2. Home sweet Home
Fineens Pov
Jel besuchte mich jeden Tag, manchmal sogar zweimal. Ich hatte keine Ahnung wann Alvaro mich abholen würde, aber irgendwann sagte ich Jel, dass er es am nächsten Tag tun würde, damit ich nicht einfach so aus dem Krankenhaus verschwinde ohne ihm Tschüss gesagt zu haben.
Nachher würde Jel kommen und ich wäre nicht mehr da. Schweren Herzens log ich ihn also an, und er verabschiedete sich herzlich und gab mir seine Nummer.
"Falls du dich nochmal zusammenschlagen lässt!", meinte er mit einem Zwinkern.
Jel ist achtzehn, zwei Jahre älter als ich, aber genauso alt wie mein Körper. Irgendwie verwirrend.
Die nächsten Tage lag ich also allein im Krankenhaus und betete, dass Alvaro nicht kam.
Aber beten bringt nichts, wenn man keinen Gott hat.
"Fineen." Ich schrecke zusammen und sehe nach links. Dort steht er in der Tür.
Ich senke den Kopf. "Du bist gekommen."
Er lacht freudlos. "Natürlich bin ich das. Hast du vor mitzukommen?"
"Das weiß ich noch nicht", erwidere ich. "Es kommt auf dich an."
"Auf mich?" Er sieht überrascht aus.
Ich nicke. "Wenn ich mitgehen soll, beanworte mir vier Fragen."
Er sieht mich mit diesem durchdringenden Blick an, aber ausnahmsweise halte ich stand. Schließlich nickt er. "Schieß los."
Ich rufe mir ins Gedächtnis, was ich mir vorhin zurecht gelegt habe. "Wirst du mich einsperren in Burning Castle? Wenn ich mitkomme bin ich dann... gefangen?"
Ich wollte es eiskalt klingen lassen, aber selbst in meinen Ohren hörte es sich ängstlich an.
Er legt den Kopf schief. "Ich werde dich nicht einkerkern, wenn du das meinst. Du kannst dich frei darin bewegen. Aber auf die Straße gehst du vorerst mal nicht."
Ich nicke. Sowas hatte ich erwartet. "Wirst du mich diesmal zwingen in den Dämonenkreis zu treten?"
Zu meiner Überraschung schüttelt er den Kopf. "Nein. Ich zwinge dich nicht dazu."
Das Warum liegt mir auf der Zunge, aber ich brauche meine letzten zwei Fragen. "Wird einer von ihnen da sein? Matteo? Can? Ruben? Irgendeiner deiner... Gläubiger?"
"Du wirst vorerst keine Schulden für mich bezahlen müssen, wenn es das ist wovor du Angst hast. Sie werden ab und zu nach Burning Castle kommen, aber nicht dauerhaft und nicht wegen dir. Vorerst."
Ich sehe zu Boden. "Ich hab keine Angst."
Mir ist klar, dass ich mich anhöre wie ein kleiner Junge der steif und fest behauptet, keine Angst zu haben, obwohl ihm die Knie schlottern.
Alvaro schenkt mir nur einen Blick mit hochgezogener Augenbraue, sagt nichts.
Also hole ich tief Luft. "Wenn... wenn Ricarda und Leandro noch leben würden... und wir noch bei ihnen... wenn sie mich wieder schlagen würden... würdest du noch immer dazwischen gehen? Und würdest du mich immer noch trösten?"
Jetzt ist es raus. Alvaro starrt mich entgeistert an. Dann sagt er ganz langsam: "Aber sie leben nicht mehr."
Ich beiße mir auf die Lippe. "Das war nicht die Frage, Bruderherz."
Wow. Ich bin beeindruckt von mir selbst, dass ich das 'Bruderherz' eiskalt und ein bisschen spöttisch über die Lippen bringe.
Er schluckt. "Ich..." Mann. Wie lange ist es her, dass ich meinen Bruder unsicher gesehen habe? Jahre.
"Sag die Wahrheit", bitte ich ihn.
"Ich würde dich trösten, ja", sagt er leise.
Ich sehe ihn aufmerksam an. "Okay."
Als er nichts mehr sagt, hake ich weiter nach. "Und weiter? Würdest du dazwischengehen?"
Er sieht mich wieder an, sein Blick gewinnt an Fassung zurück. "Du sagtest vier Fragen, Fineen. Vier."
Ich verdrehe die Augen. "Musst du alles so genau nehmen?"
Er nickt. Es wirkt... abgehackt. "Du hast gesagt vier Fragen, dann kommst du mit."
"Das hab ich nicht gesagt!", fauche ich. "Ich sagte, es kommt auf dich an."
Er schüttelt genervt den Kopf. "Kommst du jetzt mit oder nicht?"
"Ich will die letzte Antwort wissen!" Er soll es mir ins Gesicht sagen, verdammt. Er soll zugeben, dass er mich damals nur angelogen hat. Nie hätte ich gedacht dass Alvaro so feige sein kann.
"Ja oder Nein?!", knurrt er gereizt.
"Wieso antwortest du nicht einfach, Alvaro?"
"Fineen, ich hab dir gesagt, was passiert wenn du nicht freiwillig mitgehst!"
Ich schalte auf stur. "Die Antwort! Ich will die Antwort!"
Er faucht kurz auf, dann baut er sich vor mir auf, drückt eine Hand auf meinen Brustkorb. Erstaunt sehe ich ihn an.
Er schließt die Augen und ich spüre ein Kribbeln. Er heilt mich. Ich kann fühlen, wie meine kaputten Rippen wieder zusammenwachsen, die inneren Verletzungen schließen sich vollständig, mein Kopf hört auf zu brummen.
"A...Alvaro!", keuche ich schwach, aber er macht einfach weiter. Schließlich ist selbst der kleinste Kratzer verschwunden. Alvaro nimmt seine Hand weg und funkelt mich gefährlich an. "Ich frage dich nur noch ein letztes Mal, Fineen. Kommst du freiwillig mit oder nicht?"
Oh nein Bastard, du wirst nicht schon wieder gewinnen! Fahr doch zur Hölle!
"Wenn du mir diese letzte Frage beantwortest gehe ich! Eher nicht! Ich will eine Antwort!"
Wutschnaubend dreht er sich um. "Ich hab dich gewarnt!"
Mit diesen Worten stürmt er aus dem Zimmer. Ich sehe ihm nach und dann wird mir klar, was ich gerade getan habe. Verdammt.
Schnell springe ich auf. Ich hab nur Boxershorts an. Egal. Mit schnellen Schritten laufe ich zum Fenster.
Ein bisschen schwindelig ist mir noch, aber ich habe keine Schmerzen mehr. Alvaro hat ganze Arbeit geleistet.
Ich stoße das Fenster auf. Erdgeschoss. Perfekt. Schnell klettere ich raus.
In der kleinen Straße ist kein Mensch. Ich schaue nach rechts und links und renne.
******
Natürlich war Mercenario schon vorm Krankenhaus gewesen, als Alvaro zu mir reinkam, das hatte ich geahnt. Was ich nicht hatte ahnen können, war dass Mercenarios Männer mich so schnell einholen würden.
Schon nach zehn Minuten haben sie mich gefunden. Ich gerate in Panik und renne immer schneller, aber schon sind sie hinter mir.
Irgendwas landet über meinem Oberkörper, ich werde zu Boden gerissen.
Ich zappele und versuche verzweifelt mich zu befreien, aber dann erkenne ich, dass es ein Netz ist, was sie über mich geworfen haben. Je mehr ich versuche herauszukommen, desto mehr verheddere ich mich. Das Netz ist so straff, dass meine Arme an meinen Rücken gepresst werden.
Schon ist einer von Mercenarios Männern neben mir. "Na Kleiner, wo wollen wir denn hin?" Verzweifelt strample ich, aber es ist zwecklos.
Und schon ist Mercenario selbst bei mir. "Ach Finchen, du wirst dich auch nie ändern, oder? Obwohl es das erste Mal ist, dass ich dich nach Burning Castle zerren muss. Sonst bist du immer freiwillig mit."
Ich starre ihn nur hasserfüllt an. Er grinst. "Jungs, muid ag cur tús! Macht ihn reisefertig und nehmt ihn mit, je schneller es geht, desto mehr Kohle bedeutet das für uns. Bí taphaid!"
"Lasst mich los!", fauche ich. "Ihr habt doch keine Ahnung!"
Mercenario grinst noch immer. "Hört ihr was? Ich höre nichts. Teacht ar, Jungs!"
Verzweifelt winde ich mich hin und her, aber ich habe keine Chance. Sie fesseln mir erst die Füße, dann entheddern sie das Netz und fesseln mir die Hände. Danach machen sie die Handfesseln an den Fußfesseln fest, sodass ich nur noch ein hilfloses Bündel bin.
Wenn ich mit den Füßen zapple, zerre ich an meinen Armen, wenn ich die Arme bewege, verdrehe ich mir die Beine schmerzhaft. Es gibt keinen Ausweg.
"Macht das weg!", knurre ich laut. Sie ignorieren mich völlig. Plötzlich hockt sich einer vor mich. "Mund auf!" Aus Reflex beiße ich die Zähne fest zusammen.
Er lacht. "Du kleiner Sturkopf! Aber das bringt dir auch nichts. Oscail do bhéal, hab ich gesagt!"
Er schlägt mich ins Gesicht, dann presst er die Hand an meinen Kiefer und drückt zu. Nach ein paar qualvollen Sekunden öffne ich widerwillig den Mund.
"Buachaill maith! Guter Junge!" Er schiebt mir ein Tuch zwischen die Zähne. "Mmmmhh!!" Ich winde den Kopf in seinem Griff, aber im nächsten Moment klebt er mir ein Stück Paketband über die Lippen und lässt los. Jetzt liege ich hier auf dem Boden, völlig hilflos, ausgeliefert.
Mercenario bückt sich zu mir runter und wirft mich einfach über seine Schulter. "Mmmhhh!!" Ich versuche zu zappeln, aber wegen den Fesseln ist das unmöglich.
Er schleppt mich zu einem Jeep von dem ich keine Ahnung habe, wo er herkommt. Stand der gerade schon da?
Mercenario lässt mich in den Kofferraum fallen und knallt den Kofferraumdeckel zu. Alles wird dunkel.
Stille Tränen beginnen mir über die Wangen zu laufen. Wieso? Wieso tut Alvaro mir sowas an?
Ich habe früher so zu ihm aufgesehen! Und jetzt muss ich feststellen, dass alles nur Maskerade war.
Es ist nicht fair! Einfach nicht fair!
********
Nach langer Fahrt öffnet sich der Kofferraum. Na klasse, ich bin nicht nur völlig erschöpft vor Schmerzen sondern auch noch total verheult.
Mercenario zerrt mich aus dem Kofferraum. Ich sehe mich um. Burning Castle. Mein altes, verhasstes Zuhause. Goldener, kalter Käfig. Gott, wie ich es hasse.
Ich werde ins Innere getragen, durch zahllose Flure, aber ich verliere nicht die Orientierung. Ich weiß, wo ich bin, und ich weiß, wo sie mich hinbringen werden.
Und schon sind wir da. Sie klopfen an die große Tür und gehen rein. Es hat sich nicht verändert. Das riesige, schwarze Doppelbett, in dem ich mich früher an Alvaro gekuschelt habe. Der weiße, makellose Teppich, der schlichte Schreibtisch, der Flachbildfernseh an der Wand.
Und auf dem Schreibttischstuhl sitzt mein Bruder. Er hat wohl gerade irgendwelchen Papierkram zu bearbeiten. Zumindest nickt er nur abwesend. "Leg ihn aufs Bett. Dein Geld liegt in der Küche."
Mit einem "Maith agat!" zieht Mercenario sich zurück. Alvaro widmet sich wieder seinen Papierkram.
Hallo? Bin ich vielleicht auch noch da? Ich bin doch nicht einfach irgendeine Ware, die er auspacken kann wann es ihm gerade in den Kram passt.
"Mmmmmhh!!" Er dreht sich nicht mal um, als ich beginne zu zappeln. "Halt die Klappe, Fineen. Daran bist du selbst schuld."
Wie bitte? Hat er jetzt echt vor mich hier liegen zu lassen?
"Mmmh!! Mmmh!!" Ich rolle mich hin und her, versuche diese elenden Fesseln loszuwerden.
Plötzlich rolle ich zu nah zur Kante und falle runter. Natürlich kann ich mich nicht abfangen und zu allem Überfluss knalle ich mit dem Kopf gegen die Nachttischkante.
Mein Protest gerade eben wird zu einem Wimmern und dann zu einem erstickten Schluchzen. Heulend liege ich am Boden und kann mich jetzt überhaupt nicht mehr bewegen.
Alvaro ist herumgefahren, als er den Knall gehört hat. Jetzt steht er auf und kommt zu mir. "Ach Fineen."
Er kniet sich neben mich. Ich schaue ihn nur verzweifelt an. Wie kann er mir das nur antun? Wie kann er nur?
Zu meiner Überraschung nimmt er mich hoch in seine Arme. Ich weine weiter, weiß nicht, was ich denken soll.
Sanft legt er mich auf das Bett ab, dann streicht er mir mit die Hand kurz über die Stirn. Für einen Moment brennt es, dann verblasst der Schmerz, wird immer weniger, verschwindet schließlich. Als er die Hand wegnimmt ist Blut an seinen Fingern. Er hat die Platzwunde am Kopf, die ich dank des Nachtischs hatte, geheilt.
Ich heule einfach weiter, okay, jetzt bin ich eindeutig fertig mit den Nerven. Aber wieso auch nicht? Ich liege hier äußerst ungemütlich gefesselt und außerdem geknebelt vor meinem großen Bruder und er befreit mich einfach nicht!
Ich weine und weine und kann mich nicht mehr beruhigen. Irgendwann flüstert Alvaro: "Das ist zu anstrengend für dich. Du bist überfordert, hm? Ich glaube es ist besser, wenn du ein bisschen schläfst."
Ich schluchze, schniefe, schlucke, schlucke. Er hebt seine Hand und schließt meine Augen sanft. Sofort bemerke ich ein schläfriges Gefühl.
Wieso, Alvaro? Wieso hast du mich holen lassen? Wieso hast du mir mein Leben auf der Straße nicht lassen können? Alles wäre tausendmal besser als das hier.
Langsam aber sicher sinke ich in einen künstlichen Schlaf.
Alvaros Pov
Ich betrachte Fineen, wie er da liegt und schläft. Er sieht wahnsinnig klein, was an den Fesseln liegen muss. Es sieht... schmerzhaft aus. Nicht richtig. Okay, das kann nicht so bleiben.
Ich beuge mich vor und knote Hand- und Fußfesseln auf. Außerdem nehme ich ihm den Knebel ab.
Solange er im künstlichen Schlaf ist, wird er sowieso nicht abhauen können.
Gerade eben, als er mit dem Kopf gegen den Nachttisch geknallt ist... Ich habe mich zu Tode erschrocken. Für ein paar Sekunden dachte ich wirklich er wäre nicht mehr am Leben. Aber dann hat er angefangen zu weinen.
Ich streiche ihm vorsichtig ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht und lege ihn in eine angenehmere Position.
Seine Worte heute morgen haben so wehgetan. "Würdest du immer noch dazwischengehen?" Er glaubt nicht, dass ich ihn noch liebe. Natürlich nicht, denn ich gebe ihm auch keinen Grund dazu. Er weiß ja nicht, dass es nur zu seinem Besten ist.
Aber dieses abfällige "Das war nicht die Frage, Bruderherz." hat mich zutiefst verletzt. Okay, ich bin nicht nett zu ihm gewesen, aber ich habe Gründe dafür, wichtige Gründe, die er nicht wissen darf.
Es ist alles so ungerecht. Ich vermisse meinen kleinen Bruder, ich vermisse ihn so sehr. Aber ich darf nicht... ich kann nicht...
Stop Alvaro! Denk daran! Es bleibt wie es ist! So ist es am Besten für ihn.
Traurig wende ich mich von Fineen ab und gehe wieder zum Schreibtisch. Als Lord of Blackbourne regiere ich über die Dämonen hier in meinem Revier. Das nebenbei übrigens das größte der Reviere ist.
Aber in allen Teilen der Dämonenwelt wird es immer schlimmer: Die Dämonen können ihre Lust nicht mehr zügeln. Es ist wirklich an der Zeit etwas zu tun, wenn nicht alles in einem Land der Vergewaltigung enden soll.
Schon wieder sind allein im Umkreis von Burning Castle drei Dämonenjungen verschwunden. Zwei im Alter von vierzehn, der andere sechzehn.
Ich kann mir denken, wo sie hin verschwunden sind. Irgendwelche Dämonen haben wohl neue Spielzeuge gesucht. Und gefunden.
Ich muss dringend eine Dämonenkreis Sitzung einberufen. Allein bekommen wir alle das nicht in den Griff.
Vor allem in Harrowbys Revier häufen sich die Zahlen der verschwundenen Dämonenjungen. Komischerweise scheinen Dämonen das Interesse an Mädchen verloren zu haben.
Ich habe alle Hände voll zu tun die Jungen zu suchen, aber inzwischen sind es so viele, dass ich nicht mehr hinterherkomme.
In einem der Fälle haben die Entführer ihr Spielzeug wieder gehen lassen. Das ist sehr unüblich.
An den Fall erinnere ich mich noch sehr gut, es ist erst ein paar Wochen her.
Seaver hieß der Kleine. Seaver, dreizehn Jahre.
Nachdem sie genug mit ihm angestellt hatten, fesselten sie ihn, verbanden ihm die Augen und setzten ihn mitten in der Nacht völlig hilflos bei einer Autobahnraststätte aus.
Ich erinnere mich noch so gut daran, weil ich es war, der den Kleinen gefunden hat. Er lag völlig heulend neben den Mülltonnen, hatte keine Ahnung wo er war oder was mit ihm geschehen würde, konnte sich nicht mal bewegen.
Und so etwas bringt mich dann zusätzlich auf die Palme. Der kleine Kerl hatte Todesangst, nicht zu vergessen das, was sie ihm vorher angetan haben.
Das ganze muss aufhören. Und wenn ich jeden gottverdammten Kinderschänder einzeln suchen muss, irgendwann wird es aufhören, so wahr ich Alvaro Lewis Blackbourne heiße.
Next Day
Jels Pov
Ich sitze im Starbucks und bestelle einen Kaffee nach dem anderen. Ich hab die Nacht nicht schlafen können und ich muss jetzt mal wieder wach werden.
Hoffentlich kann ich heute Nacht schlafen. Aber bei so vielen Kaffees die ich mir reinschütte bezweifle ich es stark.
Es ist fünfzehn Uhr. Seit zwei Stunden hänge ich schon an den Kaffeebechern. Okay, Schluss jetzt! Ich kann nicht achtundvierzig Stunden wach bleiben.
Ich bestelle die Rechnung. Ach du Schande. So viel habe ich getrunken? Das ist teuer geworden. Na ja. Macht nichts. Zumindest fühle ich mich besser als vorher. Wacher auf jeden Fall. Ob das so gut ist? Heute gehe ich früher ins Bett!
Ich verlasse das Café und streife durch die Gassen, ohne ein bestimmtes Ziel. Mist. Ich bin wirklich zu wach. Na schön. Dann mache ich mich eben müde.
Ich laufe nach Hause und ziehe mich um. In Joggingsachen und mit Kopfhörern gehe ich wieder auf die Straße und beginne zu Joggen. Meine Uhr zeigt halb vier. Jetzt wird erst mal gelaufen.
Um sechs reicht es mir. Keuchend halte ich an. Mann bin ich lange gelaufen.
Ich setze mich kurz auf den Boden. Der Plan ist aufgegangen. Ich bin todmüde. Stöhnend quäle ich mich wieder hoch und beginne Richtung heim zu laufen.
Es dämmert schon. Ich bin fast zwei Stunden Fußmarsch von zu Hause entfernt. Und jegliche Busse streiken heute. Klasse. Warum zum Teufel bin ich keinen Rundweg gelaufen?
Nach anderthalb Stunden ist es dämmrig dunkel. Müde laufe ich weiter. Nur noch eine halbe Stunde, dann bin ich daheim, kann in mein Bett kriechen...
Es geschieht so plötzlich, dass ich keine Zeit habe zu reagieren. Irgendjemand packt mich und bringt mich zu Fall.
Ich schreie auf, der Jemand kniet sich auf meinen Rücken. Verdammt was ist hier los? Der Typ ist zu leicht für einen erwachsenen Mann. "H-He... was... was willst du von mir? Ich hab kein Geld dabei."
Ein Fauchen lässt mich verstummen. Das hat sich nicht sehr menschlich angehört. Ganz langsam drehe ich den Kopf. Und erstarre. Auf mir sitzt sehr wohl ein Mann, geschätzte Ende dreißig. Aber... es ist kein Mann. Nicht wirklich. Seine Pupillen leuchten feuerrot, seine Haare sind braun. Alles was er trägt sind knielange Shorts. Kein Oberteil.
Und dann sehe ich warum. Aus seinem Rücken wachsen große, rote Flügel. Wie die Engelsflügel, die man von Bildern kennt. Seine roten Augen starren mich aus einer Mischung von Gier, Hunger und... Gehässigkeit an.
Ich bin wie gelähmt vor Angst und realisierte gar nicht, wie er den Mund auf meinen Oberarm legt. Erst als spitze Reißzähne durch meine Haut dringen, komme ich zurück in die Realität.
Ich schreie so laut ich kann und strample und zapple, aber er lässt sich weder beeindrucken noch abschütteln. Jetzt bewegt er den Mund auf meiner Haut. Ich spüre wie er heftig saugt. Ich schreie nochmal, die Schmerzen sind einfach abartig.
Plötzlich ruckt er mit einem Zischen den Kopf nach oben. Der Schmerz brennt weiter, obwohl er seine Zähne aus meinem Arm genommen hat. Tränen laufen über meine Wangen. Was geschieht hier? Das kann nicht real sein!
Ich folge dem Blick der Kreatur auf mir - und erstarre. Vor uns, geduckt, angespannt, kampfbereit, steht Alvaro Blackbourne. Und er hat sich verändert.
Seine Augen sind nun genauso schwarz wie seine Haare. Er trägt eine Jeans, die ihm lässig tief auf den Hüften sitzt. Auch er trägt oben nichts. Auch er... hat Engelsflügel. Aber seine sind schwarz.
Er knurrt und zieht dabei die Oberlippe hoch. Spitze Reißzähne kommen zum Vorschein. Streiten sie etwa darum wer mein Blut bekommt?
Ich wimmere. Alvaros Blick zuckt flüchtig zu mir und visiert die rote Kreatur dann wieder. Er kommt näher, in der selben Haltung, wie eine Raubkatze die jeden Moment springt. Er knurrt unentwegt und bedenkt den Roten mit Blicken, bei denen ich, wären sie an mich gerichtet, sofort tot umgefallen wäre.
"Faigh amach!"; knurrt Alvaro. "Láithreach!"
"Cén fáth?"; faucht der Rote.
Alvaro verzieht die Lippen zu einem bösen Grinsen. "Toisc rá liom mar sin."
"Ach tá...", hebt der rote an, aber Alvaro springt vor.
"Bí ciúin! Faigh amach!" Alvaros Knurren ist jetzt sehr bedrohlich. Er faucht, fletscht die Zähne und ist fast bei uns angelangt.
Ich bin wie gelähmt vor Schreck. Wer sich in diesem Zustand mit ihm anlegt muss lebensmüde sein.
Das scheint der Rote auch zu merken. Er steigt von mir runter, faucht ein letztes Mal wütend und rennt davon. Ich muss träumen! Was ist hier los?
Alvaro lässt sich neben mir auf die Knie fallen. Ein erstickter Laut kommt aus meinem Mund, und ich will rückwärts weg von ihm krabbeln, aber mein Körper fühlt sich so schwer an.
Er streicht über mein Handgelenk. Ich heule auf vor Schmerz und versuche es wegzuziehen, aber ich kann nicht. Will er mich auch noch beißen? Ich halt das nicht aus! Diese Schmerzen - es ist die Hölle!
Ich winde mich unter seinem Griff, aber hält mich sanft und bestimmt zu Boden gedrückt. Ich beginne wieder zu weinen, mir ist alles egal, es tut so verdammt weh.
Aber plötzlich spüre ich ein Ziehen, dann ein Kribbeln und... entgeistert starre ich auf meinen Arm. Da, wo Alvaros Finger ihn berühren wächst die Haut wieder zusammen. Bin ich im falschen Film? Das ist unmöglich!
Als die Wunde verschwunden ist, nimmt er die Hand weg.
Ängstlich will ich zurückkriechen, aber er hält mich an den Schultern fest.
"Ná bíodh eagla ort!", flüsterte er. Ich habe keine Ahnung was er will.
Was auch immer das für eine Sprache ist, ich verstehe kein Wort. Er streckt die Hand nach meiner Wange aus, zieht sie aber schnell wieder zurück. Aus seinen schwarzen Augen schaut er mich bittend an.
"Ná caoin! Ní le do thoil ná caoin!"
Ich lasse meinen Kopf zurück auf den Asphalt sinken. "Ich versteh dich nicht." Meine Stimme zittert. "Du kannst doch normal sprechen. Vor ein paar Tagen konntest du es!"
Sein Blick wird... traurig. "Ní féidir liom. Ní i riocht seo! Tá brón orm!" Dann wird sein Gesichtsausdruck wieder bettelnd. "Ní le do thoil ná caoin! Nimhneach sé a fheiceann tú mar seo!"
Dann zieht er mich in seine Arme und hebt mich hoch. Erschrocken sehe ich ihn an. Erstens hat er kein T-Shirt an. Und er sieht nicht gerade schlecht aus. Und zweitens fällt mir gerade wieder ein, wie wenig ich ihn ausstehen kann.
Ich will mich wehren, aber mein Körper gehorcht einfach nicht, zu müde, zu schwer. Er kommt mit seinem Gesicht ganz nah an meins. Ich kann seinen Atem auf meinen Lippen spüren.
Aus großen Augen sehe ich ihn an. Er streckt die Hand aus und streift mit dem Mittelfinger eine Träne von meiner Wange. Dann schnuppert er daran. Das Verlangen, das plötzlich in seinen Augen aufblitzt macht mir Angst.
Aber er reißt die Hand herunter und drückt mich an sich.
"Beidh gach rud go breá!", murmelt er und trägt mich weg.
Meine Augen werden immer schwerer. Krampfhaft versuche ich wachzubleiben, aber nichts nützt, ich falle in einen tiefen Schlaf.
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Ohmygosh *o* Was passiert jetzt?
Und was ist nur mit Alvaro los? Versteht ihr das? :o
Haha, ICH weiß es :D Aber keine Sorge, bald erfahrt ihr es auch ^^
Das nächste Chapi wird diesmal dem Autor des LÄNGSTEN Kommis gewidmet <3 Also haut in die Tasten :)
Ich freu mich über Votes und so weiter (:
Viel Spaß euch noch,
eure StreetSoldierin <3
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Anhang
Muid ag cur tús → "Fangen wir an."
Bí thapaid → "Seid schnell."
Teacht ar → "Na los!"
Oscail do bhéal → "Öffne den Mund!"
Buachaill maith → "Guter Junge!"
Maith agat → kurz für "Danke"
Faigh amach! → etwa: "Verschwinde!"
Láithreach → "Sofort!"
Cén fáth? → "Warum?"
Toisc rá liom mar sin → "Weil ich es sage!"
Ach tá... → "Aber..."
Bí ciúin! → "Sei still!"
Ná bíodh eagla ort → "Hab keine Angst"
Ná caoin → "Nicht weinen!"
Ní le do thoil ná caoin! → "Bitte weine nicht!"
Ní féidir liom → "Ich kann nicht."
Ní i riocht seo → "Nicht in diesem Zustand"
Tá bron orm → Es tut mir leid.
Nimhneach sé a fheiceann tú mar seo → "Es tut weh, dich so zu sehen"
Beidh gach rud go breá → "Alles wird gut"
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