19. Kapitel: Sarah
Dienstag, 11. August
Ich saß gerade auf einer der Liegen draußen auf der weitläufigen Terrasse in der Sonne und genoss die frühen Sonnenstrahlen, als ich das laute Knallen von drinnen hörte. Es klang wie eine Tür, welche mit voller Wucht zugeschlagen worden war. Ich nahm die Sonnenbrille von der Nase und lauschte, doch ich konnte nichts weiter hören. Seufzend setzte ich mich auf und stand langsam auf. Ich hatte mich in der letzten Nacht nicht wirklich erholen können, dementsprechend war ich immer noch ziemlich müde. Der Schlaf hatte einfach nicht über mich kommen wollen. Stundenlang hatte ich mich hin- und hergeweltzt und irgendwann bin ich dann glücklicherweise doch noch eingeschlafen, jedoch nur, um etwa eine Stunde später wieder aufzuwachen. Schlussendlich hatte ich es dann also aufgegeben und mich nach hier draußen verkrochen, um noch etwas Abstand von allem zu bekommen und die Ruhe zu genießen, auch wenn mir gefühlt jede Sekunde die Augen zufielen. Dem war jetzt allerdings nicht mehr so. Irgendetwas musste drinnen los sein, ich spürte es, auch wenn ich jetzt nichts mehr gehört hatte. Wenigstens war ich jetzt wieder hellwach und neugierig geworden. Ob es gut oder schlecht war, dass sich im Haus irgendetwas, was mit Lärm verbunden war abspielte, konnte ich nicht sicher sagen, aber trotzdem konnte ich meine neu gewonnene Neugierde nicht mehr länger zügeln und zuwider meiner inneren Stimme und Vernunft entschloss ich mich schließlich, doch besser mal nachsehen zu gehen. Ich steuerte auf die Glasschiebetür mit den langen weißen Vorhängen mit Palmenmuster zu, als ich beinahe in Kaden rannte, weil er in einem Mordstempo nach draußen stürmen wollte. Meine Augen waren noch so Sonnenverwöhnt gewesen, dass ich ihn im ersten Moment schlicht und ergreifend einfach nicht gesehen hatte.
„Sorry, ich habe dich nicht gesehen", murmelte ich, als Kaden ohne auf mich zu achten sich einfach an mir vorbeidrückte und begann wie ein wilder Löwe auf und ab zu laufen.
„Verflucht nochmal!", brummelte er und tat so, als ob ich gar nicht da wäre. Ich runzelte nachdenklich die Stirn und verschränkte meine Arme vor der Brust.
„Hallo? Ich bin auch noch da, Kaden. Was ist denn da drinnen los?", bohrte ich nach, nachdem es nicht den Anschein machte, als ob er mir erklären wollte, was los war.
„Nathan ist wach", schrie er mich plötzlich lauthals wütend an, ohne mich anzusehen.
„Was?", fragte ich verdutzt nach und vergaß im ersten Moment, wie er mich gerade behandelte.
„War ich nicht deutlich genug?"
„Kannst du nicht mal aufhören so hektisch rumzulaufen? Das nervt!", brüllte ich jetzt selbst aufgebracht zurück, doch wenigstens blieb er jetzt mal stehen.
„Sorry, Sarah, das wollte ich nicht", sagte er nach ein paar Sekunden reumütig, kam auf mich zu und nahm mich in einer fließenden Bewegung plötzlich in den Arm. So langsam schien die Aussage von Kaden dann aber doch an mein Gehirn vorzudringen.
„Es ist okay, aber jetzt bleib bitte mal ruhig. Ich will ihn sehen", nuschelte ich in den Stoff seines Shirts, doch er hatte mich sehr wohl verstanden. Das merkte ich allein schon daran, dass der Griff seiner Arme sich um einiges noch verstärkte.
„Das solltest du nicht, Sarah. Dieser Mann ist mehr als einfach nur gefährlich! Wenn Sam nicht gewesen wäre, hätte er mich mit großer Wahrscheinlichkeit erschossen", beichtete er mir völlig hektisch und aufgelöst und ich hatte den Eindruck, dass er vor lauter Aufregung zu zittern begann.
„Was?", fragte ich jetzt ungläubig, löste mich von ihm und suchte seine Augen. Sie waren so leer und ausdruckslos, dass ich mich erst mal fragte, ob er eigentlich überhaupt noch hier bei mir war oder schon wieder ganz wo anders. „Ich will ihn sehen", beharrte ich weiter, als mir klar wurde, dass ich keine weitere Antwort mehr von ihm erhalten würde.
Keine Ahnung, wieso ich das auch noch wiederholte. Wollte ich ihn wirklich sehen? Lag das an ihm oder einfach nur an meiner Neugierde?
„Es würde nichts nutzen, wenn ich weiter versuchen würde es dir auszureden oder?", flüsterte Kaden nun, seine Stimme um einiges angenehmer als zuvor, was wohl daran lag, dass er bereits jetzt schon wieder viel ruhiger geworden war, obwohl sein Körper immer noch verkrampft war.
„Geht es dir gut, Kaden?", fragte ich zurück, um etwas vom Thema abzulenken und vor allem, weil er jetzt wirklich blass aussah.
„Es geht schon, ich mache mir nur Sorgen um dich", gestand Kaden mir, lächelte mich schwach an, so wie er es immer tat und küsste mich sanft auf die Stirn.
„Ich weiß", antwortete ich und legte meine Hand an seine Wange, um ihn sanft zu streicheln. „Bleib du doch noch hier draußen, ich gehe alleine rein. Ich schaffe das, Kaden. Ich will nur kurz nachsehen", schlug ich vor, doch wie von mir bereits erwartet, schüttelte er sofort energisch den Kopf.
„Ich lasse dich nicht alleine gehen. Vergiss es", beharrte er und schien sich innerlich wieder etwas zusammenzureißen.
Ich nickte lediglich und fuhr ihm nochmal kurz durch das kurze struppige Haar, setzte mich dann aber in Bewegung. Ehe ich zu weit nach vorne stürmen konnte, hielt Kaden mich ruhig zurück und ging dann selbst vor. Vorsichtig öffnete er die Tür und streckte seinen Kopf hinein.
„Ich sagte doch, dass du draußen warten sollst, Kaden. Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt?", hörte ich Sam sich beschweren, doch Kaden ging nicht mehr zurück von der nur einen Spalt geöffneten Tür.
„Sarah will ihn sehen", entgegnete er knapp und bei der plötzlich auftretenden Stille ging ich schwer davon aus, dass Sam exakt dieselbe Reaktion zeigte wie noch vor wenigen Augenblicken auch Kaden.
„Sarah?", hörte ich ihn sagen. Es war seine Stimme. Sie klang so normal, wie vor alle dem. Besorgt und liebevoll, aber gleichzeitig auch beängstigt. Mir lief es eiskalt den Rücken herab, als ich ihn meinen Namen sagen hörte.
„Lass mich mal kurz vorbei", forderte Sam Kaden jetzt auf, woraufhin dieser die Tür weiter aufmachte und sie an sich vorbeiließ.
Ich versuchte wirklich nicht in den Raum in dem er war hineinzulinsen, aber ich sah ihn auch so für den Hauch einer Sekunde. So kurz und doch reichte es mir aus um sagen zu können, dass er wie ein Häufchen Elend wirkte. Was zur Hölle war nur los mit ihm?
„Sarah, bist du dir wirklich sicher? Ich kann verstehen, wenn dir das noch zu viel ist. Vielleicht sollte ich erst einmal...", begann sie beschwichtigend auf mich einzureden, obwohl ich nie gesagt hatte, dass ich einen Kommentar von ihr dazu hören wollte.
Beruhigend hatte sie ihre Hände auf meine Schultern gelegt und strich mir in kleinen Kreisen mit den Daumen über meine nackte Haut an den Armen. Ich sah ihr an, dass sie mich noch längere Zeit mit so etwas zuquatschen würde, aber ich hatte meinen Entschluss gefasst. Ob es der Richtige war oder nicht ließ ich im Raum stehen, aber fürs Erste wollte ich das tun, was ich tun wollte. Also ging ich einfach an ihr vorbei, ohne ihr noch eine Sekunde Beachtung zu schenken.
„Sarah, warte", hörte ich sie fast schon panisch hinter mir sagen, doch es war längst zu spät.
Ich stieß die Tür nun sperrangelweit auf und trat nur zwei Schritte über die Schwelle. Alle waren verstummt und hielten einen gewissen Abstand von mir, was ich sehr willkommen hieß. Ich wollte mir einfach mein eigenes Bild machen, denn da vor mir saß er tatsächlich und war wach – quicklebendig. Er saß zusammengesunken auf dem Bett und in dem Augenblick, in dem ich eingetreten war, hatte er sofort den Kopf gehoben. Nicht um nachzusehen, wer da gerade zu ihm in den Raum getreten war, schließlich wusste er das längst. Nein, er hatte wohl sehen wollen, wie ich reagieren würde. Ich blieb einfach nur wie angewurzelt stehen und starrte ihn an. Irgendetwas war anders an ihm. Mein erster kurzer Eindruck hatte mich nicht getäuscht, er war momentan wohl nicht mehr mehr als ein Häufchen Elend, in sich selbst zusammengesunken und mit vielen Sorgenfalten auf der Stirn. Seine Hände nervös aneinander reibend, Schweiß auf der Stirn und die Art wie er mich ansah... Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich beinahe gesagt er fürchtete sich vor mir oder besser gesagt nicht vor mir sondern vor meiner Reaktion im Allgemeinen, doch wieso? All das machte überhaupt keinen Sinn. So langsam überkamen mich die Zweifel.
„Hey Kleine", sagte er leise und mit starker Verunsicherung in der Stimme, er versuchte sogar mich leicht anzulächeln, doch das gelang ihm noch schlechter, als bei seinem letzten erbärmlichen Versuch.
Als ich nicht reagierte, versuchte er doch ernsthaft aufzustehen und auf mich zuzugehen, die Hand leicht nach mir ausgestreckt, doch ich schüttelte sofort energisch mit dem Kopf und bedeutete ihm zusätzlich noch Abstand zu halten, indem ich zurück auf die Türschwelle trat.
„Komm bloß nicht näher und wie kannst du es wagen mich noch so zu nennen? Dieses Recht hast du schon lange verwirkt", blaffte ich ihn bösartig an und schenkte ihm einen verächtlichen Blick, was ihn sofort zu einer Statue erstarren ließ.
„Ich... tut mir leid. Ich werde hier bleiben, okay? Versprochen", versuchte er sich nachsichtig an mich heranzutasten, indem er einfach genau das tat was ich ihm sagte. Das war sein Glück im Augenblick.
Plötzlich spürte ich, wie sich eine Hand um meine schlang und sich jemand schützend und beruhigend hinter mich stellte. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen wer es war. Als ich seine Berührung wahrnahm, atmete ich erst einmal tief durch. Komischerweise sah ich überhaupt keine Empörung oder andere Regungen in seinem Gesicht, als er sah wie Kaden sich an mich schmiegte. Das ließ mich doch zugegebenermaßen stutzen, denn schließlich hasste er den hawaiianischen Jungen wortwörtlich bis aufs Blut.
„Was war mit dir los?", fragte ich nach einer Weile, in der wir uns einfach nur stumm angeblickt hatten – erstaunlicherweise hatte er es tatsächlich geschafft, mir die ganze Zeit standzuhalten. Das konnten für gewöhnlich nur die aufrichtigsten Menschen – die nichts zu verbergen hatten. Als er dann doch ansetzte um mir zu antworten, konnte er es aber scheinbar nicht mehr aushalten und senkte den Kopf. Ich sah wie er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, ihn dann aber wieder schloss. Er schien lange mit sich zu hadern, was er mir antworten, wie er mir all das erklären könnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit war er aber zu exakt dem gleichen Schluss gekommen, wie ich es schon längst war: Egal was er sagen oder tun würde, es würde niemals reichen. Abwartend verschränkte ich also die Arme vor der Brust und wartete, mit was er anfangen, wie er versuchen würde sich aus allem herauszuwinden.
„Sarah, ich weiß, dass es für meine Taten und vor allem mein Verhalten dir gegenüber keine Entschuldigung oder gar Rechtfertigung gibt, aber lass es mich wenigstens versuchen. Wenn du mir dann immer noch nicht vergeben kannst, kann ich das voll und ganz nachvollziehen, ich verdiene es nicht anders, auch wenn es nicht meine Schuld ist", setzte er schlussendlich an, aber auch weiterhin ohne mich direkt anzusehen, woran ich erkannte, dass ihm das wirklich alles andere als leicht fiel.
Irgendetwas war wohl wahrhaftig anders an ihm. Wenn ich ihn ansah, sah ich aber immer noch nicht ihn, nicht den Mann, der mal mein Onkel gewesen war, sondern den eiskalten skrupellosen Mörder. Damit tauchten zugleich auch die schrecklichen Bilder wieder in meinem Kopf auf. Die leblosen Augen der Frau, Berge an Leichen mit entstellten Körpern. Ich musste mit aller Kraft dagegen ankämpfen, um dem aufsteigenden Brechreiz in mir noch rechtzeitig entgegenzuarbeiten.
„Nicht deine Schuld? Sag mal für wie dumm hältst du mich eigentlich? Ist das dein Ernst? Wie kannst du...", rastete ich beinahe vollkommen aus, als ich hörte was aus dem Mund von ihm dort vor mir kam, doch Kaden hielt mich noch rechtzeitig zurück, sodass ich mich nicht mehr in Rage reden konnte.
Er nahm mich von hinten in den Arm und flüsterte mir beruhigende Dinge ins Ohr, auch wenn ich ihm nicht so viel Aufmerksamkeit schenkte, dass ich ihn verstanden hätte. Ich hatte nur Augen für ihn, musterte ihn, seine Gestik, seine Mimik, ich analysierte alles, was er mir lieferte und doch wurde ich aus ihm einfach nicht schlau.
„Gib mir nur eine Chance, es zu versuchen, okay? Ich bitte dich", flehte er mich fast schon an, was mich zugegebenermaßen doch etwas aus dem Konzept warf, doch ich ließ nichts nach außen durch, was mich verraten hätte und ich antwortete ihm auch nicht.
Ich verschränkte lediglich abwartend und misstrauisch dreinblickend wieder meine Arme vor der Brust, obwohl ich immer noch in Kadens Umarmung und Halt lag. Kurze Zeit schien er noch abzuwarten, ob ich ihm eine Antwort tatsächlich schuldig blieb oder nicht, doch dann schien er zu begreifen, dass ich ihm nicht so leicht entgegenkommen würde und er hart dafür würde arbeiten müssen und selbst dann war es nicht als selbstverständlich anzusehen, dass ich einfach so wieder umdenken und ihn erneut als normalen Menschen sehen konnte. Nein, auf keinen Fall. Genau genommen stand meine Entscheidung schon lange fest, aber ich hatte mir unterbewusst zum Ziel und zur Aufgabe gemacht, ihn einfach mal selbst leiden zu lassen. Ihn mit anderen Mitteln zu schlagen. Es geschah ihm mehr als recht.
„Du musst wissen, es gibt da diese Stimme in meinem Kopf... aber... seit ich hier bin, ist sie weg und ich weiß nicht wieso", begann er schließlich leise zu erzählen und obwohl ich versuchte so gleichgültig wie nur möglich zu tun, konnte ich es mir einfach nicht lange verkneifen ihm dazu Fragen zu stellen.
„Was denn für eine Stimme?", wollte ich wissen und zog ungläubig eine Augenbraue nach oben.
„Von der hawaiianischen Göttin Nauk – die Göttin des Schicksals", antwortete er prompt und sah dann doch wieder von seinen hübschen schwarzen Lackschuhen auf, richtete sich wieder etwas auf und strich sich nervös durchs Haar.
„Es fällt mir so schwer das zu glauben", gab ich kopfschüttelnd zurück, doch jetzt war es doch tatsächlich Kaden, der sich schlussendlich einmischte.
„Sarah, ich denke du solltest ihm glauben. Mittlerweile wissen wir es besser. Ja, ich weiß, es klingt wahnsinnig, aber wir sollten ihm zuhören", erklärte Kaden mir und obwohl ich es im ersten Moment immer noch stark anzweifelte spürte ich, wie mein Unterbewusstsein mir immer stärker versuchte mitzuteilen, mich nicht sofort dagegen zu sträuben.
Ja, die Situation war mittlerweile eine andere. Er war zugegebenermaßen anders, seitdem er wieder wach war, irgendetwas musste wirklich dran sein und so wahnsinnig es auch klang, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, konnte ich von mir selbst behaupten: Ja, ich kannte die Wahrheit und ja ich fing wirklich an all das zu glauben.
„Was bedeutet das?", änderte ich schließlich meine Frage um und seufzte, weil ich es immer noch nicht fassen konnte, dass ich ihn das fragte.
„Ich wurde bei allem was ich getan habe fremdgesteuert, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Manchmal war sie... so tief in meinem Geist, dass ich für keine Sekunde mehr einen klaren Gedanken fassen konnte, der mich noch hätte abhalten können, um... nicht noch mehr unschuldige Menschen abzuschlachten. Ich hatte keine Gewalt mehr über meinen Geist oder meinen Körper, nur für ganz seltene klare Augenblicke. Meine Emotionen waren ausgeschaltet, ich fühlte nichts mehr, daher fällt mir das gerade auch so schwer. All das, was ich für Monate oder besser gesagt Jahre nicht mehr wirklich wahrgenommen habe, bricht heute alles über mich herein. Ich fühle... Schmerz, Verzweiflung, Angst dich für immer zu verlieren. Ich empfinde Ekel vor mir selbst, Hass auf meine Taten und ich würde mich aus lauter Wut am liebsten selbst zusammenschlagen, wenn ich das könnte, weil mir erst jetzt so richtig bewusst wird, zu was mich diese elende Stimme in den letzten Jahren getrieben hat und ich hatte überhaupt keine Macht darüber auch nur ansatzweise dagegen vorzugehen. Ich weiß, ich tue mich immer noch schwer damit, meine wiedergewonnenen Gefühle und Emotionen auch nach außen hin zu zeigen, aber du kannst mir durchaus glauben, wenn ich dir sage, dass mir das gerade unsägliche seelischen Schmerzen zufügt", beichtete er mir langsam und leise, während ich ihn für keine Sekunde aus den Augen ließ.
Er hatte sich zwar im Verlauf seiner Erklärung wohl wieder dazu entschlossen, sich von mir abzuwenden, aber ich tat das nicht. Ich hörte was er sagte, aber ich beobachtete ihn die ganze Zeit sehr aufmerksam. Jede Zuckung, jede Regung, jeder noch so kleine Hinweis und ich konnte sehr schnell sagen, dass er recht hatte. Er litt und das sogar unbeschreiblich schwer. Leidtun konnte er mir aber nur sehr schwer, auch wenn ich jetzt langsam zu begreifen schien, dass er tatsächlich keine Schuld an all den Gräueltaten trug, die er begangen hatte – in Nauks Namen. Zum Glück löste Sam mich ab und kam mir zuvor, um ehrlich zu sein hätte ich auch nicht gewusst, was ich dazu hätte sagen sollen.
„Und woher kommt das? Wieso gerade du? Wieso zwingt sie dich dazu? Was ist der Sinn dahinter?", überflutete sie ihn förmlich mit Fragen, während sie sich weiter an mir vorbei in den Raum bewegte und ihn neugierig anstarrte – irgendwie wirkte es fast schon pervers wie wissbegierig sie Antworten von ihm verlangte, so als ob es das Normalste auf der Welt war. Dass sie nicht noch ihren Fragebogen und einen Kulli zum Ankreuzen zückte war gerade noch ein Wunder.
„Das... kann ich dir nicht sagen, Sam", antwortete er knapp und schüttelte seufzend den Kopf – er meinte es wirklich ernst.
„Was soll das heißen du kannst uns das nicht sagen? Willst du nicht oder kannst du echt nicht?", überwand ich mich dann doch schlussendlich zu fragen, da von Samantha keine Reaktion mehr auf diese Antwort zu kommen schien – sie schwieg plötzlich.
„Ich würde sehr gerne, glaub mir, aber ich kann nicht. Ich weiß es nicht, ich habe zu keiner einzigen deiner Fragen eine Antwort, da ich dazu einfach nur riesengroße Lücken in meinem Hirn habe – ich habe die Befürchtung, dass ich die Erinnerungen daran genommen bekommen habe, verstehst du? Sie will nicht, dass ich den Ursprung kenne, damit ich mich nicht noch mehr dagegen wehren kann, als ich es eh schon getan habe in der Vergangenheit", berichtete mir der Mann, der immer mehr wieder zu der Person zu werden schien, die ich früher einmal gekannt hatte – bevor dieser Dämon Besitz von meinem Onkel ergriffen hatte. Zudem hörte ich immer stärker etwas in seiner Stimme heraus, was mich verunsicherte – Angst und Selbsthass.
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