51. Exhausted but Safe
Alvaros Pov
Als ich durch das Tor zu Burning Castle laufe, scheint jeder Schritt schwerer zu werden, jeder Wimpernschlag eine Anstrengung. Dämonen kommen lange ohne Schlaf aus, aber auch wir haben unsere Grenzen. Vor allem wenn die schlaflosen Stunden so anstrengend sind.
Aber es ist die Sehnsucht, die mich vorantreibt, das Verlangen meinen Gefährten wiederzusehen. Ich weiß, dass er in Sicherheit ist, aber nach diesem Krieg spielen meine Gedanken verrückt und sie werden erst wieder aufhören, wenn ich ihn in meinen Armen halte. Als ich die Tür zu dem Zimmer erreiche, das Mercenario mir mitgeteilt hat, pocht mein Herz heftig gegen meine Rippen. Ich klopfe, warte jedoch nicht auf Antwort, sondern öffne die Tür sofort.
Und da ist er. Jel sitzt auf einem Sofa und unterhält sich mit June. Ein fröhliches Lachen ziert sein Gesicht und er gestikuliert wild mit seinen Armen, die bis zum Ellbogen bandagiert sind. Dann sieht er zu mir. "Alvaro!" In Sekundenschnelle ist er aufgesprungen und im nächsten Moment halte ich ihn schon in meinen Armen, seine Lippen pressen sich auf meine. Ich ziehe ihn fest an mich und nehme mir vor, nie wieder loszulassen.
"Tut mir leid", schluchzt er auf einmal. Ich habe die Tränen auf seiner Wange schon riechen können, aber ich bringe ihn nur dazu, mich anzusehen und wische sie weg. Verwundert sieht er mich aus seinen großen, schönen Augen an. "Aber..." "Es geht einfacher mit der Zeit", erkläre ich ihm lächelnd. "Vor allem nach dem, was wir jetzt schon zusammen erlebt haben. Nach und nach gewöhnt mein Dämon sich daran und lernt sich zu beherrschen." Ich küsse ihn noch einmal. "Du musst keine Angst mehr haben vor mir zu weinen, okay? Diese Phase ist vorbei."
"Oh, ich hoffe doch sehr, dass diese ganze Phase vorbei ist", antwortet er unter Schluchzen und Lachen gleichzeitig und schubst mich spielerisch gegen die Schulter. "Als ich hierher kam, hatte ich eigentlich nicht geplant, einen Krieg mitzuerleben." Nein, und das habe ich auch ganz sicher nicht für ihn gewollt. "Du hattest auch nicht geplant, mit mir zusammen zu kommen, und trotzdem stehst du jetzt hier und trägst mein Gefährtenmal auf dem Arm."
Er wirft einen Blick auf besagte Stelle, die aber komplett bandagiert ist. "Die Brandwunden können dem Mal doch nichts anhaben, oder?" Ich schüttele den Kopf und nehme seine Hand in meine. "Dieses Zeichen ist starke Magie, Feuer kann es nicht auslöschen."
Dann fällt mein Blick auf June hinter uns, der mit Jel aufgestanden ist, aber jetzt am Sofa lehnt und versucht, die Augen offenzuhalten. Ich gebe Jel einen Kuss auf die Stirn und gehe an ihm vorbei zu June. Dieser steht innerhalb von Sekunden gerade und verbeugt sich. "Mylord."
Ich lege eine Hand auf seine Schulter. "Ich danke dir für alles, was du getan hast, June. Du bist einer meiner treuesten Männer und ich konnte in jeder Sekunde auf dich zählen, du hast meinen Gefährten beschützt und ohne dich wäre er vielleicht nicht mehr hier. Ich schulde dir meinen innigsten Dank und ich verspreche dir, dass du dafür belohnt werden wirst."
June zieht die Schultern ein Stück hoch und wirft schnell einen Blick zu Jel, dann sieht er wieder zu mir. "D-Das... das war völlig selbstverständlich, Mylord." Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. June ist ein Jahr älter als ich und er ist einer meiner besten Soldaten, aber er hat ein verdammt sanftes Herz und das bewundere ich an ihm. "Es ist vielleicht deine Aufgabe, aber nicht selbstverständlich. Du hast nicht nur deine Pflichten getan, du bist auch darüber hinausgegangen. Und ich kann mir vorstellen, dass du völlig erschöpft bist." Das kann er nicht abstreiten, immerhin schafft er es kaum noch auf zwei Beinen zu stehen. "Du hast genug getan. Ruh dich jetzt aus."
"Commander Mastema hat mich aufgetragen, ihn zu wecken, sobald Ihr hier ankommt, Mylord." Das heißt wohl, dass sein Vater etwas gesagt hat, was ich wissen sollte. Allerdings kann das auch noch warten und Mercenario ist garantiert nicht weniger erschöpft als June und ich selbst. "Ich kümmere mich schon um Mercenario. Es wird ihn nicht umbringen, ein paar Stunden länger zu schlafen, im Gegenteil. Geh ins Bett, June."
Er verneigt sich noch einmal. "Danke, Mylord." Dann macht er sich daran, den Raum zu verlassen. Jel hält ihn noch kurz zurück und umarmt ihn zum Abschied. Dann flüstert er ihm noch etwas ins Ohr, wahrscheinlich sollte ich es nicht hören, aber dafür redet Jel dann doch zu laut. "Statt ins Bett zu gehen könntest du auch in Mercenarios Bett, das würde den Herrn Commander sicher freuen." June läuft innerhalb von Sekunden rot an. "Das ist nicht..." Aber Jel zwinkert ihm nur lachend zu. "Ich mache nur Witze. Schlaf gut, June."
Als June den Raum verlässt, sehe ich meinen Gefährten mit hochgezogener Augenbraue an. "Sollte ich irgendetwas wissen?" Er lächelt und zuckt mit den Schultern. "Ich bin der Meinung, dass June und Commander Mastema total aufeinander abfahren, aber laut June ist das völlig unmöglich. Ah, wo wir schon beim Thema sind: Du hättest mich wirklich vorwarnen können, dass dein bester Freund der Sohn des Teufels ist."
Mercenario und June? Zugegeben, ganz abwegig ist es nicht, aber... "Sohn des... Oh. Er hat es dir also erzählt. Na ja, jetzt weiß es vermutlich sowieso die halbe Welt."
"Abgesehen von uns Normalsterblichen natürlich", wirft Jel trocken ein. Ich grinse und ziehe ihn näher an mich. "Du scheinst zu vergessen, dass du ganz und gar nicht mehr normalsterblich bist."
"Anscheinend doch noch normalsterblich genug, um selbst nach dem Schlafen noch todmüde zu sein", wirft er ein und unterstreicht das Ganze mit einem Gähnen. "Wie schaffst du es eigentlich, noch gerade zu stehen? Ich meine, sieh dich an, du bist ein paar Mal beinahe gestorben, dein Körper war aufs Übelste zugerichtet – dein Bein sieht der Bandage nach zu urteilen immer noch sehr gebrochen aus – und von dem ganzen psychischen Druck fangen wir wohl besser gar nicht an. Ich habe inzwischen schlafen können, aber bin trotzdem noch fertig, also wie zur Hölle machst du das?"
Ein wirklich guter Punkt, aber Jel scheint das Konzept des Dämonenlebens doch noch nicht ganz erfasst zu haben. Ich nehme ihn bei der Hand und führe ihn aus dem Zimmer heraus, laufe mit ihm über den Flur und sage dabei: "Erstens: Ich bin auch todmüde, deswegen gehen wir uns jetzt ein Bett suchen. Zweitens: Deine Müdigkeit hat nichts damit zu tun, dass du ein Mensch bist. Beziehungsweise ein bisschen schon, weil du einfach noch nicht ganz an die Dämonenwelt gewöhnt bist."
Er sieht mich mit ein wenig zusammengekniffenen Augen an, als hätte ich ihn gerade gebeten, mir die Geheimnisse der Quantenphysik zu erläutern. "Also", hebe ich an. "Was denkst du, Jel, wie lange hat dieser Krieg gedauert?"
Wir biegen links ab, ich öffne eine Tür und lasse ihn als erstes eintreten. Dann folge ich ihm und schließe die Tür wieder. Wir befinden uns in einem meiner Schlafzimmer, ein durchschnittlich großer Raum mit einem überdurchschnittlich großen Himmelbett, bei dessen Anblick Jel ein Seufzer über die Lippen kommt. Ich setze mich darauf und beginne, meine Schuhe auszuziehen. "Also?"
Er setzt sich neben mich und tut es mir gleich. "Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Mein Zeitgefühl ist komplett verloren gegangen. So müde wie ich bin müssen es aber über vierundzwanzig Stunden gewesen sein." Ich lächele nur und ziehe mir das Shirt über den Kopf. "Versuch's nochmal."
Er sieht mich aus großen Augen an. "Länger?" Ich nicke und werfe die Klamotten, denen ich mich entledige, auf einen Haufen. Die Bewegungen werden immer schwerer. "Zwei Tage?", hakt er nach. Ich schüttele den Kopf. "Drei?" Kopfschütteln. "Vier? Du willst mich doch verarschen, oder?"
Ich stehe auf, löse meinen Gürtel und befreie mich von der Hose. Eine Dusche wäre traumhaft, aber ich kann nicht mehr. "Vier Tage. Heute ist der fünfte." "Oh Scheiße." Er hört auf sich auszuziehen und starrt mich ungläubig an. "Das kann nicht sein! Wie sind wir so lange ohne Schlaf ausgekommen?" Ich packe kurzerhand den Rand seines Shirts und ziehe es ihm über den Kopf. "Adrenalin, Angst und ein großer Hauch von Dämonenkräften. Wir brauchen nicht ganz so viel Schlaf wie Menschen."
"Das gibt's doch nicht." Ich lache und krieche auf der anderen Seite des Bettes unter die Decke. "Mercenario erzählt dir, dass er Luzifers Sohn ist, und du wunderst dich noch über ein paar schlaflose Tage." Er entledigt sich auch noch seiner Jeans und legt sich zu mir. "Du hast Recht... man sollte meinen, mich könnte nichts mehr überraschen."
Ich lege meine Arme um ihn und ziehe ihn näher zu mir. Seine Haut ist ganz warm und er schmiegt sich fest an mich, ich spüre die Verbände an seinen Armen, als er die Umarmung erwidert, aber es ist mir egal. Er ist hier, er lebt, und mehr will ich nicht, mehr brauche ich nicht.
"Alvaro?", fragt er nach einer Weile schläfrig. "Wird es jetzt anders werden? Wird es Frieden geben?" Ich lächele und küsse ihn. "Frieden überall vermutlich nicht. Das gab es noch nie. Aber Frieden hier, für uns, das wird ganz sicher geschehen."
"Das... das ist gut. Was ist mit Fineen? Wird er... wo ist er überhaupt?" Der Gedanke sticht ein wenig, wird aber überlagert von dem Gefühl der Erleichterung, das mich immer überfällt, wenn ich mich daran erinnere, dass mein Bruder noch lebt. "Er ist in Sicherheit, bei einem von Mercenarios Männern. Er schläft, und wird vermutlich noch länger schlafen, vielleicht sogar ein oder zwei Tage. Aber es wird sich um ihn gekümmert, keine Sorge. Wir dürfen im Moment nicht zu ihm, die Gefahr ist zu groß, dass er aufwacht und sich zu sehr aufregt, das würde seinem Zustand gar nicht gut tun." Es tut weh, ihn jetzt nicht sehen zu können, aber ich verstehe, dass es besser so ist. Auch Jel nickt. "Gut. Das ist gut."
Kurz herrscht Stille. Dann folgt noch ein zögerliches: "Alvaro?"
"Ja?", frage ich und ziehe ihn ein Stück fester an mich heran.
"Du wirst mich nicht wegschicken, oder?" Er hört sich ein wenig ängstlich an. Ich beuge mich zu ihm und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich wäre furchtbar dumm, das zu tun. Ich liebe dich, Jel."
Und dann folgt es, der Satz, der mein Herz schneller klopfen lässt, der jeden Schmerz vergessen macht und der jede Wunde und jede Angst wert ist.
"Ich liebe dich auch."
~~~~~~~~~~~~~
Ich bin eigentlich kein Fan von Filler-Kapiteln, aber ein bisschen Fluff zu Weihnachten darf auch mal sein!
Außerdem dachte ich, ein Update wäre mal wieder nett.
Danke an die Kommentatoren von letztem Mal:
#momoho, #LarryIHope, #ali99xd, #Aescha-07, #ponyliebe, #lphone21, #NellibyNelli, #alibiheart, #XCocaineNightX und #L0000VE
Kommianreger gibt's heute leider keine.
Ich wünsche euch allen noch Frohe Weihnachten!
Go back to reality. Stay yourself.
Eure StreetSoldierin
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro