Kapitel 12
Tessa verließ die Gefängnismauern früher als die Tage zuvor.
Ihre Knie waren immer noch wackelig und als sie das Lenkrad ihres Autos umgriff, hatte sie den Eindruck, dass auch ihre Hände leicht zitterten.
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und drückte sie in ihre Augenhöhlen. Oft half ihr diese unscheinbare Methode um sich wieder zu fokussieren. Sich wieder auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren.
Aber es half ihr in diesem Moment nicht.
Mit quietschenden Reifen fuhr sie vom Parkplatz über die nassen Straßen nach Hause.
Der Oktober hatte begonnen und mit ihm schien es nur noch zu regnen. Sie wusste nicht, wann die Straßen das letzte Mal mehrere Tage in Folge nass gewesen waren.
Die bunten Blätter an den Bäumen fanden inzwischen den Weg auf die Gehwege und Straßen und es wurde schon gegen 17 Uhr so dunkel, wie es vor ein paar Monaten erst mitten in der Nacht gewesen war.
Das regnerische, trübe Wasser passte zu Tessas Stimmung.
Sie konnte nicht leugnen, dass sie die Küsse von Alexander mehr als nur genossen hatte.
Er hatte ihren Körper durch seine Berührungen in Flammen gesetzt.
Tessa würde lügen, wenn sie behaupten würde sie hatte sich schon einmal mit einem Mann so gefühlt.
Jeder seiner Küsse ließ Tessa mehr wollen.
Jede seiner Berührungen ließ Tessa mehr die Kontrolle über sich selber verlieren.
Und dennoch hatte sie ihn ohne ein weiteres Wort aus ihrem Büro verschwinden lassen.
Sie konnte sich nicht vorstellen Jason Dokahol ihren einzigen momentanen Patienten zu nennen.
Alexander war ihr heutiger Lichtblick gewesen.
Sie hatte sich gefreut ihn wieder zu sehen.
Und dann hatte sie ihm gesagt, dass sie ihn nicht weiter therapieren konnte.
Dabei wollte sie nichts mehr als den gutgebauten Mann weiterhin jeden Tag sehen zu können. Mehr über ihn zu erfahren.
Ihm zu helfen. Ihn immer wieder zu küssen.
Sie wünschte sich nichts mehr, als noch mehr heiße, hektische Berührungen zu teilen.
Sie wollte ihn so sehr ganz spüren, dass sie das Gefühl hatte innerlich zu zerreißen.
Sie wusste wie falsch ihre Gedanken waren, aber seitdem er das Büro verlassen hatte kamen ihr viel zu oft Gedanken, wie er sie über ihren Schreibtisch beugte.
Jedesmal wenn sie daran dachte, löste sich der Gedanke wieder in Luft auf und wurde von einem nagenden schlechten Gefühl abgelöst.
Sie musste sich bei ihm entschuldigen, wenn sie ihn weiterhin als Patienten haben wollte.
Tessa fühlte sich das erste Mal wohl als sie ihre Wohnung betrat, seitdem Sebastian nicht mehr da war.
Sie hatte sich fest vorgenommen den Abend so schön wie möglich zu gestalten. Die restlichen Sushi zu essen und zu versuchen an etwas anderes als die Vorkommnissen des Tages zu denken.
Sie wollte sich irgendwie ablenken, damit nicht immer wieder Alexander in ihrem Kopf auftauchte.
Eigentlich musste sie noch ihre Sitzung protokollieren, aber sie hatte keine Idee was sie schreiben sollte.
„Wir haben rumgeknutscht und ich habe ihm gesagt, dass ich ihn deswegen nicht mehr als Patienten haben kann."
Sie wäre sofort ihren Job los. Dabei hatte sie sich seit Monaten auf diesen Neustart gefreut.
Sie würde heute keinen Gedanken mehr an das Protokoll verschwenden, das hatte sich Tessa schon vorgenommen, als sie auf dem Weg zu ihrem Auto war.
Sie würde nicht mehr dran denken, wie erregt sie durch Alexanders Berührungen war und wie gerne sie wieder von ihm berührt werden würde.
Sie würde ihren Kopf für diesen Abend ausschalten und sich nur auf sich konzentrieren.
Tessa zwang sich die Sushis runter.
Sie hatte keinen Appetit, aber sie hatte sich fest vorgenommen sie zu essen.
Später versuchte sie viel zu lange sich auf irgendeine dumme Datingshow im Fernsehen zu konzentrieren, aber auch das wollte nicht klappen.
Immer wieder musste sie an Alexander denken und jedesmal war sie genervter von sich selber, dass sie so kläglich versagte.
Immer wieder sah sie Alexander vor sich, spürte seine Haut unter ihren Fingern und das flattern in ihrem Bauch, das sie bekam wenn er sie ansah.
Tessas Gedanken drehten sich im Kreis und endeten jedes Mal aufs Neue bei Alexander.
Als sie sich dazu entschied einfach ins Bett zu gehen, ihr Schlafzimmer komplett abzudunkeln und sich zwang einzuschlafen.
Selbst ihre Träume waren unruhig und fühlten sich verwirrend an.
Selbst im Schlaf, sah sie Alexander der immer näher auf sie zu kam um sie zu sich zu ziehen und sie erneut zu küssen.
Sie fühlte sich warm und geborgen in seinen Armen während sie in dem Kuss zu versinken schien.
Bis sie irgendwann rückwärts fiel.
Auf harten Stein aufprallte und selber in einer kleinen, dunklen Gefängniszelle saß.
Es gab keine Tür und kein Fenster, sie hatte keine Möglichkeit die Zelle selbstständig wieder zu verlassen.
Dann tauchte Alexander in der Tür auf und zerriss ihr Diplom vor ihren Augen in viele kleine Papierfetzen die wie Schneeflocken auf den Boden segelten.
Tessa liefen die Tränen über das Gesicht, während Alexander sie schallend auslachte.
Bevor sich Tessa am nächsten Morgen auf den Weg zur Arbeit machen konnte suchte sie viel zu lange nach einem Raumspray.
Letztendlich fand sie es im Waschmaschinen Unterschrank in den sie nur aus purer Verzweiflung geschaut hatte.
Ihr war bewusst gewesen, dass sie irgendwo in der Wohnung noch Raumduft haben müsste, aber sie hätte Benjamin zugetraut selbst das mitgenommen zu haben.
Sie konnte nicht leugnen wie sehr sie hoffte, dass das Spray den Geruch von Jason Dokahol nach ihrer Sitzung neutralisieren würde.
Alleine der Gedanke an den beißenden Gestank ließ Tessa übel werden.
Sie hatte keine Ahnung, wie sie es am Tag zuvor schaffen konnte eine Stunde mit dem Mann in einem kleinen Zimmer, ohne Fenster, zu verbringen.
Sie war ehrlich beeindruckt von sich selber.
Sie hatte den Gestank während der Arbeit einfach ausblenden können.
An diesem Morgen überhörte Tessa das Gegröle der Insassen gekonnt, während sie eine große Strelitzia Nicolai in einem weißen Tontopf den Gang zum Fahrstuhl entlanghiefte.
Die Pflanze war schwerer als Tessa es gedacht hätte und sie war erstaunt gewesen, dass sie die fast 1,30 große Pflanze in ihren Twingo quetschen konnte.
Sie hatte sich immer mütterlich um jede ihrer Pflanzen gekümmert und es war irgendwie komisch eine der Pflanzen aus ihrem Zuhause zu reissen, aber sie wusste, dass sie sich mit etwas mehr Grün in ihrem Büro deutlich wohler fühlen würde.
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