Kapitel 14
Die Therapiestunde in Anwesenheit von Jason Dokahol fühlte sich viel länger als nur 60 Minuten an.
Tessa hatte das Gefühl, die Minuten würden sich wie Stunden ziehen.
Sie hatte das Gefühl, der Minutenzeiger der Uhr würde sich extra langsam fort bewegen.
Sie ertrug das schmatzende Geräusch, das Jason von sich gab, wenn er seine Lippen mit Spucke bedeckte bevor er antwortete nicht.
Je öfter er dieses Schmatzen von sich gab, desto lauter und unangenehmer erschien es ihr.
Sie konnte seinen Blick kaum aushalten, mit dem er über ihren Körper und die oberen Knöpfe ihrer Bluse huschte.
Es fühlte sich wie eine Beleidigung an, wenn er zittrig Luft holte und seine Unterlippe zwischen seine Zähne zog, nachdem er sie mit Blicken gedanklich ausgezogen haben musste.
Es war schwer sich auf die Psyche eines Menschen zu konzentrieren, während in seinem Kopf Szenarien abzugingen schienen, die Tessa sich nicht vorstellen wollte.
Seine Antworten waren dauerhaft vage, nicht deutlich und ließen viel zu viel Spielraum für Spekulationen offen.
Sie hatte nicht das Gefühl, dass er ihr antworten wollte. Dass er sich überhaupt mit seiner Psyche und seiner Vergangenheit auseinandersetzen wollte.
Er wich ihr immer wieder mit Antworten aus, wenn sie versuchte das Gespräch zu intensivieren.
Sobald sie versuchte in die Tiefe zu gehen, ihn besser zu verstehen und etwas über seine Beweggründe für grausame Taten zu erfahren schien sich das Gespräch zu verlaufen.
Es war frustrierend. Wie als würde er sich mit ihrem Anblick von dem eigentlichen Thema des Gespräches bewusst ablenken lassen.
Als sie die Sitzung nach einer Stunde endlich beenden konnte, fühlte sie sich, als wäre sie von einem Bis mehrfach überrollt worden.
Sie hatte Kopfschmerzen von den vergeblichen Versuchen in ein tiefenpsychologisches Gespräch zu finden.
Ihr war schlecht von dem Geruch der sich erneut in ihrem Zimmer ausgebreitet hatte.
Und sie fühlte sich durch seine Blicke wie ein Objekt. Wie eine Ware im Supermarkt, bei dem man überlegte ob es sich lohnen würde es zu kaufen. Wie ein Stück Fleisch, dass man einfach benutzen wollte für den eigenen Genuss.
Am liebsten hätte sie darauf verzichtet aufzustehen um die Tür für ihn zu öffnen, weil sie schon vorher wusste, wie seine Augen über ihren Körper wandern würde.
Weil sie wusste, wie sein Blick an ihrem Dekolleté hängen bleiben würde und er erneut auf seiner Lippe herumbeissen würde.
Sie wusste, als sie vor ihm zur Tür ging, dass er ihren Hintern, der von einem Bleistiftrock verdeckt wurde angaffen würde.
Dass er sich an ihrem Anblick aufgeilte und sie nichts dagegen tun konnte, außer dem Moment entgegenzufiebern und dem er endlich ihr Büro verlassen würde.
In dem sie endlich die Tür hinter ihm schließen konnte um erneut Raumspray im Zimmer zu verteilen und einen neuen Stuhl aus dem Abstellzimmer zu besorgen.
„Bis Bald Frau Olden." , sein Lächeln war lüsternd und seine Augen sahen sie so begierig an, dass Tessa vor Übelkeit nichts sagen konnte. Sie brachte lediglich ein verlogen freundliches Nicken zustande ehe sie die Tür hinter ihm schloss.
Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür, während sie versuchte das Gespräch professionell zu betrachten. In seinen Antworten irgendetwas zu finden mit dem sie hätte arbeiten können.
Nichts von dem, was er in der vorangegangenen Stunde gesagt hatte, hatte ihr etwas gegeben an dem sie mit ihm arbeiten konnte.
Er fühlte keine Schuld.
Davon war sie überzeugt.
Das einzige was er zu bereuen schien, war sein Schicksal. Dass er jetzt hier war und von seinen Mitinsassen Gewalt erfuhr war für ihn inakzeptabel. Nicht fair.
Er bereute es, dass seine Grausamkeiten, seine Morde, Misshandlungen und Vergewaltigungen ans Licht gekommen waren und ihm einen jahrelangen Aufenthalt im Gefängnis bescherten.
Sein Schicksal tat ihm leid und das war es was Tessa noch mehr anekelte.
Dass er nicht einsehen konnte, dass sein Schicksal absolut gerechtfertigt war.
Dass er das hier verdiente.
„Geht es dir gut, Tessa?"
Tessa freute sich in das ehrliche Lächeln von Ronald zu schauen. In ein Lächeln das nichts anzügliches oder lüsterndes hatte, sondern ehrlich freundlich war.
Sie hätte sich kein anderes Gesicht gewünscht, als sie in die kalte Luft des Innenhofs trat.
Der Himmel war grau und die dünnen Fäden des Nieselregens würden binnen Minuten Tessas Klamotten durchnässten, aber das war ihr egal.
Sie musste nach der Sitzung mit Jason Dokahol an die frische Luft. Sie musste die kalte, herbstliche Luft einatmen und ihre Lunge mit ihr füllen bevor sie erneut ihr Büro betreten würde.
„Er ist ein so bedrohlicher Mensch." , Tessas Stimme klang belegt. Als würde sie immer noch den Kloß in ihrem Hals haben, den sie die ganze vorherige Stunde vergeblich versucht hatte wegzuschlucken.
Ronald nickte als sie das sagte. Er schien nachempfinden zu können, wie sie sich fühlte. Er schien sie verstehen zu können, obwohl Tessa sich nicht vorstellen konnte, dass der gutmütige Mann sich gleichermaßen eingeschüchtert fühlen würde, wenn er in Anwesenheit von Jason Dokahol war.
„Ich habe selten einen Häftling gesehen, der so wenig Reue besitzt." , Ronalds Stimme war ruhig und er sah Tessa fast mitleidig an.
„Ja, genau. Das macht es so schwer mit ihm zu arbeiten. Ich habe nicht den Eindruck, dass ihm irgendwas mehr leid tut, als sein Gefängnisaufenthalt." , sie wusste, dass sie nicht über ihre Patienten mit ihm sprechen durfte, aber es tat gut sich jemanden mitteilen zu können, der sie zu verstehen schien.
„Fühlst du dich durch ihn bedroht?" , Ronald hielt ihr seine geöffnete Zigarettenschachtel hin und Tessa nahm sich ohne zu Zögern eine der Zigaretten heraus.
„Er tut nichts bedrohliches." , sie ließ sich ihre Zigarette anstecken und nahm einen ersten tiefen Zug. Füllte ihre Lungen mit dreckigem Rauch der ihre Lungen verkleben würde, aber in diesem Moment genoss sie nichts mehr, als das Brennen des Qualms in ihrer Brust.
„Das ist gut."
Ronalds Blick huschte zum Innenhof der Insassen auf dem gerade eine Gruppe von Häftlingen ankam.
Als Tessa ihren Blick zu der Gruppe junger Männer wandern ließ dauerte es weniger als eine Sekunde, dass sie Alexander in ihr ausmachte.
Sie alle trugen die selbe Jacke. Ein schwarzes Modell das jeder Häftling für die kälteren Monate vom Gefängnis bekam.
Er hatte seine Hände in den Jackentaschen vergraben. Sein Blick war auf den grauen Kies vor seinen Füßen gerichtet und er unterhielt sich mit einem sehr jung wirkenden Mann mit schwarzem Haar.
Er sah nachdenklich aus, während er sich unterhielt.
Als hätten die beiden ein ernstes Thema über das sie sprachen.
Tessa wusste, dass sie ihn zu lange anschaute.
Sie wusste, dass es komisch war, dass sie jede seiner Bewegungen beobachtete und sich nichts mehr wünschte, als dass er ihren Blick erwiderte.
Sie wusste, dass sie weggucken sollte, aber sie fühlte sich dazu nicht in der Lage.
Als Ronald sich bei ihr verabschiedete und im Gebäude verschwand schenkte sie ihm ein schnelles Lächeln.
Sie stand inzwischen unter dem Plastikdach das sie vor dem Regen schützte und beobachtete weiter Alexander, der sich in diesem Moment seine Jacke auszog und sie einem anderen Häftling in die Hand drückte.
Ihr stockte der Atem, als er auch seinen Pulli über seinen Kopf zog und mit einem anderen Insassen zu den Klimmzugstangen ging.
Es war das erste Mal, dass sie Alexander ohne ein Shirt sah und sie musste sich zusammenreißen um sich nicht ihren Fantasien hinzugeben.
Sie konnte sehen, wie sich seine Muskeln unter seiner tattoowierten Haut bewegten, als er sich an der Metallstange hochzog.
Sie beobachtete wie sich die Muskulatur in seinen Armen anspannte und er sich immer wieder hochzog.
Sie wünschte sie würde näher bei ihm stehen, um zu sehen, wie seine Hände sich fest an der Stange hielten und seine Finger vor Anstrengung weiß wurden.
Sie wünschte sie könnte den Schweiß auf seinem komplett tattoowierten Rücken glitzern sehen und das keuchen der Anstrengung von Alexander hören.
Tessa nahm den letzten Zug der Zigarette der besonders stark in ihren Lungen brannte und musste sich von Alexanders Anblick losreißen, bevor sie durch den Innenhof zum Eingang der Gefängnismauern rannte.
Ihre Bluse klebte inzwischen an ihrer Haut und sie ärgerte sich, dass sie ihren Mantel an der Garderobe hat hängen lassen.
Sie wollte möglichst schnell raus kommen, nachdem sie den Stuhl ausgetauscht hatte und hatte den Mantel einfach hängen lassen.
Sie beeilte sich zu ihrem Büro zu kommen. Mit großer Sicherheit konnte man ihren BH durch den nassen Stoff der hellen Bluse erkennen. Sie wollte nicht, dass sie so gesehen wurde.
Ihr waren die Kommentare die sie sich jeden Morgen auf dem Weg zu ihrem Büro anhörte schon unangenehm. Die würden nur schlimmer werden, wenn sie mit durchnässten, blickdurchlässigen Klamotten durch die Gänge schlenderte.
Kurz nachdem sie die Tür ihres Büros hinter sich geschlossen hatte und den ersten Kaffee in ihre Tasse goss, klopfte es drei Mal gegen ihre Tür.
Augenblicklich huschte ihr Blick zu der Uhr.
13:00.
Alexander hatte seinen Termin erst um 15 Uhr, aber sie erkannte sein Klopfen sofort.
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