14. He fell in love with...
Nachdem Alvaro Mercenario und seine Männer losgeschickt hat, um sich auf Harrowbys Anwesen umzusehen, führt er mich in einen Raum, der wohl so etwas wie ein Wohnzimmer ist. Wie man sich hier in diesem Schloss zurecht finden kann ist mir immer noch ein Rätsel, aber andererseits lebt Alvaro hier schon seit zwanzig Jahren. Cheveyo liegt im Nebenzimmer und schläft. Kein Wunder, der Tag war wahrscheinlich mehr als nur anstrengend. Apropos Tag, wie spät ist es eigentlich?
„Alvaro?" Er sieht auf, als hätte ich ihn gerade aus seinen Gedanken gerissen. „Hm?" „Wie viel Uhr ist?" Ich spüre Müdigkeit an mir zehren, das Meeting heute morgen kommt mir schon so weit entfernt vor. „Fünf", antwortet er knapp. Bitte was? Das kann doch nicht stimmen. „Ach was! Es ist doch nicht erst Nachmittag!" Ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen, als er mir in die Augen sieht. „Guten Morgen, Jel! Im wahrsten Sinne des Wortes."
Ich reiße die Augen auf. „Das ist nicht dein Ernst!" Er lacht leise und nickt. „Willkommen in der Dämonenwelt." Grummelnd schmeiße ich Kissen von der Couch auf der ich liege und lasse nur zwei Stück als Kopfkissen darauf liegen. „Ihr habt doch einen Knall. Ich hab nichts dagegen die Nacht durchzumachen, aber wenn, dann will ich wenigstens wissen, dass ich es tue. Wieso gibt es hier eigentlich keine Fenster?"
Alvaro steht auf und holt eine Decke aus einem Korb. „Weil wir hier mitten im Schloss sind. Wenn du Fenster willst, musst du in ein Zimmer das an die Fassade grenzt." Dann wirft er mir die Decke zu. „Hier. Ich schlafe heute Nacht bei dir. Nicht, dass Harrowby auf dumme Gedanken kommt." Ich falte die Decke auseinander und krieche darunter. Nachdenklich betrachte ich Alvaro, der seine Couch ebenfalls zu einem Bett umformt. „Mh... Alvaro, kann ich dich was fragen?"
Belustigt schüttelt er den Kopf. „Herrgott Jel, frag doch nicht immer ob du fragen darfst. Tu es einfach." „Ich..." Nach Worten suchend zupfe ich an meiner Decke herum. „Ich hab mich nur gefragt... na ja, wieso du zugelassen hast, dass sie Fineen mitnehmen. Ich meine, er ist dein Bruder, und all die Jahre hast du dir selbst so wehgetan um ihn zu schützen. Wieso... hast du mich nicht sterben lassen?"
Einige Sekunden starrt Alvaro mich nur an. Dann schließt er die Augen. „Ich mag dich, Jel. Ich konnte nicht zulassen, dass sie dich töten." Oh nein, diesmal lasse ich mich nicht von so einer Antwort abwimmeln. Da steckt mehr dahinter und ich will jetzt endlich die Wahrheit erfahren! „Aber du liebst Fineen. Ich bin nur... ein Alibi. Oder so was in die Richtung. Es wäre kein allzu großer Verlust gewesen, selbst wenn du mich magst. Du hättest deinen Bruder beschützen können."
„Hältst du mich für so herzlos?", knurrt Alvaro und setzt sich auf die Armlehne. Auch ich richte mich wieder ein Stück auf. „Das hab ich nicht gesagt! Ich hab nur gesagt, dass es schlimmer für dich sein muss, Fineen in Harrowbys Händen zu wissen, als dass ich, ein Menschenjunge der noch nicht mal in deine Welt gehört, getötet wird. Und dass ich nicht verstehe, warum du dann die Entscheidung getroffen hast, die schmerzhafter für dich ist."
Er schüttelt den Kopf und wendet den Blick von mir ab. „Das musst du nicht wissen. Du würdest es ohnehin nicht verstehen wollen." Jetzt reicht es. Energisch schlage ich die Decke zurück und stehe auf. „Verdammt Alvaro, ich will es aber! Ich will dich endlich verstehen können und nicht immer nur herumrätseln, wieso du tust was du tust. Du hast damals versprochen, mir zu sagen was passiert!"
Auch er steht auf, seine Größe wirkt noch bedrohlicher als sonst. „Und ich hab mich immer daran gehalten. Ich hab nie versprochen, dir zu erzählen wie es in mir drin aussieht." Ich spüre, wie die Tränen in mir aufsteigen, unterdrücke sie aber schnell, bevor die Situation eskaliert. „Aber ich bitte dich, das zu tun, Alvaro. Der Junge, den du schon so oft gerettet hast, bittet dich, es ihm zu erklären." Und in dem Moment verändert sich etwas in Alvaros Gesicht, seine Züge werden trauriger.
„Du könntest es nicht ertragen, Jel. Ich kenne dich doch, du würdest es nicht wollen." Aber ich lasse nicht locker. „Wenn du mich kennst, dann musst du doch wissen, dass ich es hasse, wenn alles so verwirrend und unlogisch ist. Bitte, Alvaro. Was hast du denn noch zu verlieren?" Er sagt etwas, so leise, dass ich ihn nicht verstehe. „Was?" Er hebt den Kopf und sieht mich direkt an. „Dich."
„Mich?" Das ist jetzt eher genauso verwirrend wie vorher. Alvaro seufzt und setzt sich wieder auf die Couch, klopft neben sich auf das Polster. „Komm, setz dich. Dann erkläre ich es dir, wenn du das unbedingt willst. Aber es wird danach nicht mehr das selbe sein." Ich setze mich zu ihm. „Was wird nicht mehr das selbe sein?" Er zuckt mit den Schultern. „Alles. Also Jel..." Er scheint zu überlegen, wie er anfangen soll.
„Am besten beginnen wir ganz von vorne. Das erste Mal als ich dich sah, das war in diesem Krankenhaus. Und na ja, ich war beeindruckt von dir. Noch nie hat sich jemand wie du getraut, sich so gegen mich zu stellen. Erinnerst du dich, wie du mich von Fineen weg gezerrt hast?" Ich nicke. „Was aber daran lag, dass ich nicht wusste, wer du bist." Umständlich schiebt er ein Kissen beiseite. „Doch, du wusstest, wer ich bin. Du wusstest nur nicht, was ich bin. Aber du kannst mir nicht erzählen, dass du jetzt andern handeln würdest. Selbst als du wusstest, dass ich ein Dämon bin, warst du noch verdammt kratzbürstig."
„Ich?" Ich lache. „Entschuldige, aber du warst auch nicht sehr viel besser!" Er lächelt leicht. „Okay, aber du hattest keine Angst, zu sagen was du denkst. Du warst ehrlich und hast mir immer an den Kopf geknallt, was dir nicht gepasst hat. Und das gefällt mir. Kein anderer würde sich trauen, das so zu tun. Weil alle Angst haben." Ich lege den Kopf schief. „Und was hat das mit heute zu tun?"
„Langsam, ich bin gerade dabei. Ich hab dir erzählt, dass Blutschuld käuflich ist, richtig?" „Ja." Ist das etwa nicht richtig? Aber wieso hat er mich dann damals vor Harrowby gerettet? „Das war keine Lüge." Ah. Das macht jetzt noch weniger Sinn. „Allerdings gibt es da etwas, das du wissen solltest." „Und das wäre?" Er seufzt. „Jel, ich hab Fins Blutschuld erst gekauft, als du schon bei mir warst."
Bitte? Nachdem er mich gerettet hat? „Aber... du hast gesagt, du hast mich vor Harrowby gerettet, weil du Fineens Blutschuld bezahlen wolltest. Du hast gesagt, sonst würden sie darauf aufmerksam werden, dass Fineen so viel Ärger gehabt hat und ihn dann umbringen." Er sieht zu Boden. „Es ist so... Ja, Fin hat viel Ärger gemacht, aber er wusste selbst nicht, dass das niemals reichen würde um ihn hinzurichten. Ja, Dämonen werden getötet, wenn sie zu viel Ärger machen. Aber zu viel Ärger heißt in dem Fall, wenn sie Kinder von anderen Dämonen stehlen, wenn sie vergewaltigen oder morden. Nicht, wenn sie alle drei Tage in eine Schlägerei verwickelt werden."
„Aber das... wenn Fineen gar nicht getötet werden sollte... wenn die Blutschuld damals noch gar nicht dir gehört hat... wieso... wieso bin ich dann hier?" Das macht überhaupt keinen Sinn! Ich dachte, ich wäre hier um Fineen das Leben zu retten! Und jetzt erzählt er mir, dass das gar nicht so ist? „Jel, damals im Krankenhaus und dann später, als du unter Harrowby lagst, da ist etwas mit mir passiert, was ich niemals gedacht hätte, dass es bei einem Menschen passieren könnte."
Er seufzt und schließt die Augen, massiert sich mit einer Hand die Schläfe. „Harrowby hat dich zu Boden gedrückt, hatte die Zähne in deinem Arm. Und du, du hast dich gewehrt und geschrien. Es war kein Zufall, dass ich auch dort war, denn ich hab dich gespürt, von weitem hab ich deine Panik gespürt. Und dieses Gefühl ist etwas, was nur von bestimmten Leuten ausgelöst werden kann." Eine kurze Pause, dann redet er weiter. „Das Gefühl hat mir gezeigt, dass ich dich beschützen muss, dass ich nicht zulassen kann, dass Harrowby so etwas mit dir macht. Dass ich dich gerettet habe war meine Entscheidung, nicht die von irgendeiner Blutschuld."
Verwirrung ist inzwischen gar kein Ausdruck mehr. „Aber Alvaro..." Ich suche nach Worten. „Was war das dann für ein Gefühl? Wieso... von was für Leuten wird es hervorgerufen? Was... was bin ich für dich?" Alvaro nimmt meine Hände in seine, sieht mich schuldbewusst an. „Ich hab den Dämonenkreis nicht angelogen, Jel. Ich hab dich angelogen und das tut mir so leid. Aber ich wollte nicht, dass du Angst bekommst. Wärst du weggelaufen, hätte irgendjemand dich gefangen und als Druckmittel gegen mich verwendet und dass konnte ich dir nicht antun, deshalb hab ich gelogen."
Er schluckt, sieht zu Boden, dann wieder in meine Augen. „Was ich den anderen Dämonen erzählt habe, ist die Wahrheit, Jel. Die Ausrede für Fineen war keine Ausrede. Ich hab dich gerettet, weil ich mich in dich verliebt habe. Und aus keinem anderen Grund." Bam. Geschockt reiße ich die Augen auf, starre Alvaro einfach nur an. Hat er das gerade wirklich gesagt? Das hab ich mir nicht eingebildet! Oh mein Gott, die ganze Zeit... die ganze Zeit war alles Lüge, was er zu mir gesagt hat? Er liebt mich. Die ganze Zeit hat er mich verteidigt, weil er mich liebt, nicht weil er es für die anderen so darstellen musste.
Der mächtigste der Dämonen, Alvaro Lewis Blackbourne, der reichste Mann des Landes... hat sich in mich verliebt, einen unscheinbaren Jungen, der im Heim lebt und gerade erst volljährig geworden ist? Der, von dem ich mir damals geschworen habe, ihn zu hassen? Obwohl sich das inzwischen erledigt haben dürfte, nachdem ich die Wahrheit von seiner Vergangenheit erfahren habe. Aber wieso ich? Ich bin doch... einfach nur ich. Wieso soll sein Gefährte kein junger Dämon sein, die meines Erachtens nach alle wie Götter aussehen?
„Jel?" Flehend sieht Alvaro zu mir runter. „Jel, bitte sag irgendwas." Ich starre ihn weiter an, öffne den Mund. „Ich..." Verdammt, was zur Hölle soll ich denn sagen? „Wieso hast du mir das nicht gleich gesagt? Wieso hast du so getan, als müssten wir eine Scheinbeziehung führen, wenn das alles nicht hätte sein müssen?" Er schluckt. „Ich... du weißt doch, was du früher von mir gehalten hast. Du hast mich gehasst. Was wäre passiert, hätte ich dir gesagt, dass ich dich lieben würde? Du hättest noch mehr Angst bekommen, hättest mich noch mehr gehasst und hättest versucht, abzuhauen. Ich wollte dich nicht einsperren, aber wenn du weggelaufen wärst... wie ich bereits gesagt habe, irgendjemand hätte dich als Druckmittel gegen mich verwenden wollen."
Seine Stimme zittert ein wenig, was absolut untypisch für ihn ist. „Ich wollte das nicht für dich, weder das eine noch das andere. Und so hab ich mir das mit der Scheinbeziehung überlegt. Ich konnte dem Dämonenkreis nicht sagen, dass du mit mir verwandt bist, das wäre sofort durchschaut worden. Ich konnte aber auch nichts von Blutschuld erzählen, weil ich die in dem Moment noch nicht gekauft hatte und das wäre nachgeprüft worden. Mir blieb keine andere Wahl, als die Wahrheit zu sagen. Aber wenn ich dich beschützen wollte, dann musste ich dich anlügen und so tun, als wäre das alles nur Schein, als würde ich dich nicht wirklich lieben."
Wow. Das ist jetzt... wow. Ja, jetzt macht das alles Sinn. Aber trotzdem bin ich noch genauso geschockt wie gerade auch. Ich meine, nicht jedem Tag wird mir von einem Dämon seine Liebe gestanden. Na ja, wenn man von Harrowby beim Meeting mal absieht. Aber das war ja etwas ganz anderes. Bei Alvaro ist es... noch krasser. Ich meine, ich habe ihn geküsst, ich habe gedacht, wir hätten jedem unsere Liebe vorgespielt. Aber für ihn muss das doch die Hölle gewesen sein, mich an seiner Seite zu wissen, mich küssen zu können und trotzdem zu wissen, dass es für mich nicht echt war.
Er hat mich belogen, um mich zu schützen. Und ja, er hat auch Recht. Hätte er mir damals gesagt, er würde mich lieben, dann wäre ich wahrscheinlich durchgedreht, hätte versucht abzuhauen. Weil ich da ja noch überhaupt nichts von ihm wusste, nur das gesehen habe, was er mit seinem eigenen Bruder tat. Aber jetzt... jetzt weiß ich ja, wieso er das alles getan hat, dass er nicht das Arschloch ist, für das ich ihn gehalten habe. Trotzdem überfordert die Situation mich jetzt komplett. Was soll ich denn jetzt sagen? Ich weiß ja noch nicht mal, was ich denken soll. Will er jetzt richtig mit mir zusammen sein? Nicht nur das, was wir die ganze Zeit hatten, das vorgetäuschte? Kann ich das? Oder nein, will ich das?
Natürlich hasse ich Alvaro nicht mehr. Ja, und ich hab auch das Gefühl gespürt, als er mich im Arm gehalten hat. Nachdem der Dämon mir das Messer an die Kehle gehalten hat, als Alvaro mich aufgefangen hat. Ich hab diese leicht Verbindung gespürt, aber ich hab sie ignoriert. Ich kann mich doch nicht in Alvaro verlieben! Andererseits... wenn er mich liebt, wieso kann ich dann nicht... Aber... nein. Ich liebe ihn nicht. Zumindest... denke ich das. Verdammt nochmal, ich weiß überhaupt nicht, was ich denken soll.
Als er meine Hände sanft drückt, zucke ich erschrocken zusammen. „Jel, bitte sitz doch nicht nur da uns starr mich schweigend an. Sag mir bitte einfach, was du denkst. Ich werde es ertragen, egal was du sagst." Allein sein Blick zeigt mir schon, dass das nicht stimmt. Er würde es nicht ertragen, würde ich ihm sagen, dass ich ihn dafür hasse. Aber das habe ich nicht vor. Etwas anderes allerdings auch nicht. „Alvaro... gib mir ein bisschen Zeit um allein zu sein... bitte. Das ist noch so... verwirrend. Ich brauche nur ein bisschen Zeit zum nachdenken. Dann... kann ich es dir sagen."
Als der Schmerz in seinen Augen aufblitzt, hätte ich ihn am liebsten umarmt und gesagt, dass ich ihn auf jeden Fall lieben würde. Aber das kann ich nicht. Weil ich meine Antwort einfach noch nicht weiß. Ich stehe auf und drücke Alvaros Hände nochmal kurz. „Ich will dir nicht damit wehtun, dass ich jetzt gehe. Ich muss nur nachdenken, okay? Bitte denk jetzt nicht, ich würde nur Abstand von dir brauchen, denn das ist nicht wahr." Er schluckt und nickt, lässt meine Hände los und streichelt mir nochmal kurz über den Arm.
„Versprichst du mir etwas, Jel?" Ich unterdrücke die nächsten Tränen, die wieder versuchen auszubrechen. „Was?" Er sieht zu Boden und ich meine zu sehen, dass seine Augen glitzern. Er weint doch nicht etwa wegen mir, oder? Das kann nicht sein. Alvaro ist doch nicht so, oder? „Jel, ich weiß nicht, was du von der Situation hältst und wenn du Zeit brauchst, dann gebe ich sie dir gern. Aber wenn du jetzt durch diese Tür gehst... bitte sag mir, dass du nicht weglaufen wirst."
Ich schüttele den Kopf, kann das Schluchzen, dass aus meiner Kehle will nicht ganz zurückhalten. „Nein, Alvaro. Ich werde nicht abhauen, niemals. Mach dir keine Sorgen. Das wird nicht passieren." „Dann... dann ist es gut." Er zeigt nach draußen. „Wenn du den Flur nach rechts runtergehst, die dritte Tür rechts. Da ist ein Zimmer, wo du schlafen kannst. Aber wenn was passiert, dann hol mich bitte. Oder schrei. Was auch immer."
Ich nicke und bücke mich zu ihm runter, umarme ihn. „Mach... mach dir nicht so einen Kopf, okay? Ich muss wirklich nur nachdenken, mehr nicht." Er nickt und drückt mich kurz. „In Ordnung. Schlaf gut." „Du auch." Und dann verlasse ich das Zimmer. Was um Himmels Willen soll ich jetzt tun? Was ist das, was ich für Alvaro fühle? Ist das tatsächlich Liebe? Oder wünsche ich mir nur, dass es welche ist, um ihn nicht zu verletzen? Ich brauche jetzt wirklich Zeit. Und muss viel nachdenken.
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Kommis wären lieb, auch wenn ich keine Zeit für lange Reden hab ;3
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