8. Knackendes Eis
Als ich die Augen aufschlug, lag ich allein auf dem Sofa in eine Wolldecke gehüllt. Verwirrt richtete ich mich auf und blinzelte. Bin ich ernsthaft gleich danach eingepennt? Wie peinlich ...
„Tommy?", rief ich verwirrt. Dem Stand der Sonne nach, die hereinschien, war es früher Abend. Wo ist er nur hin? Er konnte doch unmöglich einfach abgehauen sein ... Dann fiel mir auf, dass noch jemand anderes fehlte - der kleine Kläffer war ebenfalls verschwunden, vermutlich drehten sie also nur eine Runde um den Block.
Seufzend sank ich zurück ins Polster. Ich konnte kaum fassen, dass wir es miteinander getan hatten - einfach so, an einem Samstagnachmittag im März. Fast musste ich lachen, so surreal war das.
Kurz darauf hörte ich schon den Schlüssel im Schloss und aufgeregte Hundepfoten. Oliver kam heran geschossen um zu überprüfen, ob ich immer noch da war - merkte, dass ich nicht mehr schlief und begann daraufhin wieder lauthals seinen Unmut darüber zu äußern.
„Sei endlich still", rief Tommy genervt vom Flur aus.
„Du hättest mich wecken sollen", sagte ich leicht vorwurfsvoll, als er sich neben mich warf.
„Hmm ... du hast so tief geschlafen, da war echt nichts zu machen."
Das Fellknäuel kam näher, musterte mich kritisch und sprang dann hastig in die Sicherheit von Tommys Schoß hinein, wo er sich einrollte und mich genauestens im Auge behielt.
„Er mag mich nicht besonders ..."
„Nimm's nicht persönlich, er mag niemanden; er ist einfach ein verzogenes Mistvieh. Tut mir leid, aber so ist es."
„Dich scheint er zu mögen."
„Ja, weil ich ihn regelmäßig füttere und nicht den halben Tag in der Wohnung eingesperrt lasse oder in enge Handtaschen stopfe. Er ist ein kleiner Arsch, aber was soll ich machen?" Tommy wuschelte ihm beiläufig durchs Fell und auch wenn er es scheinbar nicht zugeben wollte, mochte er der Kleinen wohl. Oliver fing sofort an freudig mit dem Schwanz zu wedeln und genoss diese Streicheleinheit zutiefst. Sie waren extrem süß zusammen, auch wenn ich Hunde, die mir voll ausgewachsen nicht einmal bis ans Knie reichten, nicht wirklich als Hunde betrachtete.
„Tut mir leid, dass ich eingeschlafen bin."
„Daran war ich nicht ganz unschuldig, oder?", lächelte er verschmitzt. „Es war meine Schuld, ich wollte wirklich, dass es dir gefällt und bin dann vielleicht etwas übers Ziel hinausgeschossen. Aber immerhin bist du jetzt ausgeruht und kannst mit ins Wohnheim kommen."
„Ins Wohnheim?", fragte ich irritiert.
„Ins Studentenwohnheim in der Herzogstraße - das kennst du doch?"
Klar, Niklas hatte dort für ein paar Monate gewohnt.
„Liza hat mich eingeladen, die künftigen Ingenieure von morgen feiern heute Abend das Ende ihrer Prüfungsphase. Hast du Lust?"
Nein. Viel lieber würde ich einfach hierbleiben, mich unterhalten und ein paar weitere Details aus seinem Leben aus ihm rauskitzeln. Aber klar - früher war ich auch jedes Wochenende feiern gegangen. Es war normal und wenn ich nicht aufpasste und besser schritthielt, würde ich irgendwann auf der Strecke bleiben. Das hatte ich schon im Anriss bei meinen Freunden gemerkt, die auch keine Lust hatten jedes Wochenende daheim herumzuhängen, die genauso sozialisieren und tanzen gehen wollten. Also sagte ich nicht was ich in Wahrheit wollte, sondern: „Klar, klingt super."
„Nice. Hast du Hunger? Soll ich Pizza bestellen?"
„Unbedingt", erwiderte ich völlig ausgehungert.
„Okay, um die Ecke gibt's gleich nen guten Italiener. Was für eine willst du?"
„Kommt drauf an, willst du teilen?"
„Sorry, ich bin immer noch bombensatt von Mittag. Meine Mutter ist ein bisschen verrückt und friert tausend Sachen ein, die ich dann essen soll."
Er lächelte entschuldigend und ich fragte nicht weiter nach. Mit verrückten Muttern kannte ich mich aus.
Er bestellte und sprang dann kurz unter die Dusche. Ich zog mich inzwischen langsam an. Vor ein paar Monaten noch, wäre „kurz unter die Dusche springen" auch für mich kein Problem gewesen, nun war es ein Kraftakt, den ich mir weise einteilen musste. Ich hatte es niemanden erzählt, aber mein erster Versuch Zuhause nach der Reha zu duschen, war katastrophal ausgefallen. Beinahe wäre ich nicht mehr aus der Badewanne gekommen und musste schlussendlich mehr oder weniger herauskriechen. Es war so deprimierend gewesen, dass ich mich erstmal auf der Badematte eingerollt und hemmungslos losgeschluchzt hatte.
Eine Viertelstunde später, balancierte ich zufrieden einen Pizzakarton auf den Oberschenkeln, während Tommy mit feuchten Haaren neben mir saß und mir einfach nur zusah.
„Willst du wirklich nichts abhaben?", fragte ich verlegen. So intensiv wurde ich wahrscheinlich noch nie bei der Nahrungsaufnahme beobachtet.
„Nein danke. Ehrlich gesagt, bin ich gar nicht so der Pizza-Fan."
Irritiert starrte ich ihn an. Es kann doch unmöglich Menschen geben, die keine Pizza mochten. Das klang irgendwie zu schräg, um wahr zu sein.
Er lächelte gelassen weiter und ich beließ es erstmal dabei. Er war ein einziges Mysterium.
Danach verzog ich mich auch mal kurz ins Badezimmer und beging zumindest ein wenig Katzenwäsche, um wenigstens etwas vorzeigbarer zu werden.
„Was ist eigentlich mit Oliver? Denn willst du doch nicht mitnehmen, oder?"
„Nein, natürlich nicht", wehrte Tommy lachend ab. „Das ist kein Problem; Gina hat unseren Ersatzschlüssel und kann ihn später einfach abholen."
Bald darauf brachen wir auf und nach kurzer Diskussion, die er ziemlich unfair mit einem intensiven Kuss für sich entschied, ließ ich ihn mich grummelnd runtertragen. Es waren ja nur zwölf Stufen.
Mit einem mulmigen Gefühl im Magen rutschte ich in den Rollstuhl hinein. Ich ging nicht gerne darin feiern; auf Hauspartys war es meistens in Ordnung, da kannten mich die Leute bereits und waren den Anblick gewohnt. Doch Fremde wurden immer schnell unsicher in meiner Gegenwart und wussten nicht genau, wie sie mit mir umgehen sollten - entweder nahmen sie dann zu viel Rücksicht oder gar keine - und beides wurde mir schnell zu viel und ich fühlte mich schrecklich.
Das Wohnheim hatte sich seit meinem letzten Besuch nicht verändert; es war immer noch laut und voller Leben; zu jeder Tages- und Nachtzeit. Zum Glück gab es einen Aufzug. Ich dachte, wir würden gleich herunterfahren, im Eingangsbereich hörte man bereits die aufgedrehten Lautsprecher aus dem Keller herauf dröhnen. Aber Tommy drückte auf die 3 und wir fuhren aufwärts.
„Willst du noch jemanden abholen?"
„Hm? Oh ja, ich wollte mir bei Garve noch eine kleine bunte Pille genehmigen. Völlig nüchtern steh' ich den Abend nicht durch; aber keine Angst, so high das man nichts mehr mit mir anfangen kann, werde ich dadurch nicht."
Wir stiegen aus und liefen einen mit Plakaten gepflasterten Flur entlang, bis zu einer verschlossenen Tür, die Tommy ohne Warnzeichen aufzog und mir einladend aufhielt. Ich rollte hinein und sah mich um; es herrschte ein einziges Chaos, aber irgendwie bekam der kleine Raum dadurch Charme.
„Tommy?", rief jemand fragend hinter der nur angelehnten Badezimmertür. Ein Luxus, Niklas hatte sich den Waschraum mit dem ganzen Stockwerk teilen müssen.
„Ja, ich bin's."
Er war in die Hocke gegangen und hatte seinen Arm unter die durchgelegene Matratze gesteckt, zog eine kleine Blechdose hervor und klappte dessen Deckel auf.
„Nimm keine von den Blauen!"
„Hatte ich nicht vor", entgegnete Tommy scheinheilig und schob sich eine kleine blaue Tablette in den Mund.
Garve schlürfe nur in Jogginghose herein und fragte, den Blick genervt auf mich gerichtet und scheinbar kein bisschen verwundert über meine Anwesenheit: „Er hat eine von den Blauen genommen, richtig?"
Ich antwortete nicht und Garve schüttelte nur die blonden Locken. „Ganz toll, deinetwegen flieg' ich irgendwann noch raus ... Scheiß drauf, ich brauch' jetzt n' Bier! Kilian, willst du auch eins?"
Ich nickte, eigentlich war ich nicht besonders schüchtern, aber die Situation überforderte mich noch. Ich verstand ihre Beziehung nicht - sie benahmen sich wie gute Freunde, aber die sexuelle Spannung zwischen ihnen war unübersehbar; die hatten Sex, regelmäßig. Wie passte ich nun in diese Dynamik rein? Es war als würde Tommy seinen besten Fuckbuddy mit auf unser erstes Date nehmen und dies als das Normalste der Welt abtun. Und was es noch schlimmer machte; ohne Shirt an, wurde sein richtig gut gebauter Oberkörper nicht länger zensiert - Garve sah wirklich aus wie ein braungebrannter australischer Traumtyp, der sich gleich mit seinem Surfbrett unterm Arm geklemmt in die nächste Welle stürzen würde.
„Hier."
Garve reichte mir eine gekühlte Flasche und trank aus einer eigenen. Ich nahm sie entgegen und trank ebenfalls einen Schluck.
Klar, in der Szene waren offene Beziehungen verbreiterter als bei heterosexuellen Paaren, trotzdem ...
„Beeil dich lieber, sonst reißt Liza uns den Kopf ab", bemerkte Tommy und warf sich schamlos in das ungemachte Bett.
„Ach Liza und ihr Pünktlichkeitswahn", murmelte Garve und schüttelte sich die Jogginghose ab. Darunter trug er eine wunderbar enganliegende Boxer, die seinen Arsch betonte.
Wollte Tommy mich vielleicht testen?
Ich sah zu meinem Klassenkameraden, der desinteressiert die Decke über sich anstarrte. Garve schlüpfte derweil in eine Jeans und zog sich ein verwaschenes T-Shirt über. „Fertig - wollen wir?"
„Macht es dir was aus, wenn ich meinen Rollstuhl hier Zwischenparke? Ich würde lieber auf Krücken laufen."
„Sicher?", fragte Tommy, der sich beunruhigt aufgesetzt hatte und mich nun eingehend betrachtete.
„Solange ich keine Treppen steigen muss, ist es okay", log ich und Garve zuckte mit den Achseln. „Klar. Soll ich derweil dein Bier nehmen?"
„Danke."
Tommy schien meiner Behauptung weiterhin zu misstrauen, aber diesmal wollte ich mich durchsetzen. Es war immerhin mein Körper und niemand kannte seine Grenzen besser.
Die Party war schon im vollen Gange, wacklig kämpfte ich mich durch die herumstehenden - Garve lief vor mir weg und teilte die Menge, Tommy hatte mir für zusätzlichen Halt seine Hand auf den unteren Rücken gelegt. Leider war ich zu durch um es nicht tolerieren zu können.
Endlich erreichten wir die Sitzecke, die Liza und ein paar andere Unbekannte erobert hatten und uns freudig entgegen strahlten. „Da seid ihr ja! Oh hey, Kilian, richtig? Rutscht mal zusammen Leute, Kilian kann nicht so lange stehen!"
Ein bisschen verwunderte Blicke wurden mir zugeworfen, aber alles wofür ich mich interessierte, war die jetzt freigewordene Fläche neben Liza.
„Alles in Ordnung?", fragte Liza besorgt und streichelte mir sanft über den Rücken. Ihr rundes, sommersprossiges Gesicht wurde von Lichteffekten in unterschiedliche Farben getaucht. „Soll ich dir ein Wasser holen?"
„In den zwei Jahren, wo wir uns schon kennen, hast du noch nie angeboten mir ein Getränk zu holen", bemerkte Garve belustigt und gab mir mein Bier zurück. „Pass besser auf, vielleicht steht sie auf dich ..."
„Idiot", knurrte Liza und im nächsten Moment drehte sich das Mädchen neben ihr um und fragte, ob sie tanzen wolle. Liza bejahte und die beiden stürzten sich Hand in Hand auf die Tanzfläche. Garve setzte sich auf den freigewordenen Platz und sagte etwas in die Gruppe. Tommy stand und wurde rücklings von einem Mädchen mit nem tätowierten Herzchen auf der Wange umarmt. Es war klar zu erkennen, dass dieses Grüppchen von ca. zehn Leuten sich regelmäßig traf - die Mehrzahl war älter als Tommy und ich und kein Gesicht kam mir besonders bekannt vor oder war mir schon einmal auf dem Schulflur aufgefallen. Ich kam mir ein bisschen abgestellt vor, auch wenn es teilweise meine eigene Schuld war - sie alle wirkten super sympathisch und offen und keiner präsentierte mir die kalte Schulter. Keiner außer Tommy.
„Wir könnten rummachen", schlug Garve völlig aus dem Nichts heraus vor und ich konnte ihn einen Moment nur entgeistert anstarren. „Was?", fragte ich, weil ich dachte mich verhört zu haben, was bei der aufgedrehten Musik nicht unwahrscheinlich war. „Na, du willst doch Tommys Aufmerksamkeit erlangen, oder? Keine Bange, das macht er bei jedem so. Er ignoriert mich manchmal auch ganze Nächte hindurch."
„Danke, dadurch fühle ich mich jetzt viel besser", erwiderte ich ironisch.
„Er ist einfach schüchtern."
„Klar."
Das hatte ich früher auch gedacht, aber in den letzten zwei Wochen wurde ich eines Besseren belehrt. Ihm war einfach alles und jeder egal.
„Das ist er; schüchtern und extrem verletzbar. Also wenn du dich für seine Ignoranz an ihm rächen willst, stehe ich gern zur Verfügung."
Keine Ahnung, ob er das ernst meinte, aber es machte mich wütend.
„Ganz ehrlich, was ist dein Problem? Behandelst du all deine Freunde wie Scheiße?"
„Nur die, die es nicht anders lernen", antwortete er gelassen. „Manche Menschen lernen erst das Feuer heiß ist, wenn sie sich daran verbrennen. Und wieder andere müssen erstmal regelrecht abfackeln, bis sie die Lektion verstehen. Und Tommy ist jemand, der seine Hand sehr gern und lange in die Flammen streckt. Ich will die Sache nur beschleunigen."
„Du denkst also, er verbrennt sich an mir?", schlussfolgerte ich aus seinen Worten.
„Ich denke, du bist ein fucking Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann. Auch wenn er momentan noch schläft."
„Und darf man auch erfahren, warum du dermaßen schlecht über mich denkst?" Ich versuchte wirklich nicht allzu angriffslustig zu klingen, aber meine Laune war schon seit ner Weile an einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Was sollte dieses kindische Theater auch?
„Tja, also erstmal ist es schwer vorstellbar, dass Niklas Winter kleiner Bruder nicht genauso ignorant und selbstgefällig ist, wie er selbst."
„Das musst gerade du sagen."
„Aber der eigentliche Grund dafür sind deine ach so charmanten Freunde - Tommy hat es mir gegenüber nie erwähnt, aber ich habe es trotzdem durch Hannah erfahren. Also wenn jemand mit solchem Abschaum rumhängt, sagt das doch schon einiges über diese Person aus, meinst du nicht?"
„Pass auf, wen du als Abschaum bezeichnest ... Du kennst sie doch überhaupt nicht!" Wut stieg in mir auf und ich presste den Kiefer zusammen.
„Sieh an, du kannst ja doch andere verteidigen, nur leider sind es die Falschen. Du hast schon Hannah für diese Arschlöcher fallenlassen, warum sollte es bei Tommy diesmal anders sein?"
Ich konnte nicht fassen, was er mir da vorwarf. Was zur Hölle hatte Hannah denn erzählt?!
Doch bevor ich ihn das fragen konnte, warf sich eine betrunkene Liza zwischen uns und wollte mich unbedingt überzeugen, irgendwann ebenfalls Maschinenbau zu studieren. Sie wurde so anhänglich, dass sich mir keine weitere Gelegenheit bot das Thema nochmal aufzugreifen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Tommy herantrottete und sich von Garve auf den Schoß ziehen ließ. Er wirkte ziemlich aufgekratzt, diese blaue Pille verfehlte ihre Wirkung nicht.
„Kilian? Kilian?"
Ich blinzelte, Liza musste mich irgendwas gefragt haben.
„Ich sagte, ich hol' mir noch ein Bier. Willst du auch noch eins?"
„Ähm, ja danke. Kannst du es mir auslegen? Ich geb's dir später wieder."
„Klar doch", sagte sie strahlend und sprang auf.
„Gefällt's dir? Die Musik ist Mist, aber zumindest ist der Alkohol günstig", raunte mir Tommy, der näher gerutscht war, ins Ohr.
„Ist ganz nett", meinte ich betont neutral und hoffte, Liza würde gleich mit dem Bier zurückkommen.
„Sollen wir lieber irgendwo anders hingehen? Wo es ruhiger ist?" Seine Hand rutschte in die Innenseite meines Schenkels.
Was sollte das jetzt? Wollte er mich eigentlich komplett verarschen?
„Nein, schon okay. Liza holt mir grad noch ein Bier und ich will mich noch etwas weiter mit ihr unterhalten", ließ ich ihn deshalb eiskalt abblitzen. Von wegen schüchtern, Garve hatte sie ja nicht mehr alle.
„Oh okay."
Seine Hand blieb, wo sie war, aber ich hörte zum ersten Mal ein wenig Unsicherheit aus seiner Stimme heraus.
„Weißt du, ich denke mir reicht's für heute", beschloss ich plötzlich und machte Anstalten aufzustehen.
„Wirklich? Es ist noch nicht einmal Mitternacht ...?"
„Ich bin müde", blieb ich unnachgiebig und sah an ihm vorbei zu Garve. „Sorry, aber kannst du mir oben kurz aufsperren?"
„Sicher."
„Kannst du Liza die zwei Euro fürs Bier geben?", bat ich Tommy und fischte eine Münze aus meinem Geldbeutel.
„Kilian ..."
Doch da hatte ich mich schon abgewandt und versuchte in der Schar Tanzender nicht umgeworfen zu werden. Garve tänzelte mir hinterher und lehnte sich dann wartend an den Aufzugsschacht. Er sagte die ganze Zeit über nichts, was mir sehr entgegenkam. Ich wollte aktuell nicht reden.
Leider erwischte Tommy uns noch, bevor die Aufzugtüren schlossen und schlüpfte im letzten Moment hinein. „Hey, alles okay?", fragte er mich beunruhigt. „Ist dir schlecht?"
„Nein, ich bin nur müde."
Garve musterte mich abwartend aus dem Augenwinkel heraus, vielleicht wartete er auf den Ausbruch; auf den großen Knall, damit er Tommy später am Abend unter die Nase reiben konnte, von Anfang mit allem richtig gelegen zu haben. Tja, den Gefallen tat ich ihm nicht. Ich war verletzt und wollte nur noch nach Hause, um mir in der Sicherheit meines Zimmers die Wunden zu lecken.
Die Türen glitten auf und ich humpelte hinaus.
„Bist du sicher ..." Er überholte mich mit Leichtigkeit und strich mir stirnrunzelnd die Haare aus dem Gesicht. „Hat jemand was Beleidigendes zu dir gesagt?"
„Nein und selbst wenn, würde ich damit klarkommen. Weißt du nicht jeder läuft rum und macht andere gleich schlecht, nur, weil der ein oder andere blöde Witz über einen kursiert."
„Wovon redest du überhaupt?"
„Tu nicht so unschuldig, Hannah hat Garve doch erzählt, wie schrecklich wir angeblich zu euch sind - ich meine, was soll das? Das Schlimmste, was sie machen, ist in deiner Gegenwart wie ein Schwein zu quieken, na und?! Deshalb sind sie doch keine Monster!"
Ich wollte noch mehr sagen, aber ich konnte nicht; Tommys unglaublich tiefe Verletztheit, die sich in diesem Moment unmissverständlich in seinen Augen widerspiegelte, ließ mich verstummen.
Er zitterte am ganzen Körper.
„Tut mir leid, dass du das so siehst", sagte er dann brüchig und ließ mich stehen.
„Tommy ... was?"
Ich wusste nicht, was Garve sah, als der Dunkelhaarige sich mit gesenktem Kopf an ihm vorbeidrängte, aber all seine Lässigkeit war mit einem Mal verschwunden und er rannte ihm sofort hinterher.
Ich blieb vor der immer noch verschlossenen Zimmertür zurück und starrte ihnen geschockt nach. Vielleicht hatte Hannah ja recht, vielleicht war ich wirklich irgendwann zu einem kompletten Arschloch verkommen?
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