31. Goodbye
Jels Pov
Ich könnte schwören, dass ich ganz kurz Tränen in Alvaros Augen sehe. Dieser Mann sorgt sich so sehr um mich, dass es mir beinahe das Herz bricht.
Wir sind kurz vor Harrowbys Grundstück, aber weit genug, dass man uns nicht entdecken kann. Die Dämmerung hat schon lange eingesetzt und allmählich wird es immer dunkler.
„Bist du bereit?", fragt Alvaro leise, und am liebsten würde ich den Kopf schütteln, ihm versprechen für immer bei ihm zu bleiben. Aber das kann ich nicht. Es gibt nur diesen Weg und das wissen wir beide.
Ich gebe ihm mein Handgelenk und einige Sekunden starrt er nur auf das Brandmal, das dort prangt. Durch dieses Mal sind wir verbunden, bin ich sein offizieller Gefährte und mit eingeschlossen in das Alterungssystem der Dämonen.
Aber das Mal ist Magie. Alvaro muss es mir abnehmen, sonst würde Harrowby sofort merken, dass etwas auf seinem Grundstück ist.
Jetzt seufzt Alvaro, schließt die Augen und wischt ganz kurz über das Mal. Die Linien verschmelzen, zerspringen dann, als hätte er sie aufgekratzt. Aber dann sind sie plötzlich verschwunden.
Alvaro lässt die Augen noch einige Sekunden geschlossen, er atmet schwer. Und ich kann ihn verstehen, denn auch ich spüre dieses Loch, das plötzlich in mir ist. So fühlt es sich also an, von seinem Gefährten getrennt zu sein. Ehrlich gesagt wäre mir ein grausamer Tod lieber.
„Alvaro?", frage ich leise. Er nickt, öffnet dann die Augen. Der Schmerz darin spiegelt genau das wieder, was ich gerade fühle. Alvaro nimmt mein Gesicht in seine Hände und haucht einen Kuss auf meine Lippen.
„Ich liebe dich, Jel. Nichts wird daran je etwas ändern. Nur bitte, bitte tu alles dafür, zurück zu mir zu kommen." Ich nicke und küsse ihn zurück, verlangend und tieftraurig. „Das werde ich, hab ich dir doch versprochen. Ich liebe dich auch."
Und dann räuspert sich Mercenario hinter uns. „Tut mir leid, aber es wird Zeit." Alvaro nickt nur und drückt meine Hand ein letztes Mal. „Ich hasse es, dich gehen lassen zu müssen." Ich nicke. „Es tut weh. Aber ich tue das für uns. Ich muss los, Alvaro."
Und dann lässt er langsam meine Hand los, widerstrebend, aber er weiß, dass es sein muss. Ich küsse ihn noch ein letztes Mal, dann wende ich mich ab. Das Loch in mir schmerzt noch schlimmer als zuvor, aber ich ignoriere es. Ich muss da jetzt durch. Für Alvaro, für Fineen, für jeden Dämonen. Es gibt nur diese eine Chance und wir müssen sie nutzen.
******
Ich hab es tatsächlich bis ins Schloss geschafft. Es hat ziemlich lang gedauert, inzwischen ist es schon stockdunkel und viermal wäre ich fast erwischt worden. Aber ich bin drinnen, und das ist alles, was jetzt zählt. Alvaro hat mir gesagt, wo ich hingehen muss, deshalb folge ich jetzt ganz leise den Gängen, die mich ins Innere des Schlosses führen.
Das Gebäude ist ziemlich groß, und es wäre sicher auch schön, aber im Moment kann ich kaum etwas sehen. Nur der Mond scheint ein bisschen und ermöglicht mir so zumindest, durch die Gänge laufen zu können. Schon bald bin ich an einer großen Tür angekommen.
Die prunkvollen Verzierungen passen irgendwie in mein Bild von Harrowby, deswegen lege ich meine Hand auf die Klinke und öffne die Tür zuerst nur einen winzigen Spalt.
Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, als ich sehe, dass in dem Raum Licht brennt. Aber schnell sehe ich, dass hier niemand wach ist. Das Gute ist: Ich bin eindeutig im richtigen Raum. Das Schlechte: Ich habe keine Ahnung, wie ich Fineen hier wegbringen kann.
Denn Alvaros Bruder liegt in Harrowbys Bett. Ich sehe, dass seine Hände und Füße angekettet sind, so fest, dass er nicht von Harrowby wegrutschen kann. Dieser liegt direkt daneben und hat einen Arm um Fineen geschlungen. Der Blonde sieht so aus, als hätte er versucht, so weit, wie es seine Fesseln nur zulassen, von Harrowby wegzurutschen und wäre in der Position irgendwann eingeschlafen.
Die Nachttischlampe brennt aus irgendeinem Grund noch, aber vorm Fenster hängt ein dicker Vorhang, durch den wahrscheinlich kein bisschen Licht dringen kann. In der Wand ist eine Tür eingelassen, vermutlich Fineens Gefängnis, wie Alvaro mir es schon beschrieben hat.
Leise betrachte ich alles noch einmal genau. Fineen ist dünner geworden, soweit ich das erkennen kann. Die Dunkelheit muss ihm wirklich zusetzen. Seine Ketten sind aus Eisen, der bloße Versuch sie zu öffnen, würde Harrowby sofort aufwecken. So kann ich ihn nicht befreien. Es gibt wohl nur einen Weg. Ich hoffe nur, dass das kein purer Selbstmord ist.
Ungefähr vier Stunden später höre ich, wie Harrowby aufwacht und damit auch Fineen weckt. Es ist noch ziemlich in der Nacht, aber trotzdem steht Harrowby auf. Fineens Ketten rasseln, und kurze Zeit später kommt er in den kleinen Raum gestolpert.
„Bis später, Schätzchen!", lacht Harrowby nur dreckig, dann knallt die Tür und wir befinden uns in völliger Dunkelheit. Wir, weil ich mich in Fineens Gefängnis geschlichen habe. Und jetzt sitzen wir beide hier drin.
Ich höre, wie Fineen zittrig seufzt und ein paar Schritte in meine Richtung macht. Einerseits will ich ihn nicht zu sehr erschrecken, andererseits... was kann ich den anderes tun? Also entscheide ich mich einfach für die schnelle und direkte Art. „Fineen?"
Die Reaktion ist wie erwartet, ein erschrockener, wenn auch leiser Aufschrei. „Keine Angst, ich bin es, Jel." Keuchender Atem, dann Fineens brüchige Stimme. „J-Jel? Wieso... w-wie kommst du hierher?"
Ich taste mich vorsichtig durch die Dunkelheit, bis ich Fineen erreiche und seine Hand nehmen kann, um ihn nicht zu verlieren. „Alvaro. Nachdem du mit ihm in Kontakt getreten bist, wusste er, dass wir uns beeilen müssen. Er hatte keine andere Wahl, als mich das hier tun zu lassen."
„Alvaro hat... was? Er hat dich das hier tun lassen? Seinen Gefährten?" Erst jetzt erinnere ich mich, dass Fineen weder von den Plänen im Himmel, noch davon was damals mit Alvaro und ihm wirklich passiert ist, weiß. „Fineen, weißt du überhaupt wieso du hier bist?"
Kurz ist es still. Dann hebt Fineen leise an: „Harrowby hat mir etwas erzählt... ich wusste nur nie genau, was davon ich glauben konnte." Ein ungutes Gefühl macht sich bei mir bemerkbar. „Was hat er dir gesagt?" Fineen schnieft. „Er... er hat gesagt, dass Alvaro sich entscheiden musste. Irgendwas im Dämonenkreis, dass er entweder mich weggeben musste oder..."
„...mich", beende ich den Satz geschockt. „Sag mir bitte, dass du das nicht geglaubt hast." Sein Griff um meine Hand wird stärker und er zittert, das sagt mir schon alles. Seufzend ziehe ich ihn in eine Umarmung.
„Fineen, so war das nicht. Harrowby hat damals gesagt, dass er für eine Weile aufhören will, die Strafen über sein Volk zu verhängen. Unter der Bedingung, dass ich ihm für eine Zeit überlassen werde. Alvaro hat ihm klar gemacht, dass das nicht passieren wird und ist dann mit mir aus der Sitzung gestürmt. Mehr ist nicht passiert. Alvaro würde dir so etwas niemals antun."
„Das hab ich mir auch immer eingeredet", schluchzt Fineen. „Aber mit den Jahren wurde es schwieriger und schwieriger, es zu glauben." Natürlich, schließlich hat er keinen Anlass gehabt, anders zu denken. Alvaro hat ihm ja tatsächlich oft genug wehgetan, nur weiß Fineen die Gründe dafür nicht.
„Hör zu, es ist nicht meine Aufgabe, dir das alles zu erklären. Das muss Alvaro selbst tun. Aber ich kann dir versichern, er wollte das alles nicht. Alles, was jemals zwischen euch vorgefallen ist, glaub mir, es gibt nichts, was er mehr bereut.
Harrowby hat dich entführt, weil er ein Druckmittel gegen Alvaro brauchen wird. Er hat sich mit dem Himmel verbündet und will zusammen mit ihnen die Dämonen unterwerfen." Fineen keucht auf. „Was? Wie wollen sie das anstellen?"
„Lange Geschichte, auf jeden Fall hat es was mit Cheveyo zu tun. Du hast ihn vielleicht kurz gesehen, bevor sie dich entführt haben. Der weiße Dämon, den Alvaro aus dem Menschenlabor geholt hat."
Kurz ist es still, aber dann antwortet Fineen: „Ja, ich erinnere mich. Aber jetzt mal eine ganz andere Frage, wie soll es jetzt weitergehen? Hast du einen Plan, wie wir hier raus kommen?"
Einen Plan schon. Ob der funktionieren wird ist die Frage. „Wir müssen es zumindest versuchen. Wie viel Kraft hast du noch, Fineen?"
„Mir geht es gut." Ich verdrehe die Augen, was er bei dieser Dunkelheit natürlich nicht sehen kann. „Es gibt keinen Grund, mich anzulügen. Alvaro hat mir erzählt, was die Dunkelheit mit dir macht. Ich hab dich da draußen gesehen, Fineen, du bist dünn und blass geworden. Dir geht es nicht gut."
Nach einigen Momenten ohne Antwort seufzt Fineen. „Okay. Es ist mir so gut wie unmöglich, mich zu verwandeln. Von meinen Dämonenkräften sind keine mehr da und von meinen menschlichen nur wenige. Ich bin froh, dass ich noch einigermaßen gut auf zwei Beinen stehen kann, aber selbst das wird immer schwieriger. Mein ganzer Körper tut weh. Ich hab Hunger. Ich bin müde. Also nein, es geht mir nicht gut. Aber ich will hier raus und dafür kann ich stark sein."
Ich nicke und drücke seine Hand. „Also gut. Dann lass es uns versuchen."
~~~~~~~~~~~~~~~~
Und schon wieder ein Tag zu spät... Tut mir leid! :)
Heute mal nicht so viel Gerede, erst einmal herzlichen Dank an die Kommentatoren
#L0000VE, #Rockylovesbooks, #BlackVany, #Marieschorle und #peaceofhumanity
Und mal wieder haben diese Fünf es geschafft, mir eine riesige Freude zu bereiten, denn obwohl es nur ein Kommentator mehr als im Kapitel davor war, haben wir die doppelte Kommizahl, das heißt ganze 30 wunderschöne Kommentare von fünf Leuten und dafür ein riesiges Dankeschön von mir, ihr seid die Besten!
Vielleicht möchte sich diesmal ja noch jemand beteiligen, um die Hauptkommentatoren, die immer wieder einen super Job hinlegen, mal zu unterstützen :) Dafür ein paar Kommianreger:
~ Das Mal ist weg... Jel und Alvaro sind jetzt offiziell keine Gefährten mehr. Wie wirkt es sich psychisch auf die beide auf? Und könnte es abgesehen vom Privaten noch andere Probleme mit sich bringen?
~ Alvaro und Jel haben sich verabschiedet... wird alles gut gehen?
~ Fineens Zustand scheint schlecht zu sein. Kann er durchhalten? Wird es körperliche Folgen für ihn haben?
~ Wie sieht Jels Plan aus und werden er und Fin es aus dem Schloss schaffen?
Das war's für heute.
Go back to reality. Stay yourself.
Eure StreetSoldierin
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro