1 | Liebe ist zum Kotzen
• When the End Comes - Andrew Belle •
Liebes Tagebuch,
Liebe ist zum Kotzen.
Ich setze gerade an, um noch mehr zu schreiben, da klingelt mein Handy. Seufzend lasse ich den Stift fallen, den ich bis eben so fest umklammert hielt. Er rollt bis zum Tischrand und landet dann mit einem leisen Laut auf dem Boden.
Ohne den Blick auf mein Display zu werfen, nehme ich den Anruf entgegen. Gleichzeitig beuge ich mich runter, um den Stift wieder aufzuheben. »Ja?«
»Eve? Wo bist du?«
Mum.
»Zuhause natürlich. Wo sollte ich an einem Freitagabend auch sonst sein?«, frage ich selbstironisch.
»Evelyn!« Die Stimme meiner Mutter klingt vorwurfsvoll und ein wenig verzweifelt. »Du hast versprochen um sechs hier zu sein und mich abzulösen!«
»Oh.« Oh. »Verdammt. Ich hab's total vergessen. Tut mir leid. Ich fahre sofort los. Bis gleich.«
Ich springe von meinem Platz auf, stopfe ein paar Arbeitshefte in meine Tasche, schnappe mir mein Handy und meine Schlüssel und renne nach unten. Baron kommt in den Flur gelaufen und wedelt mit dem Schwanz, als ich mich nach vorne beuge, um meine Schuhe zu binden. Er sieht mich mit großen Augen an, als würde er darauf warten, dass ich ihm die Leine anlege und mit ihm durch den Park spazieren gehe, aber ich habe im Moment keine Zeit für ihn. Ich werfe ihm einen entschuldigenden Blick zu, kraule ihn kurz hinter den Ohren und sage nur: »Sorry, Baron. Jetzt nicht.«
Er bleibt mit hängendem Schwanz sitzen und beobachtet mich, als ich rausgehe. Es tut mir leid, ihn ganz alleine ihm Haus zu lassen, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Wenn ich jetzt nicht den Bus kriege, bringt mich meine Mutter um und trotz alldem Scheiß, der in meinem Leben manchmal abgeht, hänge ich doch sehr daran.
Nachdem ich die Haustür hinter mir zugezogen habe, laufe ich los zur Bushaltestelle.
Eine halbe Stunde später laufe ich mit feuerrotem Gesicht in die Buchhandlung meiner Eltern. Ich bin den Weg von der Bushaltestelle bis hierhin so schnell gerannt, dass ich am ganzen Körper schwitze. Obwohl es bereits spät am Nachmittag ist, ist es immer noch so verdammt warm draußen.
Ich sehe meine Mutter an der Kasse stehen und mit einer Kundin reden. Mit gesenktem Blick laufe ich an den beiden vorbei nach hinten, um meine Tasche abzulegen und mich ein bisschen vor den Ventilator zu stellen, um nicht an einem Hitzschlag zu sterben.
Keine Minute später steht Mum am Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt und mit zusammengezogenen Brauen. Ungeduldig tippt sie immer wieder mit dem Fuß auf dem Boden, als warte sie nur darauf, dass ihr Blick mich erdolcht. Und ohne Witz, noch ein paar Minuten länger und das würde er vermutlich schaffen.
Ich seufze frustriert. »Ich weiß!«, murmele ich, bevor sie irgendetwas sagen kann, und dann noch einmal, lauter: »Ich weiß, Mum!«
Sie hat diesen Blick, der die Ruhe vor dem Sturm verspricht. Der aussieht, als wäre sie vollkommen im Einklang mit allem um sich herum, während sie in Wirklichkeit innerlich brodelt. Als sie nichts erwidert, gebe ich es schließlich auf. »Komm schon, sag es einfach.«
Jetzt bekommt der Vulkan Brüche. »Weißt du, Eve, wärst du nicht meine Tochter, dann...«
»Dann hättest du mich schon längst mit einem heftigen Fußtritt vor die Tür gekickt. Ja, ich weiß und es tut mir leid.« Nun sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich nicht die Pünktlichkeit in Person bin und Situationen wie diese hier schon einige Male vorgekommen sind. Meine Mutter verzweifelt schon lange an mir. Eigentlich an mir und meinem Vater, von dem ich diese lästige Angewohnheit habe, immer und überall zu spät kommen zu müssen.
Ich weiß, dass es meine Mutter zum Kochen bringt und jedes Mal, versuche ich mich zu bessern, aber irgendwie kommt mir jedes Mal etwas dazwischen. Oder ich vergesse es einfach. So wie heute. Mein Gedächtnis ist nicht das beste.
Mum wirft mir einen letzten bösen Blick zu, dann rauscht sie an mir vorbei zur Garderobe, um sich ihre Tasche und Jacke zu holen. »Du kannst von Glück reden, dass ich heute so gut gelaunt bin.«
Heute ist der Hochzeitstag meiner Eltern. Und wie jedes Jahr gehen die beiden am Abend schick Essen. Vielleicht werden sie mich später noch anrufen, um Bescheid zu geben, dass sie die Nacht in einem Hotel verbringen und nicht nach Hause kommen. Die letzten zwei Jahre hatten sie es getan und jedes Mal hatte ich mich dazu gezwungen, diesen Gedanken nicht weiter zu denken.
Auch Jonah wird die Nacht nicht zu Hause verbringen. Er ist direkt nach der Schule mit zu Maurice gegangen.
Eigentlich habe ich heute also sturmfreie Bude, wie man so schön sagt. Die meisten Leute würden vermutlich eine Party bei sich zu Hause planen oder wenigstens ein paar Freunde einladen und gemeinsam abhängen. Nur werde ich den halben Abend damit verbringen im Laden meiner Eltern auszuhelfen und den Rest des Abends... Naja, was werde ich da tun? Vermutlich dasselbe wie fast jeden Abend. Ein Buch lesen, schreiben oder zeichnen. Vielleicht werde ich sogar einen Film mit Baron schauen. Oder ich skype mit Rhys, falls er Zeit für mich findet.
Die Sache ist nicht die, dass ich nicht gerne auf Partys gehe. Manchmal habe ich sogar richtig Lust drauf, mich ein wenig schick zu machen und irgendwo tanzen zu gehen (ich kann nicht wirklich tanzen, aber da auf solchen Partys beinahe alle betrunken sind und kaum auf den Beinen stehen können, falle ich mit meinen affigen Moves nicht wirklich auf). Aber ich würde niemals - wirklich niemals - eine Party bei mir zu Hause steigen lassen. Wer genug Teeniefilme gesehen hat, weiß vermutlich auch wieso.
Mum kommt auf mich zu und drückt mir den Ladenschlüssel in die Hand. Sie lässt aber nicht sofort los, stattdessen sieht sie mir streng in die Augen. »Schließ die Tür ab. Versprich mir, dass du das nicht vergisst.«
Mein Fischgedächtnis ist nicht wirklich ein Geheimnis. Auch meine Eltern wissen, dass ich manchmal ein komplett hilfloser Fall bin.
Dennoch verdrehe ich die Augen, reiße ihr den Schlüssel aus der Hand und halte ihr meinen kleinen Finger hin. »Versprochen.«
Mum lächelt und hakt ihren kleinen Finger in meinen. »Danke, Schatz.« Sie streicht sich ein letztes Mal durch ihre honigblonden Haare. »Wie sehe ich aus?«
»Wunderschön«, antworte ich ehrlich. »Wenn Dad das nicht sieht, ist er blind.«
Sie wirft mir einen strengen Blick zu, aber ich sehe das Lächeln, das an ihren Mundwinkeln zupft. Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und wünsche ihr viel Spaß.
Keine halbe Sekunde später stürmt sie raus. Als sie aus dem Laden kommt, öffnet Dad, der bis dahin neben dem Auto auf sie gewartet hat, ihr mit einem strahlenden Lächeln ganz gentlemanlike die Tür. Dieses Lächeln sehe ich nur an ihm, wenn er mit Mum zusammen ist. Ein Lächeln, das nur ihr gehört.
Ich beobachte die beiden lächelnd, bis Dad vom Parkplatz runter fährt und sein Auto hinter der nächsten Ecke verschwindet.
Obwohl meine Eltern schon so lange zusammen sind, kommen sie mir manchmal vor wie zwei Teenager, die auf ihrem ersten Date sind. Es ist einfach nur wunderschön, wie viel Mühe und Zeit sie sich für den jeweils anderen geben.
Ich schaue mich ein mal in der kleinen Buchhandlung um, aber da nur eine Kundin bei den Bestsellern steht und herumblättert, hole ich kurz mein Handy heraus. Keine neue Nachricht. Ich seufze. Wenn man Beziehungen in Level einstufen könnte, wäre die meiner Eltern vermutlich auf dem Endlevel, während meine nicht mal Level eins erreicht hätte.
Enttäuscht stecke ich das Handy wieder in meine Hosentasche und packe meine Unterlagen heraus. Ich versuche alle lästigen Gedanken aus meinem Kopf zu scheuchen und stattdessen etwas Sinnvolles zu tun.
A/N:
Hello! Ich hoffe, einige erinnern sich noch an diese Geschichte. Vom Namen her wenigstens, immerhin ist der Inhalt jetzt komplett anders. Und zwar hab ich lange überlegt, was ich mit dieser Geschichte mache und endlich eine Idee. Sie ist noch nicht ganz ausgereift, aber ich habe die letzten Male so viel Zeit damit verbracht den genauen Verlauf einer Geschichte zu planen, nur um dann irgendwann keine Lust mehr zum Schreiben zu haben, so dass ich mir dachte, dass ich dieses Mal vielleicht nicht so viel plane, sondern lieber einfach ins kalte Wasser springe. Ich hoffe wirklich, dass ich diese Entscheidung nicht bereuen werde. 😅
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