15
Soul hatte schon eine halbe Stunde nur apatisch dagelegen und durch das Dachfenster gesehen, als Louba nach nicht einmal drei Stunden zurück kam. Als Soul die Wohnungstür hörte, wischte er sich panisch über Gesicht und Augen, in der Hoffnung, dass man nicht sah, dass er die ganze Zeit davor geweint hatte. Gedämpft drang Gemurmel an sein Ohr. Louba war nicht alleine. Allerdings ging er nicht gleich zu Soul, sondern verschwand im Bad, oder zumindest konnte Soul hören, wie sich die Badtür schloss.
Erst Minuten später bewegten sich kurze, harte Geräusche, verursacht von hohen Absätzen, auf Soul zu. "Konntest du schlafen, Süßer?~ Du weißt, das ist wichtig?"
"J...ja. Ich konnte etwas schlafen.", log Soul und musterte Loubas Aufmachung. Mit einem unschuldigen Lächeln stand er in der Tür, wieder in dem kunterbunten, extravaganten Stil eingekleidet, den Soul sonst so von ihm kannte. Sein Make-up schillerte in Grün und Blau und die langen Wimpern waren mit glitzernden Steinen verziert. Sein Mund hingegen war eher blass geschminkt, hier wurde definitiv viel Aufmerksamkeit auf Loubas Augen gelegt. Er trug lilafarbene Kontaktlinsen. Von der bedrückten, verzweifelten Person war an Louba nichts mehr zu erkennen. Als hätte er die Splitter, in die er gebrochen war, einfach mit viel Sekundenkleber fixiert, damit man den Schaden nicht sah.
"Ich habe dir Lee mitgebracht. Er möchte dich noch einmal untersuchen und sicherstellen, dass du flugbereit bist." Das war das Stichwort. Ein großer und langer Asiate betrat neben Louba das Zimmer. Er war allerdings etwas kleiner als der Prostituierte und trug eine kleine Brille. Er war mit einem grauen Wollpullover und Jeanshose bekleidet. Man hätte ihn kaum für einen Arzt gehalten.
Soul schwieg einige Sekunden, in denen er stoisch Lee musterte, dann wandte er sich zu Louba. "Wenn du bei Lee warst... was ist dann mit... Edgar?"
"Edgar ist wieder auf den Beinen. Er fliegt in ein paar Stunden. Wir haben noch die Zeit ihn zum Flughafen zu begleiten, bevor wir selbst los müssen." Mit einem Nicken in Richtung Lee begann sich dieser zu bewegen und kniete sich vor einen Apparat, um Souls angezeigte Werte zu überprüfen. Dann musste Soul ein paar grundlegende Untersuchungen über sich ergehen lassen. Lee forderte ihn wortlos dazu auf sein Oberteil auszuziehen. Er tastete Soul ab, hörte nach seiner Atmung, seinem Herzschlag und nickte dann langsam, machte sich Notizen und reicht Louba den Zettel. Dieser las ihn durch und steckte ihn in seine Tasche. "Gute Nachrichten, Soul. Der Flug wird dich nicht umbringen."
Zufrieden klopfte Louba dem Arzt auf die Schulter. Lee lächelte kurz und schaute etwas verlegen zur Seite. Er schien Probleme damit zu haben zu schlucken und sprach nicht ein Wort. Bei genauerer Betrachtung fiel einem auf, dass er keine Zunge mehr hatte. Soul musterte Lee, da er anscheinend nicht vor hatte mit ihm zu reden, nur um das zu bemerken.
"Ich wäre auch schon vorher nicht gestorben..." Soul berührte einen der Schläuche. "Heißt das, die können jetzt weg?"
Lee beendete seine Untersuchung mit einem letzen Überprüfen von Souls Werten und verließ dann den Raum mit einer respektvollen Verbeugung. Louba setzte sich zu Soul auf das Bett, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte und nahm sanft dessen Hand in seine. "Die Schläuche wirst du erst los, wenn du bereit bist feste Nahrung zu dir zu nehmen. Denkst du, du schaffst das? Ich will nicht, dass du noch schwächer wirst."
"O...okay." Soul drehte das Gesicht weg. Er wollte eventuelle Hinweise darauf, dass er geweint hatte, verbergen. Aber natürlich gelang es ihm nicht. "Ich denke ich kann schon wieder-" Soul brach ab, als er Loubas Blick begegnete, der seine Hand drückte.
Fürsorglich streichelte Louba über seine Handfläche, dann über seine Wange, hielt für eine Sekunde seinen Atem an und blickte Soul in die Augen. Ganz still, ohne zu blinzeln. Sein Griff um Souls Hand versteifte sich kaum merklich. "Du hast geweint.", stellte er flüsternd fest und schloss für eine Sekunde seine Augen, wandte den Kopf ab und strich sich durch die Haare. "War es wegen Mike? Ich verspreche dir, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, dir deine Rache zu ermöglichen. Vertrau mir. Ich möchte, dass es dir gut geht, auch wenn das bedeutet einen Krieg von Zaun zu brechen. Verstehst du ... Soul? Kleiner?" Louba hatte sich ihm wieder zugewendet, zog Soul ein wenig näher an sich heran und küsse ihn kurz und zart auf die Lippen. Er schmeckte süß, nach etwas, das sich nicht ganz identifizieren ließ. Vielleicht eine Frucht.
Soul bemerkte, dass Louba eine völlig falsche Annahme hatte und schüttelte nach dem Kuss den Kopf. "Nein... also, ich verstehe es schon, aber... das ist nicht der Grund. Deswegen habe ich nicht geweint..." Soul kaute auf seiner Unterlippe herum. Genau. Mike war nicht der Grund. Er hatte das Gefühl, dass er den Liebeskummer für ihn zurück lassen könnte. Für seinen und Callums Tod wollte Soul sich noch immer rächen, aber die Liebe... zumindest diese Art von Liebe... Er könnte sie zurücklassen. Aber nur, wenn Louba da war. Er hatte Angst ihn auch noch zu verlieren.
Loubas Hände zitterten leicht, als er Souls Kinn anhob und ihn dann vorsichtig in eine Umarmung zog. Kurz küsste er seinen Nacken und fuhr mit einer Hand durch seine Haare. Da war es wieder, dieses Gefühl. Dieses eisige Gefühl, welches sich um Loubas Herz klammerte, es festhielt sodass jeder einzelne Schlag weh tat. Seine Augen schlossen sich fast von allein. Er schwieg, hielt Soul fest, an sich gedrückt. Dessen Wärme zu spüren war schon fast genug.
Soul erwiderte die Umarmung, legte seine Stirn an Loubas Schulter und krallte seine Finger in dessen Oberteil. So verharrend atmete er für diesen kurzen Moment Loubas Geruch ein, spüre seine Wärme und dann ließ er ihn ziehen.
"Ich werde etwas zu essen für dich machen.", murmelte Louba leise und löste sich von Soul, hielt noch kurz dessen blasses Gesicht zwischen seinen Fingern und sah ihm in die Augen. Ja, es stach. Ganz leicht, aber penetrant. Aber Louba war stark und er wollte, dass Soul sich an ihm festhalten konnte. Er wollte Soul Halt geben. Er wollte nicht, dass Soul so allein war, wie er einst.
"Bin gleich wieder da." Mit einem hauchdünnen Lächeln und einem kleinen Winken verabschiedete Louba sich von Soul.
"In Ordnung...", stimmte Soul zu und konnte die Röte, die ihm ins Gesicht stieg nicht mehr zurückhalten, nachdem Louba das Zimmer verlassen hatte.
Keine emotionalen Bindungen!, redete Soul sich im Stillen ein, doch er konnte nicht verhindern, dass er Herzklopfen bekam. Jetzt wollte Louba sicher wissen weswegen er geweint hatte, wenn nicht wegen Mike. Konnte Spul ihm das wirklich erzählen? Weil er Angst hatte, dass Louba einfach verschwand? Angst, dass Louba in tausende Splitter zerbrach.
Keine fünf Minuten später war Louba wieder zurück. Er brachte Soul eine Tasse mit warmem Tee und eine Schüssel mit Joghurt und Früchten. Beides stellte er auf den Nachttisch und setze sich zurück auf seinen vorherige Platz. "Möchtest du... mir vielleicht erzählen, warum du geweint hast. Du kannst mir vertrauen, dass weißt du. Ich bin für dich da."
Soul griff nach der Tasse und nippte an dem Tee, um Zeit zu schinden. Was genau sollte er denn bitte sagen? Dass er den Verstand verlor, sobald Louba weg war, weil er Angst hatte, dass dieser in eine Welt entschwand, die unerreichbar für ihn war? Louba war auch nicht der unantastbare Mensch, den er spielte. Mehr noch, Louba unglaublich angreifbar, wenn man einmal sein wahres Gesicht gesehen hatte. "Das klingt so bescheuert...", murmelte Soul und starrte in die Tasse. Dann blickte er aus dem Augenwinkel zu dem Prostituierten. "Louba... was hältst du von mir? Ich habe dir bisher nur Probleme bereitet."
"Ja, das stimmt. Du verursachst in der Tat sehr viele Probleme.", bemerkte Louba trocken und beobachtete zufrieden wie Soul endlich etwas zu sich nahm. "Du isst nichts, bist stur wie ein Esel und sträubst dich hart gegen jeden Versuch von mir, dir einen guten Ratschlag zu geben. Ich denke, du hast noch nicht einmal im Ansatz verstanden wie groß diese Welt ist und vor allem wie du sie nach deinen Wünschen manipulieren kannst. Sex und vor allem die Illusion von Liebe kann die Menschen sehr aneinander binden." Verschmitzt wuschelte Louba durch Souls Haare und strich ihm dann eine Strähne hinter das Ohr. "Dies ist vielleicht nicht der Weg, für den du dich entscheiden wirst. Du musst nicht in meine Fußstapfen treten. Nein, überhaupt nicht. Finde deinen eigenen Weg, Kleiner. Dein Leben wird sich durch deinen Rachefeldzug grundlegend ändern. Du legst es darauf an die ganz großen Hunde anzuschießen und wenn die einmal anfangen zu wüten, zerstören sie alles, was ihnen im Weg steht. Ich werde dich darauf vorbereitet zu überleben. Schau zu, lerne von mir. Du kannst jemand Großes werden wenn du es nur willst." Loubas Lächeln wurde wärmer, ja, da schwang sogar etwas Stolz in seiner Stimme mit. Mit einer geübten Bewegungen kickte er die hohen Schuhe von seinen schlanken Füßen und legte sich zu Soul unter die warme Decke.
Es trieb Soul die Schamröte ins Gesicht, während Louba ihm seine Fehler vorpredigte. Natürlich hatte er Recht, das verstand Soul, doch es war nicht das, was er hören wollte. Und in Loubas Fußstapfen treten? Eigentlich wollte er in seinem Leben nie so weit gehen. Er hatte getötet, um seine Nachforschungen zu finanzieren und natürlich... damit andere nicht das erlebten, was er erlebt hatte. Alles in seinem Leben hatte ihn kalt gelassen, außer Selbstmorde mit dem Strick. Louba hatte ihm wirklich den Kopf verdreht. Ob Soul sich auf die schiefe Bahn begab? Oder lenkte Louba ihn wieder auf die Richtige?
"Jetzt solltest du dich aber ganz darauf konzentrieren wieder zu Kräften zu kommen." Seinen Kopf stützte Louba auf seine Hand, um in einer halbwegs aufrechten Position zu Soul gedreht seitlich liegen zu können. Sein Lächeln war nun mehr verträumt während er Soul betrachtete. "Kannst du dich an das erinneren, was ich dir vor einiger Zeit im Soft Scene erzählt habe? Nun, ich denke, dass ich damals nicht einmal gelogen habe."
Soul stellte die Tasse wieder ab und blickte zu Louba, erwiderte den Blick von den lilafarbenen Augen. Sein originales Grau gefiel ihm um so Vieles besser. Und auch sein ungeschminktes Gesicht war so viel schöner, weil Louba einen Teil seiner Maske fallen ließ. "Dass du dich gern ausprobierst? Oder...dass du mich an dich binden willst? Dass ich in deinen Armen glücklich einschlafe? Oder dass du mir helfen wirst, dass ich dir vertrauen soll, als du mich hier her gebracht hast? Dass du das alles nur für mich tust?", fragte Soul leise. "Louba, warum machst du so viel für mich? Was bedeute ich dir, dass du dein Geld für mich zum Fenster heraus wirfst, mich hier aufnimmst, pflegst..." Souls Stimme erstickte und er presste die Lippen aufeinander. "Habe ich so viel Zuneigung überhaupt verdient?"
"Jeder Mensch hat so viel Zuneigung verdient und sogar noch mehr. Und es ist mein Job den Menschen diese Zuneigung zu geben, auch wenn sie der Meinung sind, sie hätten es nicht verdient." Für einen Augenblick hielt Louba inne und wandte seinen Blick zu dem Fresko. Tief atmete er durch, verfolgte die hektischen Linien. Alles war so viel einfacher, wenn er Beruf und Privatleben voneinander trennen konnte... in letzter Zeit hatten sie sich aber so stark vermischt, dass Louba jetzt nicht mehr wusste was was war. "Aber du... bist mehr als ein Job. Ich bekomme kein Geld für dich, glaub mir." Louba lachte auf. "Meine Zuneigung zu dir ist echt und es belastet mich sehr, wenn es dir nicht gut geht." Louba befeuchtete seine Lippen, sah zu Soul und räusperte sich leise. "Meine Kunden erwarten von mir...", setzte er leise an, geriet dann aber ins stocken. "...sie erwarten von mir, dass ich eine leere Leinwand bin, eine gesichtslose Puppe, auf die sie all ihre Wünsche und Begierden projizieren können. Ich muss immer der sein, den sie haben wollen. Manchmal ist es ein Freund, eine verbotene Liebe, eine unerfüllte Liebe. Manchmal haben sie Wünsche, die sie als peinlich betrachten und sie schämen sich furchtbar." Wieder schmunzelte Louba ein wenig, wurde dann aber wieder ernst. "Wenn ich nach Hause komme, hierher, dann perlen diese Rollen von mir ab. Ich kann ihre Geschichten einfach zur Seite schieben, vergessen. Diese ... Farbe abwaschen und wieder zu einer leeren Leinwand werden. Doch ... was dich angeht... dich kann ich nicht ..." Louba strauchelte wieder, seine Stimme endete aprubt in einem Krächtzen. Er musste sich wieder räuspern. Echte, wahre Gefühle war er offensichtlich nicht gewohnt und sie in Worte zu fassen war umso schmerzvoller. "Ich kann dich nicht einfach vergessen. D-du bist ... du bist ein Farbspritzer auf meiner Leinwand der von Tag zu Tag wächst und ich werde dich nicht los." Wieder legte Louba eine Pause ein, starrte zur Seite, suchte nach den richtigen Worten. "Das ... heißt nicht, dass du störend bist. Nein ... du bist ein wirklich wunderschöner Farbklecks und ich genieße jede Sekunde, in der ich dich betrachten kann." Beide Hände legte Louba auf Souls Arme, streichelte ihn sanft und zog ihn dann an seine Brust, legte seinen Kopf auf Souls Schulter. Soul hörte ihm stumm zu, erwiderte vorsichtig seine Umarmung und strich ihm durch die Haare. War er überhaupt in der Position, Louba irgendetwas vorzuschreiben? Etwas zu sagen? "A-aber ... ich habe Angst. Angst davor, dass der Klecks größer wird, so groß, dass ich ihn nicht mehr kontrollieren kann, so groß, dass keine weiße Fläche mehr vorhanden ist. Ich habe Angst, denn ... viele, viele Leute machen aus Liebe wirklich dumme Sachen, sie machen Fehler und ich kann mir keine Fehler leisten."
"Louba, du... machst das wirklich gut oder... nein, ich... Ich bin von dir beeindruckt. Dass du das jeden Tag schaffst. Jeden Tag... gehst du da raus und gibst dich als unnahbar. Du gibst den Menschen für diesen einen Moment, was sie wollen und ich... alles was ich kann ist töten. Aber Louba... du sagst jeder hat Zuneigung verdient. Dann..." Soul löste sich aus der Umarmung und blickte Louba in die Augen. "Dann du doch auch. Warum solltest du dann keine Liebe bekommen dürfen? Willst du dich abkapseln? Willst du mich zu einem deiner Kunden machen? Willst du mich... von deiner weißen Leinwand schrubben oder mit Weiß übermalen?" Tränen stiegen Soul in die Augen. "Weißt du... du darfst... du darfst da draußen gerne den perfekten Menschen geben. Du darfst deinen Körper nutzen wie du willst, aber... ich möchte..." Tief atmete Soul ein. "Ich habe geweint, weil ich Angst habe... dass du gehst oder... vielleicht weil ich Angst habe, dass du jemand anderem dein wahres Ich zeigst. Ich habe nicht wegen Mike geweint. Du hast recht, durch die Liebe macht man Fehler, aber... wenn man diese überstehen kann dann liebt man sich doch noch mehr, oder?" Soul lächelte schief. Es fühlte sich seltsam an, weil er so lange nicht mehr gelächelt hatte und es sah vermutlich genauso aus. Und zusätzlich hatte Soul auch noch Tränen in den Augen. "Louba, ich glaube... ich glaube ich liebe dich. Nein... Louba, ich liebe dich."
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Ohoo, er hate es gesagt *grins*
Hallo Leser,
wir haben zwar ein wenig gekämpft, doch nun hat Soul es gesagt. Wie wird Louba wogl darauf reagiere? Seid ihr schon neugierig?
Luise-chan
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