Kapitel 39
Es hatte nicht lange gedauert, da waren wir schon losgegangen. Die Situation war angespannt und sorgte nur mehr dafür, dass wir drei hochkonzentriert waren. Seth führte uns durch Wege, die uns unbekannt waren und da er selbst zu langsam war und ich noch nicht gewohnt bin schnell zu rennen, sind wir mit dem Motorrad gefahren. Seth auf einem und Asher und ich auf einem anderen.
Wir hatten eine Nacht im Wald verbringen müssen und den ganzen weiteren Tag gebraucht bis wir in der Einrichtung ankamen. Noch immer war das Ausmaß meiner Befreiung zu sehen. Einzig allein die völlige Stille war neu. Keine Menschen, offene Tore und Staub und Blut. Mehr war da nicht.
>>Wir nehmen trotzdem einen anderen Eingang. Ich bin damals oft unbefugt raus und weiß wo sie uns nicht bemerken werden.<<
Asher nickte Seth nur zu. Ich schwang meinen Bogen auf meinen Rücken und folgte ihnen zurück zum Wald. Wir liefen tief hinein, bis Seth endlich stehen blieb und mit dem Fuß auf dem Boden herumtrat. Ich hörte das Metallgeräusch noch bevor Seths Gesicht wissend aufleuchtete. Kurz darauf fanden wir uns in einem unterirdischen Gang wider, der mich an mein altes zu Hause erinnerte.
>>Warum bist du aus der Einrichtung raus? So oft und das alleine?<< fragte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern. >>Ich denke ich wollte einmal selbst entscheiden. Selbst dann wenn es bedeutet, dass ich dort draußen alleine sterbe. Ich wollte für ein mal das Gefühl von Freiheit spüren.<<
Mir wurde wieder bewusst, dass mehr dort draußen gelitten haben mussten. Für mich war die restliche Welt immer ein trostloser, verlorener Ort. Alles war pure Gefahr für mich und meine Gemeinschaft. In meinen Augen waren wir schon immer diejenigen, die das ganze Leid dieser Welt abbekommen hatten. Doch nun war da mehr. Da waren Vampire wie Asher. Soldaten wie Seth. Da war mein Bruder, Jess und Dina. Selbst Nale.
Wir traten durch einen schmalen Gang und durchquerten eine Metalltür. Für einen Moment waren wir noch still und vorsichtig. Doch schnell wurde uns bewusst, dass hier keine Menschenseele war.
>>Das wirkt so unwirklich.<< teilte ich meine Gedanken mit und folgte Ashers Blick, der skeptisch umherschweifte. >>Suchen wir einfach schnell alles ab und verschwinden wir von diesem Ort.<< sagte er zu Seth und mir.
Wir blieben immer nah beieinander und suchten die Räume nach etwas nützlichem ab. Seth an unserer Seite half uns, weil er wusste welche Räume wichtig waren und welche nicht. Dadurch waren wir schon bald mit allen Räumen durch. Doch viel nützliches fanden wir nicht. Zumindest bis wir vor eine riesige Stahltür stießen, die verriegelt war. Egal was Asher oder Seth versuchten. Es war schier unmöglich sie aufzubrechen.
Frustration machte sich in mir breit, während ein Teil von mir nicht aufgeben wollte. Wir waren so abgelenkt mit der Tür gewesen, dass die Schritte erst jetzt zu uns drangen. >>Fuck<< stieß Asher aus, bevor er mich hinter sich stieß. Auch Seth entschärfte seine Waffe und hielt sie auf die einzige Fluchtmöglichkeit, die wir hatten.
>>Wie viele?<< fragte Seth. >>33<< antwortete ich, bevor Asher mir zuvor kommen konnte. >>Machbar.<< drang Ashers Stimme durch meinen Kopf, während die Schritte ihn fast zu übertönen drohten. Irgendwas übermenschliches regte sich in mir. Schärfte meine Sinne bis ins gänzliche und sorgte dafür, dass ich instinktiv meinen Bogen hob. >>Geht zur Seite.<< drang meine Stimme bestimmend aus meinem Mund, bevor meine Augen für einen kurzen Moment zu brennen schienen.
Ich ließ ihnen keine Zeit und schoss Blitzschnell nach vorn. Die ersten drei traf ich mit meinen Pfeilen, bevor sie überhaupt ihre Waffe heben konnten. Einen von ihnen stieß ich nach hinten zu Asher, der ihm mit roher Gewalt das Herz herausriss. Ich schoss einen weiteren Pfeil durch den Kopf eines Soldaten und sah den Kugelhagel von Seth, der einen weiteren niederstreckte. Meine Sinne nahmen zu und schienen mich von der Realität herauszureißen. Ich war nicht mehr als ein Raubtier. Brach fünf von ihnen das Genick und schoss meine Pfeile so schnell ab, dass sie binnen einer Sekunde vier niederstreckten. Mein letzter Pfeil traf den letzten Soldaten. Asher wollte nach mir greifen, doch ich nutzte den Moment und rannte mit roher Gewalt zu der Stahltür und brach sie auf. >>Scheiße, was?<< fluchte Seth, während Ashers Lachen den Gang füllte. >>Sie werden mehr sein. Vermutlich sind sie hier, um zu zerstören oder mitzunehmen. Also lasst uns beeilen.<< überging ich Ashers Gelächter.
Ich konnte mich nur noch auf die Eindrücke in dem riesigen Raum konzentrieren und spürte nebenbei, wie das Adrenalin meinen Körper verlies und meine Wahrnehmung zu schwinden begann. >>Wenn wir hier nichts finden, dann gibt es nichts.<< stellte Asher fest. Ich konnte ihm nur recht geben. >>Das alles zu durchsuchen könnte uns Stunden, wenn nicht Tage kosten. Zeit, die wir nicht haben.<< erwiderte ich nur darauf, aber Seth nahm uns unsere Befürchtung und setzte sich an eines der vielen Geräte.
>>Nicht, wenn ich mich irgendwie ins System einlogge.<< Ich wusste nicht was er damit meinte, aber Asher schien es zu wissen und setzte sich euphorisch zu ihm. >>Wie können sie so viel Strom dafür aufbringen und das Netz? Es ist doch alles zusammengebrochen.<<Seth schüttelte angestrengt den Kopf. >>Genau das ist ja das merkwürdige. Sie besitzen alles. Waffen, Strom, Essen, Mittel zu Forschungszwecken. Sie haben keine Angst, nicht einmal vor euch. Irgendwas ist da Faul an dem Ganzen.<<
Ashers skeptischer Blick traf den meinen und bestätigte, wie ich mich fühlte. Was, wenn da viel mehr dahinter steckte. Mehr, als dass wir damit zurechtkommen könnten? Er zog mich bestimmend mit sich, bewusst von dem Gang mit den Toten fort und in eine Ecke, wo Seth uns nicht mehr sehen konnte. >>Geht es dir gut?<< fragte er, woraufhin ich kurz inne hielt. Ich nickte nur, weil es mir tatsächlich soweit gut ging. Auch wenn die Erkenntnis, was ich getan hatte, langsam zu mir durchdrang.
>>Du hast unsere Hilfe nicht gebraucht Aelia. Du hättest gegen die doppelte Menge von ihnen antreten können und noch immer keine Hilfe gebraucht. Das ist unglaublich.<< Zum ersten mal konnte ich darüber lachen. >>Scheint wohl, als müsste ich jetzt dich beschützen.<<
Asher beugte sich nur zu mir runter und gab mir einen Kuss auf meine Stirn, bevor er die Lose Strähne meines Pferdeschwanzes hinter mein Ohr klemmte. >>Dann lass uns anfangen.<< hauchte er sanft, ehe er mir einen Klaps auf den Po gab und sich dann an die Dokumente richtete.
Mein Blick aber schweifte zu der offenen Tür. Dort wo die Soldaten tot lagen und ohne es verhindern zu können fragte ich mich, ob es normal war, dass ich nichts dabei empfand. Ich fragte mich, ob der Schock zu tief saß oder die Gleichgültigkeit zu stark war. Dieser Gedanke beschäftigte mich noch eine ganze Weile, während wir drei versuchten so schnell wie möglich alles durchzugehen. Solange, bis Seth uns nach fast einer Stunde zu sich rief und auf den Bildschirm zeigte. Ich las die vielen Zeilen und fühlte mit jedem weiteren Satz, wie die Wut in mir stieg. Mir wurde bewusst, dass das was ich glaubte, nicht annähernd so schlimm war als das, was ich nun las.
Die Welt war ein viel schlimmerer Ort. Diese Welt war eine Hölle erschaffen von den Menschen und wir. Wir waren jene gefangen in der endlos sengenden Hitze.
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