Fifty Four ~ Pain
Orange stand mir noch nie gut.
Aber das konnte mir im Moment ziemlich egal sein, denn gegenüber von mir, auf der anderen Seite des Tisches saß ein Schnösel, der mir schon mehr als 10 Minuten auftischte, was ich für Fehler gemacht hatte, welche Verbrechen ich begangen hatte und wie lange ich hinter Gittern sein würde, wenn ich nicht gestehen würde.
"Mr Adams. Ich bitte Sie. Arbeiten Sie mit mir." Er schlug mit einer Faust auf den Tisch und ich zuckte zusammen.
Ich war immer noch ziemlich abwesend. Meine Gedanken schwirrten bloß um Toby. Um den Anblick, wie sie ihn in den Leichenwagen schoben, wie ich ihm nicht helfen konnte.
Ich durfte nicht einmal bei der Beerdigung dabei sein. Ich saß hier in einer Zelle und war dazu gezwungen von meinen Schuldgefühlen aufgefressen zu werden.
Der Typ atmete genervt aus, als ich keinen Ton von mir gab und meinen Blick wieder senkte.
Links und rechts von mir Standen zwei Beamte, die ihm Sicherheit gewährten, falls ich meinen Verstand verlieren würde.
Hier fragte ich mich bloß, um was für einen Verstand es sich handelte, denn seit dem Tod von Toby war mein Hirn wie Pudding.
Weich und nutzlos. Eine falsche Berührung und es würde auseinanderfallen.
"Also..." Er öffnete meine Straftakte und begann vorzulesen.
"Insgesamt 136 vermerkte Diebstähle und ich gehe stark davon aus, dass es eigentlich noch mehr wären. Noch dazu sechsfache Anzeige wegen Körperverletzung und 12 Anzeigen wegen Einbruchs." Er atmete gestresst aus.
"Das schreit nach einer langen Zeit hinter Gittern, Mr Adams."
Ich hörte gar nicht zu. Wenn er wirklich dachte, dass sie mich hinter Gittern bringen würden, unterschätzten sie mich gröber.
"Möchten Sie irgendetwas anmerken?" Ich gab keine Antwort, denn automatisch sah ich Toby vor mir.
Sein großes Lächeln auf seinen winzigen Lippen und ich schluckte gequält den Kloß herunter, der sich in meinem Hals gebildet hatte.
"So kann das nicht weitergehen. Mr Adams, wenn ich Sie bitten darf, so sagen Sie doch wenigstens etwas zu Lorenz Jailburn aus."
Über ihn gab es nichts zu erzählen. Aus leeren Augen blickte ich dem Herr im Anzug entgegen und schaute dann an die Wand hinter ihm.
Verzweifelt schloss er meine Akte und verankerte seine Finger ineinander, als er seine Hände auf die Tischfläche legte.
Ich wunderte mich, was Ilaria gerade tat. Ja, ich hatte gesagt, dass sie ohne mich besser dran war, aber ich vermisste sie trotzdem.
Sie gab mir Halt, auch wenn ich diesen nicht mehr lange brauchen würde, wollte ich sie trotzdem ein letztes Mal sehen.
Der Idiot vor mir redete mit mir, aber ich nahm seine Worte nicht wahr. Seit dem Abend hörte ich selten noch zu.
Ich war immer irgendwo anders. Meine Gedanken waren meist bei meinem Bruder und jeden Tag erinnerte ich mich daran, dass es meine Schuld war.
"Hören Sie. Sie werden jetzt wieder in eine Wartezelle gebracht und morgen gehen Sie vor Gericht. Anwesend werden verschiedene Geschäftsinhaber und Lorenz Jailburn sein."
Ich konnte diesen Mann nicht mehr sehen. Ich wollte es nicht.
Lorenz hatte nicht nur meine Eltern getötet, nein. Er hatte mir alles genommen und ich konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen.
Es schien mir so, als wäre er meine Schuld, welche mir zeigte, was ich alles falsch gemacht hatte.
Seinetwegen hatte ich diese Gedanken. Seinetwegen war ich dazu gezwungen von zu Hause wegzurennen. Er war dafür verantwortlich, dass Toby und ich getrennt wurden.
Er hatte nicht nur die Leben meiner Familie genommen. Er hatte mir auch meins genommen.
Ich fühlte mich leer.
Ich hatte keinen Wert mehr auf dieser Welt. Ich wollte zu Toby, ihn bei mir haben.
Ich wollte hier weg.
~
Ilarias PoV
Völlig neben der Spur saß ich wiedereinmal an diesem Tisch und war dazu gezwungen über meine Gefühle zu sprechen.
Trauer. Ich verspürte Trauer.
Zuzusehen, wie ein kleines Kind starb, wie ein Herz stoppte zu schlagen und ein anderes sich in tausend Stücke teilte, war das Schlimmste, was ich je miterlebt hatte.
Diesen Anblick würde ich nie mehr vergessen. So viel Blut. Kay am Boden. Bei ihm Toby, der weinte und wimmerte.
Mitanzusehen, wie Kay seinem Bruder versuchte zu beruhigen, obwohl er wusste, dass er sterben würde, war einfach der Horror.
Nicht nur für mich.
Auch für Trace und Luke.
Aber am schlimmsten war es für Kay, der in diesem Moment jegliche Emotionen von sich gab.
Man konnte ihm den Schmerz vom Gesicht ablesen. Man sah, dass er sich Vorwürfe machte und ich wollte ihn einfach in den Arm nehmen.
"Miss Harper?"
"Hmm?" Ich schrak aus meinen Gedanken heraus und sah sie fragend an. "An was denken Sie?"
"An das Kind", gab ich von mir. "Zuzuehen, wie es starb, war das Schlimmste, was ich je gesehen habe."
Meine Stimme wurde gegen Ende immer leiser und ich versuchte meine Tränen zurückzuhalten. "Es war einfach tragisch zuzusehen und gleichzeitig zu wissen, dass man nicht mehr helfen konnte."
Die Dame, Mrs Weston, schrieb schweigend mit und ich fragte mich, was ihr diese Informationen brachten. "Und was fühlen Sie jetzt?"
Ich überlegte, als ich meinen Blick senkte. Was fühlte ich?
Ich verspürte Trauer, Angst und Besorgnis.
Ich machte mir riesige Sorgen um Kay und wollte wissen, wo er sich gerade befand, wie es ihm ging und ob er okay war.
Mir war klar, dass er alles andere als okay war, aber trotzdem hoffte ich, dass er sich nicht vollkommen gehenlassen würde.
Kay war stark, nur wusste ich jetzt nicht, ob er das auch überstehen würde, denn seine Reaktion auf Tobys Tod war mehr als nur schmerzend mitanzusehen.
Seine Tränen. Seine Schluchzer.
Sie würden für immer in meinem Gedächtnis bleiben.
"Trauer... Verwirrung und Angst", gab ich leise von mir. "Kannten Sie das Kind persönlich?"
Sie blätterte ihren Notizblock um und las etwas nach. "Toby Adams, kannten Sie ihn persönlich?"
Ich wusste nicht, was ich von mir preisgeben konnte, aber zögerlich nickte ich. "Und was ist mit Lorenz Jailburn? Irgendwelchen Kontakt zu ihm gehabt?"
Ich schüttelte meinen Kopf und sah zur Tür, welche links von mir war. Ich wollte hier weg.
Ich wollte zu Ashton und Kay. Ich wollte sichergehen, dass es beiden gut ging und beide fest in meine Arme schließen.
Ash, weil er mein bester Freund war, mir extrem wichtig war und ich ihn brauchte.
Und Kay, weil er mir Halt gab und ich ihm diesen auch geben wollte. Noch dazu liebte ich diesen Jungen und wollte ihm das zeigen, indem ich immer bei ihm bleiben würde.
"Wenn Sie zurück in die Vergangenheit reisen könnten, was würden Sie ändern wollen?"
War ihre Frage ernstgemeint?
Ich wusste nicht, wie ich ihre Frage beantworten sollte, ohne zu verraten, dass ich Kay besser kannte, als in den Unterlagen vermerkt wurde.
Ich würde an den Tag zurückreisen, wo Lorenz Kays Familie angegriffen hatte.
Ich würde verhindern, dass Kay mit Toby abhauen musste.
Dann würde keiner der Beiden diese Narben mit sich tragen müssen. Toby wäre glücklich aufgewachsen.
Kay hätte ein wundervolles Mädchen gefunden, sich an der Sportschule an die Spitze gekämpft und ein erfolgreiches, friedliches Leben leben können.
Ohne Lorenz, ohne mich...
Ohne den Tod von Toby, seiner Mom und deren Dad.
Das konnte ich Mrs Weston aber nicht sagen und reimte eine Basic-Antwort zusammen. "Ich würde versuchen den Schuss zu verhindern oder irgendwie umzulenken. Ich würde versuchen den Tod von Toby zu verhindern."
Ich erwischte mich dabei zu schniefen und rieb mir meine Nase. "Toby war der kleine Bruder von dem nun verhafteten Dieb," Sie blätterte kurz um und sah nach.
Meine Gedanken legten sich um Kay und meine Brust zog sich zusammen.
Ich wollte ihn sehen. Wie gerne ich ihm mitteilen würde, dass ich für ihn da sein wollte und er das nicht allein durchstehen musste.
Aber alles sprach gegen uns.
Die Welt hatte uns auseinandergerissen.
"Kay Adams." Sie nahm ihren Kugelschreiber zur Hand und sah mich eindringlich an, "Was löst dieser Name in Ihnen aus?"
"Einen Drang."
Interessiert legte sie ihren Papierblock zurecht. "Einen Drang wonach?"
"Rennen."
"Das ist verständlich. Bei dem, was Sie mit ihm in Verbindung setzen, ist der Drang zur Flucht natürlich riesig."
Was sie nicht wusste, war, dass ich nicht vor ihm flüchten wollte.
Alles was ich wollte, war in seine Arme zu rennen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro