In seinen Armen
Ann
Drake behielt mich auf seinen Armen und ich hatte genügend Zeit mein dummes Herz dazu zu bringen, langsamer zu schlagen, während der Fahrstuhl uns bis nach ganz oben fuhr, wo man nur hingelangte, wenn man einen Code eingab.
Ein privates Penthouse - wie hätte ich auch glauben können, dass Drake irgendwie einfacher lebte? Antwort: Hatte ich nicht. Ich wusste wie der gut verdienende Teil der Mafia neigte zu hausieren, denn ich hatte davon profitiert und ebenfalls so gelebt. Ich mochte in einem Käfig aufgewachsen sein, aber es war ein goldener Käfig und ich wusste, dass sich das definitiv schnell ändern könnte.
Ich hatte am Rande im Haus Russo immer wieder Geschichten über gescheiterte Familien gehört. Die meisten wurden ermordet, wenn sie untergingen, aber einige verschonten die Frauen und Mädchen in den Familien, um sie einem schlimmeren Schicksal zu überlassen. Nicht wenige Mafia-Familien verdienten ihr Geld mit Zwangsprostitution und als Menschenhändler und wenn man dieses System unterstützte, lief man immer selbst Gefahr darin zu landen. Besonders als Frau, auch wenn ich genug Geschichten gehört hatte, dass es nicht selten auch Männer traf. Man musste eben immer die Vorlieben der Kunden bedienen.
Es war furchtbar. Ich hatte Glück und das war mir immer bewusst gewesen. Ich war zwar gedemütigt worden, aber es hatte mich nie einer angefasst.
Als die Fahrstuhltür wieder aufglitt, stand ich plötzlich in einem hübschen Wohnzimmer, das über und über mit Bücherregalen vollgestopft war. Sie waren überall. An den Wänden, über den Türen, auf den kleinen Tischen, auf einer Couch, unter der Couch und auch der Tisch vor dieser riesigen Sofalandschaft war damit zugestellt. Mir klappte der Mund auf und ich fühlte mich plötzlich wie Belle aus 'Die Schöne und das Biest', denn ich habe Drake nie für einen Leser gehalten. Ich hatte ihn nie mit einem Buch in der Hand gesehen, oder auch nur mit einer Zeitschrift. Doch das hier ein richtiges Leseparadies.
Ich bemerkte nur am Rande, wie Drake mich in einer kleinen Küchenecke abstellte, die Fliesen unter meinen Sohlen waren warm und ich streckte den Hals zurück in Richtung des Wohnzimmers, um einen Blick auf die Bücherregale zu werfen. Ich wollte unbedingt wissen, was für Bücher ein Mann wie Drake las.
"Beweg dich nicht!", befahl dieser direkt, ging zur Spüle und drehte den Wasserhahn auf, was ich kaum mitbekam, denn ich streckte immer noch den Hals über die Kücheninsel hinweg. Selbst als ich einen Schritt machte, war mir der Schmerz fast egal...
"Wag es ja nicht, meinen Teppich mit deinem Blut zu besudeln!", fauchte er als ich noch einen Schritt gemach hatte und seine Hand schloss sich wie Eisen um meinen Arm. Erst jetzt erwachte ich aus meiner Faszination. Bis mir noch etwas auffiel.
Erstens, dieser Raum besaß keine Fensterfront, obwohl man von ihr oben doch eigentlich einen wunderschönen Ausblick haben sollte und Drake war unordentlich.
Über eine Sofalehne lagen zwei Hemden, ein Glas stand auf einen Untersetzer, der wiederum auf einen Bücherstapel lag und überall waren Kissen verstreut, als hätte er sich mit einem guten Buch unter Decken vergraben und nicht einmal daran, gedacht aufzuräumen, als er sich genau aus diesem hervor gekämpft hatte.
Ich runzelte die Stirn und fragte mich, was das über ihn aussagte.
Doch ich kam nicht dazu, meine Theorie weiterzuspinnen, denn er drückte mich auf einen Barhocker, der vor einer Küchenfront stand und warf mir den nassen Lappen in den Schoß.
"Mach deine Füße sauber, ich hole dir Verbandszeug. Wenn du meine Wohnungvollblutest wirst du, solange auf Händen und Knien schrubben bis alles weg ist!", meinte er und war dann so schnell verschwunden, dass ich nicht mal blinzeln konnte.
Für eine Sekunde war ich so verwirrt, dass ich den feuchten Lappen einfach liegen ließ und mein Kopf hatte Mühe zu verstehen, dass er eben nicht wie ein Romanheld selbst in die Knie gegangen war, um meine Wunden zu versorgen.
Ein weiteres Stück meiner Vorstellung brach in sich zusammen. Als wäre meine Vorstellung über Drake am Rand einer Klippe erbaut worden und nach und nach brach das stabil geglaubte Fundament und wurde von den Flute verschlungen. Mist.
Ich machte mich daran, meine Füße zu säubern. Nicht nur von dem Blut, sondern auch von der Erde und dem Gras und allem anderen, womit sie in der letzten Stunde in Berührung gekommen waren. Weil ich wusste, dass er meinte, was er sagte, bemühte ich mich, nicht auf den Küchenboden zu bluten.
Ich hatte heute bereits vor ihm gekniet und ich war nicht scharf auf eine Wiederholung. Zudem machte sich jetzt langsam meine Müdigkeit richtig bemerkbar und der Stress der Nacht löste sich, indem sich meine Augen mit Tränen füllten.
Ich wäre fast gestorben. Drake hätte mich einfach umgebracht und nun hatte er mich mitgenommen, weil ich Idiotin gemeint hatte, er solle mich behalten. Doch das hier war kein verficktes Märchen, es war ein Horrorfilm und ich war das dumme Opfer, dass sich selbst in diese Lage gebracht hatte. Doch was hätte ich auch tun sollen? Ich wollte leben.
Ich schniefte die Tränen davon und besah mir meine Fußsohle genauer. Die Wunde schien sauber und war nicht tief, blutete aber dennoch immer noch und ich versuchte auszumachen, ob noch ein Glasstück darin steckte, aber es fühlte sich gut an. Mein anderer Fuß schien unverletzt.
Neben mir donnerte es und ich zuckte so heftig zusammen, dass ich den Lappen fallen ließ. Drake hatte einen Erntehilfekasten neben mir auf den Tisch fallen lassen ... oder sollte ich besser sagen: den Erstehilfe-Koffer, denn das war es. Ein riesiger Koffer der klappernd seine Schlösser öffnete und dann ein wahren Sammelsurium an Utensilien zustande brachte.
Er griff nach einer Spraydose zum Desinfizieren und stellte sie zur Seite, dann ein Mullartiges Pflaster und einen dünnen Verband.
"Du kannst das alleine?", fragte er und ich nickte einfach.
"Du hast zehn Minuten. Ich will von dir nichts mehr sehen, wenn die anderen hier sind!", meinte er und zog dann sein Telefon aus der Tasche, um auf den Bildschirm zu starren. Ich wagte es nicht ihn anzusehen, das Risiko, dass er meine Tränen sah, war zu groß und vielleicht entdeckte er zwischen all der Angst ja sogar noch die Enttäuschung in mir, denn Drake war nicht das, was ich glaubte, dass er war. Und seine ablehnende Art schmerzte so sehr, dass es meinen Magen verkrampfen ließ.
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