Kapitel 42
Megan's Sicht
Wie oft habe ich mir vorgestellt diese Wörter aus Kill's Mund zu hören? Wie oft hatte ich mir das Szenario in meinem Kopf abgespielt und meine Reaktion genau durchgeplant? Doch weglaufen war in meinen Tagträumen nicht das, was ich als meine Reaktion durchdacht habe.
Gedankenverloren schlenderte ich in die Küche, öffnete den Kühlschrank und schlug ihn paar Sekunden später wieder zu, da so gut wie nichts leckeres drinnen war.
Den ganzen Tag hatte ich schon nachgegrübelt, ihn anzurufen und ihm zu sagen dass es mir leid tat. Doch hatte ich etwas falsch gemacht? War es ein Fehler einfach wegzurennen? Es kam so... plötzlich.
Seine Reaktion war ebenfalls nicht durchdacht. Er hat aus Wut gehandelt. Man könnte sagen, ihm seien die Wörter ausgerutscht.
Seufzend setzte ich mich auf die Couch im Wohnzimmer und zeichnete mit meinem Finger unsichtbare Kreise auf diese.
Er dachte jetzt bestimmt ich hätte keine Gefühle für ihn. Diese hatte ich, ohne Zweifel, doch dass alles ging mir zu schnell. Ich hatte Angst die rosarote Brille als Angewohnheit zu tragen und von der bitteren Realität verletzt zu werden. Ich hatte Angst, Killian's Worte mal irgendwann zu Ernst zu nehmen und wie eine Seifenblase zu zerplatzen.
Er liebt dich, du liebst ihn. Wieso machst du dir so viele Gedanken?
Er versteckt seine Gefühle und frisst sie regelrecht auf, um nicht wie ein Weichei dazustehen oder irgendjemanden mitzuteilen, was er fühlt.
Doch was ist, wenn ich mal die Zuneigung von ihm brauche. Wenn ich wissen wollen würde, ob er die gleichen Gefühle für mich hat, wie ich für ihn.
Das regte mich am meisten auf. Er hatte aus Wut gehandelt! Es kam nicht von ihm selbst!
Zum Glück waren meine Eltern und Mario nicht zu Hause. Sonst müssten sie zusehen, wie ihre eigene Tochter/Schwester den nicht laufenden Fernseher anstarrt und wie ein Psycho stocksteif da sitzt. Sie würden denken, mein Körper hätte seinen Geist aufgegeben.
Während Mario gerade mit meinem Freund die Straßen rebelliert, zerbrach ich mir den Kopf über ihn.
Ich war so tief in Gedanken, sodass ich fast die Türklingel überhört hätte.
Die Augen für ein paar Sekunden schließend, um meine Gedanken und Gefühle wieder zu ordnen, stand ich auf und ging an den Lautsprecher dran.
"Hallo?", murmelte ich und bekam keine Antwort.
Mit zusammengekniffenen Augenbrauen hielt ich mir den Hörer paar Zentimeter vom Gesicht weg und beobachtete es, als sei es etwas unterirdisches.
"Hallo?", hielt ich mir wieder den Hörer an mein Ohr.
Vielleicht hatte jemand die falsche Klingel gedrückt.
Langsam legte ich den Hörer wieder an seinen Platz und blickte in den Spiegel, rechts neben dem Hörer.
Ich sollte ihn anrufen.
Schnell wollte ich ins Wohnzimmer rennen und mein Handy holen, als es plötzlich an der Wohnungstür klopfte.
Wehe Mario hatte seinen Schlüssel nicht dabei.
Schnaufend lief ich auf die Wohnungstüre zu und öffnete diese mit Schwung.
"Killian?", fragte ich verwundert nach, als ich meinen Freund mit seiner schwarzen Kapuzenjacke vor meiner Tür sah.
Er sah erschöpft aus. Unter seinen Augen zierten dunkle Augenringe und seine Augen sahen so aus, als hätte er die ein oder andere Träne verloren, was mir sogleich auch die Tränen in die Augen trieb.
"Was machs-"
"Kannst du mich einfach bitte nur umarmen? Ich will mich einmal in meinem Leben zu etwas nützlich fühlen", klang seine Stimme tiefer und zerbrechlicher als sonst.
Ohne Worte zog ich ihn zu mir und legte meine Arme um seinen Nacken.
Seine Arme baumelten kurz, bis er mich so fest an sich zog, dass ich dachte, ich wäre sein letzter Halt.
"Ich habe das Gefühl bei jeder Kleinigkeit zu versagen, Megan", flüsterte er mir ins Ohr und vergrub sein Gesicht zwischen meiner Schulter und meinem Hals.
"Egal was es ist. Ich versage immer. Ich kann doch nicht mal das Mädchen dass ich liebe glücklich machen", zog mich sein Arm bisschen fester zu sich, während ich wortlos auf die offene Wohnungstüre starrte.
Was ist denn mit Killian los?
"Das-", hielt ich kurz inne, um meine Stimme wiederzufinden. "Das stimmt nicht."
"Ich bin ein Versager, Megan. Ein Versager der jeden Tag die Hoffnung hatte, helfen zu können, und heute... Heute habe ich mit eigenen Augen erfahren, nie helfen zu können", ließ er mich ganz langsam los.
"Ich wünschte ich könnte ihr die Schmerzen wegnehmen, oder ihr wenigstens sagen, dass alles gut wird, doch nichts dergleichen konnte ich machen", verlor ich langsam den Faden dieses Gespräches. "Sie lag da so-", er versuchte das perfekte Wort zu finden. "Zerbrechlich."
"Wer, Killian?"
"Wir könnten ihr helfen. Wir könnten zur Polizei gehen, würden jedoch selber in Schwierigkeiten geraten."
"Killian?", hielt ich in eine Armlänge von mir fern.
"Mein Ziel war es doch zu helfen. Jemanden, der schutzlos ist, die Möglichkeit zu geben, sich in Sicherheit zu wissen. Ich wollte die Tatsachen nicht wiederholen lassen, doch sie werden immer nur schlimmer", starrte er auf einen Punkt hinter mir.
"Ich habe versagt, Megan, hörst du? Ich habe versagt", verließ eine kleine Träne sein Auge.
"Ich habe zugelassen, eine Frau sexuell missbraucht werden zu lassen. Was war ihr Fehler? Sie wollte doch nur ihr Kind zurück holen", biss er sich schmerzhaft auf die Unterlippe. "Wir waren zu spät."
"Megan, du müsstest sie sehen. Ihre letzte Hoffnung könnten wir sein", verzog er schmerzhaft den Mund.
"Ich habe Angst, Megan. Angst, dass du irgendwann Mal die Frau sein könntest. Sie haben es auch auf dich abgesehen. Ich kann dich nicht beschützen, ich kann es einfach nicht", ging er langsam in die Hocke und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
"Sie wollte Suizid begehen, doch das hat sie nicht. Sie war so kurz davor sich die Pulsader durchzuschneiden, doch das hat sie nicht. Wegen ihrem Kind", murmelte er in seine Hände.
"Ich hasse es Schwäche zu zeigen. Erst Recht neben dir, doch ich musste einfach wissen, ob du in Sicherheit bist", hob er seinen Kopf hoch und sah mich an.
Kurz drehte ich meinen Kopf von ihm weg, um ihm nicht meine zuvorkommenden Tränen zu zeigen.
Es tat mir so unfassbar weh, ihn so zu sehen.
Ich hörte knarzende Schritte auf unserem Holzboden, die in meine Richtung liefen.
Leise stellte sich Killian vor mich und nahm sanft mein Gesicht in seine Hände.
"Ich bin bereit dir alles zu erzählen, was du wissen willst. Ich wollte dich einfach nicht in meine Welt mitreißen, doch ich habe das Gefühl, du wirst sie sobald noch besser kennenlernen", drückte er mir einen Kuss auf die Stirn.
Dieser Kuss bedeutete mir so viel. Die Angst, dass Killian mir nie seine Gefühle offenbaren würde, verflog wie auf Knopfdruck. Dann wird er mir öfters nicht seine Gefühle offenbaren, doch die Tage, in denen er es tun wird, werden unvergesslich sein.
"Seit du mich gerettet hast, bin ich schon in deiner Welt. Vergiss das nicht?", lächelte ich unter Tränen.
"Sind deine Eltern zu Hause? Dann können sie gleich ihren zukünftigen Schwiegersohn sehen", versuchte er ebenfalls zu lächeln.
Sanft schüttelte ich meinen Kopf.
"Könnten wir uns dann vielleicht hinsetzen und ich erzähle dir die ganze Geschichte von Sightless?", streichelte er meine Wange und durchsuchte jede einzelne Partie meines Gesichtes.
"Klar."
Elegant knallte ich die Wohnungstüre mit meinem Fuß zu, schnappte mir Killian's Hand und dirigierte ihn auf meine Couch.
Breitbeinig setzte er sich hin und stütze sich an seinen Knien ab. Seine Hände verschränkte er.
Aufmerksam beobachtete ich ihn und wartete darauf, dass er mir nun seine Geschichte erzählte.
"Ich weiß nicht wann alles angefangen hat. Vor einem Jahr, vielleicht? Tristan, Luke und ich, waren immer die besten Freunde. Luke wurde jedoch meistens abgegrenzt, da er so gut wie fast nie Zeit für uns hatte. Luke's kleine Schwester, Anna, war für uns immer unser kleiner Engel. Sie ist jetzt sieben wenn ich mich nicht irre. In dieser Stadt hat man immer etwas von Entführungen Kleinkindern oder sowas ähnliches gehört. Niemand hat sich so groß damit beschäftigt, naja, bis auf als es uns passierte", setzte er sich wieder auf und warf kurz seinen Kopf in den Nacken.
"Das war wie pure Ironie des Schicksals. Wir Drei waren diejenigen, die sich darüber lustig gemacht haben, zu hören, Kinder seien entführt und misshandelt worden. Wir haben nie an diesen Scheiß geglaubt und dennoch, ist es Anna widerfahren", lachte er ironisch auf. "Sie war urplötzlich verschwunden und Luke, gibt sich seid heute immer noch die Schuld."
"Habt- Ich meine ist sie wieder zurück?", stotterte ich.
"Ja. Mit paar blauen Flecken und einer Platzwunde am Kopf, haben Tristan und ich sie auf der Straße bei einem unbekannten Mann entdeckt. Jeder dachte dass sie unter häuslicher Gewalt litt, wir auch, doch bei näherem hinblicken sahen wir, dass es sich um Anna handelte. Das war zwei Monate nachdem sie verschwunden war. Seitdem kann sie nicht mehr ruhig schlafen, da sie immer wieder den gleichen Alptraum hat. Sie kann nur neben ihren Eltern oder neben Luke einschlafen", seufzte er.
Eine Gänsehaut durchfuhr meinen ganzen Körper.
"Sie erzählte uns, dass sie in einem dunklen Raum eingeschlossen war und nicht die einzige war, die täglich misshandelt worden ist. Wenn sie nicht das tat, was man ihr befohlen hat, dann gab es Schläge. Das ist doch nicht unser Jahrhundert", ballte er seine Hand zur Faust.
"Was waren das für Befehle?", hakte ich unsicher nach, da ich nicht wusste, ob ihn meine Fragerei stören würde.
"Das hat sie bis heute nicht gesagt", sah er mir kurz in die Augen und fuhr fort. "Luke, Tristan und ich, haben gesehen was aus Anna geworden ist und wollten helfen. Einfach nur helfen. Wenn Anna so sehr darunter litt, wie erging es dann den anderen? Rache wollten wir natürlich auch, die ist nach einer Zeit aber langsam verschwunden. Nach und nach kamen immer mehr Leute dazu, es waren jedoch nur unsere engsten Freunde. Leon und Thomas, waren ein guter Kumpel von Luke und so ging das halt immer fort. Jeder hatte seine eigene Stärke. Luke war unser Computerfreak. Tristan unser Genie. Und ich, wurde dank meiner Furchtlosigkeit irgendwie zum Anführer."
Furchtlosigkeit?
Killian, der meinen Blick wohl richtig zu deuten schien, erklärte es mir.
"Man könnte sagen, ich war der Draufgänger von allen. Aber jemand musste es mir ja vermasseln", schielte er kurz zu mir rüber. "Wir wollten unentdeckt bleiben, aber immer noch Spaß haben, weswegen Tristan kurz auf die Idee kam, mit Baseballschlägern rumzurennen und die Stadt zu verwüsten, was auch als Ablenkung dienen könnte. Luke fing die Informationen auf, wo welches Kind entführt wurde und packte alle Details zusammen, um uns einen Standort zu geben, womöglich sie gefangen gehalten sein könnten."
"Wie viele seid ihr denn in der Gruppe?", hakte ich nach.
"Ich glaube, mit deinem Bruder sind wir jetzt 29. Von denen gehen ungefähr- mit Tristan und mir- elf auf unsere Schule", meinte er.
29...
"Wir wollten den Anführer erkennbar zeigen, weswegen ich eine andere Maske trage. Während also die Hälfte ungefähr durch die Straßen rennt und die Zivilisten und die Entführer ablenkt, war die Hälfte der anderen Hälfte in dem Gebäude drinnen. Die andere Hälfte der Hälfte, untersucht die Umgebung. Verwirrend nicht wahr?", blickte er kurz zu mir rüber.
Langsam nickte ich. Zu viel 'Hälfte' auf einmal.
"Also, wenn du mal Freitag abends draußen sein solltest, solltest du im Hintergedanken haben, dass ich weiß wo du bist."
"Schade, jetzt kann ich dir Freitag abends nicht mehr fremdgehen", schmollte ich, um bisschen Stimmung zwischen uns aufzubauen.
"Du kleines Biest", umschling sein Arm meinen Nacken und wuschelte mir die Haare durch.
"Okay, das reicht", kicherte ich und haute ihm auf die Brust, wobei er mich sofort losließ.
"Willst du dass ich weitererzähle?", hakte er nach.
Schnell nickte ich.
"Plötzlich fingen an Mädchen über uns zu schwärmen und da habe ich bemerkt, wie tief die Welt eigentlich gesunken ist. Ich wollte nie für Ansehen sorgen,- wobei mir schon bewusst war, dass dies passieren wird- ich wollte nur helfen und heute wäre dann eigentlich der große Tag. Weißt du noch als du Geräusche aus dem Keller der Kita gehört hast?"
"Ja", murmelte ich.
"Wir sind heute mit Schwierigkeiten in den Keller reingekommen."
Und, wurde ich vermisst?😏
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