Drake
Kapitel 5
Drake
Ich rollte mir die Aufschläge meines Hemdes weiter die Arme herauf, während Denis Devalvo vor mir auf dem Asphalt hockte und vor sich hin wimmerte. In der Pfütze seines eigenen Urins und der beißende Ammoniakgeruch brannte sich in meine Nase.
Ich verstand wenig von dem, was er sagte und es kümmerte mich auch nicht. Wir beide wussten, dass er diese abgelegene Hütte in den Sümpfen nicht mehr lebend verlassen würde. Egal ob er mir die Informationen, die ich brauchte, gab oder nicht. Dennoch lauschte ich immer wieder angestrengt, ob er eventuell irgendwelche Namen nannte.
"Wirklich und dafür musste ich eine heiße Blondine sausen lassen? Ist das dein ernst, D?", fragte Maik als er es auch endlich schaffte zu erscheinen, wie ich es schon vor zwanzig Minuten von ihm gefordert hatte.
"Du bist spät", erwiderte ich lediglich, ohne ihn anzusehen, holte aus und ließ meine Faust in das Gesicht von Denis krachen.
Das befriedigende Knacken seiner Gesichtsknochen durchfuhr mich wie ein kühler, angenehmer Schauer, den ich in der heißen, schwülen Luft jetzt gut gebrauchen konnte.
Neel, der hinter Denis stand, zuckte zusammen und ich versuchte nicht daran zu denken, wie ungeeignet mein Bruder für den Job als Aufpasser war.
Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, Denis zu fesseln und so war Neels Anwesenheit hier eigentlich eine Sicherheitsleine für mich, falls mein Gefangener doch meinte den Helden spielen zu müssen, doch Neel würde mir im Zweifel kaum nützlich sein.
Mein kleiner Bruder war kein Mann der Gewalt.
Anders als ich.
"Tut mir leid, aber die Kleine hatte ein paar Brüste ... das hättest du sehen sollen und..."
"Maik", unterbrach ich ihn wütend und er wurde sofort still.
Ich hasste Unzuverlässigkeit und ließ ihn damit nur durchkommen, weil er einer der wenigen Männer in der Organisation war, denen ich uneingeschränkt vertrauen konnte.
Viele von den aktuellen Entscheidungsträgern sahen meine baldige Machtübernahme bereits mit Sorgen entgegen und ich brauchte jede Unterstützung, die ich bekommen konnte. Denn ihre Sorgen waren berechtigt. Vollkommen.
Sobald mein Vater unter Erde lag, würde ich den Dreck aus den alten, verstaubten Geschäftsabläufen fegen und wenn sich irgendwer weigerte mitzumachen, weil er um seinen Anteil fürchtete, würde ich das auch mit Gewalt durchsetzen. Ich hatte dahingehend keine Skrupel.
Als Maik sich anstelle von Neel hinter Denis stellte, verschwand mein kleiner Bruder so schnell wie ihn sein rebellierender Magen laufen ließ. Er konnte kein Blut sehen.
"Scheiße. Er wird notfalls keine Hilfe sein, oder?", fragte Maik und zog Denis wieder auf die Knie, weil er unter dem Geheule nicht mal den Versuch unternahm, sich selbst wieder nach meinem Schlag aufzurappeln. Dabei war ich noch nicht fertig mit ihm.
"Er hat andere Stärken", meinte ich und Maik verbiss sich eine Antwort darauf. Er wusste, dass es gefährlich war, meinen Bruder in meiner Gegenwart zu kritisieren.
Selbst an Julien, meinen Halbbruder, ließ ich in der Regel nichts kommen. Ob er es verdient hatte oder nicht.
Solange mein Vater lebte, würde ich den braven Erben spielen und meine Stiefmutter Letitia und deren Bastard respektieren. Es war die Entscheidung meines Vaters gewesen, Julien als seinen Sohn anzuerkennen und die Frau zu heiraten, die ihm diesen Bengel untergeschoben hatte. Das respektierte ich.
Dabei wusste jeder, dass Julien nicht von ihm sein konnte. Mein Vater hatte zwar einen Seitensprung mit Letitia gehabt, aber er war nicht so dumm gewesen nicht zu verhühten. Das hatte er zumindest meiner Mutter geschworen, als er ihr diesen einmaligen Ausrutscher gestanden hatte und sie daraufhin ausgerastet war.
Mein Vater hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um diesen Fehler wiedergutzumachen, doch es war vergeblich gewesen. Bis zu ihrem Tod hatte sie ihm nie wieder vertraut und ich war mir sicher, dass sie sich im Grab herumdrehen würde, wenn sie wüsste, dass er Letitia geheiratet hatte.
Hätte meine Mutter noch gelebt, als Letitia mit Julien ankam, hätte mein Vater sicher auf einen Vaterschaftstest bestanden und dieses Miststück zum Teufel gejagt. Doch sie hatte sich an ihn herangemacht als er am schwächsten gewesen war. Kurz nach der Ermordung unserer Mutter, an der er fast zerbrochen war. Das war keine bösartige Unterstellung meinerseits.
Letitia machte ja kaum ein Geheimnis aus ihren Motiven. Sie hatte reich heiraten wollen und hatte allen möglichen Typen dieses Kind anhängen wollen. In meiner Welt waren untreue Ehemänner und Frauen nichts Besonderes. Dass meine Eltern sich dennoch zugeneigt gewesen waren, war nicht zu leugnen. Ihre Ehe war nicht perfekt, aber näher daran als andere.
Wenn ich mir nur Maiks Eltern ansah, wurde mir das immer wieder und wieder bewusst. Ich war mir sicher, dass diese sich irgendwann gegenseitig umbringen würden. Das war das Problem mit vorgegebenen Ehen: Sie waren ein Geschäft, ein Gefängnis, ohne entkommen, für beide Seiten. Meine Eltern waren die Ausnahme, nicht die Regel. Auch damit würde ich Schluss machen.
"Hm, mit Castilla herumhuren zum Beispiel", meinte Maik und bei der Erwähnung von Castilla wurde meine Laune noch schlechter. Man konnte viel von der organisierten Kriminalität in Florida behaupten, aber wir waren nicht sexistisch. Frauen nahmen wenig Anteil an den aktiven Geschäften, aber es war dennoch möglich. Castilla war sehr aktiv und wo mein Bruder kein Blut sehen konnte, sah sie es viel zu gerne. Das war der Grund warum sie zu meinen Leuten gehörte, änderte aber nichts darin, dass sie ein Miststück war, die meinen Bruder verarschte.
Sie machte Schluss, stieß ihn weg, nahm sich einen anderen und dann kam sie zurück zu Neel. So ging das schon seit Jahren. Und mein Bruder nahm sie zurück, weil er sie verfickt nochmal liebte. Immer und immer wieder. Am liebsten würde ich ihm einen Eispickel ins Hirn jagen, damit er sie endlich vergaß, doch stattdessen konnte ich nur daneben stehen und dabei zusehen, wie er sich zum Trottel machte. Er nannte es vielleicht Liebe, aber das war nur eine Umschreibung dafür den Verstand zu verlieren. Mir würde so etwas niemals passieren!
"Wie weit ist sie mit Ludwig?", fragte ich und verpasste Denis noch einen Schlag ins Gesicht. Abgesehen von dem Geheule hatte er noch nicht von sich gegeben, was ich wissen wollte. Er wusste genau, was ich wollte: Namen.
Ich wollte die Namen der Leute, die sich jetzt schon gegen mich verschworen hatten, um nach dem Tod meines Vaters den Kuchen unter sich aufzuteilen. Und ich wusste, dass sie das taten. Ich hatte die Pläne gesehen.
Neel hatte sie beschafft, doch leider waren die alten Säcke zumindest so weit im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen, dass sie die Mails anonym verfasst hatten, ohne durchblicken zu lassen, von wem sie kamen.
Ich hatte sechs Monate mitgelesen und darauf gewartet, bis sich einer von ihnen irgendwo verquatschte. Denis und Ludwig hatten das getan und nun waren sie fällig. Doch ich musste auch den Rest bekommen, möglichst bevor mein Vater einen Abgang machte.
Momentan war er mit Letitia und Julien bei einem Spezialisten in New York. Er brauchte einen Herzschrittmacher und wenn er die Scheiße nicht überlebte, brauchte ich einen sauberen Kreis von Leuten, auf denen ich meine eigenen Geschäfte aufbaute und mich und meine Familie schützen konnte.
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