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5. Wörtersturm

Meine Freunde waren Arschlöcher.

Ich saß auf der üppigen Sofagarnitur im Wohnzimmer und trank Bier aus einem roten Pappbecher, während Felice, der neben mir saß, versuchte die laute Musik zu übertönen.

Wieder schaffte ich es nicht, ihm richtig zuzuhören.

Vermutlich sollte ich wirklich nicht schlecht über meine Freunde denken, ich war wohl auch nicht viel besser als sie.

„Gefällt dir die Party?"
Mona schmiss sich bäuchlings über die Rückenlehne und lüftete grinsend ihre pinke Partybrille.

„Ja, bin total hingerissen", behauptete ich müde lächelnd. „Vor allem die Käsespieße haben es mir angetan."

„Du gibst dir nicht genug Mühe!", beschwerte sie sich gespielt verstimmt und drückte mir ihren Zeigefinger gegen die Wange. „Auf einer Party muss man sich amüsieren! Amüsiere dich, Kilian!"

„Da ist ja unser Geburtstagskind!", brüllte plötzlich eine Stimme von hinten, kurz darauf wurde Mona gepackt und über die muskulöse Schulter unseres Fußballkapitäns geworfen. Sie kreischte begeistert los und zappelte wild mit den Beinen.

Scheinbar konnte sie auch ohne ihren Freund sehr gut bei Laune gehalten werden ...

Weder Katja noch Vince hatten sich bisher blicken lassen, diese miesen Verräter. Mir hatten sie so ein schlechtes Gewissen eingeflößt, dass ich schlussendlich tatsächlich aufgekreuzt war und ...? Was hatte es mir gebracht? Zeit mit meinem Freund, die ich lieber umgangen hätte. Vielen Dank auch.

Der Abend schritt voran; es wurde feuchtfröhlich gefeiert und selbst ich bekam nach meinem fünften Becher einigermaßen gute Laune. Eine Zeitlang saßen Mona und ihr Kapitän bei uns und Mona versuchte recht anschaulich uns „Kerlen" einen Einblick in die weibliche Psyche zum Besten zu geben. Ich brachte den Einwand, dass ich gar nicht auf Mädchen stünde und mir deshalb die seelischen Abgründe von Frauen ziemlich am Arsch vorbeigingen, aber sie ließ sich nicht beirren und sagte trotzig: „Aber Ki, in einer schwulen Seele, steckt auch zu mindestens einem Drittel Anteil, eine weibliche Version."

„Wie bitte?", lachte ich. „Du denkst, meine Seele wäre zu Dreiviertel weiblich? Und ich dachte, ich hätte ein wenig zu tief ins Glas geschaut heute ..."

Später lernte ich noch Liza kennen, eine schwedische Austauschstudentin aus der Nachbarschaft. „Da hat einfach jemand einen Flyer bei mir im Studentenwohnheim unter der Tür durchgeschoben und ich dachte mir; was soll's, schau' ich einfach mal vorbei - is ja gleich um die Ecke, und hier bin ich."

„Das klingt sehr nach Mona", erklärte ich.

„Wer?", fragte Liza irritiert.

„Das Geburtstagskind."

„Haben ihre Eltern nichts dagegen, wenn sie fremde Leute einlädt? Meine hätten mich kalt gemacht."

„Und meine erst", witzelte ich. „Bei sowas würde Emma Winter keinen Spaß verstehen."

„Winter? Wie Niklas Winter?"

Ich nickte ergeben. „Du kennst meinen bescheuerten Bruder?"

Liza lachte und schlug sich eine Hand vor den Mund. „Ist doch nicht wahr! Du bist Nikkis Bruder?! Scheiße, wir sind im selben Studiengang!"

Verwundert runzelte ich die Stirn und fragte verblüfft: „Du studierst Maschinenbau?"

„Ja, ich weiß, so seh' ich gar nicht aus! Eher wie eine Literaturstudentin, die Jane Austin anschmachtet, was?"

„Jetzt wo du es ansprichst ... Ja."

Ihr rundes Gesicht wurde von rotblonden Strähnen eingerahmt und auf ihrem langen, geraden Nasenrücken tummelten sich eine Menge Sommersprossen.

Sie boxte mich freundschaftlich. „Ihr seid wirklich Brüder! Genau derselbe Wortlaut! Ey, Garve!", brüllte sie auf einmal und winkte einen lockigen Typen im hochgekrempeltem Shirt näher. Not bad. Hübsch durchtrainierte Unterarme.

Dieser tippte nun seine Begleitung an und nickte in unsere Richtung. Mir blieb die Spucke weg, als ich ihn erkannte.

„Ist das nicht dein Klassenkamerad?", erkundigte sich Felice, der mit halben Ohr unserer Unterhaltung gefolgt war.

„Ach, Tommy kennst du auch?!", japste Liza geflasht. „Ist ja der Wahnsinn! Ich sollte öfter auf solche Partys gehen!"

Ich beobachtete wie Tommy sich vorlehnte und diesem Garve etwas ins Ohr raunte. Bestimmt hatte er keine große Lust mit uns abzuhängen. Es wunderte mich eh, ihn hier anzutreffen. Normalerweise mied er solche Partys wie die Pest. Zumindest die, auf die ich ging.

Dieser Garve schüttelte kaum merklich den Kopf und sagte irgendwas zu ihm. Anschließend legte er seinen Arm um Tommys Schultern und schob ihn unbarmherzig in unsere Richtung.

„Du hast ja einen hübschen Fang gemacht!", posaunte dieser Garve sofort frei heraus und warf sich Liza gegenüber in einen dunkelblauen Polstersessel.

„Nicht wahr? Nikkis kleiner Bruder", stellte sie mich vor.

„Dein ernst?" Er zeigte mit dem Flaschenhals seiner Bierflasche auf mich. „Du bist wirklich Nikkis kleiner Bruder? Warte ... Kilian?"

Ich nickte.

„Fuck, wie schräg ist das denn?!", grinste Garve. „Eine kleine Welt, in der wir leben."

„Und außerdem gehen er und dein Date in dieselbe Klasse", gluckste Liza. „Irre, oder?"

Warte ... Was? Sein Date? Wieso Date?

Verwirrt suchte ich Tommys Blick, doch dieser starrte betont desinteressiert auf den Boden seines Pappbechers.

„Du bist schwul?!", schoss es erstaunt aus Felice und Liza und Garve erbleichten nacheinander und schauten ebenfalls fragend zu Tommy hinüber.

„Scheiße", sagte Liza daraufhin zerknirscht. „Ich dachte ... Ich meine ... Du hast nicht gesagt, dass du nicht ... Du hast dich noch nicht in der Schule geoutet und ich blöde Kuh ..."

„Schon in Ordnung", behauptete Tommy ruhig. „Ich hänge es nicht so an die große Glocke, aber wirklich geheim halte ich es auch nicht. Deswegen musst du dir keinen Kopf machen."

„Trotzdem! Es tut mir so leid, ehrlich!"

„Wie gesagt - kein Ding. Die beiden sind ja selbst zusammen, also ..."

„Ach ja?" Liza schenkte mir erneut ihre Aufmerksamkeit. „Das hast du gar nicht erwähnt! Aber jetzt, wenn ich so darüber nachdenke ... gebt ihr ein wirklich schönes Paar ab."

„Danke", erwiderte ich mit einem halbherzigen Lächeln. Der Schock saß noch zu tief. Ich meine, er hätte es mir gegenüber wirklich mal erwähnen können, oder?! Ich hatte mich lange Zeit so unwohl gefühlt, weil ich scheinbar der Einzige in meiner Klasse war, der anders gepolt geboren wurde. Und jetzt das. Nur per Zufall ans Tageslicht gelangt.

„Und? Wer hat den ersten Schritt gewagt?", wollte Liza über meinen Kopf hinweg von Felice in Erfahrung bringen.

Gut so. Die Laune für Smalltalk war bei mir ohnehin verflogen.

Fand er mich etwa nicht vertrauensselig? Dafür existierte doch überhaupt kein Grund!

„Willst du dich nicht setzen?", hörte ich Garve Tommy fragen.

„Ehrlich gesagt, steh' ich ganz gern", entgegnete dieser.

„Ach komm." Garve klopfte neben sich.

Tommy entfuhr ein kleiner Seufzer, den vermutlich niemand außer mir mitkriegte, und setzte sich halb auf die Lehne.

Irgendwie gefielen mir plötzlich Garves definierte Arme nicht mehr so sehr, jetzt, wo seine Hand ganz selbstverständlich auf Tommys Oberschenkel ruhte.

Ich räusperte mich. „Also, Garve. Woher kommst du? Deinem Akzent nach ..." Nachdenklich musterte ich ihn. „Neuseeland?"

„Australien", korrigierte er. „Aber ich bin zweisprachig aufgewachsen, da meine Mutter gebürtige Deutsche ist. Anders als bei Tommy, muss hart gewesen sein mit Elf hierherzuziehen, ohne die Sprache zu beherrschen."

„Es ging eigentlich", wehrte Tommy wortkarg ab.

„Vermisst du Australien?", fragte ich. „Das warme Klima?"

„Ja, jeden Tag. Heimat bleibt schließlich Heimat. Bin nur wegen meines Auslandsstipendiums umgezogen." Garve grinste verschlagen. „Aber der Umzog hatte auch durchaus seine Vorteile; Deutschland ist lockerer, was die sexuelle Orientierung angeht. Auf meiner alten Highschool hätte ich mich nie geoutet. Das wäre sozialer Selbstmord gewesen. Aber an meiner Uni spielt es so gut wie keine Rolle."

„Gut zu wissen", lachte ich.

Keine Ahnung, woran es genau lag, aber irgendwas störte mich an diesem Garve. Dieses Sonny-Boy-Getue von ihm kam mir einfach zu gekünstelt rüber.

„Woher kennt ihr beiden euch eigentlich?", versuchte ich deshalb betont beiläufig in Erfahrung zu bringen.

„Über gemeinsame Bekannte", sagte Tommy sofort, der mich bis dato nicht mit einem Blick gewürdigt hatte und bevor Garve auch nur den Mund aufbekam.

„Ach wirklich?", hakte ich nach und sah Tommy dabei direkt in die Augen. Die Lüge war viel zu offensichtlich.

„Garve ..." Liza beugte sich ein Stück vor, „was ich dich noch fragen wollte ..."

Ich klinkte mich aus und nutzte die Gelegenheit meinem Bruder eine kurze Nachricht zu schreiben: Kennst du einen Garve?

Es dauerte keine halbe Minute, bis er zurückschrieb: Ja, leider. Wieso?

Nachdenklich starrte ich auf die Nachricht. Nikki schien ihn nicht sehr zu mögen, was natürlich kein sehr aussagekräftiges Indiz war, aber es bestärkte mein Misstrauen dennoch.

„Das Bier muss raus", murmelte Tommy seinem Date entgegen. „Bin gleich wieder da."

Weg war er.

Vielleicht war ich überempfindlich. Schätze es gab keinen wirklichen Grund, etwas Schlechtes in Garve zu sehen. Jedoch sollte man in Situationen wie diesen auf sein Bauchgefühl hören, oder?

„Ah, sorry, kannst du mir meine Krücken reichen?", fragte ich deshalb an Liza gewandt.

„Deine was?", fragte diese verwundert zurück.

„Meine Krücken."

Sie wandte sich suchend um und erblickte diese. Reichte sie mir anschließend und stellte fest: „Du trägst gar keinen Gips."

„Nein", bestätigte ich. „Ist was Dauerhaftes."

„Oh", sagte sie nur und ich lächelte entschuldigend und humpelte los. Selbst Kurzstrecken waren im angetrunkenen Zustand nicht ohne. Schon nach wenigen Schritten, begannen meine Beine verräterisch zu zittern.

„Warte."

Ein starker Arm stützte mich. Dankbar lehnte ich mich gegen meinen Freund und kam etwas zu Atem.

„Du solltest nicht ...", begann er und ich verdrehte daraufhin die Augen und gewann etwas Abstand zwischen uns, obwohl ich meiner eigenen Stärkte weiter misstraute.

„Kilian", sagte er ernst. Ich kannte diesen Tonfall schon zur Genüge. Er bedeutete, Felice war kurz davor mir eine Predigt zu halten.

Trotz wackligen Beinen wagte ich einen Schritt.

„Würdest du bitte aufhören, dich ständig selbst zu überfordern?", zischte mein Freund leise und schnappte sich erneut meinen Arm, was mir ein Vorwärtskommen unmöglich machte, da ich natürlich nicht gegen seine Muskelkraft ankam. Nicht in diesem Körper.

„Lass mich bitte los", bat ich. „Mir geht es gut, okay? Du benimmst dich lächerlich."

„Ach, ich benehme mich lächerlich, ja?"

„Offensichtlich tust du das", schleuderte ich ihm unterkühlt entgegen. „Und jetzt lass mich los."

Er tat es und ich humpelte weiter.

An der Treppe im Flur, die ins obere Stockwerk führte, stützte ich mich schwer atmend ans hölzerne Geländer.

„Warum willst du dir von mir nicht helfen lassen?!" Felice war mir gefolgt. „Oder von irgendjemand sonst?"

„Weil ich keine Hilfe brauche", antwortete ich und lehnte mich mit geschlossenen Augen gegen das Holz. „Weder von dir, noch von sonst jemanden. Ich komme sehr gut allein klar, Felice. Kriegst du das denn wirklich nicht in deinen Schädel rein?"

Irgendwo tief in mir drin tat mir mein distanzierter Tonfall leid. Aber ich konnte nicht länger diese scheinheilige Fassade aufrechterhalten.

Es war zu viel verlangt. Heute ... und vielleicht auch morgen.

„Also was? Servierst du mich jetzt ab?", wollte er gebrochen von mir wissen.

„In unserer Beziehung ist doch schon längst der Wurm drin. Seit dem Unfall hat sich alles verändert. Du hast dich verändert."

„Ich wollte nur für dich da sein, Kilian. Mich um dich kümmern! Dir das Gefühl geben ..." „Welches Gefühl?", schnitt ich ihm barsch das Wort. „Nicht mehr funktionstüchtig zu sein? Behindert? Denn genau dieses Gefühl hast du mir durch dein Verhalten in den letzten Wochen ständig vermittelt."

Meine Hände zitterten unkontrolliert wegen der Anstrengung, die längeres Stehen für mich bedeutete und ich verstärkte den Griff um meine Krücken, bis mir die Fingerknöchel weiß hervortraten, als ich ihm entgegen schleuderte: „Wenn ich einen Krankenpfleger gewollt hätte, wäre ich in der Klinik geblieben."

„Du bist unfair", beschwerte sich Felice daraufhin brüchig und ich schnaubte: „Das Leben ist unfair. Sieh mich an, ich bin der lebende Beweis - also werd erwachsen."

„Das war's also? Mehr ist dir unsere Beziehung nicht wert?"

Wenn ich mich jetzt umdrehte, würde ich einknicken. Ich würde die Verletztheit in seinen Augen sehen und mich nicht mehr überwinden können die Worte laut auszusprechen, die mir schon seit Wochen auf der Seele brennen; weil sie der Wahrheit entsprachen, auch wenn ich ihm damit gewaltig wehtat.

„Welche Beziehung?", fragte ich das Geländer. „Ich bin seit über zwei Monaten aus der Reha draußen und wir hatten bis jetzt kein einziges Mal Sex. Nicht einmal, Felice. Falls du was zum Verhätscheln brauchst, besorg dir einen Welpen - wir sind durch."

Es dauerte ein paar endlose Sekunde, bis er verstand. Und weitere, bis er es fertigbrachte die Haustür hinter sich ins Schloss zu ziehen und ich auf die unterste Treppenstufe kriechen konnte.

Shit.

Ich hatte vorgehabt mein Gesicht in den Händen zu vergraben, aber dann sah ich den Schemen auf der Treppe und entschied mich dafür, sie nur zu verschränken.

„Du hast das mieseste Timing ever, weißt du das eigentlich?", fragte ich Tommy, während er die Stufen runter schlürfte und sich auf meiner Höhe gegen das Geländer lehnte.

„Sorry."

„Wie viel hast du mitbekommen?"

„Zwei Monate sind wohl eine lange Zeitspanne in einer festen Beziehung?"

„Könnte man sagen", entgegnete ich spöttisch und rieb mir gequält über den Nasenrücken.

Zögernd rutschte der Dunkelhaarige am Geländer runter und schlang locker seine Arme um die angewinkelten Beine.

„Schätze solche Probleme bereitet Garve dir nicht?", wechselte ich geschickt das Thema.

Tommy wurde nicht rot, aber ein Hauch von rosa haftete sich deutlich sichtbar auf seine Wangen. „So eine Beziehung führen wir nicht - eigentlich führen wir gar keine Beziehung im engeren Sinn. Ich bin nur ein, zweimal mit ihm ausgegangen."

„Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen", erinnerte ich ihn sanft.

„Ich will nur vermeiden, dass sich irgendwelche absurden Gerüchte verbreiten."

Seine Schüchternheit ließen meine Mundwinkel amüsiert zucken. Er erinnerte mich ein wenig an mein jüngeres Ich.

„Ich werde es schon nicht groß herumerzählen", versprach ich.

„Es reicht, wenn du es nur einer falschen Person erzählst. Aber ich schätze, dein vollkommenes Schweigen, kann ich schlecht von dir verlangen, richtig?"

Spielte er auf Vince oder Katja an? Oder auf Mona? Schön, bei Mona konnte ich seine Sorgen durchaus nachvollziehen. Dieses Mädchen lebte quasi für den Tratsch.

„Meine Lippen sind versiegelt. Vorausgesetzt du verrätst mir, wie du diesen Garve wirklich kennengelernt hast."

Tommy sog unschlüssig seine Unterlippe ein und musterte mich nachdenklich. Vielleicht versuchte er abzuschätzen, wie viel Vertrauen er mir entgegenbringen konnte.

„Übers Internet", gab er schließlich zu.

„Etwa über eine Datingapp?", fragte ich entsetzt.

Verlegen wich er meinem bohrenden Blick aus. „Sozusagen."

„Sozusagen? Du weißt, dass da 99,9% nur auf das Eine aus sind, richtig?"

„Wie soll ich sonst Jemanden kennenlernen, hm?", rechtfertigte er sich. „Für Clubbesuche bin ich noch zu jung und sonst ... gibt es auch kaum Gelegenheiten."

„Bessere Gelegenheiten als diesen Garve findest du allemal - dieser Kerl gehört doch zur schlimmsten Sorte."

„Vielleicht", gestand er ein. „Aber ich werde es darauf ankommen lassen. Manchmal muss man bereit sein Risiken einzugehen, auch auf die Gefahr hin verletzt zu werden."

„Von manchen Verletzungen kann man sich nicht mehr so leicht erholen", hielt ich dagegen. „Das solltest du besser bedenken."

„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?" Er fuhr sich mit den Fingerspitzen durch seine dunklen Haarsträhnen, die dadurch völlig außer Form gerieten. „Wo findet ein schwuler Achtzehnjähriger einen netten Freund, hm? Wie viele Geoutete kennst du in der Gegend, die Interesse an mir haben könnten?"

„Nun, ich bin seit eben wieder Single."

Einer seiner Mundwinkel zuckte traurig. „Ja, klar."

Ich lehnte mich zurück und musterte ihn nachdenklich. Er war ... doch eigentlich ganz süß, kein absoluter Hingucker wie Felice, doch je länger ich ihn anschaute, desto mehr Kleinigkeiten fielen mir ins Auge. Sein Gesicht könnte etwas mehr Sonnenlicht vertragen, aber wenn er wie jetzt halb lächelte und sich dadurch ein winziges Grübchen auf seiner Wange bildete, störte ich mich nicht daran.

„Warum denn nicht?", fragte ich frei heraus. „Stört dich mein Handicap?"

„Schwachsinn!", erwiderte er überraschend scharf. Beinahe schon eingeschnappt, wegen dieser Unterstellung. Seine Reaktion schaffte es, mein Herz ein wenig schneller schlagen zu lassen. Wann hatte mir das letzte Mal jemand das so aufrichtig ins Gesicht gesagt und ich hatte es ihm auf Anhieb geglaubt? Keinen blassen Schimmer.

„Also magst du mich nicht?"

Einen Moment schaute er mich einfach nur an. Eine gewisse Verletztheit lag in seinem Blick, mit der ich nichts anzufangen wusste.

„Ich sollte jetzt lieber ...", begann er und erhob sich halb, doch damit wollte ich mich nicht zufrieden geben - ich erwischte noch so sein Handgelenk und zog. Natürlich war mein Kraftaufwand beinahe lächerlich und wenn er nur gewollt hätte, hätte er mich auch mit Leichtigkeit abschütteln können - was er aber nicht tat. Stattdessen verharrte er an Ort und Stelle und schien einen inneren Kampf mit sich selbst auszutragen. Ich ließ ihm die Zeit, die er benötigte und strich in der Zwischenzeit, nicht ganz ohne Hintergedanken, mit dem Daumen über seinen Handrücken.

Schließlich drehte er sich zu mir, ohne seine Hand nur einen Millimeter zurückzuziehen. „Meinst du das ernst?"

„Ja", bestätigte ich ohne jedes Zögern.

Sein Zögern lag dagegen schwer in der Luft und ich tat, was ich in dieser Situation für das Beste hielt; beugte mich vor und küsste ihn. Es war nur ein flüchtiger, sehr sanfter Kuss, aber ich spürte sofort dieses berüchtigte Kribbeln im Bauch, was ich schon so lange nicht mehr gefühlt hatte.

„Okay, weißt du was? Ich geb dir meine Nummer und wenn du dich morgen immer noch mit mir Treffen willst, schreibst du mir ne Nachricht."

„Warum sollte ich morgen auf einmal nicht mehr wollen?", fragte ich verwirrt, während er seine Nummer in mein Handy tippte.

„Weil du aktuell betrunken bist und vor gefühlt zwei Sekunden mit deinem Freund schlussgemacht hast."

„So betrunken bin ich gar nicht und diese Trennung war längst überfällig."

„Trotzdem ... Schlaf erstmal ne Nacht drüber."

In diesem Augenblick schwang die Haustür auf und Katja und ein mir Unbekannter in abgeratzer Lederjacke kamen wild knutschend herein gestolpert.

„Das ist wohl mein Stichwort", murmelte Tommy, gab mir mein Handy zurück und drückte sich an dem knutschenden Pärchen am Geländer vorbei ins Wohnzimmer.

Katja ließ bei seinem Anblick überraschend vom fremden Mund ab und starrte ihm entgeistert nach. „Was hat der denn hier verloren?"

„Hey", rief ich missmutig und sie drehte sich um. „Kilian! Hey! Darf ich vorstellen, das ist Bill! Bill, Kilian."

Der Fremde nickte mir desinteressiert zu und begann dann den Nacken seiner Freundin anzuknabbern.

„Was machst du denn ganz allein im Eingangsbereich? Wo ist Felice?"

„Gegangen."

„Ohne dich? Wieso das?"

„Na ... wir haben vorhin Schluss gemacht."

„Fuck. Wirklich?" Sie sah mich beunruhigt an, was seltsam war, während ihr Freund sie währenddessen unentwegt betatschte. Irgendwie unangenehm - ich konnte es schon verstehen, anfangs konnte ich ja selbst kaum die Finger von Felice lassen, aber so übertrieben notgeil habe ich mich nie an ihm gerieben.

„Ja ... aber mir geht's gut. Du könntest mir aber den Gefallen tun und mir ein wenig Alkohol für mein gebrochenes Herz organisieren."

„Bill, würdest du ...?"

„Echt? Du willst mich jetzt wegen des Kleinen da zum Kellner degradieren?"

„Sei kein Arsch und hol uns schon das verdammte Bier", knurrte Katja nicht minder genervt, schälte sich aus dem besitzergreifenden Klammergriff heraus und warf sich neben mich auf die Treppe.

„Vince wird ihn nicht besonders mögen", prophezeite ich ihr leise, während ihr Date los stiefelte, um uns die Drinks zu organisieren.

„Vince muss ja nicht mit ihm ficken, oder? Außerdem könntest du dir wenigstens die Mühe machen und ihn erstmal besser kennenzulernen, bevor du ihn als komplettes Arschloch abstempelst."

Erstaunt hob ich eine Braue. „Du magst ihn ja wirklich ... Katja, hast du dich etwa ernsthaft verknallt?"

„Unsinn."

„OMG, du magst ihn."

„Natürlich mag ich ihn, sonst würde ich kaum mit ihm ausgehen! Und jetzt hör auf das Thema zu meiden und erzähl mir ganz genau was passiert ist."

Ich erzählte es ihr in knappen Sätzen, nur den Teil mit Tommy ließ ich erstmal weg. Sie würde es ohnehin nicht verstehen und es mir sofort ausreden wollen.

„Sollen wir langsam ins Wohnzimmer weiterziehen? Wenn ich Mona nicht bald Hallo sage, fängt sie noch an zu heulen."

„Ganz langsam, okay?"

Katja hakte sich bei mir ein und stützte mich, während ich wacklig aufstand und mich zusammen mit ihr ins Wohnzimmer bemühte. Es war immer noch voll und laut; die meisten Möbel wurden zur Seite geschoben, um eine größere Tanzfläche zu erschaffen.

„Katta!", schrie Mona außer sich vor Freude und kam volltrunken angetanzt, warf sich ihrer besten Freundin um den Hals und mich fast um.

Ich rettete mich in den weggeschobenen Sessel, der jetzt nahe der Tür stand und ließ mich dankbar darin versinken. Katjas Liebschaft kam angeschlürft und drückte mir grimmig eine Bierflasche in den Schoß, eine eigene hatte er bereits geköpft und an die Lippen gesetzt. „Du bist also Katjas Krüppel-Freund?", fragte er mich völlig unverblümt und ich erstickte fast an meinem ersten Schluck.

„Wie bitte?"

„Na du bist doch gegen diesen LKW gerannt und sitzt seitdem im Rollstuhl - ging ja über Wochen durch die Lokalpresse. Ist ne kleine Stadt. Aber ich verstehe nicht ganz, warum du weiterhin dieselbe Schule wie Katja besuchst ... Gibt es keine speziellen Einrichtungen für Menschen wie dich?"

„Von Inklusion hältst du wohl nicht allzu viel, was?", unterstellte ich ihm daraufhin eisig. „Außerdem ... warum sollte ich nicht weiter meine alte Schule besuchen können, nur weil ich körperlich eingeschränkt bin?"

„Also ich hätte nicht gern nen Behindi in meiner Klasse gehabt", teilte er mir äußerst charmant mit und ich war für einen schockierten Moment völlig sprachlos.

„Freundet ihr euch schon an?", schnurrte Katja, die mit Mona im Anhang zu uns kam und sich an die Sessellehne schmiegte.

Ganz sicher nicht.

Bill zuckte nur mit den Schultern, sein Bier weiterhin im Anschlag.

Der Abend konnte echt nicht noch katastrophaler werden, dachte ich ... dann sah ich Tommy, der bereits seine Straßenjacke anhatte und gerade dabei war Garve davon zu überzeugen, die seinige anzuziehen.

Dieser wehrte allerdings alle Versuche lächelnd ab, beteiligte sich noch halb an einer Unterhaltung mit Liza und zwei mir unbekannter Individuen und versuchte zwischendurch Tommys Gedränge mit einem Kuss zu ersticken.

In mir drin knackte es gewaltig - hatte er nicht vorhin noch behauptet, da lief nichts zwischen ihnen? Diesen Eindruck vermittelten sie aber nicht.

„Shit, ist das echt Tommy da drüben, der von diesem megaheißen Typen die Zunge in den Hals geschoben bekommt?!", quiekte Mona plötzlich übertrieben laut, sodass alle Herumstehenden es zweifellos mitbekamen. Einige unserer Mitschüler bemerkten es nun ebenfalls und starrten irritiert in seine Richtung.

Dumme Kuh. Außerdem ... so hot war Garve auch wieder nicht.

„Ernsthaft, ich würde gerade unglaublich gern mit ihm tauschen, vor allem da mein eigener Freund es offenbar nicht für nötig hält, sich auf meinem Geburtstag wenigstens kurz blicken zu lassen."

Ich würde auch gern tauschen, aber nicht mit Tommy.

Dieser schob Garve entschieden weg und wirkte ziemlich genervt. Schließlich gab der Australier sich seufzend geschlagen und nahm die Jacke, die Tommy ihm gegen die Brust gedrückt hatte und streifte sie über. Dann sagte Garve noch etwas augenzwinkernd zu Liza und den anderen, und die winkten ihnen zum Abschied nach.

Sie mussten genau an unserem Grüppchen vorbeigehen, um an die Haustür zu gelangen. Garve redete munter auf Tommy ein, der völlig abwesend schien. Er sah kurz zu mir und senkte schnell wieder den Blick. Auch wenn es Mona gegenüber mies war, ein Teil von mir war froh, dass Vince die Feier geschwänzt hatte; er hätte ihn niemals ohne abfälligen Kommentar entwischen lassen ...

„Hoppla", sagte Bill, als er die beiden mit seinem restlichen Bier bespritzte. Tommy beabsichtigte offenbar einfach weiterzugehen, doch Garve blieb wie angewurzelt stehen und fuhr sehr langsam zu ihm herum.

„Was soll die Scheiße denn?"

„Garve, lass uns einfach gehen. Die sind unsere Zeit doch gar nicht wert."

„Hört sich an, als würde da heute noch jemand ganz dringend in den Arsch gefickt werden wollen", schleuderte Bill ihnen entgegen und zum ersten Mal in meinem Leben juckte es mich wahrhaftig in den Fingern, einer anderen Person in die Fresse zu schlagen - doch leider ließ meine körperliche Verfassung das nicht zu.

Erstaunlicherweise kräuselten sich Garves Mundwinkel erstmal zu einem sympathischen Lächeln, bevor er Bill direkt eine ins Gesicht feuerte. Es knackte unschön, gut möglich, dass er ihm das Nasenbein zertrümmert hatte. Mona schrie entsetzt auf und Katja wurde fast mit umgeschissen.

„Weißt du, ich kann viel durchgehen lassen, aber nicht, wenn ein zurückgebliebener Idiot wie du meine Freunde aus reiner Boshaftigkeit beleidigt. Also halt deine verfickte Fresse oder ..."

„Garve!"
Tommy schnappte sich seinen Arm und zog ihn weg, doch Bill war schon wieder aufgestanden und verwischte mit dem Handrücken das herabströmende Blut unter der Nase.

„Willst du noch mehr?", fragte der Blonde ihn pissig.

„Aufhören!", schrie Mona plötzlich wütend und drängte sich schwankend und mit erhobenen Zeigefinger dazwischen. „Das ist meine Geburtstagsfeier und mir ist es völlig schnuppe, wer hier mit wem rummacht! Also, selbst wenn du der neue Bettpartner meiner besten Freundin bist, erlaube ich nicht ..."

„Wer hat dich kleine Schlampe denn nach deiner Meinung gefragt?!", fuhr Bill sie ungehalten an und Garve nahm sie geistesgegenwärtig am Arm, um sie aus seiner Reichweite zu navigieren. „Misch dich da besser nicht ein."

„Perfekt getimt, die Party kommt wohl grad richtig in Fahrt", meldete sich eine ganz neue Stimme zu Wort und alle drehten sich danach um. Vince warf seine Jacke achtlos auf die Kommode im Flur und kam händereibend ins Wohnzimmer geschlendert. Leicht irritiert blickte er zu Tommy, dann fragend zu mir und schließlich küsste er seine Freundin auf den Scheitel. „Hat dieser Wichser dich ernsthaft gerade als kleine Schlampe betitelt?"

„Allerdings."

„Hm ..."

Er blickte abwartend zwischen Garve und Bill umher und meinte dann an Ersteren gewandt, das Kinn auf Mona abgestützt, die ihm gerade einmal bis zur Brust reichte: „Willst du das erst klären oder kann ich übernehmen?"

„Lass uns einfach gehen", drängte Tommy nochmals, eine Hand weiterhin in Garves Sweatshirt vergraben.

„Fein, der Wichser gehört ganz dir."

„Hey, du denkst, du kannst jetzt einfach die Biege machen?! Komm sofort zurück!"

Bill versuchte an Vince vorbei zu gelangen, doch dieser verkrallte sich in dessen Shirt und hielt ihn an Ort und Stelle fest. „Weißt du was ich denke? Ich denke, du schuldest meiner Freundin eine Entschuldigung."

Ich hörte nicht mehr zu, meine Augen folgten Tommy, dessen schmale Rückansicht in diesem Augenblick von der zufallenden Haustür verschlungen wurde. Er hatte nicht einmal kurz zurückgeblickt.


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