Landebahn in der Nähe des Hauptgebäudes auf. Soul blickte auf die Festung. Die Stadt irgendwo im Nirgendwo. Wenn hier etwas passierte war alles vorbei. Man kam nicht mehr weg. Und wenn doch starb man im Dschungel. Soul verdrängte den Gedanken und hörte Louba zu.
"Denk daran, wir sind hier wegen dir. Scheue dich nicht, Forderungen zu stellen. Ich werde zwar so oft wie möglich für dich sprechen... aber es wird Augenblicke geben, in denen du auf dich alleine gestellt sein wirst." Liebevoll richtete er Souls Kragen, schob eine Haarsträhne hinter sein Ohr und richtete sich dann auf. Er reichte Soul eine Hand, um ihm hoch zu helfen.
"Das geht. Es ist in Ordnung." Seine Gefühle unterdrücken und verstecken konnte Soul unter normalen Umständen sehr gut. Nur der Nervenzusammenbruch hatte ihn dazu gebracht nicht wie sonst zu handeln. Und Louba gegenüber... vor ihm konnte Soul auch nichts verbergen. Er griff nach Loubas Hand, lud sich daran mit Zuversicht auf, tankte ein wenig Sicherheit. Dann ließ er los und ging hinter Louba aus dem Flugzeug.
Stolz und mit erhobenem Kinn schritt Louba die kleine Treppe hinunter. Soul folgte ihm. Zwar nicht schreitend oder mit erhobenem Kinn, aber mit meinem Charakter eines Kopfgeldjägers. Kalt, schweigsam, gefühllos, berechnend. Die Persönlichkeit, die er sich angeeignet hatte, die ihn immer vor einer vollkommenen mentalen Zerstörung bewahrt hatte.
Nicht weit entfernt wartete ein großer, massiver Mann, der absolut selbstbewusst wirkte. Er trug eine weiße Hose, Stiefel und eine offene Weste zeigte das detaillierte Tattoo auf der rechten Seite seines Körpers, welches sich bis zu seinem Gesicht erstreckte. Er grinste. Seine Zähne waren markellos. "Ah, Louba. Es freut mich dich endlich bei mir zu wissen. Komm her! Na los, komm schon."
Als Louba näher kam, zog er seine Hände aus den Hosentaschen und zog den Prostituierten an den Hüften zu sich, presste sein Becken an Louba, während er ihn leidenschaftlich küsste und sein sorgsam aufgetragenes Make-up ruinierte. Soul erkannte Rahul wieder. Und obwohl er Louba sofort anmachte, hatte er, im Gegensatz zu dem Videoanruf, diesmal wenigstens Kleidung an. Die er... wohl sofort ablegen wollte, so wie sich das hier abspielte.
"Liebling, bitte. Nicht...", protestierte Louba leise. Rahul lachte nur kehlig, krallte sich mit einer Hand in Loubas kurzen Haaren fest, als er versuchte den Kopf zur Seite zu drücken. Gegen diese dicken Muskeln hatte Louba keine Chance. "...nicht so... zügel dich. Hast du eine Ahnung, wie lange das gedauert hat?" Endlich konnte Louba sich aus seiner Umklammerung befreien, richtete mit einer Hand seine Haare und tastete über sein Gesicht. Er versuchte herauszufinden wie schlimm der Schaden war.
"Fast zwei Stunden.", antwortete Soul auf die Zeitfrage an Stelle von Rahul. Vielleicht einen Tick zu trotzig. Schnell senkte er seine Emotionen wieder. Ruhig. Ganz ruhig und kalt.
"Das wird sowieso ruiniert sein, sobald ich dir ins Gesicht gespritzt habe... sei nicht so dramatisch." Rahuls Hand schob sich unter die Lagen von Loubas luftigem Gewand, packte zu. Louba zuckte kurz zusammen, ließ sich aber sonst nichts anmerken. Er spielte ganz selbstverständlich mit. Rahul schien nicht über so etwas wie ein Schamgefühl zu verfügen und seine Würde hatte Louba in dem Augenblick aufgegeben, in dem er das Flugzeug verlassen hatte. Der Rest war nichts weiter als eine niemals endende Show, sorgfältig für Rahul zusammen gesetzt und ausgelotet.
Rahul wurde von drei weiteren Personen begleitet. Zwei trugen eine dunkle Rüstung aus Panzerplast. Sie waren mit Maschingewehren und einem Säbel bewaffnet. Das Visier war verdunkelt. Sie erschienen volkommen identitätslos. Bei der dritten Person handelte es sich um einen jungen Mann. Kaum älter als Soul es war. Er starrte auf den Boden und trug nur eine rote Pumphose mit Gürtel, keine Waffen. Zumindest keine Erkennbaren, auch wenn sein spärliches Outfit kaum Platz für welche zuließ. Er trug keine Schuhe und war muskulöser als man es einem Mann seines Alters zutraute. Hässliche Narben entstellten seine sonst markellose, hellbraune Haut. Auf seinem Kopf befand sich ein Wirrwarr an mittellangen Haaren. Schweiß glitzerte auf seiner Brust und er hatte die Hände zur Faust geballt. Der Junge war schrecklich nervös und man sah ihm an, dass er sich am liebsten hinter Rahul verstecken wollte.
Die zwei Bewaffneten beachtete Soul kaum. Sie waren vom Typ Edgar, nur mit mehr Bodyguard und weniger Identität. Dem jungen Mann spendete Soul mehr Aufmerksamkeit, auch wenn er seine Gefühlslosigkeit beibehielt. Irgendwie wirkte der Junge armselig und feige. Aber seine Muskeln sprachen dafür, dass er irgendeinen Kampfsport beherrschte. So etwas konnte Soul sich zumindest zu Rahul vorstellen.
"Ist das der Kleine...?" Rahul deutete in Souls Richtung. Louba bestätigte seine Frage mit einem Nicken. "Er sieht aus als ob er kämpfen kann... willst du ihn mir wirklich nicht überlassen? Ich kann dir einen ordentlichen Preis anbieten wenn er länger als drei Runden durchhält." Rahul betrachtete Soul mit den Augen eines Pferdezüchters, der gerade einen neuen Stempelhengst vor sich hatte. Er scannt ihn professionell und bildete sich ein schnelles Urteil. "Allerdings hätte ich erwartet, dass du meine Ware besser behandelst. Er sieht magerer aus als er sollte..."
Loubas schlanke Hand fuhr über Rahuls gepflegten Bart, weshalb er wieder zu dem Prostituierten schaute. "Es tut mir leid dich enttäuschen zu müssen. Hat dir Phidel nicht gesagt, dass ich ihn dir nicht überlassen möchte? Er ist zu Größerem bestimmt als in deiner Arena geschlachtet zu werden." Nun senkte sich Loubas Blick auf Soul nieder. "Er kann sich aber gut selbst vorstellen. Sag, Kleiner, sag wer du bist und was du möchtest." Das Lächeln, welches nun Souls Lippen umspielte war gänzlich anders als das, welches er Rahul geschenkt hatte. Es war warm, aufmunternd und vor allem kam es von Herzen.
"Du hast es ihm sogar selbst gesagt, Louba. Bei dem Videoanruf." Soul erwiderte Loubas Blick und entspannte sich. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. "Ich bin Soul Nameless, nicht Kleiner. Es ist schön... nun ob es schön ist Sie kennenzulernen muss ich noch herausfinden. Schließlich sehen Sie mich wohl als Ware an." Soul atmete tief durch. "Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit bei der Zerschlagung einer gewissen Organisation."
"Oh, dein Kleiner hat Krallen..." Rahul drückte seinen eckigen Kopf an Loubas Hals, leckte ihm über die Kehle und biss ihm ins Ohr. Wieder versuchte Louba seinen Kopf weg zu ziehen. Wieder hatte er keine Chance. "Er gefällt mir, ein hübsches Geschenk. Wo wir doch bald unseren Jahrestag haben..."
"Soul wird dir nie gehören! Er ist mein." Louba schaffte es halbwegs sich von Rahul zu befreien und legte etwas wohl bemessene Schärfe in seine Stimme. "Ich habe dir ein anderes Geschenk gemacht. Du wirst es in den nächsten Tagen schon noch finden... verfolge nur die Nachrichten. Ich habe eine kleine Spur gelegt."
Das beruhigte den massiven Mann sichtlich und richtete seinen Blick wieder auf Soul, schien ihn erst jetzt wirklich als Menschen zu betrachten. "Dir ist klar, dass ich dir nichts umsonst geben werde? Beweise dich, kleiner Tiger, dann sprechen wir uns wieder."
Rahul war ein wirklich unangenehmer Mensch. Soul einfach als Sache anzusehen. Als Ding. Widerlich. Dennoch blieb er ruhig. "Ich habe noch nie etwas umsonst bekommen."
Rahul hatte wohl beschlossen Soull genug Aufmerksamkeit gegeben zu haben und richtete sich an den nervösen Jungen. "Mach dich nützlich, zeig ihm seine Gemächer. Ich will heute nicht mehr gestört werden."
Der Junge nickte, verschränkte seine Arme vor seinem Oberkörper und trat einen Schritt nach vorne. Er sah zu Soul, seine Augen waren braun, hatten die Farbe von dunklem Honig. Er war genauso groß wie Soul, zerkrümelte aber praktisch unter dessen Blick. Er wirktr nervös. Zu nervös für seine Körperstatur. War er von Soul eingeschüchtert oder von Rahul?
Er verbeugte sich so tief, dass er vor Soul fast auf die Knie fiel. Danm löste er seine Arme wieder aus der verkrampften Haltung, um sich eine Hand auf die Brust zu legen. "Ich heiße Sai.", stellte er sich knapp vor. "Folgt mir bitte." Zaghaft deutete er auf das Gebäude hinter sich und machte ein paar zögerliche Schritte in diese Richtung. Er wartete auf Soul, der Louba noh einen letzten Blick zuwarf, stellte sicher, dass der Kopfgeldjäger ihm auch wirklich folgtel. Sai führte ihn durch eine spatanisch einfach gehaltene Tür ohne Verzierungen in einen Eingangsbereich. Er war mit dem gleichen schwarzen Marmor ausgekleidet wie der Rest der Festung. Auf dem Boden erstreckte sich ein goldenes Mosaik, welches einen Tiger darstellte. Obwohl es außerhalb unerträglich warm und schwül war, war es innerhalb des Gebäudes angenehm kühl und die Luft roch noch nicht einmal ansatzweise so abgestanden, wie sie anhand der langen, leeren Gänge hätte sein sollen. Trotz der recht altmodischen Auffassung konnte man mächtige Maschinen hören, welche am äußeren Rande der menschlichen Wahrnehmung in den Wänden ihre Arbeit verrichteten. Auf lautlosen Sohlen leitete ihn Sai in einen Fahrstuhl, schwieg konsequent, während er das Geschoss wählte und fuhr mit Soul in den vorletzen Stock. Hier oben waren die Gänge mit weitaus größeren Fenstern ausgestattet. Mehr Licht, trotzdem schwarze Fliesen. Es herrschte allgegenwärtig eine fast andächtige Ruhe in Rahuls Palast. Ab und zu begegnete ihnen einer der Bediensteten. Sie ignorierten Soul und führten präzise ihre Aufgaben aus.
Dir ganze Festung wirkte aufgesetzt. Als hätte jemand das alles nur geschaffen um mit seinem Reichtum anzugeben. Doch die Atmosphäre war genau die Selbe, wie in Souls Wohnungen. Still, verlassen und unpersönlich. Als ob hier niemand wohnen würde. Auch dieser Ort hier... war für Soul nur eine Station. Ein kurzer Aufenthalt, der nicht ewig währen würde. Es gab keinen Ort an dem er sich auf seiner Jagd zu Hause fühlte. Und der einzige Ort, den er jemals Zuhause hatte nennen können war leer. Es würde ihn nicht das Lachen von Callum und der vertraute Duft nach selbstgemachtem Essen von Mike begrüßen. Um genau zu sein hatte Soul dieses Haus seit damals nicht mehr betreten. Nein, es gab keinen Ort, an den er zurück konnte solange seine Rache nicht vollbracht war.
Soul gelangte mit Sais Hilfe zu einer Tür, welche einen Zugangscode verlangt. Sai zeigt ihn Soul, eine vierstellige Zahl, und folgte ihm dann in die Wohnug. Sie bestand aus einem großen Zimmer, welches gleichzeitig Wohnzimmer und Schlafzimmer war und verfügte zudem über ein äußerst modernes aber nüchtern eingerichtetes Bad. "Falls Ihr noch Wünsche habt, teilt sie mir bitte mit. Ich habe den Befehl erhalten alles zu tun, um sicher zu stellen, das Ihr mit Eurem Aufenthalt hier zufrieden seid." Sai starrte auf seine nackten Füße und schien nicht so recht zu wissen wohin mit seinen Händen. "Auf dem Couchtisch liegen Kommunikationsgeräte. Damit könnt Ihr mich immer erreichen, ich werde Euch essen bringen, wenn Ihr danach verlangt... Ich...ich werde auch alles..." Sai schluckte. "...alles andere tun, was Ihr von mir verlangt mein Herr. Sprecht bitte Eure Wünsche aus."
Soul hatte nur halbherzig zugehört und einen kurzen Blick auf die Geräte geworfen, doch nun wandte er sich zakig zu Sai um. "Sieh mich an und dann sag mir, dass ich jemand bin, der es mit jedem treibt, der sich anbietet. Das meinst du doch oder? Wenn du willst kannst du Rahul sagen, dass nicht jeder Mensch auf der Welt pervers ist. Und die meisten haben auch einen Sinn für Höflichkeit und Zurückhaltung. Er ja wohl nicht." Soul wandte sich von Sai ab und ließ sein spärliches Gepäck auf das Bett fallen.
"Es tut mir leid!" Sai zuckte zurück, die Augen zusammen gekniffen und die Hände erhoben. Er sah so aus als hätte Soul ihn geschlagen. Mit dem Rücken stieß er gegen die Wand und traute sich erst dann wieder die braunen Augen zu öffnen, blinzelte vorsichtig hoch und ließ die zitternden Hände sinken. "Es wird nicht noch einmal vorkommen. Dass Ihr euch unwohl fühlt ist das Letze, was ich will. Ich werde mich bessern." Aufrichtig nickte er und fasste sich mit einer Hand auf die Brust, kratzte an der Narbe an seiner Schulter. Sein Blick klebte an seinen Füßen. Richtig zu Soul zu schauen traute er sich nicht. Auch hatte er noch immer seine Schultern hoch gezogen, als on er doch noch einen Schlag erwartete. "Wenn Ihr noch weitere Wünsche habt... also ich meine keine... I-ich... ruft mich einfach an, wenn Ihr Hunger habt oder anderweitig etwas braucht!", presste Sai so schnell er konnte hervor, verbeugte sich äußert knapp und stürzte aus dem Raum.
Seufzend lauschte Soul, wie seine hastigen Schritte auf dem leeren, leblosen Flur verklangen. Es war nicht seine Schuld, dass Rahul ihm befohlen hatte Soul auch solche Wünsche zu erfüllen, doch das schien er anzunehmen.
Ein trainierter Hund., dachte Soul verbissen. Sai war nichts weiter als ein von Rahul trainierter Hund, der Gewalt erwartete sobald er etwas falsch machte oder kurz davor stand. Widerlich. Solche Arten von Training waren widerlich. Und Edgar war auch nicht anders. Er hörte auch widerstandslos auf Louba...
Soul setzte sich aufs Bett. Ach ja Edgar, wo war der eigentlich? Hätte er nicht vor ihn angekommen müssen? Oder zumindest auf dem Weg hier her sein? Soul schloss die Augen und legze sich rücklings hin, die Beine noch über der Bettkante.
Da Soul nichts zu tun hatte, machte er genau das Selbe, was er in den letzten Jahren in seiner Freizeit gemacht hatte. Nichts. Man konnte meinen, dass jemand Traumatisiertes auf dumme Gedanken kam, wenn er nichts zu tun hatte, doch Souls Kopf war immer vollkommen leer. Nun, abgesehen davon Rache zu üben. Aber das genaue Vorgehen, sobald Soul vor ihm stehen würde, hatte er schon lange geplant. Also starrte Soul nur an die Decke, ohne auch nur an irgendetwas zu denken.
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Willkommen,
zur nun direkten Einführung meines persönlichen Hass-Charakters. Wir haben Rahul ja bereits bei dem Video-Anruf kennengelernt, doch nun folgt die richtige Konfrontation mit ihm.
Was ist euer erster Eindruck? Was glaubt ihr wird noch so alles mit Rahul stattfinden?
Luise-chan
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