58. Of Monsters and Trust
Jels Pov
Ich kann es nicht glauben. Ich kann nicht glauben, dass er mich weggeschickt hat. Wie er mit mir geredet hat, als wäre ich noch immer derselbe, der ich gewesen bin als ich hierher kam. Als hätte der Krieg mich nicht verändert, als wäre ich noch immer der Waisenjunge, der vor allem davonrennt.
Habe ich ihm nicht oft genug bewiesen, dass ich an mir gewachsen bin? Sind die Brandwunden an meinen Armen nicht Beweis dafür, dass ich durch die Hölle gehen würde für ihn?
Ich habe es satt, die ganzen Zweifel. Es ist genau wie vor dem Krieg, als er dachte ich wäre zu schwach dafür, und ich kann es nicht mehr hören, ich kann es nicht mehr ertragen, dass jeder denkt ich würde bei jeder Berührung zerbrechen. Und schon gar nicht, dass ausgerechnet er das denkt.
Ich dachte wir wären endlich an dem Punkt angelangt, bei dem wir uns auf Augenhöhe begegnen können. Aber anscheinend habe ich mir das nur eingebildet. Anscheinend bin ich in seinen Augen noch immer der schwache Menschenjunge, den man vor allem beschützen muss.
"Jel, warte!" Es ist nicht Alvaro, der nach mir ruft. Aber selbst wenn er es gewesen wäre, ich kann in diesem Moment nicht reagieren, dafür bin ich zu wütend, zu verletzt.
Mercenario holt mich ein und stellt sich mir in den Weg. Überrascht registriere ich das Blut auf seinem Hemd. Wo ist er gewesen?
"Jel, ich weiß, dass er vermutlich Mist gebaut hat und glaub mir, es gab genug Zeiten in denen ich selbst seinen Kopf gegen die Wand schlagen wollte, aber wenn du jetzt gehst wird ihn das zerstören."
Er redet von Alvaro. Wessen Blut ist das? "Er hat sehr deutlich gemacht, dass er mich nicht hier haben will", erwidere ich, meine Stimme kälter als ich sie je gehört habe.
Mercenario schnaubt. "Natürlich hat er das, weil er ein Idiot ist. Ich verlange nicht von dir, dass du mit ihm redest, du musst nicht einmal im selben Raum bleiben, aber bitte bleib hier auf Burning Castle und gib mir Zeit ihn zur Vernunft zu bringen."
Es ist nicht so, dass ich gehen will. Ich liebe Alvaro, das hat sich nicht geändert, aber nur der Gedanke daran, dass er mich immer noch behandelt als wäre ich schwach und zerbrechlich lässt mein Blut kochen.
Als ich nicht antworte, hakt Mercenario nach: "Was ist es, dass er dir gesagt hat? Dass er ein Monster ist, dass er dir wehtun wird, dass er das nicht ertragen wird? Es ist immer dasselbe mit ihm, die Nummer schiebt er schon seit Jahren, aber das hat nichts mit dir zu tun. Der gute Lord Blackbourne hat einige Komplexe, an denen er arbeiten muss, aber er ist nicht das Monster, das er denkt zu sein."
"Denkst du, das weiß ich nicht?", antworte ich. "Denkst du wirklich ich würde gehen weil ich plötzlich Angst vor ihm habe? Es interessiert mich nicht, was er getan hat, Dämon hin oder her, ich wusste doch von Anfang an auf was ich mich einlasse.
Aber ich dachte, wir hätten uns beide weiterentwickelt. Ich dachte er würde endlich etwas anderes in mir sehen als den schwachen Menschenjungen den man vor allem beschützen muss. Ich kann nicht mit jemandem zusammen sein, der mich ansieht als könnte ich jeden Augenblick kaputt gehen. Ich bin genug mit solchen Blicken angesehen worden und ich kann nicht mehr."
"Es liegt nicht an dir", beharrt Mercenario. "Alvaro hält dich nicht für schwach, er hält sich selbst für zu viel Monster als dass irgendjemand damit klarkommen könnte. Glaub mir Jel, er und ich haben genau dieselbe Diskussion, noch immer nach all den Jahren in denen wir uns kennen. Wenn du unter immer denselben Worten aufwächst, dass du das Monster bist, das alle fürchten werden, das macht etwas mit dir. Alvaro hat sehr unter Leandro und Ricarda gelitten.
Ich bitte dich nur ein bisschen länger zu bleiben, mehr nicht. Er wird erkennen, wie idiotisch er gehandelt hat."
Ich sollte nicht zustimmen. Ich sollte einfach gehen, und nie mehr einen Blick auf Burning Castle werfen. Zu oft wurde ich mit diesen Blicken angesehen, zu oft haben Leute an mir gezweifelt, zu oft bin ich verletzt worden.
Aber das hier ist Alvaro. Und ich kann nicht glauben, dass alles nur Illusion war, dass Alvaro nicht wirklich anders ist als alle anderen.
Also nicke ich. "In Ordnung. Ich werde bleiben, aber ich werde nicht mit ihm reden wenn er sich nicht klar wird, was er will. Er mag seine Gründe haben, sich so zu verhalten, aber das entschuldigt es nicht. Das macht es nicht weniger schmerzhaft für mich. Entweder er vertraut mir genug um mit seinem Dämon klarzukommen oder nicht."
Mercenario erwidert das Nicken. "Das ist alles, was ich wollte. Gib mir ein bisschen Zeit. Er wird verstehen, dass er Mist gebaut hat. Die Blackbournes mögen es dramatisch." Das ist in der Tat nichts Neues.
Ich hoffe Alvaro bekommt es auf die Reihe. Ich hoffe er kann erkennen, dass ich keine Angst vor der Dunkelheit in ihm habe.
Denn ihn zu verlieren, zu wissen, dass er sich selbst für ein Monster hält... Das Gefährtenmal brennt auf meinen bandagierten Armen.
Ich würde es nicht ertragen, ihn zu verlieren, aber ich ertrage es auch nicht zu bleiben, wenn er mich so ansieht.
Also ist es jetzt an ihm eine Entscheidung zu treffen.
Alvaros Pov
Wenige Minuten nachdem Mercenario aus dem Raum gesprintet ist kommt er wieder zurück. Mein Blut trocknet auf seinem weißen Hemd. Die Wunden auf meinen Armen sind noch immer offen, aber es ist mir egal. Nichts schmerzt so sehr wie das Gefühl in meiner Brust.
Mercenario seufzt und kniet neben mir nieder. Ich bin einfach an der Wand herabgerutscht als er gegangen ist, weder Kraft noch Motivation irgendetwas anderes zu tun. Der innere Kampf hat an meinen Kräften gezehrt.
"Jedes Mal wenn ich denke, du könntest nicht noch etwas Idiotischeres tun, scheinst du das als Herausforderung zu sehen." Er berührt meine Arme und beginnt, die Wunden zu schließen. Jetzt wo er den Bann gebrochen hat kann er all seine Kräfte nutzen, aber das hier sind dämonische Wunden. Er wird sie nicht ganz heilen können, sie werden mehr Zeit brauchen.
"Ich habe mit Jel geredet. Er wird bleiben, aber nicht für immer. Du musst dir darüber klarwerden, was du willst, Blackbourne."
Ich weiß längst, was ich will, aber das ändert nichts. "Es geht nicht darum, was ich will", antworte ich und sehe zu, wie meine Wunden zu bluten aufhören. "Sondern was er will."
Mercenario stöhnt. "Und du denkst wirklich, es ist sein Wunsch zu gehen? Du glaubst tatsächlich mit voller Überzeugung, dass er lieber irgendwo anders wäre als an deiner Seite?"
"Nicht jeder hat gerne ein Monster an seiner Seite, Mercenario. Es gibt einen Grund dafür, dass Kinder nicht unter ihre Betten sehen wollen."
"Aber Jel ist kein Kind, und du bist kein Monster. Ich werde nie aufhören dir das zu sagen, und vielleicht wirst du es eines schönen Tages ja verstehen. Wenn du so schrecklich bist, zu was macht mich das dann?"
Ich sehe weg. "Du hast nicht dasselbe getan wie ich. Ich behaupte nicht, dass alle Dämonen Monster sind; es ist das was manche von uns tun, was uns zu solchen macht."
"Ich habe genauso getötet wie du. Ricarda und Leandro sind kein bisschen anders als die Soldaten, die in den Kämpfen gefallen sind."
"Sie waren meine Eltern," erwidere ich leise. "Egal was sie getan haben, egal ob sie meine leiblichen Eltern waren oder nicht, sie waren diejenigen die mich großgezogen haben und ich bin ihnen in den Rücken gefallen als sie nicht hingesehen haben, weil ich wusste es war meine einzige Chance sie zu besiegen."
"Du hast das nicht aus purer Bösartigkeit getan."
"Der Zweck heiligt nicht die Mittel, und das weißt du auch. Wir hätte fliehen können. Wir hätten der Dämonenwelt den Rücken zukehren und es einfach hinter uns lassen können, aber ich war zu feige für ein Leben auf der Flucht und deshalb habe ich lieber meine Hände in Blut getaucht."
Keiner von beiden hat geschrien, als sie starben. Ricarda sah wütend aus, Leandro beinahe bedauernd. Es war das erste Mal, dass ich gesehen habe, dass Leichen nicht wie schlafende Menschen aussehen.
"Ihr hättet nirgendwo hingehen können, das weißt du ganz genau. Es gab keinen Ort auf dieser Welt wo sie nicht ihre Augen hatten. Ihr seid Blackbournes, Gestirnssöhne, man hätte euch überall erkannt.
Ich weiß, es nagt an dir, und es war sicher nicht leicht, aber du musst irgendwann verstehen, dass es dich nicht zu einer schlechten Person macht. Fineen wäre durch Ricardas Hand beinahe gestorben, nur eine Woche länger und wir hätten ihn vielleicht wirklich verloren."
Ich schlucke bei der Erinnerung an diesen Tag. Noch nie hatte ich solche Angst gehabt.
"Jel denkt, du hältst ihn für zu schwach, um mit deinem Dämon klarzukommen", fährt Mercenario fort, seine Stimme ruhig aber eindringlich. "Es interessiert ihn nicht, was du getan hast, oder was für ein Monster du zu sein glaubst. Er wird immer das Gute in dir sehen. Aber er wird nicht bei dir bleiben, wenn du ihn weiter wie ein Kind behandelst. Du hast ihn nicht vor eine Wahl gestellt; du hast ihn praktisch gezwungen, dir den Rücken zuzuwenden.
Jel ist erwachsen, er hat diesen Krieg für dich durchgestanden und er ist wortwörtlich durchs Feuer gegangen um Fineen zu retten. Und er hat sich längst für dich entschieden, also hör endlich auf dir selbst im Weg zu stehen, hör auf an ihm zu zweifeln und akzeptiere endlich, dass es Leute gibt, die dich lieben.
Du hast denselben Fehler schon einmal mit Fineen gemacht, und schau dir an wo euch das hingeführt hat. Mit Jel wirst du diese zweite Chance die du mit deinem Bruder hast vielleicht nicht bekommen."
Er hat Recht, das weiß ich. Natürlich hat er Recht, aber das ändert nichts an der unerträglichen Angst, die an mir nagt. "Ich will ihm nicht wehtun", antworte ich nur leise. Das ist alles, worum meine Gedanken schwirren. Hat er nicht etwas Besseres verdient als einen Mörder?
"Wenn es ihm wehtun würde, was du getan hast, dann wäre er jetzt nicht mehr hier. Aber das einzige was ihn verletzt ist, dass du ihm nicht genug vertraust, dass er auch deine Dunkelheit lieben kann.
Die Tatsache, dass er einverstanden war noch hierzubleiben ist Beweis genug, dass es ihn nicht interessiert, was du getan hast. Er liebt dich, du Idiot. Es ist an der Zeit zu zeigen, dass du das auch tust, und dass du das genug tust um ihm mit allem was du hast zu vertrauen so wie er es tut."
Natürlich tue ich das. Ich würde ihm mit allem vertrauen, mit meinem Leben, alles.
Und Mercenarios Worte haben Hoffnung in mir geweckt, darauf dass der Dämon in mir meiner Liebe zu Jel vielleicht gar nicht im Weg stehen muss.
Die Angst ist nicht ganz verschwunden, aber die Zweifel liegen bei mir, nicht bei ihm.
Ich will ihm nicht wehtun, das ist die volle Wahrheit, und wenn es ihn verletzt, dass ich denke er wäre besser dran ohne mich, dann ist es an der Zeit über meinen eigenen Schatten zu springen.
Jel hat mir nichts zu beweisen. Ich weiß ganz genau, wie stark er ist.
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Late Night Chapter! (Zu meiner Verteidigung, ich bin eine Stunde hinter der deutschen Zeitzone)
Danke an die Kommentatoren des letzten Kapitels, ihr habt mich mal wieder umgehauen!
#SingingMyHeart, #-Yukia, #Miri57, #xxdark_angel7705x, #xxvessaliusxx, #momoho, #FynnWinterchild, #see_on, #minnicat3, #animedraw354, #ButterflyEffekt, #Fire12t, #Meyara01
Fast 50 Kommentare, und einige davon superlang; ihr seid wirklich die Besten!
Kommianreger für dieses Mal:
~ "Glaub mir Jel, er und ich haben genau dieselbe Diskussion, noch immer nach all den Jahren in denen wir uns kennen. Wenn du unter immer denselben Worten aufwächst, dass du das Monster bist, das alle fürchten werden, das macht etwas mit dir."
Inwiefern hat Alvaros "Kindheit" unter Leandro und Ricarda ihn geprägt?
~ Haltet ihr Jels Reaktion für richtig? Sollte er mehr Verständnis zeigen?
~ Werden die zwei ihre Probleme auf die Reihe bekommen? Was müsste Alvaro bzw Jel ändern, um ihre Beziehung wieder zum Laufen zu bringen?
Und das war es für heute (Natürlich schlaft ihr alle schon brav... Mhm... ganz sicher)
Go back to reality. Stay yourself.
Eure StreetSoldierin
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