Kapitel 9 - Fang
Er hatte es verkackt.
Fang wusste noch nicht wieso, aber die Art und Weise, wie sich Kayas Blick plötzlich verdüstert hatte und abwesend wurde, sprach Bände.
Und ihr Geruch hatte sich verändert. Wo er zuvor nur den süßen Geruch von absoluter Zufriedenheit und ehrlichem Interesse wahrgenommen hatte, hatte sich jetzt eine leicht säuerliche Note darunter gemischt und er musste sich echt wahnsinnig zusammenreißen, um nicht enttäuscht darüber das Gesicht zu verziehen.
"Tut mir Leid, ich-", setzte er an, aber sie schüttelte nur den Kopf und musterte ihn, als würde sie versuchen die ganze Wahrheit anhand seiner kleinsten Bewegungen nachzuvollziehen. Er blieb wie festgefroren stehen und wagte nicht zu atmen. Verdammt Maeve! Warum ließ sie ihn ausgerechnet jetzt im Stich! Er merkte, wie sich die Nervosität in ihm ausbreitete und seine Handflächen wieder anfingen zu schwitzen. Fang hatte absolut keine Ahnung, wie er in einer solchen Situation zu reagieren hatte und die vielen Stimmen, die laute Musik und die vielen unterschiedlichen Gerüche um ihn herum, machten seinen Wolf unruhig.
Ein Blick zu Maeve verrät ihm, dass sie seine Nervosität auch riechen musste, denn sie warf ihm einen fragenden Blick zu und hob beinahe spöttisch eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen, auf ihren Lippen stets ein amüsiertes Schmunzeln.
Mit einem Schlag wurde ihm klar, dass sie es gerade absolut genoss ihn an der ungewohnten Situation verzweifeln zu sehen und er würde sie am liebsten in ihre Schranken weisen, aber stattdessen stand er wie festgefroren da, als Kaya plötzlich einen Schritt auf ihn zu machte und ihm um einiges näher als noch zuvor war.
Musste wirklich toll für Maeve sein einen der geehrtesten Jäger des Rudels so unsicher zu erleben. Sie waren jetzt erst seit einigen Tagen in der Stadt, aber bisher hatte er nur an Maeve geklebt, die seine Rettungsleine in der freien Wildbahn der Stadt darstellte. Maeve musste es wirklich genießen einmal in ihrem Leben in der Hierachie des Rudels über ihm zu stehen. Tolle beste Freundin, die er da hatte.
"Hat Maeve dich zu mir geschickt?", fragte Kaya nun und ihre goldbraunen Augen bohrten sich fest in seine und sie wirkten entschlossen und als würden sie jede Lüge aufdecken wollen, die es nur wagte ihm über die Lippen zu gleiten.
Fang sah die Herausforderung in ihrem Blick und der Wolf in ihm brüllte - wollte sich ihr sofort stellen, aber er besann sich im letzten Moment eines besseren. Sie waren schließlich hier um Kaya zurück zu ihrem Rudel zu führen. Dafür brauchten sie ihr Vertrauen und davon war er gerade so weit wie eh und je entfernt. Er konnte es an ihrer Haltung sehen und daran, wie ihr Geruch diesen säuerlichen Unterton nicht mehr loszuwerden schien.
Er schüttelte den Kopf und hielt den intensiven Augenkontakt und willte seinen nervösen Wolf dazu, sich endlich zur Ruhe zu legen. Aus irgendeinem ihm unerkenntlichen Grund war er seit sie diesen Club betreten hatten und er Kaya erkannt hatte, total aus dem Häuschen. Er hatte selten so wenig Kontrolle über diese Seite von ihm gehabt, wie gerade eben. Und das konnte nicht nur an den überwältigenden Sinneseindrücken liegen, die auf ihn einprasselten.
"Maeve hatte kurz erwähnt, dass sie dich von der Arbeit kannte, aber sie hatte mich nicht dazu aufgefordert dich anzusprechen, wenn du das denkst."
Noch während er sprach, löste sich die plötzliche Anspannung in ihr und ihre Schultern lockerten sich. Ihrem stoischen Blick wich ein offenerer, weicherer und sie atmete sichtlich erleichtert aus.
Sein Wolf sprang wild im Kreis und kläffte ihn an, als der säuerliche Geruch ihres Duftes wieder verschwand und ihrem süßen, süßen Duft wich.
Er war nun schon lange genug auf dieser Welt und mit seinem Wolf eigentlich so im Reinen, dass er wusste, dass sein Wolf ihr näher sein wollte. Dass er ihren Duft mochte.
Und, dass ihn ihr tiefes Misstrauen in seine Motive kränkte. Als sie ihren Verdacht ausgesprochen hatte, hatte er sich wild geschüttelt und die Lefzen zurückgezogen. Und auch jetzt tigerte er in seinem Kopf missbilligend auf und ab und war bereit jeden Moment die Überhand über ihn zu nehmen. Wahrscheinlich waren es doch die vielen Eindrücke, die auf ihn einprasselten, aber er spürte, dass sein Wolf immer mehr Kontrolle übernahm und sich versuchte freizukämpfen.
Fang konnte sich hier unmöglich verwandeln, das würde sein Ende bedeuten und Maeve genauso in Gefahr bringen.
"Ich kann noch für mich selbst entscheiden, ob ich eine attraktive Frau ansprechen möchte oder nicht.", hörte er sich sagen, "Ich brauche dafür niemanden, der die Entscheidung für mich fällt."
Sein Wolf schnaubte zufrieden, als er Kayas Röte auf den Wangen wahrnahm und legte sich zum ersten Mal an diesem Abend hin. Und er selbst versuchte die aufwallende Panik herunterzuschlucken. Verdammt. Er wurde selten so von seinem Wolf übernommen, dass er nicht über seine Handlungen nachdachte, aber er musste dringend mit Maeve sprechen, um sie zu warnen.
Der Abend war noch früh, aber es wäre besser für ihn, wenn er aus diesem Club rauskäme und vielleicht eine Runde im nahegeliegenen Wald sprinten konnte.
"Sorry.", murmelte Kaya und legte ihre Hand entschuldigend auf seinen Arm, "Magst du tanzen?"
Fang konnte nicht tanzen. Und er hatte kaum noch Kontrolle über sich selbst. Aus den Augenwinkeln nahm er wiederholt Maeves fragenden Blick wahr, die ihn jetzt mit hochgezogener Augenbraue musterte. Sie musste etwas bemerkt haben, alle Belustigung war aus ihren Zügen verschwunden. Ihre Lippen formten Worte, aber er konnte sie unter dem lauten Gebrüll der Musik nicht verstehen und überhaupt, jetzt wo Kaya ihm noch ein Stück näher war - ihre Hand immer noch auf seinem Arm - wurde alles von ihrem süßlichen Duft überschwemmt.
Er räusperte sich und bemühte sich um ein Lächeln. Sein Kopf nickte, wie von ganz alleine und er hatte absolut keine Ahnung, in was er sich gerade manövriert hatte. Fuck.
"Ich bin gleich wieder da, ja?", sagte er und deutete mit dem Kopf in Richtung Toilette, um sich etwas Zeit zu verschaffen. Zeit, die er dringend brauchte um mit Maeve zu sprechen. Dringend.
Kaya nickte lächelnd und gesellte sich in der Zwischenzeit zu ihrer Freundin und er atmete erleichtert aus, als Maeve sich aus der Gruppe löste und ihn sanft am Arm berührte, um ihr zu folgen.
"Was zur Hölle war das, Fang?", zischte sie und sah ihn aus großen Augen an, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen.
„Was war was?", fragte er und fuhr sich mehrere Male durch die Haare, um sich selbst zu beruhigen. Maeve schien das Ausmaß seiner Verfassung erst jetzt wahrzunehmen, denn ihre Augen wurden wenn möglich noch ein wenig größer, bevor sie näher zu ihm trat und ihm eine Hand in den Nacken legte. Er spürte wie ihr Wolf seinen mit der Nase an genau derselben Stelle anstupste und er nahm etwas benebelt wahr, wie sie versuchte ihn durch ihren Duft zu beruhigen.
"Dein... du...", sie schüttelte ungläubig den Kopf und blieb stehen um ihn genauer unter die Lupe nehmen zu können, "Du hast noch nie so stark gerochen, wie gerade eben. Ich habe gedacht, es wäre etwas passiert, verdammt. Geht es dir gut?"
"Ich glaube, mein Wolf hat gerade eben versucht auszubrechen.", gestand er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, "Ich stand wirklich super kurz vor der Verwandlung und fuck...! Maeve! Sie möchte tanzen! Ich kann nicht tanzen, ich weiß nicht, was Menschen daran finden, aber ich kann es nicht! Und sie wird was merken, nicht wahr? Dass ich seltsam bin? Was, wenn mein Wolf tatsächlich ausbricht und ich die Kontrolle über eine Verwandlung verliere? Was würde passieren, wenn plötzlich in der Mitte des Clubs ein Wolf steht? Sie würden schießen oder?"
Maeve atmete einmal tief durch und schloss für einige Sekunden die Augen, bevor sie langsam nickte: „Du denkst, das gerade eben hat mit Kaya zu tun?"
„Ich kann nicht mit ihr tanzen.", murmelte er, mit den Gedanken wieder bei der Art und Weise, wie er die anderen Clubbesucher beim Tanzen beobachtet hatte. Menschen waren seltsam. Wer wollte in aller Öffentlichkeit derart intim sein?
Natürlich gab es im Rudel auch einige Annäherungsversuche, aber die liefen in der Regel etwas gesitteter oder zumindest weit entfernt von fremden Augen statt.
Er wusste nicht, ob diese Art der Nähe jetzt förderlich wäre. Erst einmal musste er seinen Wolf unter Kontrolle bringen.
„Okay, okay! Atme ein paar Mal tief ein und wieder aus, Fang.", Maeve hatte ihn in der Zwischenzeit an beiden Oberarmen gepackt und schüttelte ihn wieder ins hier und jetzt, „Wir können jetzt nicht so plötzlich verschwinden. Das wäre noch viel seltsamer. Ich weiß, dass all die neuen Eindrücke dich gerade etwas überfordern, aber du schaffst das. Du bist charmant und man kann sich leicht mit dir unterhalten, Fang. Geh ein wenig mit ihr Tanzen und dann gehen wir. Sie hat morgen sicher auch eine Schicht zu arbeiten und wird nicht zu lange bleiben wollen."
Er nickte, aber wusste noch nicht so genau, ob er auch wirklich daran glaubte.
Als Maeve seinen unsicheren Blick zur Bar bemerkte, wo Lili und Kaya gerade ausgelassen über etwas lachten, breitete sich ein amüsiertes Schmunzeln auf ihrem Gesicht aus und sie wackelte anzüglich mit den Augenbrauen:
„Go get her, Pup."
★★★
Mit Kaya tanzen war anders, als er es erwartet hatte. Kaum hatte er die Bar erreicht, hatte sie ihn an den Armen kichernd zur Tanzfläche gezogen und ihm zugeflüstert, dass sie absolut kein Gefühl für Rhythmus hatte und es hier nur um den Spaßfaktor ginge.
Sie hatten zuerst ein wenig gebraucht um warm zu werden, aber jetzt, wo auch Lili und Maeve zu ihnen gestoßen waren, hüpfte Kaya wild auf und ab und sang lauthals den Song mit, der im Hintergrund durch die Boxen schallte.
Sie hatte einen Arm um Lili geschlungen und irgendwann wie selbstverständlich nach seiner Hand gegriffen und ihre verschränkten Hände - sehr zu Maeves Belustigung - in die Luft gestreckt.
Der Alkohol musste die Stimmung etwas aufgelockert haben. Maeve hatte ihn bereits zuvor vor den sprudelnden Getränken gewarnt.
Es war befreiend und unverbindlich und er musste sich eingestehen, dass er sich zu viele Sorgen um das Ganze gemacht hatte und hier auf der Tanzfläche mit ein bisschen Bewegung endlich etwas von der Anspannung abschütteln konnte, die ihn den gesamten Tag über im Nacken gesessen hatte.
Kayas Augen funkelten im Licht der Scheinwerfer und die vielen Pailletten ihres Kleiders glitzerten mit ihnen um die Wette. Sie sah umwerfend aus und er war sich sicher, dass noch nie eine Frau so schnell seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, wie sie. Noch dazu eine Menschliche.
Das Kleid, das sie trug, schmiegte sich eng an ihren Körper und betonte genau die richtigen Stellen und er konnte seine verfluchten Augen einfach nicht von ihr lassen.
Immer und immer wieder trafen sich ihre Blicke, als sie ihn beim Starren erwischte und der rote Schimmer auf ihren Wangen, ließ ihn verlegen schmunzeln.
Vielleicht bereute er es mittlerweile auch ein bisschen, nicht doch eng umschlungen wie die anderen Paare im Club mit ihr getanzt zu haben.
Aber das hatte Zeit. Er schwor sich innerlich, dass er das ein anderes Mal mit ihr nachholen konnte.
Erst einmal musste er es schaffen seinen eigenen Wolf bei so vielen neuen Eindrücken unter Kontrolle zu bekommen und Maeves vielsagenden Blicken auszuweichen. Oh, er war sich sicher, sie hatte noch einiges zu den neuesten Ereignissen zu sagen und würde ihn heute bis spät in der Nacht amüsiert mit Fragen löchern, für die er noch keine Antworten hatte.
In ihren Augen würde der Schelm nur so blitzen und er war sich sicher, dass sie auch in den nächsten Tagen keine Gelegenheit auslassen würde, um ihm das alles unter die Nase zu reiben. Verdammt, das hatte er sich wirklich selbst eingebrockt. Er und sein scheinbar liebesbedürftiger Wolf.
Als es Zeit war zu gehen, warf Kaya ihnen einen enttäuschten Blick zu, drückte Maeve kurz an sich und blieb dann mit fragendem Blick vor ihm stehen, ihre Augen auf seine fixiert.
„Kann ich deine Nummer haben?", sie schüttelte über sich selbst den Kopf, als wäre ihr die Frage unfassbar peinlich, „Damit wir in Kontakt bleiben? Wir könnten uns treffen?"
Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht, als er sie dabei beobachtete und er würde ihr diesen Gefallen unglaublich gerne tun, aber da wäre noch das Problem, dass er selbst noch gar kein Handy besaß. Maeve und er wollten sich am Wochenende darum kümmern, weil sie meinte, dass es besser so wäre. Sie wussten schließlich nicht, wie lange sie hier in der Stadt sein mussten, bis Kaya zurück zu ihrem Rudel kommen würde. Sie mussten sich in der Zwischenzeit so gut wie möglich anpassen, um nicht aufzufallen und er hatte ihr vollkommen zugestimmt.
„Ich habe derzeit kein Handy.", murmelte er und sah auf ihrem Gesicht für einen Bruchteil einer Sekunde Verwirrung aufblitzen, „Ich hatte vor mir am Wochenende eines zu besorgen. Vielleicht kannst du derweil auf Maeve zurückgreifen? Dann lasse ich dir meine neue Nummer zukommen?"
Shit. Machte das Sinn? War das zu auffällig?
„Äh, klar.", Kaya sah nicht gerade überzeugt aus und ihr Blick richtete sich enttäuscht zum Boden, als hätte er sie zurückgewiesen. Was er nicht hatte!
Seine Gedanken überschlugen sich dabei eine Lösung für dieses plötzliche Problem zu finden und sein Wolf tigerte unruhig auf und ab, als wartete er nur auf seinen großen Sprung, zu dem er ansetzte.
„Warte.", sagte er und kramte hektisch den Kugelschreiber aus seiner Jackentasche, den Maeve ihm heute Morgen geliehen hatte, „Schreib deine auf. Ich rufe dich an, sobald ich mein neues Handy habe."
Er legte alle Aufrichtigkeit, die er konnte, in seinen Blick, als er ihr den Kugelschreiber reichte und seine Hand hinhielt und hoffte, dass er sie nicht bereits verkrault hatte.
Aber da tauchte wieder ein kleines unsicheres Lächeln auf ihren Lippen auf und sie kritzelte ihre Nummer auf seine Hand.
Fuck, fuck, fuck.
Er musste sich wirklich besser anpassen.
***
A/N: Fang bekommt einfach einen Kulturschock nach dem anderen, der Ärmste.
Ab Montag bin ich eine Woche in London, deshalb kann ich nicht versprechen, dass die Updates immer zur selben Uhrzeit erscheinen. ❤️
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro