🌶️13. Grenzen
Mit einem Auge beobachtete ich Kilian und Hannah, während ich mit dem anderen Gia's Showeinlage verfolgte.
Die erfahrene Bartenderin verstand es, ihr Publikum in den Bann zu ziehen und hatte das Mixen von Getränken zu Kunstform erhoben.
Ich versuchte mich möglichst neutral zu verhalten und meine Nervosität und Enttäuschung zu überspielen. Der Plan war ursprünglich noch etwas Zeit allein mit Kilian zu haben bevor die Meute eintrifft, weshalb ich ihm auch eine frühere Uhrzeit genannt hatte - doch Garve hatte es mir richtig nice versaut; mehr als einen Kuss, hatte ich vorerst nicht von ihm abgreifen können ...
Und dann hörte ich plötzlich sein Lachen aus dem Wohnzimmer dringen und alles in mir drin zog sich angespannt zusammen. Natürlich war es total lächerlich, aber jedes verdammte Mal, wenn ich ihn lachen hörte, meistens in einem Klassenzimmer oder Schulflur, nahm ich schon ganz automatisch an, dass Vince oder Katja wieder einmal einen ihrer ekligen Kommentare losgelassen hatten und die anderen aus ihrer Clique amüsiert darauf reagierten.
Na ja ... ganz aus der Luft gegriffen war diese These allerdings nicht, sie beruhte auf realen Ereignissen.
„Hey."
Garve lehnte auf einmal dicht neben mir an dem kurzen Stück Flurwand, welches Küche und Wohnzimmer voneinander trennte und musterte mich aufmerksam. „Alles in Ordnung bei dir?"
„Klar", erwiderte ich einsilbig, da ich immer noch wegen vorhin etwas schmollte. Warum musste er auch unbedingt heute Abend die Schicht tauschen?
„Mhm. Und warum siehst du dann so extrem scheiße aus?"
„Nett, danke."
„Ich verstehe einfach nicht, warum du jede Geste und jedes Wort von ihm so verdammt nah an dich heranlässt ..."
„Hör schon auf", flüsterte ich angespannt und warf einen prüfenden Blick an ihm vorbei in die Küche hinein. Doch Gia zeigte aktuell einen weiteren Trick und die Meute stand mit dem Rücken zu uns.
„Ich höre nicht auf. Deine Besessenheit von ihm macht dich krank und ich werde dir nicht einfach Däumchen drehend dabei zusehen, wie du dich seinetwegen selbst zugrunde richtest, Tommy. Das ist er echt nicht wert."
„Was willst du von mir Garve?", fragte ich kalt. „Du kennst ihn doch gar nicht wirklich."
„Ich kenne diese Art von Arschloch. Die Art, die andere Menschen erst am langen Arm emotional verhungern lässt und ihnen dann noch einredet, dass es ihre eigene Schuld ist, dass sie daran zerbrochen sind. Und in 99,9% der Fälle ist das natürlich kompletter Bullshit, aber du scheinst akribisch darauf hinzuarbeiten und es sogar regelrecht herauszufordern ... und ich verstehe nicht, was du dir davon erhoffst? Denn du bist offensichtlich nicht auf Rache aus ... also was genau ist deine Intention? Denn wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du hast ein schlechtes Gewissen wegen irgendwas und machst das um dich selbst zu bestrafen."
Bei diesen Worten zuckte ich innerlich zusammen und als ich antwortete, hörte sich meine Stimme seltsam fremd an: „Was redest du denn da für einen Unsinn? Warum sollte ausgerechnet ich ein schlechtes Gewissen haben? Ich habe niemanden über Jahre tyrannisiert."
„Eben. Deswegen macht es ja keinen Sinn. Wofür solltest du dich selbst bestrafen wollen?", murmelte Garve abwesend und meine Eingeweide standen in Flammen. Ich konnte kaum atmen. Fuck!
„Garve! Tommy!"
Liza kam mit zwei Gläsern in der jeweiligen Hand angehetzt und strahlte uns an. „Die müsst ihr probieren, die sind unglaublich gut!"
„Eigentlich ...", begann Garve, doch da hatte ich mir eins der Gläser schon geschnappt und runtergeext.
„Oh okay", lachte Liza und blinzelte mich überrascht an. Sie wusste, dass ich normalerweise kaum trank und lieber Tabletten schluckte, kannte aber nicht den wahren Grund dahinter. Durch meine strikte Dauerdiät war ich meistens schon nach einem Glas betrunken, außerdem steckten in den meisten alkoholischen Getränken eine Menge Kalorien, weshalb ich die Aufnahme sowieso nicht wirklich genießen konnte und im Kopf sofort zu rechnen begann - aber im Moment war mir das alles scheißegal.
Garve schnappte sich das andere Glas, bevor ich auf falsche Gedanken kommen konnte.
„Danke für den Drink, Liza. Entschuldigt mich kurz ..."
Wie befürchtet, stieg mir der Alkohol sofort zu Kopf; ich hatte seit acht Stunden nichts mehr gegessen und mittags nur etwas Brühe geschlürft.
Kilian hockte inzwischen allein auf dem Sofa und lächelte mich mit erhobener Braue an, als ich mich daneben warf.
„Alles okay?"
„Ja ... ich hab nur grade sehr schnell mein Glas leergetrunken", gab ich zu und legte mir den Handrücken über die Augen.
„Ich dachte, du trinkst nicht ...?", fragte er überrascht.
„Normalerweise nicht. Aber Gia mixt wirklich gut."
„Ja? Vielleicht sollte ich mir dann für morgen eine Thermosflasche abfüllen", seufzte er schwer. „Da kann ich einen guten Drink bestimmt gut gebrauchen."
Irritiert ließ ich den Handrücken wieder sinken. „Wieso? Was machst du denn morgen?"
„Ach, nichts besonders eigentlich ... es ist nur ... wir haben Katja versprochen Bill nochmal eine faire Chance zu geben. Das ist alles."
Meine Mundhöhle trocknete aus. „Warum? Ich meine, er ist offensichtlich ein homophober, frauenverachtender Flachwichser."
„Vielleicht gerade deshalb", murmelte Kilian unglücklich und sackte noch ein Stück tiefer ins Polster hinein. „Ist er nur ein Idiot, der die Klappe zu weit aufreißt oder könnte er Katja gegenüber wirklich handgreiflich werden ...?"
Und wenn schon ..., dachte ich bitter. Katja war wirklich die letzte Person, für die ich Mitleid empfand. Nicht nachdem, was sie anderen schon alles in der Vergangenheit angetan hatte.
In Wahrheit sorgte ich mich nur um Kilian, der möglicherweise bei einer Konfrontation zwischen die Fronten geriet.
„Egal, das ist mein Problem; ich werde den morgigen Abend schon irgendwie überstehen. Möglicherweise wird es auch gar nicht so schrecklich, vielleicht entpuppt sich Bill ja doch noch als unverstandenes Sensibelchen, sowie Katta ihn gerne versucht darstellen", grinste er belustigt, aber mir war nicht zum Lachen zumute. Im Gegenteil.
Hannah kam zurück und auch die anderen fanden die Küche allein auf Dauer zu langweilig. Die Sause ging weiter, aber ich nahm nur noch apathisch daran teil. Kurz vor elf, beschlossen Liza, Gia und alle anderen über einundzwanzigjährigen noch spontan in einen Club zu gehen. Sogar Garve, der den restlichen Abend kein Wort mehr mit mir gewechselt hatte. Oder vielleicht hatte er das auch und ich hatte es nicht bemerkt.
„Ich sollte langsam auch los", meinte Hannah kurz nachdem die anderen gegangen waren und stellte die leergetrunkene Bierflasche auf dem Couchtisch ab. „Was ist mit dir, Ki? Sollen wir gemeinsam zur Bushaltestelle gehen?"
„Ehrlich gesagt ...", wand ich ein und wurde langsam wieder etwas klarer im Kopf. „... hatte ich gehofft, du würdest noch etwas bleiben."
„Klar, also, solange ich nicht den letzten Bus verpasse ...", grinste er verschmitzt und Hannah verstand den Wink sofort. „Na gut, dann sehen wir uns spätestens Montag. Ich ruf' dich morgen an", rief sie mir dann noch aus dem Flur zu und schlüpfte dort in ihre völlig abgefuckten Stiefel. Kaum, dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, stürzte ich mich regelrecht auf Kilian und verwickelte ihn in einen langen, intensiven Kuss. Allein in seiner Nähe zu sein, berauschte mich; ihn anzufassen und zu schmecken, brachte mich regelrecht um den Verstand. Ich liebte ihn, mit jeder Faser meines Körpers. Und ein Teil von mir konnte nicht anders, als mich selbst dafür zu verachten, ihn so sehr zu begehren. Ihm so sehr gefallen zu wollen - obwohl er zu den Menschen gehörte, die mich in der Vergangenheit verletzt hatten. Diese Liebe war krank und ungesund, aber wenn wir zusammen waren wie jetzt, war mir das total egal. Dann zählte nur dieser eine innige Moment und alles andere rückte in den Hintergrund.
„Tommy ...", flüsterte Kilian und drückte mich ein Stück weg, um Atem zu holen. „Ich würde ja wirklich gern weitermachen, aber in zwanzig Minuten fährt der letzte Bus. Den muss ich erwischen, sonst killt mich meine Mutter."
„Ich brauche nur Fünf", behauptete ich enthusiastisch und reiße mir das Shirt runter. Mir war bewusst, dass mein Körper durch die sehr reduzierte Fettaufnahme und regelmäßige Krafttraining kein schlechter Anblick war, auch wenn ich selbst das etwas kritischer einschätze. Aber der Plan ging auf. Kilians Augen hingen an meinen Bauchmuskeln. Ich beugte mich vor und während ich seinen Hals liebkoste, öffne ich ihm flink die Jeans und streichelte die steinharte Erhebung unter seiner Boxer. Sein anfänglicher Widerwille schmolz dahin und schon bald sind wir richtig bei der Sache und verschwendeten keinen Gedanken mehr an die voranschreitende Zeit ...
Nach dem vollzogenen Akt war er wie erhofft sofort eingeschlafen und ich streichelte ihm sanft die verschwitzten Haarsträhnen aus der Stirn. Der letzte Bus war schon vor über dreißig Minuten gefahren, er musste also sowieso bei mir übernachten.
Eine Weile schaute ich ihm nur beim Schlafen zu - was ich die ganze Nacht hindurch hätte tun können - aber dann, nach einem prüfenden Blick auf seine regelmäßige Atmung, zog ich vorsichtig sein Smartphone aus der am Boden liegenden Jeans, dessen Sperrcode ich ihn schon bei einigen Gelegenheiten eintippen hatte sehen und längst in meinem Hirn abgespeichert hatte.
Ich entsperrte das Gerät und öffnete seine Nachrichten. Vier ungelesene waren von Emma, die ich ignorierte. Auch Katja hatte ihm geschrieben. Ich zögerte kurz, wollte ich die Büchse der Pandora wirklich öffnen? Doch bis jetzt konnte ich mir noch kein richtiges Bild über die Dynamik ihrer Freundschaft machen - scheinbar wussten sie und die anderen ja jetzt, dass Kilian manchmal mit mir abhing. Zweifellos verübelten sie ihm das, aber ich wollte herausfinden wie weit sie gingen, um unsere neue, noch recht fragile Verbindung zu sabotieren. Ich klickte auf Katjas Namen und las: Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass der dessen Name nicht mehr genannt werden darf- ;) besonders wilde Partys schmeißt, aber halt dich trotzdem ein bisschen mit dem Alk zurück, ja? Morgen bechern wir nämlich gnadenlos weiter ...
Während dem Lesen kochte sofort die altbekannte Wut in mir hoch. Die Nachricht war auf so vielen Ebenen respektlos und widerlich, dass meine Hand richtig zu zittern begann. Kurzzeitig rutschte meine Aufmerksamkeit zu ihrem Profilbild, wo sie hinterrücks in sehr knappen Shorts auf einem Motorrad sitzend in die Kamera grinste. Hinter ihr konnte man Wasser und einen leuchtenden Abendhimmel erkennen.
Ich scrollte weiter runter und überflog den Verlauf der letzten Tage. Überraschenderweise wurde kaum etwas über mich geschrieben, nur hin und wieder ein fieser Seitenhieb.
Das Handy vibrierte und ich blickte sofort prüfend zu Kilian, der aber keine Reaktion auf das neue Geräusch zeigte. Emma versuchte ihn anzurufen.
„Sorry", murmelte ich schuldbewusst und drückte sie weg. Der Hausarrest war dringend notwendig, ich traute diesem Bill nicht über den Weg und Kilians Freunden traute ich verständlicherweise noch weniger.
„Es ist zu deinem Besten", behauptete ich sehr leise, auch wenn ich genau wusste, dass meine Motive nicht einmal halb so edelmütig waren. Ja, natürlich machte ich mir Sorgen und wollte ihn auch beschützen, aber da gab es noch eine ganz andere Motivation. Eine viel Egoistischere. Je mehr ich seine Zeit mit seinen Freunden einschränkte, desto weniger Gelegenheiten hatten sie mich schlechtzumachen und indem ich ihre Versöhnung aktiv behinderte und stattdessen fleißig Öl ins Feuer goss, würde Kilian auch automatisch mehr Zeit für mich haben. Im Austausch für zwei Wochen Hausarrest, wo wir uns außerhalb der Schule nicht sehen konnten, war das ein verdammt guter Deal.
Ich schaute auch noch die Verläufe mit Vince und Mona durch, aber nach einer Weile legte ich frustriert sein Handy aus der Hand. Es war nicht, wie ich es mir erhofft hatte; ihre beiläufigen dahingeworfenen Gehässigkeiten bereiteten mir Übelkeit, aber noch viel schlimmer war Kilians nicht existente Reaktion darauf. In der Schule tat er neuerdings auf super freundlich und aufgeschlossen, aber die hässliche Wahrheit war wohl, dass die Kritik an seiner Gleichgültigkeit sein Ego angekratzt hatte und er nun beweisen wollte, wie falsch die anderen mit dieser Behauptung lagen. Es war nicht so, als hätte er sein Fehlverhalten eingesehen und versuchen würde seine grundsätzliche Haltung gegenüber seinen Mitschülern wirklich zu verändern ... Langsam musste ich der unangenehmen Wahrheit ins Gesicht blicken, er gehörte zu ihnen und der einzige Grund, warum er überhaupt Interesse an mir hatte, war mein ungeplantes Outing an jenem Abend. Weil er kurz zuvor mit seinem Freund schlussgemacht hatte und vielleicht auch die überraschende Erkenntnis darüber, dass ein Mobbingopfer wie ich einen Typen wie Garve klarmachen konnte. Das hatte vermutlich sein Interesse geweckt.
Der metallische Geschmack von Blut breitete sich in meiner Mundhöhle aus und ich zwang mich damit aufzuhören meine Unterlippe mit den Zähnen zu malträtieren.
Meine verzweifelte Hoffnung, dass er sich nur wegen ihres miesen Einflusses immer so danebenbenahm, schwand. Dennoch würde ich alles tun, damit diese Freundschaft zwischen ihnen zerbrach. Alles.
***
Huhu~
Na, was meint ihr? Ob Tommy da mit seiner Einschätzung wirklich richtig liegt?
Und bisschen Stalker-Tendenzen hat er ja schon ...
Mich interessiert es einfach brennend🔥 seid ihr Team Kilian oder Team Tommy oder findet ihr beide zu problematisch und enthaltet euch lieber😂🫶
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro