Seven ~ Introvert
"Kauf das", befahl er mir, als ich mich skeptisch vor dem Spiegel begutachtete. "Es sieht verdammt gut aus, Honey!"
"Ich weiß nich-" Ash stand auf und schob mich wieder in die Umkleide. "Gut, dass wir das geklärt haben. Du kaufst es."
Ich schüttelte meinen Kopf, als ich mir das enge Top über den Kopf zog und hing es wieder an den Kleiderbügel. Ein weiteres Shirt würde nicht schaden und Ash würde somit Ruhe geben, also entschied ich mich dazu, das schlichte, aber gleichzeitig gewagte Top zu kaufen. Ich schob den Vorhang zur Seite und erblickte einen grinsenden Ash. Er wusste, dass er mich dazu überredet hatte und ritt auf seinem Einhorn des Triumphs. "Dank mir wirst du zum größten Hingucker von ganz San Diego."
"Dank dir werde ich die erste Tusse, die sich wegen einem homosexuellen Freund von der Brücke stürzt." Ash tat so, als würde er meinen Konter nicht wahrnehmen und entnahm mir den Kleiderbügel.
Mit kleinen Schritten folgte ich ihm und zückte meine Kreditkarte aus dem Portemonnaie. Ich bezahlte und nahm den Plastiksack dankend entgegen. "Vielen Dank fürs Zahlen...", murmelte ich und griff nach seinem Unterarm, da er schon wieder loslief. Ich versuchte also mit ihm mitzuhalten. "Ich bin dein schwuler, bester Freund. Nicht dein Crush." Er scherzte oft darüber.
"Vielleicht bist du es ja in meinen Augen", gab ich schmunzelnd von mir und funkelte ihn an. Er lachte und nebeneinander liefen wir durch die große Einkaufshalle. Ich war nur hier, weil ich die Tatsache, dass Ash meinetwegen Nachsitzen musste, so wieder gutmachen konnte. Auf etwas anderes kam er nicht, denn er wusste genau, dass ich es nicht mochte in Läden zu gehen, da ich mich dort immer beobachtet fühlte.
"Du brauchst noch Schuhe, oder?" Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, als Ash mich verschmitzt ansah. "Nei-"
"Gut, komm!" Er zog mich an der Hand hinter sich her und mit wenigen Schritten stand ich in mitten vom Snipes. Meine Eltern hatten zwar Geld, aber das hieß noch lange nicht, dass ich mir mit den Geldscheinen den Arsch putzen würde. Ich war eigentlich eher sparsam und es tat mir schon weh 45 Dollar für ein Top auszugeben, das kaum 2/3 von meinem Oberkörper bedeckte.
Ich war also ziemlich froh, als ich Ash wieder aus dem Laden bekam und er hielt sich mit verkorksten Gesichtsausdruck den Bauch. "Hunger?"
"Hunger", bestätigte er und sah sich um, da wir von einer Unmenge an Bistros umgeben waren. "Ich aber nicht..."
"Mein Beileid." Ashton lief einfach los und verschwand im Vapiano. Sein Ernst?
Ich stolperte ihm hinterher und wurde von allen Seiten angerempelt. Dieser Sauladen war auch immer komplett überfüllt. Ash holte sich eine Karte und ließ sie geschickt von einem Finger zum anderen gleiten. Ich verstand heute noch nicht, wie er das tat, denn es schien alles andere als möglich. Er versuchte schon seit mehreren Jahren mir das beizubringen, aber daraus würde nichts werden. Vor allem auch, weil ich es ja nicht mal hinbekam Klavier zu spielen.
Ich hielt Ausschau nach einem kleinen Tisch und fand keinen, also stellte ich mich einfach neben meinen besten Freund und umgriff seinen Arm. Unter so vielen Menschen erlitt ich oftmals kleinere Angstschübe. Ich fühlte mich bedrängt und von allen Seiten beobachtet. Ash wusste dies und rahmte mich mit seiner breiten Statur ein wenig ab. Er sah lächelnd auf mich herab. Seine braunen Augen lösten sich aber von mir, als er aufgerufen wurde und als hätte er es schon seit Jahren auf der Zunge, ließ er seine Bestellung über seine Lippen kommen.
Ich lächelte der Angestellten schüchtern zu, als sie bemerkte, dass ich mich an Ash klammerte und ließ mich dann von ihm mitziehen. Er hatte nämlich einen kleinen Tisch gesichtet. Meine Tasche plumpste auf diesen und geschafft ließ ich mich auf den gepolsterten Stuhl fallen.
~
Eifrig griff mein Lockenkopf nach seiner Gabel und wickelte die Nudeln um sie herum. Ich sah ihm lächelnd zu. Er mutierte zu einem kleinen Kind, wenn er Essen bekam. Kauend hob er seinen Blick an und langte nach seinem Glas, welches mit Cola gefüllt war.
Er hielt mir das Glas hin, als er bemerkte, wie ich es anstarrte. Dankend nahm ich es entgegen und nahm einen Schluck. "Hast du gewusst, dass dieser Daniel Millers wieder aus dem Spital raus ist?"
Kopfschüttelnd stellte ich das Glas an seinen Platz zurück und sah Ash erwartungsvoll an. "Ja, gestern wurde er anscheinend entlassen. Er liegt, glaube ich zu Hause, da es ihm noch nicht blendend geht, aber er hatte genug vom Krankenhaus."
"Wie er will. Hoffen wir einfach, dass diese Idioten ihn nicht heimsuchen."
"Ich hoffe die finden diese Bastarde. Ich bekomme fast die Krise, wenn ich daran denke, dass dir dasselbe passieren könnte. Versprich mir einfach, wenn du diesen berüchtigten Kay Adams siehst oder einfach etwas Gefährliches bemerkst, renn bitte weg."
Ich nickte zur Antwort. Auch wenn Ash vom anderen Ufer war, wusste er genau, wie man einen Kinnhaken verteilte oder jemandem Feuer unterm Arsch machte. Mit ihm war also nicht zu spaßen, wenn es um Leute ging, die ihm wichtig waren.
Äußerlich konnte man Ash überhaupt keine Sexualität zuteilen. Er sah wie ein normaler Junge aus. Nicht das Homosexuelle anders aussahen, aber damit meine ich, dass er dem Klischee nicht wirklich zutraf. Außer er wollte mich provozieren und zog die lächerliche, pinke Sonnenbrille an. Aber dieses Verhalten kam eher von seiner Persönlichkeit, die ihn, in meinen Augen ganz besonders machte. Sie leitete sich ganz und gar nicht von seiner sexuellen Orientierung ab. Er war schon vor seinem Outing extrem lustig und verpeilt.
Nur wenn man Ash besser kannte oder er es gezielt zeigen wollte, erkannte man, dass er an Mädchen nichts zu begehren hatte. Mir gegenüber hatte er schon immer einen ausgeprägteren Beschützerinstinkt und oftmals hatte er schon einen Arm um meine Schultern gelegt und tat so, als wäre er mein Freund. Dafür war ich ihm mehr als nur dankbar, denn die Typen, die sich an mir vergreifen wollten, waren entweder extrem notgeil, sturzbesoffen oder beides zusammen. Normal würde mich kein Junge interessant finden.
Meine Gedanken umschlangen Ash's Worte von vorhin und ich lächelte ihm entgegen.
Ich war mir bewusst, dass ich mit kriminellen Personen, wie diesem Kay Adams, die Wege nicht kreuzen wollte. Wie er aussah, wusste ich nicht, aber ich denke, das war auch besser so. Denn so würde er, wenn er tatsächlich in meiner Nähe wäre, nicht meine Neugier erwecken.
Ash schob seinen Teller weg und sah mich zufrieden an. Der Hunger des Löwens war also gestillt. Ich trank seine Cola komplett aus und gefolgt von ihm, lief ich aus dem Vapiano. Draußen musste ich aber auf Ash warten, da er beim Ausgang noch bezahlen musste. Während er sein Portemonnaie in seine Hosentasche gleiten ließ, sah er sich um und blieb genau vor mir stehen. "Was jetzt?"
Ich zuckte mit den Schultern und griff nach meinem Handy, da es vibrierte. Zögerlich hielt ich es mir ans Ohr, da Mom am anderen Ende war und sie im Moment nicht wirklich gut auf mich zu sprechen war. "Wann hat die Madame vor nach Hause zu kommen?"
Ich verdrehte die Augen, als Ashton mich fragend musterte und ich deutete ihm, kurz zu warten. "Ich bin erst vor zwei Stunden losgegangen."
"Trotzdem will ich, das du sofort Heim kommst."
Ich schnaubte empört und holte Luft. "Warum? Ich bin mit Ash hier. Ich kann ihn nicht einfach stehen lassen. Er braucht noch ein paar Sachen!"
Laut meines Wissens musste er noch eine Jacke kaufen, da er die letzte auf einer Party verloren hatte. Ich trauerte ihr mehr nach als er, denn sie war oftmals der Retter in meiner Not. Sie hatte mich öfters vor dem Erfrieren erspart und dazu war sie verdammt flauschig. "Ash ist alt genug um sich die Sachen selbst zu kaufen. Du kommst jetzt nach Hause!"
Meine Wut auf meine Erzeugerin stieg an. Wenn er alt genug war, war ich es ebenfalls. Dies sagte ich ihr, aber sie verneinte, da ich ja ein Jahr jünger war. In meinen Augen machten diese 10 Monate keinen Unterschied und so ganz nebenbei, war ich sowieso verantwortlicher als der Lockenkopf. Meine Mom wollte also einfach den Macker raushängen lassen und mir auf die Nerven gehen.
Genervt stimmte ich dann doch zu und legte auf. Ashton wusste bereits, was los war und sah mich mit seinen großen Welpenaugen an. "Du weißt, dass, wenn ich jetzt nicht nach Hause gehe, sie mir das Klavier nachwerfen wird."
Ash sah mich zuerst perplex an, als er es sich aber bildlich vorstellte, prustete er darauf los. Auch ich kicherte und langte nach dem Plastiksack, den ich auf den Boden gelegt hatte. "Geh schon. Ist nicht schlimm. Ich schicke dir Bilder von den Jacken. Du musst mir helfen. Ich kann mich nämlich nie entscheiden." Er breitete seine Arme aus und zog mich an seine Brust. Ich sog seinen Duft ein und lächelte. "Wünsch mir Glück", gab ich murmelnd von mir, als ich an den Ton meiner Mutter dachte. Sie war genervt und dazu hatte sie wahrscheinlich noch verdammt viel Stress wegen der Firma. Da brauchte sie jemanden, der ihre Sorgen anhören und die Schuld dafür tragen würde. Ich kam da natürlich sofort infrage.
Ich löste mich von Ashton und wir trennten unsere Wege. Der nächste Bus würde in 13 Minuten kommen, also hatte ich genügend Zeit um dort hinzuwatscheln.
Ich suchte meine Kopfhörer in meiner Jackentasche und fand sie komplett verknotet. Mit meiner Unterlippe zwischen meinen Zähnen stolperte ich das Trottoir entlang und versuchte gleichzeitig das Gewusel zu lösen.
"Pass auf!"
Ich sah hektisch auf und so eine alte Dame, die mit ihrem Rollator angecrused kam, sah mich abwertend an. Eine Antwort gönnte ich ihr nicht und wich einfach aus. Einen Stöpsel ließ ich an mir herunterhängen und der andere beschenkte mein Ohr mit der Melodie von Thank you, next.
Mein Schritt beschleunigte sich ein wenig, da es ganz leicht bergab ging und leise mitsingend, griff ich in meine Tasche und suchte meinen Eos. Meine Lippen waren trocken und es fühlte sich an, als würde ich Schmirgelpapier im Gesicht haben. Die kleine Kugel klemmte aber und zu meinem Glück ließ ich sie fallen.
Sie fiel in eine kleine Grube und begann zu rollen. Augenverdrehend lief ich meinem Lippenbalsam nach und verfluchte meine Tollpatschigkeit. Ich bückte mich und wollte danach greifen, als er in eine Regenrinne hineinfiel und zum Dolendeckel rollte. Meine Füße beschleunigten sich und als ich den Balm in der Hand hielt, mich wieder aufrichtete, stand ich beim Lagereingang von Target.
Den Dreck, der sich an meinem Eos festhielt, vernichtete ich mit meinem Ärmel und gerade als ich wieder zurück an die Straße wollte, bemerkte ich, wie jemand am Stromkasten herumbastelte.
Den schwarzen Pullover erkannte ich sofort und mir war klar, dass er auch dieses Mal nichts Gutes vorhatte.
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