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20 | Das mit der Hoffnung

Ich wollte mit ihr nicht über Aiden reden. Ich wollte mit niemandem reden. Und wenn ich mich doch irgendwann dazu entscheiden würde, mir meine Sorgen von der Seele zu reden, dann hätte ich dafür nicht Großmutter Adelaide als Gesprächspartnerin ausgewählt. Mom und Paul kannten mich länger als zwei Wochen. Sie wussten, wie ich tickte und wann man mich besser in Ruhe ließ. Großmutter Adelaide wusste das nicht. Offensichtlich.

„Er ist ein höflicher junger Mann.", meinte sie in dem Moment, in dem sein brauner Haarschopf hinter der Hecke unserer Einfahrt verschwand. Ich schnaubte verärgert und presste den Kiefer zusammen.

„Und wenn schon.", murrte ich und wollte hinauf in mein Zimmer flüchten, da hörte ich das Knirschen der Kieselsteine von draußen und die Motorengeräusche eines Autos. Kurz darauf knallten zwei Türen zu. Mom und mein Bruder waren wieder zurück von der Physiotherapie. Vor Schreck vergaß ich sogar sauer zu sein.

„Kein Wort über Aiden!", flehte ich sie an und sie kehrte schweigend in die Küche zurück. Nicht ohne mir vorher mit einem Blick deutlich zu machen, dass das nicht das Ende unserer Unterhaltung war. Das Gespräch war aufgeschoben. Nicht aufgehoben.

Ich hörte Moms Schlüssel, die gegeneinanderschlugen und die Haustür sprang auf.

„Wir sind wieder da.", rief sie nach Atem ringend. In beiden Händen hielt sie jeweils ein Sixpack Apfelschorle. Für Großmutter Adelaide, die neben Tee und einer Tasse Kaffee am Morgen nichts anderes trank. Was wäre geschehen, wenn sie sich nicht noch dazu entschlossen hätten, einkaufen zu gehen? Ich schauderte. Schnaufend stellte Mom die Flaschen ab, blickte hoch und bleib erstaunt stehen, als sie mich wie erstarrt auf der Treppe vorfand. Hinter ihr stakste Paul auf seinen Krücken herein. Er lächelte und ich lächelte automatisch zurück. Dass er Aiden nicht doch noch in der Einfahrt begegnet war, war wohl Fügung des Schicksals gewesen.

„Warum stehst du denn so da, wie bestellt und nicht abgeholt?"

„Ich wollte gerade auf mein Zimmer gehen. Hausaufgaben."

Mom zuckte nur einmal mit den Schultern und ging in die Küche. Ich hörte, wie sie anfing mit Großmutter Adelaide zu sprechen. Wahrscheinlich nur über Belangloses. Nicht über unseren Besucher.

Ich wich Großmutter Adelaide erfolgreich aus. Ich machte sogar wirklich alle meine Hausaufgaben, was bedeutete, dass ich nach langer Zeit endlich ein freies Wochenende hatte. Das heißt, wenn ich nicht schon fleißig Zusammenfassungen der letzten drei Jahre geschrieben hätte. Es war trotzdem eine Erleichterung zu wissen, dass ich es in den nächsten zwei Tagen ruhig etwas gelassener angehen konnte. Man konnte nicht ständig lernen und arbeiten, ohne sich auch etwas Zeit für sich selbst zu nehmen. „Qualitative Ich-Zeit" nannte meine Mutter das.

„Du musst auch mal eine Pause machen. Sonst kommst du gar nicht mehr zur Ruhe. Was nützt es dir dann, dass du eine gute Note hast oder eine gute Arbeit geleistet hast, wenn du innerlich ausgelaugt bist und alles andere als glücklich?"

Sie sprach aus Erfahrung. Früher hatte sie, um Geld für uns zu verdienen, nachdem mein Vater gestorben war, jeden Tag von sieben Uhr früh bis mindestens sechs Uhr abends gearbeitet. Die Arbeit hatte sie so fertig gemacht, dass sie keine Zeit mehr für Paul und mich gehabt hatte und sofort todmüde in ihr Bett gefallen war, wenn sie endlich nach Hause kam. Der Job hatte sie nicht glücklich gemacht. Mehr noch, er hatte sie selbst dann gestresst, als sie eigentlich frei hatte. Aus Sorge und Druck nicht mit der Arbeit fertig zu werden und den Anforderungen nicht gerecht werden zu können, hatte sie oft am Wochenende vorgearbeitet und dadurch wieder keine Zeit für Paul und mich gehabt. Sie war einem Burnout sehr nahe gewesen, hatte aber gerade noch rechtzeitig einen Schlussstrich gezogen. Sie hatte gekündigt und eine Halbtagsstelle angenommen. So hatte sie mehr Zeit für uns und auch für sich und war glücklich.

Bis zum Abendessen, zu dem Mom uns um sieben zusammenrief, dachte ich mehr oder weniger nicht darüber nach. Solange Paul und Mom dabei waren, hatte ich auch nichts zu befürchten. Doch dann verzog sich Paul in sein Zimmer, weil er von der Physiotherapie erschöpft war und ihm die Augen im schummrigen Licht der Küchenlampe alle paar Sekunden zufielen. Mom erlaubte es. Da waren es nur noch drei.

Kaum fünf Minuten später klingelte das Telefon.

„Tut mir leid. Da muss ich ran gehen. Es ist wichtig."

Entgegen ihrer eigenen Regel, dass beim Essen alle Handys beiseitegelegt werden müssen (Frühstück, Mittagessen und Abendessen waren bei uns die „qualitative Familien-Zeit"), entschuldigte sie sich rasch, nahm das Telefonat an und verließ die Küche. Ich hatte nicht gesehen, wer angerufen hatte und hören konnte ich leider auch nichts. Mom sprach ungewöhnlich leise und sofort fragte ich mich, wer dieser wichtige Anrufer war. Ein Bekannter? Ein Freund? Vielleicht ein Verehrer? Mom war hübsch und schlau und ich hatte mir in den letzten Jahren immer wieder die Frage gestellt, warum sie nach Dad nie wieder jemanden getroffen hatte und ob sie daran gedacht hatte, noch einmal zu heiraten. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen gehabt. Ich wollte nur, dass sie glücklich war.

„Der junge Mann von heute Nachmittag war wirklich sehr nett.", fing Großmutter Adelaide von neuem an. Ich nippte an meinem Fencheltee und inspizierte den Rand der babyblauen Tasse aufmerksam.

„Ich habe das Gefühl, du warst nicht besonders nett zu ihm.", bemerkte sie weiter.

„Er hat es auch verdient." Der bissige Kommentar rutschte ungewollt hinaus.

„Hat er das?"

„Hat er."

Gedämpft hörte ich die Stimme meiner Mutter aus dem Nebenzimmer. Sie lachte. So schnell würde sie also nicht in die Küche zurückkehren.

„Er hat mir zwar nicht genau gesagt, was zwischen euch vorgefallen ist, aber der junge Mann scheint ehrliche Reue zu zeigen."

In mir zieht sich etwas zusammen. Junger Mann. Die Bezeichnung war fast genauso schlimm wie junges Fräulein, wie sie mich bei jeder Gelegenheit, die sich ihr bot, nannte. Ihr unterschwelliger Ton ließ mich erkennen, was sie mir damit eigentlich sagen wollte. Dass ich ihm verzeihen sollte.

„Du weißt nicht, was passiert ist." Sie sollte sich besser heraushalten. Es ging sie nichts an.

„Es geht mich ja nicht an, was geschehen ist, aber..."

„Dann lass es einfach.", sagte ich und knallte meine Tasse auf den Tisch. Meine schneidende Stimme ließ sie für einen Augenblick überrascht innehalten. Einen solch unkontrollierten Gefühlsausbruch hatte sie von mir nicht erwartet. Zum ersten Mal, seit sie sich in unserem Leben eingeschlichen hatte, zeichnete sich so etwas wie echte Neugier in ihrem Gesicht ab. Sie betrachtete mich, als würde sie mich heute zum ersten Mal sehen.

„Du magst ihn sehr, hab ich recht?", fragte sie, dabei klang es weniger wie eine Frage, sondern mehr wie eine Feststellung. Meine Wangen wurden feuerrot und ich verfluchte mich dafür, dass die meisten Menschen meine Gefühle lesen konnten, wie den Wetterbericht in der Zeitung. Das Pokerface musste ich definitiv noch einmal üben. Ein angenehmes Kribbeln breitet sich auf meinem Körper aus.

Ich habe mich in dich verliebt, Tara...

„Nein, das... es geht einfach nicht. Und Paul..."

„Was hat denn dein Bruder damit zu tun, was du für diesen Jungen empfindest?", unterbrach mich Großmutter Adelaide prompt. Ich verstand, warum sie das fragte, und im Grunde genommen hatte Paul rein gar nichts mit meinen Gefühlen für Aiden zu tun. Aber letztendlich spielte es eben doch eine sehr wichtige Rolle. Großmutter Adelaide bemerkte meine Zwickmühle. Mir kam es so vor, als würde sie schneller wissen, was in mir vorging, ehe ich nur darüber nachdenken konnte. Und das nach nur zwei Wochen. Wirklich gruselig.

„Du darfst dein Glück nicht von dem Glück anderer abhängig machen.", belehrte sie mich.

„Es wird Paul weh tun, wenn ich Aiden einfach so verzeihe. Er ist der Grund, warum er diesen Unfall gebaut hat. Und wegen ihm muss er mit Krücken laufen!"

Damit sagte ich Großmutter Adelaide nichts Neues. Ihre Miene verzog sich nicht einmal. Da Paul und ich uns geeinigt hatten, niemandem davon zu erzählen, musste also Aiden ihr gebeichtet haben, was vorgefallen war. Die Wahrheit. Oder Bruchstücke daraus. Sie konnte nicht alles wissen.

„Wir treffen alle irgendwann Entscheidungen, die wir später bereuen. Der junge Mann hat eine Entscheidung getroffen, die er bereut. Und Paul hat eine Entscheidung getroffen, die er nicht hätte treffen sollen. Er hatte diesen Unfall nicht wegen ihm. Es war seine Entscheidung sich in diesem Zustand ins Auto zu setzen. Der Junge kann nichts für das Temperament deines Bruders."

Ich schnappte empört nach Luft. Wie konnte sie ihn jetzt auch noch verteidigen! Nach allem, was sie vorgab zu wissen, hätte sie Aiden in der Sekunde aus dem Haus schmeißen müssen, in der er den Fuß über die Türschwelle gesetzt hatte. Oder eben in dem Moment, in dem sie davon erfahren hatte. Stattdessen hatte sie ihm Tee und Kuchen serviert und ein nettes Pläuschchen gehalten, als wäre er ein lange verschollenes Familienmitglied, das nur durch Zufall seinen langen beschwerlichen Weg zurück in den Schoß der Familie gefunden hatte.

„Wie kannst du so etwas sagen? Er war es doch, der dieser Wette zugestimmt hat. Er hat mit seinen Freunden darauf gewettet, dass er sich mit mir... anfreunden kann, weil sie Paul damit eins auswischen wollten. Und ... und überhaupt. Er ist an all dem Chaos schuld. Wegen ihm hatte Paul den Unfall. Wegen ihm läuft er an Krücken. Nur wegen ihm ist das alles passiert! Wegen ihm und dieser Wette!" Meine Stimme wurde mit jedem Wort lauter. Ich atmete schwer und mein Kopf pochte. Ich lachte auf, aber es war kein echtes Lachen.

„Aber natürlich stellst du dich auf seine Seite. Warum sollte es anders sein? Du verteidigst ihn. Damit du dich besser fühlst, weil du hier plötzlich aufgetaucht bist. Nach 15 verdammten Jahren tauchst du hier auf und tust auf Familie, weil du unsere Hilfe brauchst, aber warst du für uns da, als wir deine Hilfe gebraucht haben?"

Ich dachte an die Tage zurück, an denen ich Mom spät abends total übermüdet gesehen hatte. Paul und ich hatten ein Kindermädchen, das sich den Tag über um uns gekümmert hatte. Wäre es zu viel verlangt gewesen, wenn unsere eigene Großmutter an ihre Stelle getreten wäre? Ich redete mich nun immer weiter in Rage. Ich sprach so laut, dass ich befürchtete, Paul würde mich in seinem Zimmer hören und nach dem Grund meines Ausbruchs fragen. Oder Mom würde endlich auflegen und zurückkommen. Meine Augen brannten.

„Vielleicht bist du sogar froh, dass du jetzt Bescheid weißt. Dann bist du immerhin nicht die Einzige, die Scheiße gebaut hat. Vielleicht fühlst du dich damit ja besser. Das ist heuchlerisch und egoistisch und einfach nur beschissen!"

Großmutter Adelaide schwieg und nebenan hörte ich Mom immer noch lachen. Ich wusste, ich hätte es nicht sagen sollen. Ich wusste, dass ich sie damit verletzen könnte. Doch ihre Gesichtszüge blieben unverändert. Sie sah nicht einmal wirklich traurig aus. Nur verständnisvoll.

„Wahrscheinlich hast du recht.", gab sie zu. Erstaunt blinzelte ich die Wuttränen weg.

„Weißt du, man sagt immer es würde der Tag kommen, an dem man versteht, warum Menschen so handeln, wie sie eben handeln. Aber die Wahrheit ist, niemand ist perfekt. Du wirst nicht eines Tages aufstehen und die richtigen Entscheidungen treffen. Entscheidungen, die deine Mutter oder dein Bruder oder du selbst von dir erwartet hättest. Du wirst Fehler machen. Viele, viele Fehler und glaub mir, wenn ich das sage, denn damit kenne ich mich aus. Ich habe viele Fehler gemacht. Worauf es wirklich ankommt, ist wie man mit diesen Fehlern umgeht. Lässt man zu, dass sie einen zu Boden drücken, oder lernt man aus ihnen. Und hat man den nötigen Schneid für seine Fehler einzustehen."

Sie seufzte und plötzlich begann ihre selbstgerechte Fassade in Einzelteile zu bröckeln. Sie sah älter aus als sie in Wirklichkeit war und unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab. Schatten, die nur dann entstanden, wenn sich jemand zu große Sorgen machte und wie sie nur entstanden, wenn jemand großes Leid erfahren hatte. Schatten der Vergangenheit. In diesem Moment wurde mir bewusst, was das Leben ihr angetan hatte, obwohl sie selbst und Mom nie wirklich darüber gesprochen hatten. Sie hatte nicht nur ihren Ehemann, sondern auch ihren einzigen Sohn verloren. Menschen gingen unterschiedlich mit dem Schmerz um, den das Leben nun einmal bereithielt. Manche mussten darüber reden, während andere den Frust in sich aufsaugten wie ein Schwamm das Wasser und sich von ihrer Familie abschotteten. Es war ein Schutzmechanismus, nichts weiter. Und ich verzieh ihr. Zumindest teilweise.

Wenn man den Schmerz hinter ihren Augen nicht sah, könnte man meinen, alles sei in Ordnung, doch wenn nur ein Tropfen Leid nach außen gelangte, galt man als schwach. Sie hatte den Kontakt zu uns so minimal wie möglich gehalten, um genau diesen Tropfen bei sich zu behalten. Damit sie in unseren Augen nicht als schwach abgestempelt wurde. Deswegen das ganze Versteckspiel.

„Ich habe viele Fehler in meinem Leben gemacht. Und nicht immer steht es in unserer Macht sie mit einer einfachen Entschuldigung aus dem Weg zu räumen. Das ist mir bewusst." Sie räusperte sich.

Kurz nahm sie meine Hand in ihre. Die knochigen Finger waren überraschend sanftmütig. Weich strichen sie über meine Haut. Ihre Mundwinkel zuckten flüchtig nach oben, als hätte sie sich an etwas erinnert. Dann entschwand die Erinnerung wieder und das Lächeln sackte in sich zusammen. Sie zog die Hand weg, holte tief Luft und schraubte den Stock in ihrem Rücken wieder zusammen. Der verletzliche Mensch war verschwunden und zum Vorschein kam die herrische Großmutter, die unser geordnetes Leben auf den Kopf gestellt hatte.

„Der Junge kam her, um sich zu entschuldigen, was meiner Meinung nach nur das Richtige ist. Jetzt liegt es an dir, diese Entschuldigung anzunehmen oder es eben sein zu lassen."

Der Mensch, den ich noch vor ein paar Sekunden in ihr gesehen hatte, war dahin. Versteckt hinter einer unüberwindbaren drei Meter hohen Ziegelmauer. In meinem Inneren formte sich ein Gedanke. Ein gefährlicher Gedanke, den man so schnell wie möglich im Keim ersticken musste, ehe er Wurzeln schlug und rasanter anwuchs als Unkraut im Sommer.

Vielleicht würde doch noch alles gut werden.

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