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7. Kapitel: Sarah


Donnerstag, 30. Juli

Eigentlich war ich unter dem Vorwand hergekommen, dass Kaden und ich surfen gehen würden. Zumindest war es die Version, die ich meinem Onkel auf einem hastig bekritzelten Zettel hinterlassen hatte. Naja, Kaden hatte immerhin sein Surfbrett dabei, aber in erster Linie waren wir nicht zum Surfen hier. 

„Also, was machen wir hier?", fragte ich schließlich Kaden, als ich sein Schweigen einfach nicht mehr aushalten konnte.

Er hatte mich mit seinem Bike abgeholt und seit ich da sein Gesicht gesehen hatte, war mir definitiv klar gewesen, dass ihn und Nate etwas viel Tieferes verband, als ich es angenommen hatte. Ich hatte den Hass und gleichermaßen auch die Angst in den Augen des hawaiianischen Junges gesehen. Aber wieso? Wir hatten auf der Fahrt hierher kaum gesprochen und selbst die Tatsache, dass ich meine Arme erneut fest um ihn schlingen durfte, hatte dieses mulmige Gefühl tief in der Magengrube nicht verschwinden lassen. Ich musste es einfach wissen.
Kaden seufzte und lehnte sich nun zurück an den Stamm der Palme, an welcher auch sein riesiges Surfbrett ruhte.

„Es gibt da einiges, was du wissen solltest, Sarah. Ich weiß nur nicht so genau, wo ich anfangen soll. Ich will dir auch keine Angst machen, es ist nur eine Geschichte, eine Legende, die mir mein Großvater immer erzählte, als ich noch etwas jünger war. Er ist der Dorfälteste, weißt du? Mein Dorf liegt etwas außerhalb von Kona", begann er, doch er wagte es nicht mich anzusehen.

„Du machst mir keine Angst. Ich will herausfinden, was los ist", berichtete ich und merkte endlich, dass er seinen Kopf gehoben hatte und mich nun stirnrunzelnd ansah. 

„Es gibt in unserer Ahnengeschichte eine Göttin des Schicksals und des Gleichgewichts namens Nauk. Sie ist eine noch ziemlich junge Göttin im Vergleich zu allen anderen in unserer Mythologie und bei weitem die grausamste. Sie und ihre Diener bemühen sich angeblich darum, eine gewisse Balance zu halten, doch in Wirklichkeit gab es bereits einen Gott, der dafür die Verantwortung trug. Nauk verriet diesen und tötete ihn, um selbst die Macht über diesen Teil des Lebens zu erlangen, da ihr Vorgänger in ihren Augen nicht hart genug durchgriff. Mein Großvater sagte mir immer, dass Nauk keine sehr angesehene Göttin ist. Die meisten bevorzugen die friedlichere Art ihres Vorgängers", erklärte er mir und ließ mich keine Sekunde mehr aus den Augen. Immer wieder sah er mich abschätzend von oben bis unten an, wohl um herauszufinden, ob ich ihn gleich für verrückt erklären würde oder nicht.

„Nauk sagtest du?", fragte ich nach, um das doch ziemlich abstrus klingende Gespräch langsam in die Gänge zu bekommen.

„Ja, sagt dir der Name etwa was?", wollte er sofort wissen und sah mich neugierig und gleichzeitig auch etwas besorgt an.

„Naja, nicht wirklich. Mein Onkel hat diesen Namen einmal genannt, als er sich gestern hat... Hm, egal. Nicht so wichtig", unterbrach ich mich schleunigst selbst, doch Kadens Interesse war jetzt erst recht geweckt. „Und was hat das mit meinem Onkel zu tun?", fuhr ich schnell fort.
Kaden schwieg eine ganze Weile ohne mich anzusehen und spielte mit einem kleinen Ast in dem Sand zu seinen Füßen herum.

„Hast du schon einmal etwas von der Legende der Keeper gehört?", fragte er mich plötzlich so unvermittelt, dass er mich gnadenlos aus meiner verworrenen Gedankenwelt riss. Ich hatte keine Ahnung, wie lange er geschwiegen hatte.

„Nein, wie sollte ich auch? Ich bin nicht oft hier und kenne mich mit eurer doch sehr komplexen Ahnengeschichte nicht aus", gab ich stirnrunzelnd zurück, als mir sein stechender Blick auffiel, mit dem er mich nun anstarrte. Es schien fast so, als ob er innigst gehofft hatte, ich wüsste wovon er redete.

„Es ist zwar ein Mythos und ich glaube nicht wirklich daran, aber mein Großvater hatte schon immer darauf bestanden, dass es sie wirklich gibt. Er ist sehr alt, musst du wissen. Er kennt alle Traditionen, Geschichten und Bräuche. Es ist noch gar nicht lange her, da habe ich ihn besuchen wollen, doch als ich gerade mein Motorrad abstellen wollte, habe ich gehört, wie er sich mit jemandem stritt. Und zwar ganz gewaltig. Noch nie hatte ich ihn so erlebt. Ich habe nicht verstanden, um was es eigentlich gegangen war, aber es schien nichts Banales gewesen zu sein. Als ich sah, wie der Fremde meinem Großvater den Stützstock aus der Hand riss und ihn unsanft gegen die Fassade presste, ging ich natürlich sofort dazwischen. Ich schaffte es sogar, den Kerl von ihm zu lösen und ihn nach hinten zu schubsen, doch mehr auch nicht", berichtete Kaden und mir war noch nicht ganz klar, was er mir damit nun sagen wollte, doch dann schüttelte er nur unschlüssig den Kopf und seufzte. 

„Als ich sein Gesicht sah... Es war so... hasserfüllt gewesen und diese Augen. Ich werde nie vergessen mit was für teuflischen Augen er mich angestarrt hatte. Er wollte auf mich losgehen, doch irgendwie schaffte mein Großvater es, ihn loszuwerden und von jetzt auf gleich war er verschwunden. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, was er zu ihm gesagt hatte", fuhr er fort und griff unvermittelt nach meinen Händen, um sie fest zu drücken und meinen Blick zu heben. „Kurz nachdem der Typ weg war, redete mein Opa eindringlich auf mich ein, dass ich mich niemals mehr in die Nähe von dem Mann begeben sollte, weil er das Böse in Person ist und nur den Tod bringen kann. Er behauptete felsenfest, dass er ein Keeper wäre. Und dieser Mann, Sarah, das war dein Onkel", gestand er mir nun und versuchte offensichtlich meine Miene richtig zu deuten, doch diese veränderte sich nicht. 

Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er glaubte, mir etwas mitgeteilt zu haben, was mich in ein emotionales Loch werfen sollte, denn so deutete ich die Art, wie er sich aktuell verhielt. Doch dieser Effekt trat nicht ein. Zumindest noch nicht. Ich stutzte.

„Und was genau sind diese Keeper überhaupt?", wollte ich wissen und ich spürte, wie Kaden den Druck um meine Hände wohl unbeabsichtigt verstärkte. 

„Eigentlich heißen sie die Keepers of Fate. Zumindest in eurer Sprache. Sie sind die verdammten Diener der Nauk."

Diese Information wollte einfach nicht bis vor an mein Gehirn dringen. Ich hörte seine Worte, sah, wie sich seine Lippen bewegten, bemerkte seine Berührungen, die mir dank meiner Verwirrung kaum auffielen, doch ich verstand das, was hinter all diesen Worten stand einfach nicht. Wie sollte ich auch? Gerade vor gefühlt wenigen Momenten war ich noch im kalten Köln gewesen, mitten in Deutschland, bei meiner Mutter und Joel. Mein Leben war das eines ganz gewöhnlichen Teenagers gewesen, der sich mit alltäglichen Problemen herumzuschlagen hatte, so wie zum Beispiel sich nicht völlig im Bio Schulprojekt zu blamieren und nun sollte ich Kaden glauben, dass es Götter und verfluchte Keeper gab und mein Onkel einer davon sein sollte? Verdammt, das würde mir kein Mensch glauben, wenn ich das jemandem außerhalb von Hawaii erzählen würde. Das war einfach nur völlig verrückt!

„Hey! Geh weg von ihr, Junge", drang eine Stimme auf einmal an meine Ohren, die mich dank deren Bekanntheit sofort aus meiner Trance riss. 

Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass Kaden ebenfalls seinen Kopf in die Richtung gedreht hatte, von der die Stimme kam. Kam mir das nur so vor oder wich Kaden ein kleines Stück zurück?

Nate kam auf uns zu und anhand seines eiligen Schrittes, seiner Körperhaltung und der Art, wie er mich nun fixierte, war mir unmittelbar sonnenklar, dass er wütend war. Aber weshalb? Wegen mir oder etwa tatsächlich wegen Kaden? Was hatte er ihm aber schon getan? Mit seiner wild bunt spiegelnden Sonnenbrille wirkte er irgendwie bedrohlich und unberechenbar auf mich. So, als ob ich versuchte die Augen eines wilden Tieres zu erkennen, was mir aber nicht möglich war. Im nächsten Moment zog er diese ruckartig ab.

„Ich schwöre dir, wenn du nicht sofort verschwindest, dann reiße ich dich in Stücke. Du weißt zu was ich fähig bin, Kleiner. Du solltest mich nicht provozieren", drohte Nate, als er wenige Schritte vor unserer Palme zum Stehen kam. Seine Stimme klang nun stark verändert. 

„Nate, was soll das? Er ist ein Freund, lass ihn in Ruhe", hörte ich mich nur verwundert sagen.
Nathan hielt mitten in der Bewegung inne und starrte mich an. Er starrte mich einfach nur an. Unsere Blicke trafen sich und ich musste wirklich verdammt mit mir kämpfen, dass ich nicht auch noch vor ihm zurückwich. Seine Augen sahen so... anders aus. Sie hatten plötzlich eine Farbe angenommen, die gar nicht so leicht zu beschreiben war. Eine Mischung zwischen Bernstein und Blutrot. Was um alles auf der Welt war das denn? 

„Geh... weg von ihm. Sonst kann ich für nichts mehr garantieren", knurrte Nate plötzlich und ich spürte, wie Kaden mir Halt gebend einen Arm um die Schultern legte und nun vor mich trat.
„Ich weiche nicht vor einem von Nauks Verdammten", erklärte Kaden ruhig, aber mit fester Stimme.

Die Anspannung in der Luft um uns herum war zum Greifen und ich war mehr als erleichtert, dass wir hier etwas fernab von allen anderen Besuchern des Strandes waren. 

Grenzenloser Hass spiegelte sich in Nates Augen, doch dann schloss er diese hastig und holte tief Luft. Er nahm seine Hände und presste sie so fest er konnte an seine Schläfen. So, wie er sein Gesicht verzog, war das wohl mit heftigen Schmerzen verbunden. Sein Atem ging schwer und er begann zu zittern.

„Wenn... du nicht willst, dass diesem Jungen oder... dir etwas passiert, dann... schaut besser, dass ihr jetzt schleunigst wegkommt", presste Nate mühsam hervor und sank schlussendlich auf die Knie. Was zum Teufel passierte hier gerade? 

„Was redest du denn da? Ich bleibe hier", entgegnete ich ohne zu zögern und verstand einfach nicht, was das nun alles sollte. „Kaden, vielleicht solltest du echt besser gehen. Offensichtlich geht es Nathan nicht gut und ich muss mich um ihn kümmern", meinte ich dann an den Hawaiianer gewandt, doch dieser schüttelte umgehend energisch mit dem Kopf. 

„Ich lasse dich nicht allein mit diesem...", antwortete er abrupt, doch ich fuhr ihm dazwischen.
„Lass es gut sein, Kaden. Ich ruf dich an, in Ordnung?", bestand ich auf meiner Anweisung, doch Kaden zögerte immer noch. Er musste wirklich an diese Legenden und Mythen glauben.

„Es ist wirklich in Ordnung, Kaden. Bitte geh, ich komme schon klar", versicherte ich ihm erneut und sah ihm lange und eindringlich in die strahlenden Augen, was unter anderen Umständen bestimmt anders sowohl auf mich, als auch auf ihn gewirkt hätte, doch daran war in der aktuellen Situation definitiv nicht zu denken. 

Kaden bebte, nickt aber nachdem er lange geschwiegen und mich hin- und hergerissen gemustert hatte. Dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um und ging zu zurück zum Parkplatz. 

Sobald er außer Sichtweite war, wendete ich meine volle Aufmerksamkeit wieder Nate zu. Er hatte sich mittlerweile irgendwie an die Palme geschleppt, um sich dort anzulehnen. Sein Atem ging noch nur stoßweise und ich war mir nicht sicher, ob die Schweißperlen auf seiner Stirn auf die für hier mehr als typische feuchtwarme Hitze zurückzuführen waren. Erlitt er hier vielleicht gerade eine Panikattacke? Ich hatte das schon einmal bei meiner Mutter erlebt. Die Symptome waren durchaus ähnlich.

„Sarah, ich sagte du sollst...", keuchte er, musste dann aber husten.

„Wieso sollte ich dich in so einem Zustand alleine lassen?", hinterfragte ich verwundert und ließ mich neben ihm an dem Stamm der Palme herabgleiten.

„Du darfst diesem Hawaiianer nicht vertrauen", murmelte Nate, schluckte schwerfällig und drehte dann schwach den Kopf zu mir, um mich anzusehen. Seine Augen wirkten jetzt wieder wie immer. Sehr eigenartig.

„Was hat das nun damit zu tun?", hinterfragte ich verwirrt.

„Vertrau mir bitte einfach, okay?", bat er mich so leise, dass ich ihn kaum hören konnte, obwohl unsere Körper sich fast schon berührten.

„Das könnte ich, aber nur, wenn du mir erzählst was mit deinem Rücken passiert ist", nutzte ich die Gelegenheit und hoffte, dass ich ihn so vielleicht zu einer Erklärung nötigen konnte.

„Das willst du nicht wissen."

„Doch, ich will es wissen", bestand ich auf eine Antwort, wurde aber nur enttäuscht.

„Nein, damit bringe ich dich nur in Gefahr und das ist wirklich das Letzte was ich will." Seine Antwort klang zum ersten Mal, seit ich auf die Inseln gekommen war, wirklich ehrlich und aufrichtig. „Sarah, was ist letzte Nacht passiert?", lenkte er nun auf ein gänzliches anderes Thema ein und erstaunte mich damit. 

„Du warst dicht, das war los", antwortete ich kühl, weil das echt kein schöner Anblick gewesen war. 

Er gab mir keine Antwort, sondern starrte nur vor sich in den hellweißen Sand, den er nebenher durch seine großen rauen Hände wieder zu Boden rieseln ließ.

„Habe ich... irgendetwas gesagt oder getan, was... dich verletzt hat?"

„Nein, natürlich nicht. Du hast allen möglichen Scheiß geredet und dich wie ein Affe aufgeführt, aber mehr war es auch nicht", erklärte ich stirnrunzelnd. Was war das denn für eine Frage? 

„Achso, du kannst dich an nichts erinnern. Verstehe", flüstere ich fast schon.

„Es tut mir leid", meinte er mit einer leicht zittrigen Stimme, hatte sich dann aber sofort wieder unter Kontrolle und stand auf. Plötzlich wirkt er wieder ziemlich gefasst und seine Fassade aus Stein offenbart sich wieder.

„Wir sollten hier erst einmal verschwinden und dann reden wir, was meinst du?", unterbreite ich, doch Nates schwacher Moment schien vorbei zu sein.

„Nein, dabei bleibt es. Komm, wir gehen", machte er schlussendlich seinen Standpunkt klar, setzt seine Sonnenbrille wieder auf und lief lässig, so als ob alles in bester Ordnung und nie etwas passiert wäre, zurück zu seinem... Moment mal, seit wann hatte Nate überhaupt ein Motorrad? Das war mir neu. 

Ich war so verwirrt, dass ich gar nicht genau merkte, wie ich plötzlich hinter Nate saß und mich fast schon krampfhaft an ihn klammerte. Mir schwirrte der Kopf. Am liebsten würde ich ja mit ihm sprechen, aber das wollte er nicht. Er hatte direkt wieder abgeblockt, so wie er es bisher auch immer getan hatte. Wieso glaubte er immer noch, dass er mir die Wahrheit verheimlichen musste? Für einen kurzen Moment hatte ich geglaubt, dass er mir jetzt sagen würde, wieso er sich so benahm und so viel Alkohol trank. Wieso musste er ausgerechnet jetzt wieder schweigen? Wieso glaubte er, dass er mich in Gefahr bringen würde? 

„Und du bist ganz sicher, dass du nicht doch mit mir darüber reden willst? Das würde es doch so viel einfacher machen, Nate", bohrte ich erneut nach, sobald wir wieder in seinem Apartment standen, er seine Jack auszog und achtlos und offensichtlich aufgebracht in eine Ecke pfefferte.

„Ja, Sarah, das bin ich und jetzt lass uns nicht mehr darüber sprechen", gab er genervt zurück, ließ sich auf sein Sofa fallen und rieb sich nervös mit beiden Händen übers Gesicht. Was war nur los mit ihm?

„Aber wieso? Lass mich doch versuchen dir zu helfen, wenn das mir möglich ist", konterte ich, setzte mich dicht neben ihn und versuchte seine Hand in meine einzuschließen, um ihn etwas zu beruhigen, doch er ließ es nicht zu.

„Kein Wort mehr darüber!", rief mein Onkel aufgebracht, entzog mir hastig seine Hand und fuhr sich durch sein zerzausten Haar. „Hör mal, Sarah", fing er an in einem Tonfall, der mir deutlich machte, dass er etwas Wichtiges sagen wollte, doch sein Handy riss ihn aus dem Konzept. Er unterbrach sich und ehe ich ihn davon abhalten konnte, hatte er das Gespräch bereits angenommen.

„Ja?"

Lange Zeit lauschte Nate einfach nur dem, was sein Gesprächspartner ihm ins Ohr sprach, doch seine Miene verfinsterte sich zunehmends mehr. Keine guten Nachrichten also. Ich konnte zwar das leise, aber dennoch aufgeregte Gesprochene ansatzweise hören, doch ich verstand kein einziges Wort. 

„Ja, in Ordnung", sagte Nathan schließlich, worauf eine kurze Pause folgte. „Ich sagte doch, in Ordnung. Ich..." Er wurde unterbrochen, ließ das aber nicht lange mit sich machen. „Ja, verdammt! Ich habe es verstanden, okay? Ich komme", fauchte Nate nun deutlich giftiger in sein Handy und legte dann, ohne die erneute Reaktion seines Gegenübers abzuwarten einfach auf. 

„Was ist denn los?", wollte ich mit einem beinahe schon zu belanglosen Tonfall wissen.

„Nichts, alles ist gut! Das geht dich auch überhaupt gar nichts an", erwiderte Nate, kaum dass meine Worte meinen Mund verlassen hatten. Das Funkeln kehrte in seine Augen zurück, während er mich anstarrte und sich ruckartig erhob.

„Nate, bitte rede mit mir. Wir konnten doch früher auch über alles reden, also...", probierte ich es auch weiterhin einfühlsam, doch er ließ mich nicht aussprechen und ehe ich ihn beruhigend am Unterarm berühren konnte, trat er einige Schritte zurück.

„Ich gehe jetzt und du bleibst hier. Zu diesem Thema werde ich nichts mehr sagen, kapiert?"

Die Art wie er das sagte ließ mich frösteln. Wie konnte er nur so schnell immer zwischen den verschiedenen Verhaltensstadien hin- und herwechseln? Wie konnte er nun plötzlich wieder so zurückhaltend und gefasst sein?

„Aber du...", versuchte ich irgendwie eine Antwort zu formulieren, da begann sein Handy erneut zu klingeln und vibrieren. 

„Verflucht nochmal! Wer will denn jetzt schon wieder etwas von mir?", fluchte er. „Was?", schrie er dann schon fast, sobald er das Gespräch angenommen hatte und dabei anscheinend nicht einmal auf den Anrufer geachtet. „Ach, du bist es. Tut mir leid, ich habe dich mit jemand anderem verwechselt", gestand er nun und ich sah ihm an, dass er keine wirkliche Lust darauf hatte, sich nun mit dem neuen Anrufer zu unterhalten. Wer war das wohl? „Bitte? Nein, ich... Joanna, nein das...", versuchte er immer wieder zwischen den Wortfluss am anderen Ende der Leitung zu kommen und bei der Nennung des Namens durchlief mich doch tatsächlich eine heftige Gänsehaut. 

Nathan drehte seinen Kopf so langsam zu mir herüber, dass mir bereits jetzt klar war, in was für einer unangenehmen Situation ich nun steckte. Das Funkeln kehrte in seine Augen zurück. „Ich versichere dir, dass alles in bester Ordnung ist. Wir haben uns lediglich über eine kleinere... Unstimmigkeit gestritten. Sie kriegt sich schon wieder ein", schnurrte er in sein Handy, ließ mich aber nicht mehr aus den Augen. Sein düsterer, starrer Blick machte mir irgendwie Angst. Seine Gestik und Mimik sowie seine Augen zeigten mir etwas völlig anderes als das, was er gerade meiner Mutter so freundlich und gefasst wie möglich vorsetzte. So wie ich sie kannte, würde sie das auch ohne große Zweifel glauben und auf sich beruhen lassen. 

Irgendwann schaltete ich ab und hörte gar nicht mehr zu, was die beiden eigentlich miteinander sprachen. Es hätte so oder so keinen Sinn mehr gemacht. Ich sah in meinem Tunnelblick nur seine Augen. Er wirkte streng und auch fast schon etwas gleichgültig. Jetzt packte er sein Handy wieder weg und wartete wohl auf eine Erklärung meinerseits, doch ich schwieg. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nichts sagen können.

„Das war deine Mum. Sie wollte sich versichern, dass bei uns oder besser gesagt bei dir alles okay ist. Sie meinte, dass sie ein Telefonat mit dir geführt hat und du sehr aufgewühlt gewirkt hättest", meinte Nate nach einer schon extrem unangenehm werdenden Pause. „Zu deinem Glück konnte ich sie einfach davon überzeugen, dass das nichts zu bedeuten hat. Sie war schon immer sehr gutgläubig, meine kleine Schwester."

Erneut entstand eine kurze Stille und ich hatte bereits angenommen, dass mir der große Sturm erspart bleiben würde, doch da hatte ich mich wohl geirrt.

„Sag mal, was sollte das? Wieso hast du Jo angerufen und ihr davon erzählt?", fuhr er mich so laut und heftig an, dass ich unkontrolliert ein gutes Stück vor ihm zurückwich.

Ich konnte mich nicht daran erinnern, ihn jemals so wütend gesehen zu haben.

„Wieso bist du denn nun sauer auf mich?", wollte ich gereizt und verständnislos von ihm wissen, wobei ich fragend eine Augenbraue nach oben zog.

„Genug, ich muss gehen", murmelte Nate und schien wieder ein kleines bisschen mehr in seinem Kopf und somit in seinen Gedanken gefangen zu sein, doch bevor er sich umdrehen konnte, packte ich ihn am Arm. Er hielt inne.

„Was ist bloß los mit dir? Wer ist Nauk?"

Sein Körper verkrampfte sich sofort. Nicht nur aufgrund meiner Berührung. Vielmehr aufgrund der Frage. Ich meinte fast schon jeden einzelnen Muskel in seinem Arm zu spüren. 

„Nein. Du lässt mich jetzt los", erwiderte er und zog scharf die Luft ein.

Als ich nicht sofort reagierte, riss er sich grob los und ging hinüber zu der Tür, die zur Garage führte. Ich hielt ihn nicht weiter zurück, er würde nicht mehr sagen. Nach der Geschichte mit meiner Mum sowieso nicht mehr. Ich war so unglaublich enttäuscht von ihm... Ich konnte es nicht einmal in Worte fassen. Er schien mir nicht genug zu vertrauen, um mir die Wahrheit zu sagen.

Das heftige Knallen der Tür ließ mich unkontrolliert zusammenzucken und holte mich wieder etwas mehr zurück in die Gegenwart, auch wenn ich noch wie gelähmt mitten im Raum stand und auf meiner Unterlippe herumkaute. Fast hätte ich sie mir blutig gebissen.
Endlich war er weg. Mein Herz raste, als ich daran dachte, was ich jetzt tun sollte. Ihm folgen? Sollte ich ihm nachgehen und herausfinden, was er nun wieder tat? Der Anruf war mehr als komisch gewesen, aber nein ich entschied mich dagegen. Zumindest vorerst.

Ich könnte Kaden anrufen und ihn fragen, ob er gut nach Hause gekommen war und ihm versichern, dass er sich keine Sorgen machen brauchte. Ich könnte mich erneut mit ihm treffen, aber ich war gerade zu sehr aufgelöst. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob ich mir in meiner aktuellen Verfassung noch mehr solcher eigenartiger Mythologiegeschichten anhören konnte. Ein bisschen wunderte es mich fast schon, dass Kaden nicht schon längst angerufen oder mir zumindest eine Nachricht geschickt hatte. Vermutlich, um mir etwas Zeit mit Nate zu geben.

Plötzlich schoss mir ohne Vorwarnung eine Idee durch den Kopf. Ich hatte aufgrund der ganzen Ereignisse zugegebenermaßen überhaupt gar nicht mehr daran gedacht. Noch ehe ich richtig darüber nachdenken konnte, war ich bereits vor seiner Tür angekommen. Mit einem Besen aus der Küche in der Hand. Ich überlegte nicht lange, öffnete die Tür und ging schnell auf seine Seite des Bettes, um mich kurz darauf erneut bäuchlings auf dem Boden vorzufinden. Mühsam und auch etwas ungeschickt stocherte ich unter dem Bett herum, um endlich an die Kiste zu kommen. Ich musste unbedingt wissen, was es damit auf sich hatte. Hoffentlich würde mich der Inhalt nicht noch mehr verwirren, doch meine Neugierde trieb mich so oder so immer weiter vorwärts.

Meine Augen brannten bereits und ich wedelte wie wild mit meiner Hand vor meinem Gesicht herum, doch es war eindeutig zu viel Staub. Ich wollte gar nicht erst wissen, seit wie vielen Jahren Nate nicht mehr hier sauber gemacht hatte. Dementsprechend musste er aber auch eine ganz schön lange Zeit dieser Kiste keine Beachtung mehr geschenkt haben. Am Ende waren darin nur irgendwelche unwichtigen Notizen oder Sonstiges. Das würde mich dann doch etwas enttäuschen.

Sobald sich der meterdicke Staub etwas gelegt hatte, musste ich erst einmal heftig niesen, doch glücklicherweise legte sich das ebenso schnell wieder, wie es auch gekommen war.
Ich pfefferte den Besen ans andere Ende des Schlafzimmers meines Onkels, setzte mich stöhnend auf und platzierte die Kiste auf meinem Schoß.

Ich drehte sie einige Male in meinen Händen. Sie wirkte nicht schwer, aber schon sehr alt, wie bereits bei der Entdeckung meines Fundes gedacht. Meine Hand, mit der ich jede Seite von den Flusen und dem restlichen Staub befreite, war bereits ganz dreckig. Da fiel mir auf, dass auf der einen Seite tatsächlich Buchstaben prangten. Hastig fuhr ich mit meinem linken Daumen darüber. Es war schwer zu lesen, da die Schrift verdammt alt aussah, doch ich konnte sie dennoch lesen. Samantha war die Aufschrift. Ja, ich war mir ziemlich sicher. Ich kannte keine Samantha und ich hatte auch noch nie meinen Onkel über Frau eine namens Samantha reden hören. Nicht ein einziges Wort. Wer um alles auf der Welt war Samantha? Ich hatte das ungute Gefühl, dass mich die Erkenntnis dieser Frage noch ziemlich belasten würde, aber nichts desto trotz starrte ich wie gebannt auf den Namen auf der Schachtel.

Sie hatte kaum ein nennenswertes Gewicht. Geradezu federleicht. Was konnte darin nur so Interessantes sein?. Wieso hatte Nathan sie seit Jahren nicht mehr angefasst und hier unten verstauben lassen? War Samantha möglicherweise seine Ex? Ich wusste noch gut, wie oft ich mich bereits gefragt hatte, wieso er eigentlich keine Partnerin hatte, schließlich war mein Onkel kein hässlicher Kerl und bis zu diesem Zeitpunkt auch mehr als liebenswert gewesen.

Nachdem ich die Schachtel nun gedankenverloren etwas geschüttelt und gewogen hatte, entschied ich mich endlich dafür sie zu öffnen. Ich war mir nicht ganz sicher, was ich eigentlich erwartet hatte, aber das hier wohl definitiv nicht. Ein ganzer Berg an Briefen lächelte mir entgegen. Das Papier der Umschläge und die Schrift darauf wirkten so alt, dass ich mir sofort ziemlich sicher war, dass sie bereits vor einigen Jahrzehnten geschrieben worden sein mussten und seit geraumer Zeit überhaupt kein Tageslicht mehr gesehen hatten.

Fast schon ehrfürchtig strich ich mit meiner Fingerkuppe über die Umschläge und widmete mich der Adresse des Absenders. Samantha Collins. Sie war nicht von hier, sondern vom Festland. Chicago um genau zu sein. Seltsam, aber viel mehr seltsamer war der Name, den ich als Ziel des Briefes las. Nathan Striker. Das war exakt der gleiche Name, wie der von meinem Onkel, allerdings auch mit einer Adresse in Chicago. Soweit ich wusste, hatte er aber nie in Chicago gelebt. Außerdem wirkten die Briefe schon so verdammt alt, dass das alles sowieso noch viele Jahre vor der Geburt von meinem Onkel gewesen sein musste. Also ein Vorfahr von ihm? Mit exakt dem gleichen Namen? Das klang völlig unrealistisch. 

Mit zittrigen Händen griff ich also schließlich wahllos in den Berg aus Papier und zog einen Umschlag heraus. Ich setzte mich gemütlicher hin und lehnte mich mit dem Rücken gegen das Bett von Nate. So schnell würde er schon nicht wieder zurückkommen, also hatte ich genug Zeit, um meinen Fund etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Ich staunte nicht schlecht, als ich feststellte, dass auch der komplette Brief in einer für mich fast noch schwerer lesbaren Schrift geschrieben war und sich über zwei Seiten erstreckte. Viel interessanter war aber das Bild, welches diesem Brief beilag, was mir erst beim Ausfalten in die Hände fiel.

Meine Augen weiteten sich. Die junge Frau auf diesem Foto, ich schätzte sie auf Ende zwanzig, war wunderschön. Es war ein Porträt und ich erkannte auch anhand der Kleidung, dass das wirklich schon viele Jahrzehnte her sein musste. Ihr langes schwarzes Haar fiel ihr lockig bis weit über die Schultern. Ihre grünen Augen wirkten warm und freundlich, genauso wie ihr wunderschönes Lächeln. Das Make-Up wirkte wie aus einem Kostümfilm und die weißen Handschuhe und der Hut den sie trug, erinnerten ebenfalls stark daran. So sehr mich das Bild auch faszinierte, legte ich es beiseite und untersuchte zunächst den Briefkopf. Ich hatte eigentlich ganz gut getippt. Der Brief war vom 13. März 1939 und konnte somit definitiv nur an einen Vorfahr von Nate gerichtet sein. Er hatte mir aber nie davon erzählt. Vielleicht im zweiten Weltkrieg gefallen? Möglich. Hatte Nate ihn gekannt? Unwahrscheinlich.

Noch zögerte ich, doch dann hielt ich es einfach nicht länger aus und begann zu lesen. Es fiel mir nicht leicht diese Schrift zu entziffern, daher ging es ziemlich gemächlich vor sich, doch nach drei Briefen ging es schon etwas schneller und einfacher. 

Ich konnte mich nicht mehr dazu bringen aufzuhören. Einen Brief nach dem anderen verschlang ich. Die Wörter tanzten bereits vor meinen Augen und ein ganzer Stapel lag bereits gelesen neben mir und ich hatte trotzdem noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Gerade wurde ich mit dem Nächsten fertig, da musste ich erst einmal eine kurze Pause einlegen. Mein Kopf war randvoll mit neuen Informationen und ich wusste immer noch nicht genau, was ich davon halten sollte. Ich wurde einfach nicht schlau daraus. Besser gesagt noch viel mehr verwirrt. Es war offensichtlich, dass diese Samantha und der alte Nate ein Paar gewesen waren. Die Briefe schlugen jedoch oft ganz verschiedene Töne an. Einen Tag waren sie voller Freude, Glück und unbeschreiblicher Liebe, am nächsten Tag strotzten sie nur so vor Schmerz und Verlustängsten. Irgendetwas sagte mir, dass diese Beziehung ein wirklich unschönes Ende gefunden hatte. Gerade die noch ungeöffneten Briefe deuteten daraufhin. Dieser andere Nate, mein Vorfahr, hatte sich wohl irgendwann nicht einmal mehr die Mühe gemacht gehabt sie zu lesen. Aber wieso? Auch er hatte so voller Liebe geklungen, bis diese ganze Liebe von jetzt auf nachher plötzlich wie ausgelöscht zu sein schien. Jeder Frau wäre bei diesen Worten dahingeschmolzen, mich eingeschlossen. Ich hatte bereits schwer mit den aufkommenden Tränen zu kämpfen. Dieser Nate musste ein richtiger Romantiker gewesen sein. Spätestens jetzt war mir endgültig klar, dass das niemals mein Onkel Nate hätte schreiben können, denn so war er definitiv nicht, da war ich mir sicher. 

Wieso bewahrte Nathan aber diesen Karton auf, wenn ihn das nicht direkt betraf? Wenn er unseren gemeinsamen Vorfahr mit großer Wahrscheinlichkeit überhaupt nie kennengelernt hatte? Irgendwie war das alles so durcheinander und ergab keinen Sinn. Wieder holte ich das Bild hervor und starrte es an. Ja, diese Frau würde dem heutigen Nate bestimmt auch gefallen. Am liebsten würde ich ihn mal darauf ansprechen, aber aktuell hatte ich dazu nicht wirklich Lust, auch wenn ich verdammt neugierig war, wieso er diese Briefe noch hatte und wieso sie an so einem Ort wie unter seinem Bett verborgen waren. Vielleicht sollte ich auch einfach spontan entscheiden wie er drauf war, wenn er zurückkam. 

Erst einmal beschloss ich, alle bereits von mir gelesen Briefe wieder in den Karton zu packen und in meinem Zimmer zu verstecken. Nate würde bestimmt nicht merken, dass er fehlte. Ich wollte unbedingt auch noch die anderen lesen. Das Bild jedoch steckte ich mir behutsam in die Hosentasche meiner Jeans. 

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