44. Tears for us
Achtung: In diesem Kapitel gibt es keine Kommianreger, falls euch was ins Auge fällt was ihr kommentieren möchtet, tut das am Besten mit Inlinekommentaren
Jels Pov
Es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit, bis die Tore des Schlosses sich wieder mit einem lauten Krachen öffnen. Zuerst kommen ein paar Engelsoldaten heraus, dann Harrowby. Er trägt sein selbstgefälliges Grinsen im Gesicht und hat seine roten Flügel ausgebreitet. Aber er interessiert mich nicht, viel wichtiger ist Alvaro, der hinter ihm läuft. Besser gesagt: Der hinter ihm her geschleift wird. Zwei Engelsoldaten haben ihn an den Armen gepackt und zerren ihn hinter sich her. Alvaro versucht kaum noch, seine Füße zu heben. Er ist übel zugerichtet, überall an ihm klebt Blut und seine Augen sind nur halb geöffnet.
Fineen läuft neben Harrowby, zumindest vermute ich, dass es Fineen ist, da jemand ihn einen schwarzen Sack über den Kopf gezogen hat, der seinen ganzen Oberkörper bedeckt. Sie nehmen ihm wieder die Sonne weg. Harrowby macht mit der Folter genau da weiter, wo er aufgehört hat. Er will Fineen brechen.
Noch scheint das nicht zu funktionieren, denn Fineen wehrt sich gegen den Griff des Soldaten, der ihn festhält. Er wirft sich gegen ihn, strampelt und tritt um sich, aber es macht wenig Sinn.
Alvaro wird zum Scheiterhaufen gezogen und dort festgemacht. Seine Arme werden rechts und links oben an einem Eisengestell befestigt und eigentlich steht er nur auf den Füßen, weil die Fesseln ihn oben halten.
Das kann nicht passieren. Das können sie nicht wirklich tun, oder? Ich habe Alvaro doch gerade erst kennengelernt, es ist erst einige Wochen her, dass er mich vor Harrowbys Zähnen gerettet und nach Burning Castle gebracht hat. Er ist der Erste, der mich wirklich liebt. Ich kann ihn nicht verlieren, das ist nicht fair! So kann es nicht enden!
Harrowby stellt sich ein Stück neben Alvaro und sieht grinsend auf die Menge herab. „So, meine Freunde, da wären wir nun. Blackbourne ist der Letzte, der an diesem Tag sterben wird. Solange ihr ruhig bleibt und euch nicht widersetzt, wird euch nichts geschehen."
Außer, dass jemand vor unseren Augen verbrannt wird und wir anschließend zum Glauben gezwungen werden. Abgesehen davon ist natürlich alles in bester Ordnung.
Harrowby packt Alvaro am Kiefer und zwingt ihn, nach oben zu sehen. Der Schmerz in Alvaros Augen ist unerträglich, außerdem sieht er so müde aus. Nein, nicht müde. Erschöpft. Als hätte er mit all dem abgeschlossen, als wäre er schon halb tot.
"Sieh sie dir an, Blackbourne. Wie zitternde Hunde, die zu schwach sind, um ihrem Herrchen zu helfen." Um diese Worte zu unterstreichen, rammt er Alvaro seine Faust in die Rippen. Ich schreie auf, aber auch Alvaro stöhnt und das gibt mir Hoffnung, weil er zumindest noch fühlen kann, weil er noch nicht ganz weg ist.
Die Dämonen sind unruhig. Wir sind alle vorm Scheiterhaufen versammelt um Alvaro beim Sterben zuzusehen, bewacht von bewaffneten Engeln. Und auch wenn ich ein Mensch bin, gehöre ich trotzdem hierher, das spüre ich jetzt mehr denn je. Ich bin Alvaro Blackbournes Gefährte. Diese Dämonen sind genauso sehr mein Volk wie seines und es tut mir ebenso weh, dass wir alles verlieren.
Manche von ihnen springen auf und fangen an, mit den Engel zu kämpfen, aber die Attacken kommen vereinzelt und werden schnell niedergeschlagen. Harrowby lacht nur und lässt Alvaro los, dessen Kopf nach vorne sackt, zu schwach, um ihn alleine oben zu halten. Sie konnten seinen Willen nicht zerstören, deshalb haben sie seinen Körper gebrochen. Es ist der einzige Weg, Alvaro zu stoppen.
Harrowby verlässt den Scheiterhaufen, er nimmt dem Soldaten Fineen ab und läuft zu einer Art Podium, die eben aufgebaut wurde. Es ist beinahe direkt vor uns und mehrere Stühle stehen darauf. Harrowby lässt sich auf einen davon fallen und zerrt den sich wehrenden Fineen auf seinen Schoß. Dann winkt er einen der Engelsoldaten heran. "Geh den Hauptmann holen. Er wird sich das hier ansehen wollen."
Panisch sehe ich zu Mercenario. Wir müssen etwas tun, wir müssen Alvaro retten, das hier kann nicht so enden, das kann es nicht! Mercenario hat die Zähne fest zusammengebissen, sein Atem geht schwer, seine Hände sind zu Fäusten geballt und... ist das eine Träne auf seiner Wange?
Er dreht sich zu June, wispert ihm etwas ins Ohr. Dieser reißt die Augen auf, nickt aber. Was hat er ihm gesagt, was hat er vor? Dann beginnt Mercenario etwas zu flüstern, ein Singsang aus Worten, die ich nicht verstehe. Vermutlich ist es Gälisch, auch wenn ich es nicht identifizieren kann.
"Was tut er da?", frage ich June leise, der näher zu mir tritt. "Er versucht, sich zu verwandeln", antwortet June, seine Stimme hört sich gepresst an. "Das ist nicht ganz leicht für ihn." Ich sollte fragen wieso und was genau Mercenario damit beabsichtigt. Wenn eine ganze Legion von Dämonen Harrowby jetzt nicht aufhalten kann, wieso sollte Mercenario es dann können? Ich sollte diese Fragen stellen, aber ich tue es nicht, mein Fokus liegt vorne, bei Alvaro.
Der Hauptmann ist gerade aus dem Gebäude gekommen und hat sich neben Harrowby gesetzt, auf den anderen Stühlen ein paar weitere Engel, die ich nicht kenne. Ich suche fieberhaft nach einem Ausweg, irgendeiner Lücke in den Engelsoldaten. Nichts.
Harrowby zieht Fineen den schwarzen Sack vom Kopf. "Ich bin mir sicher, dass dir das hier gefallen wird. Dafür darfst du sogar wieder kurz ans Licht kommen", höre ich ihn sagen. Fineen sieht mit wildem Blick umher, seine Hände sind gefesselt und trotz seinem Widerstand ist es ihm nicht möglich, aus Harrowbys Griff zu entkommen.
Zuerst bleiben meine Augen an mir hängen. Ein fragender, ängstlicher Blick, den ich beantworte, indem ich nach vorne zeige. Fineens Kopf schnellt herum und er entdeckt Alvaro. Kurz erstarrt er. Dann fängt er wieder an sich zu wehren, noch heftiger als zuvor. "Lass mich los!" Seine Stimme ist laut, aber sie zittert. Er ist schwach. Harrowby drückt ihn bloß noch fester an sich, als wäre Fineen nur ein Spielzeug. "Wir werden auf die Feuerbringer warten."
Mercenario unterbricht seinen Verwandlungs-Singsang für einen Moment, um Harrowbys Aussage mit einem verächtlichen Schnauben zu kommentieren. Dann murmelt er weiter vor sich hin.
"Irgendwelche letzten Worte, Blackbourne?"
Mein Blick zuckt zu Alvaro. Dieser hängt immer noch mehr in seinen Fesseln, als dass er steht, aber er fängt an, sich leicht zu bewegen. Zuerst ballen sich seine Hände zu Fäusten und öffnen sich wieder, dann spannen sich die Muskeln an seinem Oberarmen an. Seine Füße scharren schwach über den Boden, wie um Halt zu gewinnen. Er kämpft mit seinem Körper.
Harrowby lacht. "Sieht so aus, als wäre unser Dämonenlord nicht in der Lage, uns seine letzten Worte mitzuteilen. Ein Jammer, aber was haben wir erwartet? Vielleicht hat er auch gar nichts zu sagen. Vielleicht hat er endlich eingesehen, dass ihr, sein Volk, den richtigen Weg gehen werdet. Den Weg, den wir euch zeigen werden."
Alvaro gibt einen erstickten Schrei von sich, seine Muskeln spannen sich noch einmal an und er versucht mit allen Kräften, aufrecht zu stehen. Erfolglos zunächst. Er zittert am ganzen Körper und ich sehe genau, wie er seine Zähne so fest zusammenbeißt, dass sein Kiefermuskel zuckt. Es muss wahnsinnig schmerzhaft sein, aber er gibt nicht auf.
"Oh Blackbourne, ich habe beinahe schon Mitleid mit dir. Vielleicht sollten wir gar nicht auf die Feuerbringer warten und den Scheiterhaufen jetzt anzünden, um dir den Schmerz zu ersparen." Ich schreie auf, während Mercenario zeitgleich zu knurren beginnt. Das kann er nicht tun, wir brauchen Zeit, mehr Zeit, es muss einen Weg geben.
Dann erst schafft Alvaro es, den Kopf zu heben. Und was ich sehe, erschreckt mich beinahe noch mehr als ihn leblos dort vorne hängen zu sehen: Da sind Tränen auf seinen Wangen. Er weint. Ob aus Schmerz, Frustration, Angst... ich weiß es nicht. Aber es gibt keinen Zweifel. Er weint. Und das macht mir noch mehr Angst.
Harrowby sieht es natürlich auch und beginnt schallend zu lachen. "Tränen, Blackbourne? Wer hätte gedacht, dass du doch so einfach zu brechen bist. Aber vielleicht warst du nach alldem doch zu jung. Seht ihn euch an, Freunde, euren großen Dämonenlord. Vielleicht ist er nach alldem doch nur ein verängstigtes Kind, dass sich hinter seiner Macht versteckt."
Das geht zu weit. Am liebsten würde ich nach vorne stürmen und Harrowby das selbstgefällige Grinsen von den Lippen kratzen. Er hat doch keine Ahnung. Überhaupt keine. Ich überlege gerade, auf welchem Weg nach vorne meine Chancen nicht im Minusbereich liegen, als Fineen die Initiative ergreift. Seine Hände sind gefesselt, aber er hebt seine Arme so weit er kann und rammt Harrowby den Ellbogen ins Gesicht.
Mit einem Fluch lässt Harrowby ihn los um sich an die Nase zu fassen und Fineen nutzt die Chance, um von seinem Schoß zu springen. Er kann nirgends hinrennen, überall stehen Soldaten, aber das ist ihm wohl bewusst. Er versucht gar nicht zu rennen. Er dreht sich nur so, dass er Harrowby und seinen Bruder sehen kann.
"Er war noch zu jung, ja." Noch nie habe ich Fineens Stimme mit so einem bedrohlichen Unterton gehört. Alvaro gibt seine Versuche kurz auf und sieht stattdessen zu Fineen herüber. Dieser redet weiter.
"Mein Bruder war schon immer zu jung für die ganze Last, die ihm auferlegt wurde. Er war zu jung, um so viel Verantwortung tragen zu müssen. Aber er hat es getan, ohne sich ein einziges Mal zu beschweren. Er hat seinen Job getan und er hat ihn besser gemacht, als es jemand anderes je hätte tun können. Er ist der beste Dämonenlord, den unsere Welt je gesehen hat und trotzdem war er immer selbstlos.
Du willst dich darüber lustig machen, dass er jetzt hier steht und weint, Harrowby? Das kannst du nicht. Und weißt du warum? Weil dieser Mann, der dort auf dem Scheiterhaufen steht, nicht um sich selbst weint, sondern um uns. Sein Volk. Wir wissen, dass er uns liebt. Diese Tränen gehören uns. Und er weiß, dass wir genauso bereit sind für ihn zu sterben, wie er bereit ist, es für uns zu tun.
Du kannst das nicht verstehen, oder? Hast du ein Volk, das dich liebt Harrowby? Würdest du um deine Dämonen weinen? Und würden sie trauern, wenn du weg wärst? Ich glaube nämlich, dass du dich deshalb über Alvaro lustig machst. Weil du genau weißt, dass dein eigenes Volk eher Feste feiern würde, wenn du nicht mehr bei ihnen wärst."
Jubelrufe kommen aus der Menge und die Dämonen fangen an, Alvaros Namen zu rufen. Lord Blackbourne. Harrowby sieht aus, als hätte Fineen ihm ins Gesicht geschlagen. Dann fängt er sich jedoch wieder, steht auf, und packt Fineen fest am Oberarm, zerrt ihn nahe an sich heran. "Ruhe!"
Aber die Dämonen hören nicht mehr hin, sie stehen alle da mit den Händen auf ihren Herzen und rufen ihrem Lord zu, meinem Gefährten, der angestrengt den Kopf oben hält und mit glitzernden blauen Augen auf seine Dämonen herab blickt. Lord Blackbourne. Lord Blackbourne. Fineen hat Recht. Alvaro wird von seinem Volk geliebt.
Ich sehe zu Mercenario, der nach vorne starrt, aber er fällt nicht in das Rufen ein. Genauso wenig wie ich. Denn die Dämonen ehren Alvaro. Es ist ein Abschied. Und ich bin noch nicht bereit loszulassen.
Harrowby zieht Fineen nach hinten und übergibt ihn zwei Engelsoldaten, die ihn auf die Knie drücken und ihm einen Knebel zwischen die Zähne zwängen. Dann wendet Harrowby sich zur Menge und schreit über den Lärm hinweg. "Nur zu, ehrt ihn, euren großen Dämonenlord. Ehrt ihn so lange ihr wollt, aber heute werden wir alle sehen, wie seine Flügel in Flammen stehen."
Die Rufe werden leiser, wie ein Flüstern, aber sie verklingen nicht. Ich sehe wieder zu Alvaro, der sich wieder um seinen Stand bemüht. Und da, endlich schafft er es seine Füße auf den Boden zu stellen und sich ein Stück hochzustemmen. Er steht gerade. Er hebt den Kopf. Und sein Blick trifft auf meinen.
Für ein paar Sekunden verliere ich mich in dem fesselnden Blau seiner Augen. Er ist hier, Alvaro ist hier und er ist am Leben und er sieht mich an. Er lächelt. Und wie aus dem Nichts taucht plötzlich seine Stimme in meinem Kopf auf. Ich liebe dich. Verwirrt sehe ich mich um. Wie kann das sein? Er hat das nicht gesagt, es war zu leise. Und zu nah. Woher...
Mit aufgerissenen Augen sehe ich ihn an, er nickt mir leicht zu. Ich habe verstanden und das weiß er. Er hat seine Gedanken versendet. Aber dieses "Ich liebe dich" war kein Abschied, keine letzten Worte. Er hat diesen Gedanken nicht mit mir geteilt, um mir seinen Tod leichter zu machen.
Dieses "Ich liebe dich" war eine Ankündigung. Ein Versprechen. Denn er hat dieses "Ich liebe dich" per Gedanken versendet, während um seinen Hals noch immer der Eisenring liegt, der eigentlich seine Dämonenkräfte bannen sollte.
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Uuuuund es wird spannend... (schon wieder ein Cliffhanger, ich weiß, ich weiß)
Das Kapitel ist relativ kurz aber ich hätte es ungern an einer anderen Stelle beendet, also hoffe ich, das ist in Ordnung :)
Danke an die Kommentatoren vom letzten Mal:
#2fame4u, #Enyce_, #momoho, #VictoriaRose1864, #Drachen-Gen, #Marieschorle, #XCocaineNightX, #deniseheldhems, #wolf_girl1234, #L0000VE und #Blueozeangirl
Besonderer Dank geht an #joobroo für einen unheimlich süßen Kommentar und eindeutig mehr Lob als ich verdient habe ;)
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