🌶️6. Qiek Schweinchen, quiek
„Was für ein unfassbares Arschloch war das denn ...", murrte Garve neben mir verstimmt, „hätte besser noch ein paarmal Nachtreten sollen."
„Eines, was zufälligerweise meine Klassenkameradin datet", erwähnte ich pissig. „Wie oft hab ich dir schon gesagt, nicht immer wegen jeder Kleinigkeit auszuticken?"
„Was hätte ich stattdessen tun sollen? Es einfach hinnehmen?!"
„Ja", bestätigte ich ihm genervt, während wir nebeneinander den Bürgersteig entlangliefen. Es war eine kalte Frühlingsnacht und die Luft roch nach bevorstehenden Regen.
„Kannst du vergessen. Da wo ich herkomme, kriegt jeder aufs Maul, der es wagt, jemand anderes Babe zu beleidigen."
„Ich hoffe, du redest da nicht von mir", sagte ich und schob mir zeitgleich meine abgefrorenen Finger in die Vordertaschen meines schwarzen Hoodies. „Ich habe es dir bereits gesagt - ich habe aktuell null Interesse an einer festen Beziehung."
„Trotzdem darf ich doch ab und zu dein Ritter in der Not sein", meinte der Australier verschmitzt, zog mich an sich ran und leckte mir einmal quer über den Hals.
„Lass das", murrte ich und schubste ihn mit ausgefahrenen Ellbogen weg.
„Weißt du, ich würde dir ja anbieten dich jeden Tag in die Schule zu bringen und wieder abzuholen, wenn du tatsächlich auch vor ihrer Rache schiss hättest - aber wie beide wissen, dass du einfach nur ein kaputter Masochist bist und es insgeheim genießt", warf Garve mir nun auch noch grinsend vor, was ich mit einem finsteren Blick quittierte.
„Tue ich nicht, dieses pubertäre Machogehabe langweilt mich bloß."
Wir erreichten das Wohnheim, was nur zwei Straßen weiter lag und da es Freitagabend war, waren die meisten Studierenden noch wach und ausgelassen.
Einige sprachen Garve an und wollten ihn in eine Unterhaltung verwickeln, aber ich hatte es eilig, klaute ihm den Zimmerschlüssel aus der Jackentasche und lief schnurstracks die Treppen hoch. Mein Herz raste, wie immer, wenn ich mich länger im selben Raum wie Kilian aufhielt. Und wie immer mischte sich auch ein wenig Wut unter dieses Gefühlschaos.
„Tommy, warte!"
Garve holte mich ein, im selben Moment als zwei junge Männer das Treppenhaus betraten - und der bebrillte der beiden kam mir entfernt bekannt vor.
„Hey!", sagte dieser nun an Garve gewandt, der mich am Arm gepackt hatte.
„Hm?"
„Hast du eigentlich an einem Freitagabend nichts Besseres zu tun, als die Geburtstagsfeier einer achtzehnjährigen Schülerin zu crashen?!"
„Seit wann genau interessiert es dich denn, wo ich mich an meinen Freitagabenden rumtreibe?", gab Garve belustigt zurück. „Ah ..." Ein wissendes Grinsen schlich sich auf die Lippen des Australiers. „Hier geht's um Kilian, oder? Was denn? Befürchtest du etwa, dein süßer kleiner Bruder könnte sich unsterblich in mich verknallen?"
„Pass besser auf was du sagst, sonst ..."
„Sonst was? Fuck Niklas, er ist doch kein kleines Kind mehr, kein Wunder, dass er nur die Augen verdreht, sobald in einer Unterhaltung dein Name fällt."
„Das bringt doch nichts, Nikki", murmelte sein Kumpel und legte seinem Freund beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Lass uns abhauen."
„Du solltest besser die Finger von diesem Spinner lassen", meinte Kilians Bruder noch unerwartet scharf und sah mich dabei direkt an. „Du bist ihm scheißegal, er will einfach nur unterhalten werden, mehr nicht."
„Schön wär's", entgegnete ich genervt und stieg weiter die Treppe hoch. Diesen verbalen Ausrutscher würde ich später wahrscheinlich bereuen, aber aktuell kümmerte es mich nicht weiter, was Kilians älterer Bruder über mich dachte. Dafür war ich noch zu aufgekratzt vom heutigen Abend.
Ich sperrte Garves Zimmer auf und schaltete das Licht ein. Es war ein überschaubarer Raum mit allerhand Gerümpel darin. Auf dem Boden lagen Klamotten und auf dem Schreibtisch ein leerer Pizzakarton.
Garve kam hinter mir rein, schlug die Tür mit einem Tritt zu und begann sofort meinen Nacken mit seinen Lippen zu bearbeiten. Seine Erregung zeichnete sich überdeutlich in seinem Schritt ab.
„Tu mir das nicht an", hauchte er mir gegens Ohr, als er meinen leichten Widerwillen bemerkte. „Meine Heldentat hat mich unglaublich scharf gemacht ..."
„Du bist wirklich ein Narzisst, wie kann dich dein eigenes Handeln nur anturnen?"
Trotzdem ließ ich ihn gewähren, als er mir die Jeans runterstreifte und mir zwei Finger in den Mund schob, um sie mit Speichel zu benetzen. Danach dehnte er mich geschickt, was meinen Schwanz nicht mehr ganz so kaltließ.
Ich beugte mich über seinen Schreibtisch, während er eindrang und keuchte entzückt auf. Wir hatten es schon oft genug miteinander getrieben, um die Vorlieben des jeweils anderen zu kennen. Meine Hand verkrallte sich im Pizzakarton. Garve fickte unglaublich gut, seine Hand vergrub sich grob in meinen Haaren und riss mir den Kopf zurück, mein Rückgrat spannte durch.
„So gefällt dir das, was?"
Ich konnte nicht antworten, ich lutschte ihm gerade gierig die beiden Finger, die mir eben noch tief im Arsch gesteckt hatten. Dort, wo jetzt sein Schwanz war und sogar noch tiefer eindrang.
Nach diesem äußert befriedigenden Akt, lagen wir keuchend, nackt und aneinander gekuschelt in seinem Bett; er hatte beide Arme von hinten um mich geschlungen und das Gesicht in meinen dunklen Strähnen vergraben.
„Verrätst du mir langsam, was dich so aufgewühlt hat? Warum wolltest du vorhin so schnell gehen?"
„Katjas neuer Freund hat von Anfang an nach Ärger gerochen", erwiderte ich leise. „Und das hat sich ja bestätigt."
„Hmm? Das ist alles? Es hatte nichts mit dem Jungen zu tun, von dem du regelrecht besessen bist und der zum allerersten Mal ernsthaftes Interesse an dir gezeigt hat?"
„Ich weiß nicht, wovon du redest. Du bist betrunken", flüsterte ich mit abgewandtem Gesicht ins Kopfkissen.
„Du weißt ganz genau wovon ich rede - seine eifersüchtigen Blicke haben uns regelrecht aufgespießt", wisperte er mir schmunzelnd ins Haar.
„Hast du deswegen diese lächerliche Show abgezogen?"
Der Lockenschopf lachte in sich hinein und strich mir sanft mit einem Finger mein Rückgrat hinunter, was mir eine Gänsehaut bescherte. „Ich versuche nur mich zu amüsieren, bis du erkannt hast, wie langweilig er vermutlich ist und aufhörst ihn anzuschmachten."
„Ich warne dich, Garfield Chester, halt dich da gefälligst raus."
„Wenn du mir drohst und dabei auch noch meinen vollen Namen benutzt, werd' ich gleich wieder richtig horny ...", schnurrte er und ließ seine Hand abwärts wandern.
„Ganz sicher nicht", knurrte ich nachdrücklich und rutschte von ihm weg. Dieser Typ war wirklich unersättlich ...
*
Am nächsten Tag, schon nach Mittag, wachte ich auf. Garve war verschwunden und trieb wahrscheinlich, wer weiß was, für Dummheiten ...
Gähnend streckte ich mich und tastete nach meinem Handy. Hannah hatte mir geschrieben und wollte wissen, ob ich mich später noch mit ihr auf einen Kaffee treffen wollte.
Unicafe, 15:00 Uhr?, tippte ich und starrte anschließend unbefriedigt auf den Bildschirm, der keine weiteren Nachrichten mehr anzeigte. Kilian hatte mir ernsthaft nicht geschrieben ... also war ich gestern doch nur der unbedeutende Trostflirt nach der frischen Trennung gewesen?
Ich kam ein paar Minuten zu spät ins Café gehuscht, obwohl es sich im selben Gebäude befand, aber die dringend benötigte Dusche nach der gestrigen Bierdusche konnte ich schlecht skippen. Ich hatte mich an Garves Klamotten bedient und trug nun einen roten Sweater und eine schwarze, schlechtsitzende Trainingshose.
Hannah war schon da und hatte uns einen Tisch am Fenster organisiert, vor ihr zwei dampfende Tassen.
„Du bist eine Heilige", behauptete ich, während ich mich auf den Platz ihr gegenüber kuschelte und mir einen herrlichen Schluck genehmigte. Der erste Schluck Kaffee war immer der Beste.
„Hast du bei Garve geschlafen?", fragte sie betont neutral, auch wenn sie ihre Skepsis ihm gegenüber nie richtig hatte verheimlichen können.
„Ja, er und Liza haben mich auf Monas Geburtstagsfeier mitgeschleift - dort hab ich dann Katjas neuen Totalausfall kennengelernt. War wirklich nett."
„Denk' ich mir", schnaubte die Orangehaarige kopfschüttelnd.
„War tatsächlich ein sehr ereignisreicher Abend. Kilian hat Felice abserviert."
„Wirklich?", fragte Hannah ehrlich überrascht und schlürfte stirnrunzelnd den Schaum ihres Cappuccinos ab. „Dabei waren sie anfangs so verknallt ineinander ... Verrückt."
„Also habe ich ihm meine Nummer gegeben."
„Felice?!"
„Nein, Kilian."
Schweigend stellte sie ihre Tasse ab und sah mich durchdringend an. „Warum?"
„Warum nicht?"
„Weil er ein Arschloch ist, darum", betonte Hannah gnadenlos.
„Aber er war auch mal dein bester Freund", erinnerte ich sie deshalb.
„Damals war er auch noch keines; jetzt schon."
„Ich geb' dir dann ein Update, ob dem immer noch so ist."
„Das ist nicht lustig. Hör zu, Ki kann in einem Moment unfassbar nett und witzig und einfühlsam sein, sodass du dich ihm sofort unglaublich nah fühlst - und dann, nur einen Tag später, behandelt er dich plötzlich wie Luft und du kommst dir wie der letzte Idiot vor. Glaub mir, ich hab das mehr als einmal mit ihm durchgemacht."
„So jung und schon so verbittert", seufzte ich in meinen Kaffee.
„Das will ich echt nicht ausgerechnet aus deinem Mund hören. Hör auf eine Freundin; lass es."
„Schon gut, er hat mir ohnehin nicht geschrieben", gab ich etwas widerwillig zu und versuchte die Enttäuschung darüber zu ignorieren.
„Gut. Aber mal ehrlich, ist es okay für dich, dass jetzt bald alle davon wissen werden? Du wolltest dich in der Schule doch eigentlich nicht outen."
„Na ja, eigentlich hatte ich nur keinen Grund, es zu tun. Ich finde, mein Sexleben geht nur mich was an."
„Natürlich; es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest", versicherte mir meine beste Freundin sofort.
„Außer für meine Fick-Beziehung mit Garve, die ist echt abnormal pervers."
Daraufhin rollte Hannah ausladend mit den Augen und wir mussten beide lachen.
„Vielleicht sollte ich mich eher um Kilian sorgen", grummelte sie und rieb ihre Tasse zwischen den Händen, ein deutliches Anzeichen dafür, wenn ihr etwas auf der Seele brannte.
„Also?", fragte ich und wackelte verschwörerisch mit den Augenbrauen. „Wie war denn deine Tinder-Date-Entjungferung gestern? Wie hieß dein Match noch gleich ... Fred?"
„Ja, Fred. Es war ... interessant."
„Uh ... interessant", echote ich sadistisch, „das klingt richtig schön katastrophal."
„Na ja, katastrophal war es eigentlich nicht. Ich glaube sogar, er ist ein richtig netter Kerl."
„Aber?", ließ ich keineswegs locker und schloss genussvoll die Augen.
„Also, er hatte Flipflops an."
„Okay ..."
Es war Anfang März, aber jeder wie er mag.
„Und als ich ihn fragte, ob er nicht befürchte sich so die Zehen abzufrieren, meinte er todernst: Schon, aber wenn ich nervös werde, fangen meine Füße unerträglich an zu schwitzen und das wollte ich dir bei unserem ersten Date echt noch nicht zumuten."
Ich begann so heftig zu lachen, dass mir der Kaffee aus der Nase spritzte.
„Und das war noch nicht mal das Schlimmste! Der Nagel seines kleinen linken Zehs - ich schwöre - war extrem überstehend und sah aus wie der von einem Raptor! Ich saß das ganze Abendessen mit untergewinkelten Beinen da, weil ich befürchtete anderenfalls aufgeschlitzt zu werden! Stell dir nur mal vor, er hätte versucht mit mir zu füßeln ..."
„Oh das tue ich", versicherte ich ihr immer noch prustend.
„Aber abgesehen von seinen Stinkefüßen und dem Gruselzeh, war er ziemlich süß - deswegen hab ich ihn später auch probeweise geküsst."
„Oh bitte, lass diese Geschichte richtig gut enden ...", murmelte ich ein leises Stoßgebet deckenwärts. „Bitte."
„Anfangs war noch alles okay; die Technik, nicht zu viel Speichelflüssigkeit - ne solide Drei würde ich sagen. Doch dann ..." Sie holte tief Luft und ich hielt unterbewusst den Atem an. „Habe ich die Augen geöffnet, weil er so ein richtig komisches Geräusch gemacht hat ... Hätte ich es mal gelassen, ehrlich. Seine Augen waren verdreht und ich konnte nur noch das Weiße darin sehen! Erst dachte ich, er hat einen Anfall und wollte schon den Notruf wählen, aber dann ... Na ja."
„Oh mein Gott, das ist nicht dein ernst?! Wie hart hast du den Typen bitte geküsst, dass er gleich abspritzen musste?!"
„Nicht so laut", japste Hannah empört und trat mich unterm Tisch, „die Sache ist schon peinlich genug, auch ohne das alle Welt davon weiß!"
„Und dann?"
„Nichts dann. Er hat sich bei mir bedankt und ist gegangen."
„Ehrlich Hannah, wie gerätst du immer an solche abgefahrenen Typen?", fragte ich sie lachend, meine Bauchdecke schmerzte schon.
„Sorry, nicht jeder kann sofort einen australischen Sexgott daten. Was weiß ich? Schlechtes Karma?"
Es tat gut mit Hannah zu reden. Anfangs hatte ich ihr unterstellt, sich nur aus Mitleid mit mir angefreundet zu haben, da zu dieser Zeit jeder andere aus unserer Stufe, außer Zahid, mich weitgehend ignoriert hatte, weil niemand riskieren wollte Zielscheibe von Vince und seinen Schikanen zu werden. Sie alle fanden es super lustig, einen Jungen, der damals erst gebrochenes Deutsch konnte und seinen Frust darüber mit Schokolade kompensierte, als Schweinchen Babe zu betiteln und bei jeder sich bietenden Gelegenheit hämisch zu grunzen. Aber ob es nun aus Mitleid geschehen war oder nicht, die Freundschaft mit Hannah lohnte sich auf jeden Fall, allein schon für die regelmäßigen schrulligen Updates ihrer Date-Biografie.
*
Das Wochenende zog sich dahin, Montagmorgen kam - und immer noch keine Nachricht von Kilian.
Ich kam fast zu spät und schlüpfte deshalb als einer der Letzten in den Klassenraum. Die Stimmung war nicht gut, dass spürte ich sofort, trotz der Kopfhörer im Ohr.
Kilian saß mit abgewandtem Gesicht neben Katja, die mich sofort bemerkte und anstarrte wie ein lästiges Insekt. Wahrscheinlich gab sie mir die Schuld daran, dass ihr Neuer vermutlich am selben Abend noch wegen seiner Nase in die Notaufnahme gemusst hatte.
Seufzend ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und sah hinüber zu Zahid, der gerade Verbesserungen im Innenleben seines bereits vollskizzierten Ordners vornahm - eine seiner Alienbräute bekam noch weitere Tentakel verpasst. Er war zweifellos einer der nettesten Menschen, die ich jemals kennenlernen durfte und der dermaßen wenig darauf gab, was andere über ihn dachten. Er lebte völlig in seiner eigenen Welt und war damit vollstens zufrieden. Die anderen lachten zwar regelmäßig über ihn, aber es war wohl weniger unterhaltend, wenn das anvisierte Opfer darauf kaum bis gar nicht reagierte. Weshalb er weniger im Fokus stand als manch anderes armes Schwein - inklusive mir.
Hannah kam herein geschlürft, dicht gefolgt von unserem Mathelehrer, der eine dick bepackte Mappe unter einer schweißigen Achsel trug.
Fuck.
Ich wollte gar nicht wissen, wie mies die Ex ausgefallen war ...
Hannah setzte sich neben mich und warf einen beunruhigten Blick über die Schulter. „Haben sie schon was zu dir gesagt?"
„Nein, aber Katjas Blick will mich definitiv töten."
Es wurde ausgeteilt, Hannah bekam ein bestätigendes Nicken, ich eisige Stille ab.
Ich sah es mir nicht mal an und ließ das Blatt sofort in meinen Rucksack verschwinden.
Bis zur ersten Pause ging alles seinen gewohnten Gang. Wir gingen gleich weiter zum Englischraum, weil das Wetter draußen eklig war und setzten uns abwartend auf den Flur; Hannah überflog nochmal stirnrunzelnd die Korrekturen, während Zahid weiter an seinem Kunstwerk feilte.
Man hörte ihr Lachen schon, bevor sie um die Ecke bogen. Vince mit seinem typisch abfälligen Grinsen im Gesicht, vor dem nicht einmal seine eigene Freundin sicher war, bemerkte uns zuerst.
„Tommy!", rief er überschwänglich vertraut und kam zu uns rüber geschlürft, Hannah ließ alarmiert das Blatt sinken. „Das war ja eine Überraschung Freitag ..."
Ich legte den Kopf schief und blickte ihn gespielt fragend an: „Keine Ahnung, wovon du da redest."
„Kein Grund für falsche Bescheidenheit. Ehrlich ... um so einen Typen abzukriegen, musstest du doch bestimmt tief in die Trickkiste greifen ... Ich wette, du warst für jede Perversion zu haben."
„Könntest du dich zur Abwechslung mal um deinen eigenen Kram kümmern?", fuhr Hannah ihn genervt an, doch Vince ignorierte sie.
„Ich wette, du hast richtig krank für ihn gequiekt."
„Bist du fertig?", fragte ich betont gelangweilt.
„Fast ..." Er schnappte sich den erst halb aufgegessenen Jogurt aus den Händen seiner Freundin und kippte diesen über Zahids aufgeklappten Ordner aus. Ich war genervt, aber es reichte nicht, um mich wütend zu machen.
„Eeey, den wollte ich noch essen!", beschwerte sich Mona daraufhin bei ihm, als dieser eklig grinsend weiterzog. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie Kilian und Katja in den Flur kamen; mit einem Arm stützte er sich auf seine Krücke, den anderen hatte er Halt suchend bei ihr untergehakt.
Ich hasste diesen Anblick. Fast so sehr wie die Tatsache, dass er nicht einmal den kleinsten müden Blick für mich übrighatte.
„Ich hab es dir ja gesagt", murmelte Hannah, die meinen Augen gefolgt war und nebenbei geschäftig in ihrem Rucksack nach Taschentüchern wühlte. „Ah. Hier bitte."
Zahid nahm die Packung mit einem dankbaren Nicken entgegen und tupfte die weiße Masse von dem besudelten Ordner auf.
„Was erwartest du von jemanden, der mit solchen Arschlöchern rumhängt?"
*
Die restlichen Schulstunden verstrichen ereignislos, trotzdem fiel es mir schwer mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Hannahs Prophezeiung war wirklich eins zu eins in Erfüllung gegangen; Freitagabend hatte er sich mir gegenüber noch richtig geöffnet und mich sogar geküsst und nun existierte ich in seinem Universum scheinbar nicht mehr. Oder war es, weil Garve diesem Idioten eine verpasst hatte? Aber er kann doch nach diesem eindeutigen homophoben Seitenhieb unmöglich auf dessen Seite sein? Nur, weil Katja diesen miesen Wichser vögelt? Ernsthaft?
Wie jeden Tag nach Unterrichtsschluss, machte ich mich auf zum Musikraum, um ein wenig in die Tasten zu schlagen. Es war nicht schwer gewesen, Frau Eva zu bezirzen, sie vergötterte mein Spiel regelrecht und erlaubte mir deshalb uneingeschränkten Zugang zum Piano, hatte mir sogar einen Ersatzschlüssel anvertraut.
Doch heute fand ich die Tür bereits unverschlossen vor. Kilian saß auf dem Klavierschemel und versuchte sich demotiviert an einer recht einfachen Melodie eines Kinderliedes.
„So viel Leidenschaftslosigkeit lässt mein armes Musikerherz bluten", behauptete ich deshalb melodramatisch und er drehte sich halb herum.
„Lass mich mal sehen", verlangte er übergangslos.
„Was sehen?"
„Dein zweifellos unterirdisches Mathefiasko."
„Wieso?"
„Weil ich wissen will, ob meine Nachhilfe überhaupt irgendwas gebracht hat, deshalb."
Er steckte fordernd die Hand aus.
Keine Ahnung, warum ich mich überhaupt darauf einließ, aber ich gab ihm den dummen Test, rutschte neben ihn auf den Schemel und haute spielerisch in die Tasten. Es war ein Unterschied zwischen Himmel und Hölle.
„Und? Bin ich so dumm wie ein Schimpanse?"
„Die beiden Aufgaben waren echt mies", behauptete er, beinahe mitfühlend. „Außer mir hat niemand die volle Punktzahl erreicht. Nicht einmal Katja, und die hat nur bei mir abgeschrieben."
„Tja, dann muss ich mich ja nicht schlecht fühlen - wenn es sogar Menschen gibt, die zum Abschreiben zu blöd sind."
„Kein Grund, gleich beleidigend zu werden", murmelte er angefressen. „Ich weiß, du magst sie nicht besonders, aber ..."
Mein Spiel erstarb.
„Natürlich mag ich sie nicht, sie ist ein durchtriebenes Miststück."
„Woher willst du das wissen?", fragte er vorwurfsvoll. „Du kennst sie gar nicht richtig!"
„Ich kenne sie gut genug. Mehr als mir lieb ist. Und vergessen wir nicht ihren supertollen neuen Freund, nicht wahr? Der ihren guten Geschmack nochmals unterstreicht."
„Wenigstens steht sie zu dieser Beziehung. Ganz im Gegensatz zu dir", giftete Kilian. „Für wie blöd hältst du mich eigentlich?"
„Was meinst du?", erkundigte ich mich stirnrunzelnd und ließ von den Tasten ab.
„Ich habe Augen im Kopf, okay?! Ich hab gesehen, wie vertraut Garve dich angefasst hat. Ganz offensichtlich läuft da mehr zwischen euch. Was ja auch okay wäre, wenn du mich deswegen nicht belogen hättest!"
„Warum sollte ich dich deshalb anlügen?", fragte ich ihn ernst. „Ich meine, weshalb sollte ich mir die Mühe machen? Du bist nicht mein Freund, wir stehen in keinem engeren Verhältnis zueinander. Also was hätte ich davon?"
Kilian errötete und wandte den Blick ab. „Keine Ahnung. Vielleicht dachtest du, nach der frischen Trennung könntest du so einen einfachen Fick abstauben oder sowas in der Art."
„Wenn du das echt denkst, was willst du dann überhaupt hier? Du hast doch nicht auf mich gewartet, um dir eine Bestätigung für meine miesen Mathekünste zu holen, oder?", erkundigte ich mich nun bitter. „Du hast mir nicht geschrieben und hast demnach auch kein Interesse an mir - schön. Ich werd's überleben. Also kannst du jetzt bitte gehen und mich ihr Ruhe üben lassen?"
„Ich wollte dir ja schreiben, nur ..."
„Nur was?"
In seiner unmittelbaren Nähe hatte ich mich immer viel schlechter unter Kontrolle. Seine Augen waren unfair. Genauso wie sein Geruch, der mich immer so sehr ans Meer erinnerte.
„Ich will einfach nicht verarscht werden und die willkommene Gelegenheit sein, Vince etwas heimzuzahlen", brachte er schließlich leise hervor. „Und darum ..." Er konnte nicht weiterreden, ich hatte mir sein Kinn geschnappt und mit den Lippen zum Schweigen gebracht - einen überforderten Moment saßen wir einfach nur so da, dann lockerte er den Kiefer und ich glitt mit der Zunge in seinen Mund. Er war sehr schüchtern, was mir nichts ausmachte, weil ich gern die Führung übernahm.
„Schreib mir oder lass es, aber ich werde nicht hier sitzen und mir irgendwelche haltlosen Unterstellungen anhören."
Damit stand ich auf und flüchtete aus dem Musikraum. Mein Herz raste, ich wäre gern weitergegangen. Ungeduldig zog ich mein Handy aus der Hosentasche. Garve nahm nach dem zweiten Klingeln ab. „Wie schnell kannst du im Wohnheim sein?"
„Wieso? Ist was passiert?", fragte er beunruhigt.
„Nein, ich hab einfach nur mega Lust grad. Willst du nicht?"
„Ich hab gleich Seminar ..."
„Du darfst alles mit mir machen. Auch das."
„Bin schon so gut wie da", meinte der Australier euphorisch und legte auf.
☂︎☂︎☂︎
Für dieses Kapitel habe ich mal ein bisschen in meinem Freundeskreis nach den besten Tinder-Fails herumgefragt und hier die absoluten Highlights (überspitzt) zusammengefasst (^^)>
Aber bitte denkt immer dran, was für die eine Person ein absoluter Fail ist, kann für eine andere genauso ein Match sein. Geschmäcker sind verschieden und das ist auch gut so!
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