Kapitel 7
„Die meisten Menschen merken gar nicht, was man alles für sie tut, bis man damit aufhört."
Laia:
„Entschuldigt, dass weder mein Mann, noch mein Sohn Euch in Empfang nehmen konnten, aber wir hatten damit gerechnet, dass Ihr früher ankommen würdet. Und nun sitzen die beiden Männer in einer Beratung fest.", erklärte mir die Königin und bedachte mich mit einem entschuldigenden Blick. Ich war mir nicht so sicher, ob sie das wirklich ernst meinte, oder ob es einfach nur zum Anstand gehörte.
„Ist schon in Ordnung. So kann ich mich wenigsten noch einmal frisch machen nach dieser langen Reise.", winkte ich ab und lächelte erleichtert. Ich war nämlich mental noch nicht bereit meinen "Verlobten" kennenzulernen. Am liebsten hätte ich unser Aufeinandertreffen noch Wochen, nein, sogar Monate hinausgeschoben. Aber das war leider nicht möglich.
„Dann zeige ich Euch am besten Eure Gemächer.", beschloss Königin Amalia und führte mich durch ein Wirrwarr von Gängen und Treppen. Allein würde ich den Weg zurück wohl nicht finden können. Hoffentlich prägte Tatiana sich den Weg ein.
„Ihr seht Eurer Mutter sehr ähnlich.", meinte die Königin mit einem schwachen Lächeln und musterte mein Gesicht eingehend, weshalb ich mich etwas unwohl fühlte. Meine Ähnlichkeit zu der echten Prinzessin Annabell reichte wohl aus, um die Leute wenigstens auf den ersten Blick zu täuschen. Aber meine Ähnlichkeit zur ehemaligen Königin konnte ich beim besten Willen nicht erkennen. Gerade einmal Haar- und Augenfarbe stimmten überein.
Wieder zurück in meiner Rolle senkte ich den Kopf, als würde ich mich unendlich geschmeichelt fühlen, aber nicht mit Komplimenten umgehen können. Was ich eigentlich auch in Wirklichkeit nicht konnte.
„Ich habe Euch, zusätzlich zu ihrer Zofe, noch zwei weitere zur Verfügung gestellt. Diese beiden werden Euch helfen Euch zurechtzufinden und einzuleben.", redete die Königin schon wieder weiter, bevor wir vor einer Tür am Ende des Flurs zum Stehen kamen. Dort standen bereits die genannten Zofen und verbeugten sich, bevor sie die Tür zu meinen Gemächern öffneten.
„Ich hoffe es gefällt Euch. Wir sehen uns dann morgen früh im Thronsaal.", verabschiedete sich Amalia rasch, wirbelte herum und lief davon. Ich sah ihr noch kurz verwirrt hinterher, bis sie um die nächste Ecke verschwand. Irgendwie konnte ich sie nicht wirklich einschätzen. Mochte sie mich? Oder war ich ihr jetzt schon eine nervige Last geworden?
„Hier lang, Prinzessin.", hörte ich Tatiana plötzlich neben mir. Ich nickte schnell, als mir bewusst wurde, dass ich immer noch im Gang stand. Gemeinsam liefen wir in das viel zu große Schlafzimmer, welches in blassem rosa und weiß gehalten war, dazu natürlich haufenweise protzige, goldene Verzierungen.
Als erstes fiel mir das riesige Himmelbett ins Auge, welches auf einem kleinen Podest stand. Es hatte einen weißen Baldachin, golden verziert, und weiße Vorhänge, die an den Pfosten festgebunden waren. Es gab auch noch eine kleine Sitzecke, ein kleines Bücherregal und eine Kommode. Alles mit teuren Verzierungen und Ornamenten.
Das hätte man sich wirklich sparen können. Das Geld, welches die königliche Familie an diese Möbel verschwendet hatte, hätte man auch der ärmeren Bevölkerung zukommen lassen können. Eine normale Holzkommode hätte es doch auch getan, genauso wie ein normales Bett. Aber nein, die Adligen mussten ja zeigen was sie hatten, mussten mir ihre Macht und ihren Einfluss unter die Nase reiben.
Zwei Türen führten von dem Schlafzimmer ab. Eine in ein großes luxuriöses Badezimmer, die andere in ein Ankleidezimmer mit Spiegelwand. Und welch eine Überraschung, wieder war überall Gold verteilt.
Ich versuchte meine Abneigung zu verbergen, während die fremden Zofen meine Koffer aus packten. Tatiana hingegen nahm mir den Mantel ab und flüsterte mahnend:„Lächeln! Freu dich!"
Ich erwiderte aber nur leicht besorgt:„Meine Waffen sind doch in den Taschen versteckt."
„Ich habe sie unter den Stoff geschoben, sie werden sie nicht finden.", beruhigte sie mich und ging dann mit dem Mantel ins Ankleidezimmer. Ich beobachtete derweil weiter die beiden Frauen. Sie waren älter als ich, vielleicht so Mitte zwanzig. Die eine, die sich mir als Anna vorgestellt hatte, war etwas fülliger, aber nicht dick. Sie hatte dunkelbraunes schulterlanges Haar und hellgrüne Augen. Vom ersten Eindruck her wirkte sie freundlich, aber mir war bewusst, dass am königlichen Hof jeder ein falsches Spiel spielte und ich mich nicht auf meine Intuition verlassen konnte.
Die andere Frau, Yuki, hatte langes schwarzes Haar, welches sie in einem Zopf zusammen gebunden hatte. Die dunkelbraunen Augen und die harte Gesichtszüge, ließen sie düster und ernst erscheinen.
Ob die Königin diese beiden Frauen wohl als Spione verwendete? Ich würde unweigerlich viel Zeit mit ihnen verbringen müssen, also wäre es die beste Möglichkeit, um meine Geheimnisse und Ziele in Erfahrung zu bringen. Und wenn ich an der Stelle der königlichen Familie wäre, würde ich genau wissen wollen, wer diese fremde Prinzessin in meinem zu Hause ist und was sie vorhat. Vertrauen ist zwar schön und gut, aber Kontrolle ist in solch einer Situation besser.
Ich sollte also vorsichtig in ihrer Gegenwart sein. Ein falsches Wort und die Königin wäre sofort informiert und ich im Kerker.
Als alle Sachen ausgepackt und die Koffer auf den Schränken verstaut waren, bat ich Anna und Yuki mir etwas Ruhe zu gönnen, was sie auch sofort taten. Sie hinterfragten nicht einmal, warum ich Tatiana nicht auch weg schickte.
Mit einem erleichterten Seufzen ging ich ins Ankleidezimmer und half Tatiana dabei, die Koffer wieder herunter zu holen, um meine Waffen aus ihren Verstecken zu befreien. Zu den vier kleinen Messern, die ich an meinem Körper trug, hatte ich noch zwei größere in dem größten Koffer und in den anderen ein paar Pfeile. Aber letzteres war ziemlich sinnlos, weil ich meinen Bogen nicht mitnehmen konnte. Aber vielleicht ließ sich ja irgendwie noch einer auftreiben.
„Wo willst du sie verstecken? Wir können sie ja schlecht einfach so zwischen deine Kleider schieben.", wandte sich Tatiana an mich, während ich meinen Blick schon wandern ließ. Weder auf, noch in den Schränken konnte ich sie verstecken, da man sie dort sicherlich beim Putzen entdecken würde. Unter dem Bett schien mir auch keine gute Lösung zu sein, aber der Baldachin wäre nicht schlecht. dort ging nie jemand ran.
„Die Schwerter und die Pfeile legen wir an den Rand des Baldachins, und die kleinen Messer fürs erste auch. Ich kann sie schlecht weiter am Körper tragen, wenn ich nun noch zwei Zofen an der Backe habe, die mir beim Umziehen helfen und sie dabei entdecken könnten.", beschloss ich und schnappte mir mein Waffenarsenal.
„Anna und Yuki werden nicht für immer deine Zofen bleiben, nur solange bis ich mich hier mit allem auskenne. So ist es üblich. Außer natürlich du brauchst mehr als eine Zofe."
„Nein danke, ich bin mit dir völlig zufrieden.", gab ich nur grinsend zurück. Ich konnte nur hoffen, dass Tatiana sich schnell an all das hier gewöhnte und wir wieder nur zu Zweit waren.
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Nachdem man mir noch etwas zu Essen aufs Zimmer gebracht und ich dieses mit Tatiana verputzte hatte, ging Tatiana in ihr Zimmer, welches direkt neben meinem lag. Sie wusste, dass ich es nicht mochte, wenn sie mir beim Baden oder Umziehen half, also ließ sie mich es selber machen.
Als ich mit allem fertig war, ließ ich mich erschöpft ins Bett fallen, konnte allerdings einfach nicht einschlafen. Es war so ruhig im Schloss, dass es mir irgendwie unangenehm war. Sicher fühlte ich mich hier auch nicht. Ich kannte diese Stadt und ihre Bewohner nicht, genauso wenig wie die Feinde des Königs, die es vielleicht auch auf mich abgesehen haben konnten.
... na gut, ich war ja genau genommen ebenfalls sein Feind, aber das wusste ja keiner.
Nachdem ich mich eine halbe Stunde nur hin und her gewälzt hatte, beschloss ich mir eines meiner Messer zu holen und unter mein Kissen zu legen. Falls mich dann jemand angreifen sollte, würde ich nicht hilflos sein. Aber auch dies half nicht meine Nerven zu beruhigen. Also stand ich wieder auf und setzte mich vor die Balkontür, die ich einen Spalt breit öffnete um etwas frische Luft einzulassen. Meine Decke wickelte ich fest um mich. Da keine Wolken am Himmel waren, konnte ich die Sterne beobachten. Unweigerlich fragte ich mich, ob meine Familie auch gerade zum Nachthimmel hinauf schaute und an mich dachte. Oh wie gerne wäre ich gerade bei ihnen, im Bett an meine Schwestern gekuschelt. Oder mit meiner Mutter im Wohnzimmer mit einer Tasse Tee.
Das knirschen von Ästen ließ mich aufhorchen. Jemand war unten vor meinem Balkon. Ich konnte niemanden erkennen, also wartete ich ab und hoffte, dass diese Person weiter ging. Vielleicht war es ja auch nur eine der Wachen oder nur ein Tier, welches im Schlossgarten lebte. Oder es war tatsächlich ein Feind des Königs, der davon gehört hatte, dass die künftige Verlobte des Prinzen angekommen war und sich in diesem Teil des Schlosses aufhielt. Vielleicht sah diese Person ihre Chance dem König und seiner Familie zu schaden, indem er eine hilflose Prinzessin entführte oder sogar ermordete.
Kurz herrschte eine unnatürliche Stille, bevor sich die Schritte wieder entfernten, sodass ich aufatmen konnte. Sicherlich war es eine Wache gewesen, wer sollte auch sonst mitten in der Nacht durch den Garten des Schlosses schleichen? Ich war einfach nur etwas paranoid, da ich mich hier noch nicht auskannte.
Ich sollte am besten nochmal versuchen zu Schlafen, damit ich den morgigen Tag überstehen konnte. Denn eins war mir gewiss, ich würde morgen der ganzen königlichen Familie und ihrem Hof die größte Lüge meines Lebens auftischen. Und ich konnte nur hoffen, dass sie mir das auch alle ab kauften, denn sonst wäre ich wirklich am Arsch.
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Ich hatte noch einige Stunden schlafen können, bevor meine drei Zofen das Zimmer betraten und die Vorhänge aufzogen und die Balkontür aufrissen, um den neuen Tag herein zu lassen. Ich grummelte nur vor mich hin und zog die Decke über mein Gesicht, damit ich dem folgenden Stress noch etwas entkommen konnte. Aber vergebens. Mir wurde keine Minute später die Decke weggerissen und stattdessen ein Tablett mit Essen neben mich gestellt.
„Esst, Prinzessin, danach machen wir euch fertig für eure erste Begegnung mit dem König.", sagte Yuki in einem etwas strengeren Ton, als ich erwartet hatte. Als ich einen kurzen, prüfenden Blick auf das Essen warf, konnte ich einen zufriedenen Seufzer nicht unterdrücken.
Es gab Rührei, Speck und jede Menge Obst, wovon ich über die Hälfte noch nie zuvor gesehen, geschweige denn probiert hatte. Für mich war dieses Frühstück reinster Luxus, aber für die Bewohner dieses Schlosses reiner Alltag. Ich hätte wetten können, dass die königliche Familie dieses Essen als selbstverständlich erachtete und keinen Gedanken daran verschwendete, wer all diese Leckereien besorgt und zubereitet hatte.
Ich nahm mir fest vor der Küche einen Besuch abzustatten, sobald ich die Möglichkeit hatte, und mich bei ihnen für ihre harte Arbeit zu bedanken. Auch wenn ich nur eine miese Schwindlerin war, konnte ich meine jetzige Position dennoch ausnutzen, um den Bürgern in diesem Land etwas gutes zu tun.
Ich würde meine Wurzeln nicht vergessen, bis zu dem Zeitpunkt, in dem ich meine Seele aufgeben muss und die königliche Familie töte. Damit werde ich auch meinem Leben ein Ende setzen.
„Stimmt etwas nicht mit dem Essen? Ihr habt ja gar nichts angerührt.", kam es überrascht von Anna, die mich mit ihren Worten aus meinen Gedanken riss.. Ich schüttelte schnell den Kopf und begann zu Essen, während ich meine Zofen dabei beobachtete wie sie ein Bad einließen, mir ein Kleid heraus suchten und Schminke und Schmuck zurecht legten.
Nicht einmal entscheiden was ich anzog durfte ich, toll.
Zu gern hätte ich das ganze Frühstück aufgegessen, aber mein Magen war es einfach nicht gewöhnt so große Mengen zu bekommen. Normalerweise konnte ich mich freuen, wenn ich zum Frühstück mehr als eine Brotscheibe bekam. Aber dies hier war einfach zu viel.
„Nicht bummeln, Prinzessin, der König wartet nicht gerne.", hetzte mich Yuki weiter, als sie bemerkte, dass ich mich vom Tablett abgewandt hatte. Ohne darauf einzugehen, stand ich auf und ließ mich von ihr ins Bad zerren. Natürlich durfte ich nicht alleine Baden, nein, ich wurde geschrubbt und abgespült, bis Yuki mit ihrem Ergebnis zufrieden war.
Was dachte sie denn von mir? Dass ich in der Badewanne ertrinke, wenn ich alleine ein Bad nahm? Oder dass ich zu faul war mich selbst ein zu schäumen? Waren etwa alle Adligen so?
Noch bevor ich diesen Gedanken fortführen konnte, wurde das Wasser abgelassen und ich auch gleich abgetrocknet und wieder ins Schlafzimmer gezogen.
Anna machte anstalten mir beim anziehen zu helfen, aber nun ging Tatiana dazschwischen und meinte, sie würde das übernehmen. Unterwäsche durfte ich mir noch alleine Anziehen, aber bei dem weißen Korsett musste sie mir helfen. Ich hielt mich an einem Bettpfosten fest, während Tatiana mir die Luft aus den Lungen quetschte. Immer wieder entschuldigte sie sich leise dafür, aber mir war ja bewusst, dass sie mir auch lieber dieses Höllenteil erspart hätte.
Danach half sie mir in ein schlichtes weißes Kleid zu steigen, welches keine Träger hatte. Als ich mich damit im Spiegel sah, ähnelte es einem nassen Sack, aber dann kam Anna mit einem seltsamen Metallgerüst. Skeptisch beäugte ich jenes und überlegte, was sie damit anstellen wollte.
„Hebt bitte Eure Arme etwas an, Prinzessin.", bat Anna mich, bevor sie mir die untere Metallhälfte um die Hüfte legte und die obere auf meine Schultern und um den Hals. Sie verschloss dieses an je einem Clip auf meinem Rücken und Hals.
Als ich dieses Mal einen Blick auf mich riskierte, wirkte das Kleid komplett verändert. Die Metallverzierungen waren fein gearbeitet und brachten das Kleid in Form, und ließen es vor allem hochwertiger und edler wirken.
„Ihr seht wunderschön aus.", schwärmte Anna lächelnd und Tatina nickte zustimmend. Yuki sagte natürlich nichts dazu, sondern zog mich wieder ins Badezimmer, wo sie mich an den Schminktisch setzte.
„Ach jetzt hetz sie doch nicht so.", nörgelte Anna, die uns sogleich gefolgt war.
„Wir haben aber nicht ewig Zeit, also beenden wir das hier endlich.", erwiderte Yuki genervt und begann mir meine Haare zu bürsten, wobei sie eher weniger sanft vorging. Anna schien sich geschlagen zu geben, denn sie übernahm wortlos das Schminken.
Sie würden das unvermeidliche also auch nicht hinauszögern, sondern mich direkt in die Hölle schicken. Ich konnte nur hoffen, dass ich es unbeschadet wieder heraus schaffte ...
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Kleid: https://i.pinimg.com/originals/a1/e6/45/a1e645d88a563b7e0bea1c1912a94508.jpg
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