Kapitel 31 - Kaya
Fang und Kaya hatten es nach dem Training nicht geschafft noch am selben Tag miteinander zu reden.
Stattdessen hatte Rosa nach ihrer Hilfe mit den Verletzten gefragt und sie hatte Fang einen wehmütigen Blick zugeworfen, bevor sie der Blondine in ihre Hütte gefolgt war und stundenlang Verbände gewechselt und Wunden gewaschen und gesäubert hatte.
Fang war es sicherlich nicht anders ergangen. Sie hatte später gehört, dass er zusammen mit Eric und Xandyr auf die Jagd gegangen war, um das Rudel zu versorgen.
Die Tage wurden immer kürzer und Kaya immer nervöser. Mit jedem Trainingstag, der verstrich, fühlte sie sich zwar besser auf den bevorstehenden Angriff des Berg-Rudels und ihre Aufgabe vorbereitet, aber sie hatte dennoch ein ungutes Gefühl.
Fang hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, ihr die zahlreichesten Tricks und Tipps zu geben und hatte Eric zum Training hinzugezogen, nachdem er etwas davon gemurmelt hatte, dass sie an einem weiteren Gegner üben sollte, dessen Bewegungen ihr fremder waren, als seine eigenen.
Und jetzt saß sie mit schmerzenden Gliedern und einem nervösen Rumoren im Magen auf der Lichtung und starrte zu Fang, der sich müde über das Gesicht fuhr und immer wieder hin und her marschierte, während das gesamte Rudel sich um sie versammelt hatte und darauf wartete, dass er seine Ideen mit ihnen teilte.
Fang wirkte gestresst. Seine Wangen zierten dunkle Augenringe und ein dunkler Bartschatten, der sie daran erinnerte, wie aufopferungsvoll er sich in den letzten Tagen um das Rudel gekümmert hatte, während er selbst den Verlust seiner Schwester und seiner Nichte Zeze, sowie der Ältesten Timea noch nicht einmal ansatzweise verarbeitet hatte.
Ever - Erics Gefährtin, wie sie mittlerweile wusste - räusperte sich und sorgte dafür, dass sich alle Augen auf sie richteten. Sie fuhr sich etwas aufgeregt durch ihr stumpfes Haar und fixierte dann erst sie und dann Fang, bevor sie sprach:
„Morgen müssen wir die Welpen in Sicherheit gebracht haben. Wir dürfen das Risiko nicht eingehen, dass sie während des Angriffs hier sind."
Alle nickten - inklusive ihr selbst. Das Anliegen war verständlich und eines, dass in den letzten zwanzig Minuten der Versammlung bereits einmal von Rosa erwähnt worden war, die direkt neben ihr saß und immer wieder nervös an ihren Nägeln kaute.
„Wo sollen wir sie hinbringen? Sie sind hier nirgends sicher.", warf Dako ein, der in den letzten Tagen um ein zehnfaches gealtert zu sein schien. Kaya hatte ihn kaum wieder erkannt, als sie ihn gestern das erste Mal wieder gesehen hatte. Er war nur noch eine leere Hülle seines einstigen Selbst. Aber auch er hatte seine Frau verloren.
„Vielleicht die Höhle ganz am Rande unseres Territoriums?", die Worte aus Evers Mund klangen eher wie eine Frage. Fang schüttelte sofort den Kopf und auch Xandyr warf ein „Auf gar keinen Fall" ein. Dann herrschte für einige Sekunden betretenes Schweigen und Kaya, in der sich bereits eine Idee geformt hatte, rutschte unruhig hin und her, bevor sie aufstand und sich laut räusperte.
„Ich hätte da eine Idee.", sagte sie und stellte sich neben Fang, um ihm sanft eine Hand auf die Schulter zu legen und damit sein ewiges hin und her zu beenden, dass sie noch nervöser machte, als sie das sowieso schon war. Alle Augen richteten sich auf sie und sie merkte, wie sich ihre Wangen im Angesicht der plötzlichen Aufmerksamkeit sofort rot färbten.
Daran musste sie sich wohl gewöhnen.
Das Rudel hatte bald herausgefunden, dass sie die verlorene Tochter ihrer einstmaligen Alpha war und damit ein potenzielles Anrecht darauf hatte, dieses Rudel zu führen.
Der Gedanke hatte sie in den letzten Nächten lange verfolgt und sie war noch zu keiner Entscheidung gekommen, wie sie mit diesem Erbe umzugehen hatte. Sie würde dem Rudel helfen, aber sie wusste nicht, ob sie schon bereit dazu war, so viel Verantwortung zu übernehmen. Das hatte sie auch schon mit Fang und Dako besprochen, die beide beteuert hatten, dass sie hinter ihrer Entscheidung stehen würden - egal, wie sie ausfallen würde.
Das alles änderte allerdings nichts daran, dass das Rudel sie akzeptierte und große Hoffnungen in sie setzte, unter denen sie sich manchmal etwas erdrückt fühlte. Also atmete sie noch einmal tief durch um sich zu sammeln. Fang griff nach ihrer Hand und drückte sie zustimmend und das war das letzte Fünkchen Unterstützung, das sie gebraucht hatte, um ihre Idee in die Welt auszusprechen.
„Ich habe mit meiner Freundin Lili ein Haus ganz am Waldrand.", begann sie und beobachtete, wie sich Ever aufrechter hinsetzte und Rosa überrascht die Augen aufriss, „Das Rudel geht sicher nicht davon aus, dass die Welpen bei Menschen untergekommen sind. Lili weiß Bescheid. Über mich, meine ich. Über die Gestaltswandler."
„Ist sie vertrauenswürdig?"
Kaya nahm die Frage nicht persönlich. Sie konnte sie gut verstehen, auch wenn sie ihre beste Freundin am liebsten sofort in einer brennenden Verteidigungsrede verteidigt hätte. Gemurmel und Getuschel ging durch die Runde.
„Ich vertraue ihr.", entgegnete sie entschlossen und drückte ihren Rücken durch. Fang nickte neben ihr bestätigend, als wollte er ihre Aussage unterstreichen und das Gemurmel nahm etwas ab.
„Maeve kann bei ihr bleiben. Und wenn ein weiterer von euch zur Sicherheit dort bleiben könnte, dann wären sie dort sicher am sichersten, während wir hier bleiben und das Berg-Rudel überraschen.", ergänzte sie nun mutiger und beobachtete, wie erneut Gemurmel durch die Runde ging. Fang drückte anerkennend ihre Hand und sie wandte ihren Blick zu ihm und lächelte ihn kurz an, was er sofort erwiderte. In seinen Augen stand Stolz und Wärme flutete ihren Körper bei seinem Anblick.
Dann atmete sie erleichtert ein, als Xandyrs Hand nach oben schoss und er von seiner Stelle aufstand, von der er die meiste Zeit über geschwiegen hatte.
„Ich würde auf die Kleinen aufpassen.", sagte er und sie spürte fast sofort, dass das gesamte Rudel vor Erleichterung tief ausatmete. Es war unverkennbar, dass das Rudel mit der Idee einverstanden war.
Kaya ließ ihren Blick über die versammelten Mitglieder wandern. Ever nickte. Xandyr hatte seine Hand immer noch hoch erhoben und ein bestimmter Gesichtsausdruck zierte sein Gesicht. Dako grummelte Worte der Zustimmung und als sie einen Blick auf Rosa warf, streckte diese ihr mit einem zaghaften Lächeln einen erhobenen Daumen entgegen.
„Dann ist es beschlossene Sache.", sprach Fang an ihrer Stelle und ihre angespannten Schultern fielen erleichtert herab, als sich die Aufmerksamkeit der anderen wieder von ihr wendete und jemand anderes im Fokus stand. Dennoch blieb sie neben Fang stehen, um ihm den gleichen Beistand zu geben, während er Frage um Frage seines Rudels beantwortete und ihnen seine Strategien erklärte, über denen er die vergangenen Tage gebrütet hatte.
★ ★ ★
Kaya hob den letzten kleinen Welpen hoch und drückte diesen beschützerisch an ihre Brust, während Fang und Xandyr die restlichen Welpen in kleinen Körben gesammelt hatten und diese nun hochhoben und ein letztes Mal zählten, bevor sich Xandyr vom Rudel verabschiedete und ihnen viel Glück wünschte.
Dann machten sie sich zu dritt auf den Weg durch den Wald zu Kayas Zuhause, wo Maeve und Lili seit Tagen auf eine Nachricht von ihnen warten mussten.
„Und diese... Lili?", Xandyr, der ein Stück vor ihnen lief warf ihr über seine Schulter einen skeptischen Blick zu, „Sie weiß über wirklich alles Bescheid?"
Fang warf seinem Freund einen Blick zu, der ihn wahrscheinlich zur Vorsicht mahnen sollte, den Xandyr aber vollends zu ignorieren schien.
Kaya lächelte bei dem Gedanken an ihre Freundschaft.
„Lili kam von der Arbeit nach Hause, als ich mich zum ersten Mal verwandelt habe. Fang und Maeve haben sie aufgeklärt, während ich mich erholt hatte." Es fühlte sich an, als wäre das alles in einem anderen Leben passiert, dabei war es nicht einmal eine Woche her. Kaya strich abwesend durch das weiche Fell des Welpen, den sie trug und um den sie ihre Jacke gewickelt hatte, nachdem er unaufhörlich angefangen hatte zu zittern.
„Ich weiß, du sagtest, man kann ihr vertrauen, aber wird sie hiermit einverstanden sein?", Xandyr zeigte auf die Körbe in ihren Händen, in denen die Welpen dicht aneinander gekuschelt lagen und mit großen Augen die Umgebung betrachteten. Auch Zaza lag zwischen ihnen. Die Kleine hatte die Augen geschlossen und schien zu dösen.
„Wie soll sie hierzu nein sagen?", fragte Kaya scherzhaft und deutete mit dem Kopf auf das Bündel Fell in ihren Armen, aber Xandyr schnaubte nur kurz.
Fang schwieg auf dem gesamten Weg zu ihrem Haus und sie war sich sicher, dass er in seinen Gedanken so tief verwickelt war, dass er nicht einmal seine Umgebung wahrnahm.
Kayas Atem bildete Wölkchen in der kalten Luft und sie schlang die Arme enger um den Welpen in ihren Armen, bevor sie zitternd die Klingel betätigte und auf die Schritte hinter der Haustür lauschte.
„Sie sind es!", erkannte sie Maeves Stimme und dann hörte man Schritte die Treppe hinunter donnern und die Haustür wurde aufgerissen und ihre beste Freundin flog aus der Haustür auf sie zu und schlang die Arme um sie, während ein Wasserfall an Worten sich über ihre Lippen ergoss, von denen Kaya kein einziges Wort verstand.
Bei dem plötzlichen Auftritt ihrer Freundin waren die Welpen verstummt und Xandyr hatte ein kurzes Grummeln verlauten lassen, das Lili dazu bewegte, Kaya loszulassen und die Truppe zum ersten Mal richtig zu mustern.
Die Blondine riss überrascht die Augen auf und ließ sie über jeden einzelnen von ihnen wandern, bevor sie an den Körben hängen blieb.
„Wir erklären es euch gleich.", beeilte sich Fang zu sagen, der aus seiner Trance erwacht zu sein schien und den Korb fester umgriff. Lili trat sofort einen Schritt zur Seite um sie einzulassen, aber nicht bevor sie Kaya einen vielsagenden Blick zu warf.
Kaya bedeutete Xandyr und Fang einzutreten und folgte den beiden ins Warme, wo sie nun auch Maeve erkannte, die ihre Arme zuerst besorgt um Fang schlang, bevor sie auch Xandyr begrüßte und dann in einem Anflug von wachsender Besorgnis die Körbe inspizierte.
„Das sieht nicht gut aus.", hauchte sie und sah fragend zu Fang, der als Antwort das Gesicht verzog und langsam zur Bestätigung nickte.
„Wir wurden angefallen.", erklärte er und Maeve wurde gespenstisch blass, während Lili scharf die Luft einzog.
Kaya beobachtete ihre blonde Freundin dabei, wie sie sich vorsichtig über einen der Körbe beugte und ihre Augen immer größer wurden. Im Zeitlupentempo streckte sie ihre Hand nach einem der Welpen aus und ihre Augen funkelten dabei fasziniert. Kaya musste trotz der angespannten Situation unwillkürlich lächeln, als Lili vorsichtig ihre Finger über das Fell der Welpen gleiten ließ. Lili hatte schon immer ein Faible besessen für alles das Fell und vier Beine besaß.
„Vorsicht.", auf Xandyrs Lippen breitete sich ein amüsiertes Lächeln aus und er beugte sich ebenfalls nach unten, „Sonst hast du gleich einen Finger weniger."
Lili zog sofort entsetzt ihre Hand zurück und hielt sie sich an die Brust, als hätte sie sich verbrannt und Kaya hob eine Augenbraue hoch, als Xandyr in schallendes Gelächter verfiel. Sie schüttelte über ihn und sein Verhalten den Kopf und warf ihrer besten Freundin einen entschuldigenden Blick zu. Das konnte ja etwas werden, wenn sie Xandyr hier zurückließen.
Sie schluckte und wandte sich nun Maeve zu, die in der Zwischenzeit wohl alle wichtigen Informationen über das Rudel von Fang erhalten hatte. Ihre Haut hatte einen leichten grünlichen Schimmer angenommen und ihren Augen standen Tränen, die sie mit Gewalt versuchte zu unterdrücken. Kaya trat einen Schritt auf sie zu und legte ihr mitfühlend eine Hand auf die Schulter.
Sie konnte das schlechte Gewissen in ihren Augen ablesen. Vermutlich zerriss sie sich bereits den Kopf darüber, ob sie nicht einiges hätten verhindern können, wenn sie gemeinsam mit Fang und Kaya aufgebrochen gewesen wäre.
„Sie planen einen weiteren Angriff, Mae." Fang fuhr sich durch die Haare und stellte jetzt endlich den Korb ab, wo die Welpen bereits unruhig zu werden schienen und einige neugierig den Kopf aus dem Korb streckten, um ihre Umgebung zu erkunden.
„Xandyr bleibt bei euch und ihr müsst auf die Welpen aufpassen."
„Ihr braucht jeden ausgewachsenen Wolf, den ihr haben könnt. Ich komme mit.", Entschiedenheit sprach aus jedem Wort, das Maeves Mund verließ.
„Nein. Die Welpen und Lili brauchen euch beide hier.", entgegnete Fang und es war mehr als nur deutlich, dass er keine Widerworte dulden würde.
Maeve schüttelte darüber frustriert den Kopf und wandte sich schnaubend und schimpfend zu Xandyr - vermutlich um Zustimmung von ihm zu finden. Aber der beobachtete immer noch grinsend Lili, die jetzt vollkommen verzückt Zaza auf den Armen hielt und ihr über das kleine Köpfchen strich.
„Es ist besser so.", fügte sie etwas sanfter hinzu und aus Maeves Gesicht verschwand jeglicher Kampf. Sie war bereits überstimmt. Das Rudel hatte entschieden. Und die Welpen waren hier und benötigten ihren Schutz. Kaya sah, dass sie verstand, dass es beschlossene Sache war.
„Pass darauf auf, dass Xandyr sich benimmt.", flüsterte Kaya in das Ohr der Rothaarigen und ein kleines Schmunzeln zuckte über ihre Lippen. Kaya fühlte sich sofort besser.
„Morgen um diese Zeit entscheidet sich alles. Wenn von uns keiner zurück kommt, schnappt euch die Welpen und sucht euch einen sicheren Ort.", Fang hatte wieder begonnen hin und her zu wandern und bei seinen Worten wurde es Kaya sofort wieder flau im Magen.
„Davon will ich nichts hören, Aarling.", fauchte sie und in ihren Augen schimmerten abermals die Tränen.
„Bitte, Mae."
Maeve biss sich auf die Lippen und wischte sich hastig die Tränen aus den Augenwinkeln. Sie nickte schwach, bevor sie sie beide ein letztes Mal in den Arm nahm und fest an sich drückte.
„Ich verspreche es. Aber ihr müsst versprechen, dass ihr alles versuchen werdet, um zu überleben."
„Versprochen.", murmelte Kaya sofort.
Morgen würde das alles ein Ende finden. Und sie betete, dass es für sie alle ein gutes Ende finden würde, während sie sich von ihren Freundinnen verabschiedete und sich gemeinsam mit Fang wieder auf den Weg zum Rudel machte. Auf den Weg ihre Prophezeiung zu erfüllen.
***
A/N: Es ist so weit ahhhh!
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