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B.V.: Before Volleyball


Es waren jene Tage, an denen Sugawara seine Jobauswahl zwar nicht bereute, aber doch ernsthaft hinterfragte. Wenn ihm jemand auf der Oberschule gesagt hätte, dass er nur wenige Jahre nach seinem Abschluss, im bekleckerten Oberteil, inmitten einer Bande von schreienden Kindern stehen würde, von denen sich die Hälfte nicht alleine anziehen, geschweige denn aufs Klo gehen konnte, dann hätte er demjenigen wohl einen Vogel gezeigt. Vogel passte ganz gut, denn die Kindergruppe der "Karasuno", auch die kleinen Krähen genannt, war mit Abstand die anstrengendste Gruppe des ganzen Kindergartens.

"Suga-saaan, Shouyou und Tobio hauen sich ganz doll!", jammerte das kleine blonde Mädchen, dass wieder einmal an seinem Ärmel hing und gar nicht zu beruhigen war.

"Ich kümmer mich gleich, Hitoka.", versprach er der Dreijährigen, die daraufhin nur noch hysterischer weinte und er sich Sorgen machte, sie würde in ihren jungen Jahren schon einen Herzinfarkt erleiden. Warum ihre Mutter es für sinnvoll gehalten hatte, ein Sensibelchen wie sie in die Krähengruppe zu stecken und damit den anderen Kindern zum Fraß vorzuwerfen, dass hatte er nie ganz verstanden.

"Neein! Sie werden sterben! Tobio hat gesagt...er hat gesagt-", schluchzte sie und verschluckte sich fast an ihren Worten, "Er hat gesagt, er will ihm den Kopf abreißen! Und dann hat er ganz böse geguckt." Gestresst blickte Suga von dem völlig aufgelösten, rotwangigen Mädchen zu dem mittlerweile nicht mehr weinenden Tadashi auf seinem Arm. Vor ein paar Minuten hatten ihn die beiden Rüpel Yuu und Ryunosuke in ihrem wilden Fangspiel aus Versehen umgerannt, wobei er sich beim Hinfallen beide Knie auf dem Laminatboden aufgeschürft hatte. Jetzt schien es ihm zum Glück wieder besser zu gehen.

Behutsam setzte er den Jungen auf dem Boden ab und wies ihn an, sich etwas leises und hoffentlich ungefährliches zum Spielen zu suchen, bevor er sich von der hypernervösen Hitoka ins Nebenzimmer schleifen ließ. Der Anblick, der sich ihm dort offenbarte, wunderte ihn schon lange nicht mehr. Shouyou und Tobio, ihre beiden Problemkinder, rollten sich auf dem bunten Spielteppich zwischen Autos und Bausteinen herum, zogen sich gegenseitig an den Haaren und gaben animalische Geräusche von sich, so als würden sie um Leben und Tod kämpfen.

Kei, der auch mit zu ihren Jüngsten gehörte, saß ein paar Meter weiter neben einer Holzkiste und baute seelenruhig seine Armee an Dinofiguren auf, ohne den Streithähnen auch nur einen Funken an Beachtung zukommen zu lassen. Sugawara wünschte sich manchmal, er selbst wäre mit drei Jahren auch schon so abgebrüht gewesen, wie er. Es hätte ihm in seinem jetzigen Beruf sicher einige Vorteile gebracht

"Schluss jetzt! Auseinander, ihr zwei!", rief er so autoritär, wie es sein eher sanftes Gemüt erlaubte. Dann klatschte ein paar mal in die Hände, um Shouyou und Tobio die Chance zu geben, freiwillig voneinander abzulassen. Als das nichts nützte und sie in ihrem Blutrausch scheinbar alles um sich herum ausgeblendet hatten, war er dazu gezwungen, sie gewaltsam voneinander zu trennen, um zu verhindern, dass sie sich tatsächlich die Köpfe abrissen. Hitoka hatte sich zitternd an sein Hosenbein geklammert und Suga befürchtete, dass sie nach nur einem Jahr in dieser Kindergartengruppe so etwas wie PTSD entwickeln würde.

Ein paar Kratzwunden, Tränen und unzählige "Er hat angefangen!"-Vorwürfe später hatte er es endlich geschafft, Shouyou und Tobio soweit zu beruhigen, dass sie nicht mehr einen auf Gladiatoren machten, und stattdessen grummelnd nebeneinander stehenblieben und sich bitterböse Blicke zuwarfen. Sugawara wusste ja, dass kleine Kinder ihre Emotionen noch nicht im Griff hatten und diese dann oft mit Handgreiflichkeiten ausdrückten, aber so emotionale Kinder wie Shouyou und Tobio waren ihm noch nicht untergekommen.

"Also, jetzt erklärt mir mal bitte, warum ihr euch gerade so geschlagen habt.", forderte Sugawara die beiden Kinder auf und ging vor ihnen in die Hocke, um mit ihnen auf Augenhöhe zu sein. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass er dann am ehesten etwas aus ihnen herausbekam. Eine Weile sagten die beiden gar nichts und schienen sich fast schon für ihre kleine Prügelei zu schämen, bis Shouyou sich als erster zu Wort meldete und mit dem Finger auf Tobio zeigte.

"Tobio hat mir mein Ball weggenommt!", empörte er sich lauthals und Sugawara ließ nach der unbeholfenen Aussage des Jungen seinen Blick durch das Spielzimmer schweifen, bis er an einem rosafarbenen Gummiball hängen blieb, der jetzt unbeachtet in einer Ecke lag.

"Er hat desagt, ich bin schlecht im Ball spielen!", fuhr Shoyou zeternd fort, während Tobio immer noch wortlos, mit verschränkten Armen und vorgeschobener Unterlippe neben ihm stand und schmollte, "Und dann hat der ein gaanz böses Wort zu mir desagt! Gaanz böse, das darf man nich sagen!"

"Was für ein Wort?", wandte sich Suga an Tobio, der aus großen, man könnte fast schon sagen unschuldigen, Augen zu ihm hochschaute und den Kopf neigte, wie ein ausgesetzter Welpe. Eigentlich war er ja ganz niedlich mit seinem pausbäckigen Gesicht und den riesigen blauen Augen, wäre er auf sozialer Ebene nicht so ein Disaster. Er würde es in der Schule einmal schwer haben, da war man sich im gesamten Kindergarten einig.

"Idiot.", sagte Tobio schließlich völlig nüchtern und hätte nicht weniger schuldbewusst klingen können, wenn er sich angestrengt hätte. Wäre Sugawara nicht schon den ganzen Tag im Stress gewesen, hätte er sich wohl über die kindliche Aussprache des Schimpfwortes amüsiert. Stattdessen fragte er sich, wo Tobio diese ganzen Kraftausdrücke überhaupt gelernt hatte. Er war ja sowieso noch nicht besonders weit, was seine Sprachentwicklung anging, aber schimpfen konnte er wie ein Rohrspatz.

"Tobio, du weißt, dass das kein besonders nettes Wort ist.", sagte Suga mit betont ruhiger Stimme und setzte seinen vorwurfsvollsten Blick auf, auch wenn der leider nicht so gut funktionierte, wie der von Daichi. Jetzt, wo Sugawara dazu gezwungen war, die Gruppe allein zu leiten, wurde ihm erst einmal bewusst, wie sehr ihm seine beiden Kollegen fehlten.

Kiyoko, der Ruhepol und die gute Seele der Gruppe und Daichi, der mit seiner etwas strengeren Art und eisernen Konsequenz verhinderte, dass alles im Chaos versank. Jetzt, wo die beiden krank waren, musste Sugawara ihre Rollen übernehmen, und mit jeder Minute war er sich sicherer, dass er dazu nicht in der Lage war.

"Ja denau, sowas darf man im Kindergarten nich sagen, du Blödkopf!", stimmte ihm Shouyou zu und Tobio sah schon wieder so aus, als würde er ihm jeden Moment an die Gurgel gehen, wenn die plötzlich zu kleinen Schlitzen verengten Kulleraugen und geballten Fäustchen ein Indiz dafür waren. Mit der Zeit hatte Sugawara sich angewöhnt, statt seiner Mimik seine Körpersprache zu lesen, da er fast immer den gleichen grimmigen Blick aufgesetzt hatte, selbst beim Essen, beim Zähneputzen und auch auf der Toilette.

"Shouyou, "Blödkopf" ist auch nicht viel besser.", tadelte Sugawara den Kleineren mit einem genervten Seufzen. Er wollte schon zu einer Standpauke ansetzen und den beiden möglichst simpel, damit es in ihre kleinen Gehirne passte, erklären, dass man Spielzeug miteinander teilen und Konflikte mit Worten lösen konnte, die keine Schimpfworte waren, als sich hinter ihm etwas sehr Unschönes zusammenbraute.

"Rooollin...", hörte er eine kindliche Stimme hinter sich rufen, und wie vom Donner gerührt fuhr er herum, ignorierte die beiden Problemkinder und Hitoka an seinem Hosenbein, und hetzte zum Spielzeugregal, auf dem ein gewisser Vierjähriger mit Sturmfrisur gerade munter herumturnte. Es war offensichtlich, was er mit seinem Gehampel bezwecken wollte, und Suga sah vor seinem inneren Auge schon all die Platzwunden und offenen Knochenbrüche.

"THUNDER!", schrie er, machte einen Satz, der einem Kopfsprung im Schwimmbad ähnelte, und landete mit einem dumpfen "Plop" in Sugawaras Armen. Zum Glück war der gerade noch rechtzeitig gekommen, um seinen Schützling vor einem üblen Schädel-Hirn-Trauma zu bewahren.

"Awww! Das war gar nich der Rolling Thunder!", rief Ryu, sein bester Kumpel, der ihn scheinbar die ganze Zeit vom Teppich aus angefeuert hatte. Sugawara würde ihm später den Kopf dafür waschen, und ihm bei Gelegenheit darauf hinweisen, dass es trotz angeschaltener Heizung im Spielzimmer nicht warm genug war, um nur in Unterhose und einer Socke am Fuß herumzulaufen.

"Du...ich hab dir doch schon hundertmal gesagt, dass du nicht auf Regale klettern sollst!", schimpfte er mit dem grinsenden Yuu, der ihn scheinbar überhaupt nicht ernst nahm. Yuu hörte, wenn es hart auf hart kam, grundsätzlich nur auf Kiyoko. Er kam gar nicht dazu, noch etwas zu sagen, als schon wieder eins der Kinder seine Aufmerksamkeit beanspruchte,

Ein kurzes Umschauen reichte ihm, um zu sehen, was passiert war. Der kleine Chikara, eins der ruhigeren und weniger problematischen Kinder, saß leise wimmernd auf dem Boden und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Fuß. Vor ihm lag seine Spielzeugkamera aus Billiggplastik, die er schon seit Tagen mit sich herumschleppte und dabei manchmal so in sein Spiel vertieft war, dass er alles um sich herum vergaß. Er musste gestolpert sein und sich den Fuß verknackst haben, der arme Junge.

"Ich bin auf Lego getreten.", jammerte er stattdessen und deutete auf die umgekippte Legokiste und das Chaos an kleinen bunten Steinchen, in deren Mitte Kazuhito und Hisashi unbekümmert ihre Ritterburg aufbauten. Wer von ihnen die Kiste umgeworfen hatte, das würde Sugawara wohl nie erfahren, aber eine fast schon sadistische Schadenfreude kroch in ihm hoch, als er sich vorstellte, die Kinder vor dem Mittagessen alle zum Aufräumen zu zwingen. Vorausgesetzt, die Arbeit blieb am Ende nicht doch wieder an ihm hängen.

Nachdem er Chikara getröstet, Yuu noch einmal zur Schnecke gemacht und mit Erleichterung erkannt hatte, dass Shouyou und Tobio nicht mehr auf Krawall gebürstet waren, machte er sich auf die Suche nach Ryus verschwundenen Klamotten. Wie er es geschafft hatte, seine Hose an die Deckenlampe zu hängen, das wollte er lieber nicht so genau wissen.

Als er sein Shirt und seine fehlende Socke in der Kuschelecke, unter einem Berg an Kissen entdeckt hatte, strich er der kleinen Hitoka, die sich mit einem Bilderbuch dorthin verzogen hatte, einmal über die Haare. Er bemitleidete sie dafür, dass sie nicht in der Katzengruppe von seinem Kollegen Yaku gelandet war. Dort ging es sicher um einiges friedlicher zu, als bei ihnen.

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"Suga-san, guck mal, ich hab was gemalt!", unterbrach Tadashi die angenehme Stille, die im Nebenzimmer eingekehrt war. Sugawara hatte sich eine Verschnaufpause gegönnt, nachdem er den Rüpeln im Spielzimmer damit gedroht hatte, dass sie kein Mittagessen bekommen würden, wenn sie nicht sofort alles ordentlich aufräumten.

"Das ist wirklich ein sehr schönes Bild.", log er, als er das gekritzelte Bild von zwei Strichmännchen sah, von dem einer so aussah, als würde er gleich von dem Dinosaurier daneben gefressen werden. Er konnte sich aber denken, dass es anders gemeint war.

"Das bin ich.", sagte Tadashi mit einem strahlenden Lächeln und zeigte auf eins der Strichmännchen, "Und das hier ist Tsukki." Natürlich war "Tsukki" derjenige, der von dem Dinosaurier gefressen wurde. Was für eine Art, aus dem Leben zu scheiden.

Erschöpft seufzend stützte Sugawara sein Kinn auf den Handflächen ab und widerstand der Versuchung, sich einfach für ein kurzes Schläfchen auf die Tischplatte zu legen. Es war so ungewohnt ruhig im Raum. Scheinbar hatte seine Drohung die gewünschte Wirkung erzielt und jetzt tat es ihm auch nicht mehr leid, dass er damit einen großen Teil der verfressenen Truppe fast zum Weinen gebracht hatte. Wenn er die Kontrolle über das Chaos behalten wollte, musste er lernen, durchzugreifen. Er musste stark sein, um Daichi würdig zu ersetzen.

Zumindest hatte sich Hitoka nun wieder aus ihrer Höhle getraut und neben Tadashi am Tisch Platz genommen. In der Hand hielt sie einen schwarzen Buntstift und ihr Gesichtsausdruck wirkte verbissen und konzentriert. Als Sugawara ihr über die Schulter blickte, machte er sich schon ein wenig Sorgen über das, was sie da zeichnete. Nicht, dass es schlecht aussah, im Gegensatz zu Tadashi hatte sie durchaus Talent. Man konnte ohne Probleme erkennen, was die Striche auf dem Papier darstellen sollten. Aber es war schon etwas befremdlich zu sehen, wie eine Dreijährige ein Bild von einem brennenden Kindergarten malte.

An einem der anderen Tische hatte sich Kei mit einem Puzzle bequem gemacht, dass eigentlich erst für die Fünfjährigen gedacht war, aber solange er die Puzzleteile nicht in den Mund nahm, oder sie sich in die Ohren steckte, wie gewisse andere Kinder, dann gab es dagegen nichts einzuwenden.

Wie schön es doch war, einmal nur von braven Kindern umgeben zu sein. In solchen Situationen hatte er immer das Gefühl, dass seine Entscheidung für die Erzieherausbildung und gegen das Lehramtsstudium die richtige gewesen war. Kinder konnten immer anstrengend sein, unabhängig von ihrem Alter. Es gab sicher auch in jeder Grundschulklasse so ein paar Exemplare, die Probleme machten und damit alle Aufmerksamkeit auf sich zogen. Wenigstens musste er im Kindergarten keine Hausaufgaben kontrollieren.

Dafür waren Kinder im Alter von Shouyou und Tobio auf andere Art und Weise "schwierig". Bei dem Gedanke warf Suga einen missmutigen Blick auf sein fleckiges Langarmshirt, welches er eigentlich schon vor einer Stunde hatte wechseln wollen, aber dank der Kinder war er einfach nicht dazu gekommen. Natürlich war es als Erzieher im Kindergarten nicht ungewöhnlich, dass man etwas schmutzig wurde, gerade wenn man den Kleinsten beim Essen helfen musste, die dann gerne ihre Tomatensoße mit Fingerfarbe verwechselten.

Heute hatte seine Kleidung aber leider nicht einmal bis zum Mittagessen durchgehalten. Für Dreijährige, die zum ersten mal für längere Zeit von ihren Eltern getrennt wurden, war der Wechsel in den Kindergarten oft mit viel Stress verbunden, und jedes Kind ging anders damit um. Shouyou hatte ihm das an diesem Morgen sehr deutlich demonstriert, als er sich, anstatt ihm wie andere Kinder normal "Hallo" zu sagen, erst einmal auf sein Shirt übergeben hatte. Danach hatte er ihm dann trotzdem "Hallo" gesagt und breit gelächelt, als wäre das einfach Teil seiner Begrüßung gewesen.

Leider war Shouyous Mutter eine Sekunde zu früh aus seinem Blickfeld verschwunden, und Sugawara hatte es daher nicht mehr geschafft, ihr ihren, augenscheinlich von der Grippe geplagten, Sohn wieder anzudrehen. Es wäre sowieso eine Lüge gewesen, wusste er doch, dass es Shouyou bei großer Aufregung des Öfteren schlecht wurde. In solchen Momenten hielt man sich den Kleinen lieber auf Abstand, wenn einem seine Klamotten wichtig waren.

Ja, vielleicht war es wirklich besser, mit dem Umziehen zu warten, bis das Mittagessen vollzogen war, und sich die kleinen Unruhestifter im Schlafraum von ihren Schandtaten erholten. Vor dem Essen seine Kleidung zu wechseln, wenn man mit kleinen Dreckspatzen zu tun hatte, zeugte nicht gerade von gesundem Menschenverstand. Auch, wenn das hieß, das man ein paar Minuten länger nach grob abgewaschenem Erbrochenem roch. Man gewöhnte sich an alles, wenn man es musste.

Es war gerade wenige Minuten vor zwölf Uhr, da kam der kleine Chikara auf Socken in den Raum getappst und Suga musste ihm nur einmal in die Augen sehen, um zu wissen, dass das mit dem "Aufräumen" scheinbar doch nicht so gut funktioniert hatte, wie gedacht. Zumindest schien er nicht wieder auf einen Legostein getreten zu sein, oder sich alternativ an den Schmerz gewöhnt zu haben, so wie Sugawara an sein versautes Oberteil.

"Shouyou und Tobio streiten sich schon wieder." Das genervte Stöhnen, welches Sugawara in dem Moment von sich gab, konnte man mit großer Wahrscheinlichkeit bis nach Amerika hören. Natürlich stritten sie sich, es war ja nicht so, als ob sie etwas Besseres zu tun hatten.

"Das sind dumme Kinder. Die können nichts.", meldete sich Kei zu Wort, grinste gehässig und vervollständigte mit dem letzten Teil sein Hundert-Teile-Puzzle.

"Sowas sagt man nicht. Unsere Kinder sind nicht dumm!", tadelte Sugawara ihn sofort, um ihm die fiesen Kommentare gleich von Anfang an auszutreiben. Schon wieder eine Lüge. Es gab durchaus Kinder in ihrer Gruppe, die er als weniger intelligent einschätzte, auch wenn es fies und unpädagogisch wäre, es ihnen unter die Nase zu reiben. Kei würde es wohl auch einmal schwer in der Schule haben, wenn auch aus anderen Gründen. Einen Klugscheißer mochte keiner in der Klasse haben, da konnte er intelligent sein, wie er wollte.

"Dann wollen wir mal.", sagte er mehr zu sich, als zu den am Tisch sitzenden Kindern und folgte Chikara ins Spielzimmer. Sein rechtes Auge zuckte nervös, als er das Chaos dort erblickte. So viel zu "Aufräumen", das Zimmer sah nach wie vor aus, wie ein Schlachtfeld und überall lagen diese verdammten, an Tretminen oder Bärenfallen erinnernden Legosteine herum. Es war kaum möglich, nicht auf einen der farbenfrohen Steinchen zu treten, die sehr schmerzhaft sein konnten, wenn man nur Socken anhatte.

Inmitten der ganzen Unordnung standen Shouyou und Tobio und schrien sich gegenseitig an. Naja, zumindest verzichteten sie diesmal auf Handgreiflichkeiten und Schimpfwörter. Das war schon ein großer Fortschritt für die beiden Dreijährigen, von denen man glauben könnte, sie würden sich eine Gehirnzelle teilen.

"Was ist denn hier schon wieder los?", fragte Sugawara und gleich darauf kam eine Horde an Kindern auf ihn zugerannt, die alle irgendetwas von ihm wollten und laut auf ihn einredeten. Durch das Stimmenwirrwarr völlig aus dem Konzept gebracht, konzentrierte sich der sich lieber auf das Wesentliche, nämlich die Beseitigung der Unordnung im Zimmer. Wie sagte Daichi immer? Lass dich nicht auf Diskussionen ein, sonst tanzen sie dir auf der Nase herum? Er hatte wohl nicht Unrecht gehabt. Nachdem Suga einmal tief Luft geholt und sich gesammelt hatte, holte er zum Rundumschlag aus.

"Yuu, wir wollen gleich Mittag essen, also zieh das Superheldenkostüm aus. Kazuhito, Hisashi, räumt eure Ritterburg von mir aus ins Regal, aber so, dass nachher noch die Betten hinpassen. Ryu, du ziehst jetzt sofort deine Hose wieder an, halbnackte Kindern wollen wir nicht am Mittagstisch sitzen haben!" Nachdem er sich den Mund fusselig geredet hatte, rief er Shoyou und Tobio zu sich, die gleich wieder mit dem Finger aufeinander zeigten und wild durcheinander plapperten, wobei man bei letzterem wieder nur Schimpfwörter hörte.

"Tobio hat desagt, ich seh aus wie ein Gartenzwerg!", fing Shouyou sofort wieder mit dem Petzen an, aber Sugawara ließ sich gar nicht erst darauf ein, und hob stattdessen nur eine Hand, um den Kleinen zum Schweigen zu bringen. Dann setzte er sein freundlichstes Lächeln auf, als ihm eine geniale Idee kam. Er würde die Rivalität der beiden einfach zu seinem Vorteil ausnutzen.

"Warum macht ihr nicht einfach ein Spiel daraus? Wer am schnellsten alles aufgeräumt hat, der hat gewonnen.", schlug er ihnen vor und konnte allein an den Augen der beiden Kinder sehen, wie sich die kleinen Rädchen in ihren Köpfen drehten, und sie nur wenige Sekunden später vor lauter Begeisterung übers ganze Gesicht strahlten. Dabei hatte er noch nicht einmal eine Belohnung für den Sieger ausgesprochen. Wie gut, dass sie nicht zu den Kindern gehörten, die man erst mit Süßigkeiten bestechen musste.

"Ich räum mehr auf, wie der doofe Tobio!", erklärte Shouyou seinem Rivalen den Krieg, der ihm sofort Kontra gab, und noch bevor Sugawara auch nur mit den Fingern schnippen konnte, hatten die beiden schon damit angefangen, mit verblüffender Gründlichkeit alle Legosteine, Tierfiguren, Fahrzeuge und abgerissenen Puppenköpfe vom Boden aufzusammeln und in die Kisten zu werfen. Zwar landeten in ihrem Wahn auch ein paar Spielzeuge in der falschen Kiste, aber das war immer noch besser, als alles herumliegen zu lassen.

Sugawara half Kazuhito dabei, seine und Hisashis Ritterburg unbeschadet ins Regal zu räumen, während sein Freund die übrig gebliebenen Teile fein säuberlich nach der Größe sortiert in einer seperaten Kiste verstaute. Yuu hatte zum ersten mal an diesem Tag auf Suga gehört und brav sein Kostüm wieder ausgezogen. Scheinbar war ihm das anstehende Mittagessen immer noch wichtiger, als sein "super cooles" Cape. Wer todesmutig von Regalen hüpfte, dem musste auch irgendwann einmal der Magen knurren.

Auch Ryu hatte seine Hose wiedergefunden und feuerte jetzt Shouyou und Tobio an, die schreiend von einer Ecke in die andere rannten und das ganze Zimmer fast eigenhändig aufräumten. Ihren Eltern würden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn sie sahen, wie schnell zwei Dreijährige ein Spielzimmer auf Vordermann bringen konnten. Man musste bei ihnen eben nur den richtigen Schalter betätigen, wie bei einem Toaster. Das wiederrum, sollte er ihren Eltern besser nicht erzählen, dass er ihre Jungs mit Toastern gleichsetzte.

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Suga war schon ein bisschen stolz auf sich, dass er es geschafft hatte, alle Kindern innerhalb von wenigen Minuten unbeschadet und vollständig bekleidet an den Essenstisch zu bekommen. Heute gab es Spinat mit Rührei und Tofu, etwas Gesundes für die Kinder, die sich alle noch im Wachstum befanden und viel essen mussten, um groß und stark zu werden. Vor allem bei Shouyou und Yuu hatte er sich schon immer darüber gewundert, dass sie für ihr Alter so klein waren, so viel wie sie jedes mal beim Essen in sich hineinstopften. Bei anderen hingegen, wunderte es ihn überhaupt nicht.

"Kei, hast du denn gar keinen Hunger?", fragte Sugawara fürsorglich und lehnte sich zu dem Kleinen, der in seinem Essen herumstocherte und keinen Anstand machte, es auch nur zu probieren. Auf die Ansprache schaute Kei nur einmal kurz durch seine dicken Brillengläser zu ihm hoch, verzog minimal das Gesicht und starrte dann wieder nach unten auf sein Essen.

"Ich mag kein Grünzeug.", murmelte er und Sugawara seufzte bei seinen Worten, die er in abgewandelter Form fast jeden Tag zu hören bekam. "Ich mag kein Hühnchen, ich mag kein Curry, ich mag keine Tomatensoße..." Es war immer das gleiche mit ihm. Wenn er die Tomatensoße nicht mochte, dann mochte er leider auch die Nudeln nicht, denn da war ja dann Tomatensoße drauf.

"Wenn du nich aufesst, scheint nachher keine Sonne. Nur große Regenwolke!", mischte sich Shouyou ein, der nach langer Zappelei fast schon auf seinem Stuhl stand, anstatt zu sitzen. Yuu und Ryu nahmen seine Aussage als Anlass, sich fürchterlich aufzuregen, weil sie doch unbedingt im Garten Power Rangers und Weltraumpiraten spielen wollten, und Kei ihnen das jetzt alles kaputt machte. Der schien von der Diskussion wie immer reichlich unbeeindruckt zu sein, und zuckte müde mit den Schultern, während er diverse geometrische Formen in seinen Spinat malte.

Das war gar nicht gut. Kei war sowieso schon dünn wie eine Bohnenstange und seine Eltern wären wohl nicht begeistert, wenn er ihnen an diesem Nachmittag wieder erzählen musste, dass ihr Sohn sein Essen nicht angerührt hatte. Natürlich konnte man kein Kind zum Essen zwingen, das waren ja steinzeitliche Erziehungsmethoden. Aber wenn der kleine Kei etwas auf die Rippen bekommen sollte, dann musste er etwas essen, ob es ihm gefiel oder nicht.

Plötzlich hatte Sugawara eine Idee, wie er ihn bestimmt dazu bringen konnte, sein "Grünzeug" zu essen. Er verschwand kurz ins Nebenzimmer, wo die Kinder in kleinen, mit Motiven versehenen Kisten, ihre Kuscheltiere und Schmusedecken aufbewahrten, die jeden Tag zum Mittagsschlaf ausgepackt wurden. Natürlich hatte Kei auch ein solches Kuscheltier und natürlich war es ein Dinosaurier. Ein kleiner Brauner mit kullerrunden, schwarzen Knopfaugen, winzigen Ärmchen und weit aufgerissenem Maul. Suga fand ihn ein wenig gruselig für ein dreijähriges Kind, aber Tsukki hing an ihm, wie der kleine Kenma aus der Katzengruppe an seinem Tablet, und das sollte schon etwas heißen. Auch nach dem Mittagsschlaf konnte sich Kei immer nur schwer von seinem Dino trennen.

Als Sugawara grinsend, mit dem Kuscheltier in einer Hand, den Raum betrat, war er zuversichtlich, dass sein Plan klappen würde. Kei war eben am Ende auch nur ein Kind, auch wenn er manchmal so tat, als wäre er ein Erwachsener. Seine Hoffnungen schienen sich zu bestätigen, als Kei, beim Erblicken seines Dinofreundes riesige Augen bekam.

"I-Ichigo!", rief er erfreut und mit einer hellen Stimme, die er so noch nie von ihm gehört hatte. Es war schon auf seltsame Art und Weise niedlich, einen gefährlich aussehenden Dinosaurier "Erdbeere" zu nennen, aber das war wohl mit das einzige Lebensmittel, wovor er sich nicht ekelte.

"Weißt du, warum ich deinen Dino mitgebracht hab?", fragte Suga mit säuselnder Stimme und ließ das Kuscheltier wie eine Handpuppe auf dem Tisch umherlaufen. Keis Augen verfolgten die Bewegungen des Plüschtiers, als wäre er hypnotisiert, und schaute schließlich fast schon bittend zu Suga hoch. Im Esszimmer war es völlig ruhig, keiner der Kinder sagte auch nur einen Mucks. Selbst Yuu hatte aufgehört herumzuschreien und Shouyou war vor lauter Neugier fast vollständig auf den Tisch gekrabbelt. Dass er mit den Ellenbogen schon im Spinat lag, schien ihn gar nicht zu interessieren.

"Dein Ichigo ist ganz traurig, weil du deinen Spinat nicht isst. Dinos essen gerne Grünzeug. Wenn du willst, dass dein Dino sich freut, musst du auch Grünzeug essen.", redete Sugawara auf Kei ein und freute sich immer noch über seine grandiose Idee. Es war zwar schon ein bisschen fies, kleine Kinder so zu manipulieren, aber bisher hatte die "Kuscheltier"-Methode, wie er sie nannte, immer funktioniert. Bisher.

"Stimmt gar nich!", empörte sich Kei nach nur kurzem Zögern, haute mit seinen kleinen Händen auf die Tischplatte und starrte Sugawara mit einem eisigen Blick an, den er sonst nur so von Tobio oder seiner alten Englischlehrerin kannte, "Ichigo ist ein T-Rex, die essen kein Grünzeug, nur andere Dinos! Und Ichigo isst auch Menschen." Der letzte Satz klang fast schon wie eine Drohung. So gingen Sugawaras Pläne, Kei zum Essen zu motivieren, den Bach hinunter. Jetzt, wo er das Kuscheltier so ansah, wie es angriffslustig sein tiefrotes Maul aufgerissen hatte, fiel ihm sein Fehler sofort auf. Aber wer hatte schon erwartet, als Erwachsener mit höherem Abschluss von einem Kindergartenkind in Sachen Dinokunde belehrt zu werden?

Nachdem er es nach dieser Demütigung aufgegeben hatte, Kei seinen Spinat schmackhaft zu machen, kümmerte er sich lieber um die kleine Hitoka, die nach dem Kommentar über menschenfressende Dinos zitternd auf ihrem Stuhl saß und wohl tatsächlich Angst hatte, Keis Dino würde sie bei lebendigem Leibe verschlingen wollen. Sugawara versicherte ihr, dass das nicht der Fall war und Kei nur Quatsch erzählt hatte. Anschließend setzte er Shouyou zurück auf seinen Stuhl, belehrte ihn darüber, nicht wie ein wildes Tier zu essen und zog ihm ohne Umschweife sein, von oben bis unten mit Spinat bekleckertes, T-Shirt über den Kopf.

"Suga-saaan! Du hast gesagt, halbnackte Kinder dürfen nicht am Mittagstisch sitzen!", beschwerte sich Ryu und haute trotzig sein Besteck auf den Boden, "Wenn Shouyou sich auszieht, will ich mich auch ausziehen." Er wartete gar nicht erst auf Sugawaras Reaktion, sondern setzte seine Pläne sofort in die Tat um, bis er nur noch mit Unterhose und Socken bekleidet am Tisch saß, und sich wieder seelenruhig seinem Essen zuwandte. Suga nahm sich vor, bei ihm später einmal Fieber zu messen. Vielleicht hatte er ein gestörtes Temperaturempfinden und deshalb das Bedürfnis sich ständig zu entkleiden...

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Einen Vorteil hatte es, einen angehenden Exhibitionisten im Kindergarten zu haben. Zum Mittagsschlaf musste man ihn nicht extra dazu anleiten, sich seine schmutzigen Sachen auszuziehen, er tat das schon von ganz alleine. Nachdem sich die Kinder unter Aufsicht im Waschraum die Zähne geputzt hatten, half Sugawara den Kleinsten beim Umziehen und beim Zurechtlegen der Betten. Tadashi hatte er nach dem Essen gerade noch davon abhalten können, mit dem Gesicht in seinen halb aufgegessenen Spinat zu fallen, und trug den jetzt schlafenden Jungen auf dem Arm ins abgedunkelte Zimmer.

"Shouyou, bist du dir sicher, dass du wieder bei Tobio schlafen willst?", fragte er, nachdem der Kleine seinen Futon direkt neben dem seines "Erzfeindes" platziert hatte. Die Ausrede, dass er "gucken musste, dass er keinen Blödsinn" macht, nahm er Shouyou schon lange nicht mehr ab. Die beiden mochten sich den ganzen Tag über wegen Kleinigkeiten streiten und beleidigen, aber wenn es Zeit zum Mittagsschlaf war, dann klebten sie regelrecht aneinander. Vielleicht lag es daran, dass Tobio ein halbes Jahr jünger war, als er und Shouyou der Meinung war, auf ihn aufpassen zu müssen. Aber je mehr er über die merkwürdige "Freundschaft" der beiden nachdachte, desto weniger wurde er daraus schlau.

"Suga-san, was lesen wir heute für eine Geschichte?", fragte Yuu aufgeregt und hopste im Schlafanzug mit Superhelden-Aufdruck zwischen den Betten herum, als wäre er nicht schon seit morgens um sechs pausenlos herumgeturnt, "Können wir eine Gruselgeschichte lesen? Bitte! Gruselgeschichten!" Ryu folgte ihm nicht weniger aufgeweckt in gewohntem Outfit, wobei er ein riesiges Plüschtier in Form eines weißen Haies hinter sich herschleifte.

"Psst!", ermahnte er die beiden, "Tadashi schläft schon. Wenn ihr beiden so einen Krach macht, dann lesen wir gar keine Geschichte." An den erschrockenen Gesichtern der beiden erkannte er, dass seine deutlichen Worte bei ihnen angekommen waren. Daichi hatte diese Drohung schon einmal ausgesprochen und sie an einem Tag, an dem Shouyou und Tobio sich vor dem Mittagsschlaf pausenlos angeplärrt hatten und Hitoka in Tränen ausgebrochen war, tatsächlich wahr gemacht. Sugawara hoffte, dass bei ihm eine Drohung ausreichen würde. So sehr die Kinder ihn manchmal auf die Palme brachten, ihre Gute-Nacht-Geschichte, wenn man das beim Mittagsschlaf so sagen konnte, wollte er ihnen nicht vorenthalten.

"Bitte keine Gruselgeschichte!", jammerte Hitoka mit Tränen in den Augen und klammerte sich wieder einmal an sein Hosenbein. Sugawara legte Tadashi in sein Bett ab, der unbesorgt weiterschlief, und kümmerte sich dann um die kleine Hitoka, die aufgrund ihrer Nervosität immer etwas mehr Einschlafbegleitung brauchte, als die anderen. Natürlich gab es zum Einschlafen keine Gruselgeschichte. Sugawara hatte es sich mit der Zeit zur Gewohnheit gemacht, aus einem kindgerechten Märchenbuch vorzulesen, und achtete darauf, keine Geschichten auszuwählen, die den Kindern Albträume bescheren könnten.

So saß er, inmitten von halbwachen Kindern, im dämmrigen Licht, dass von draußen durch den Spalt der Jalousien schien, und laß das heutige Märchen vor. Es war ein spannendes, fantasievolles Märchen über einen abenteuerlustigen Prinzen, welches ihm seine Eltern vor vielen Jahren auch schon vorgelesen hatten. Auch wenn er wusste, dass die Kleinsten die Moral der Geschichte noch nicht verstehen würden, war es doch ein schönes Gefühl einen Teil seiner Kindheit mit "seinen" Kindern zu teilen. Der ungewohnt sentimentale Gedanke ließ ihn seinen Redefluss unterbrechen und sich im still gewordenen Zimmer umschauen.

Hitoka lag ruhig atmend neben ihm und hatte ihren Kopf auf seinen Schoß gebettet. Solange Suga bei ihr war, und ihr beruhigend durch die Haare strich, hatte sie auch keine Angst vor der Dunkelheit. Auf der anderen Seite von ihm schlief Tadashi auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt und den Mund leicht geöffnet. In seinem Tiefschlaf gab er keinen Mucks von sich. Tobio war ebenfalls schon im Reich der Träume angekommen, was für ihn nicht ungewöhnlich war. Er schlief immer sehr schnell ein, wenn man ihn hinlegte. Shouyou hingegen hockte mit angezogenen Beinen auf seinem Bett und kämpfte gegen den Schlaf an, um der Geschichte lauschen zu können, wobei ihm immer wieder die Augen zufielen.

Auch Ryu und Yuu waren ausnahmsweise einmal still und hörten gespannt zu. Der Rest schlief entweder, oder beschäftigte sich mit seinen Kuscheltieren. Kei lag eingerollt auf der Seite neben Tadashi, in seinen Armen niemand anderes als sein geliebter Ichigo, dessen Name er im Schlaf immer wieder vor sich hinmurmelte. Suga spürte ein warmes Gefühl der Zufriedenheit in seinem Innersten, als er daran dachte, dass das hier zwar nicht seine richtigen Kinder waren, er aber nicht leugnen konnte, dass er jeden Einzelnen von ihnen ebenso gern hatte.

"Aww...Ist die Geschichte schon zuende?", unterbrach Shouyou seine Gedanken und anstatt ihn auf seine Lautstärke hinzuweisen schüttelte Suga nur lächelnd mit dem Kopf und fuhr mit dem Vorlesen fort. Auch wenn ein Großteil von ihnen das Ende verschlafen oder zumindest hinterher wieder vergessen würde, zählte doch nur der gute Wille. Viele Kinder hatten nicht das Glück, von ihnen Eltern regelmäßig vorgelesen zu bekommen. Die meisten Eltern arbeiteten lange, hatten keine Zeit oder auch einfach kein Interesse am Vorlesen. Umso schöner war es, dass ihre Kinder trotzdem nicht ohne Geschichten auskommen mussten.

Als Suga das Märchen fertig gelesen hatte, war es komplett still im Zimmer, bis auf das ruhige Atmen und leise Schnarchen mancher Kinder. Sugawara wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis die ersten wieder aufwachten. Yuu war ein Frühaufsteher und brauchte mit seinen vier Jahren eigentlich keinen Mittagsschlaf mehr. Wenn er aufgewacht war, dann schlief auch Ryu nicht mehr lange. Hitoka hatte einen leichten Schlaf und wurde schnell wach und Tobio wurde hin und wieder von Albträumen geplagt. Sugawara musste also die Zeit genießen, in der die Stille regierte und sie alle ihren Schlaf bekamen.

Leise seufzend lehnte er sich mit dem Rücken an den Heizkörper hinter ihm und schloss die Augen. Die Müdigkeit war ihm in sämtliche Glieder gekrochen und er hatte das Gefühl, jeden Moment einschlafen zu können. In dieser Situation beneidete er die Kinder um ihr Privileg, sich um nichts zu kümmern zu müssen und einfach schlafen zu können, mit vollstem Vertrauen in die Menschen, die sich um sie sorgten. Ein Blick auf Hitoka, am Tag das Nervenbündel schlechthin, die neben ihm ruhig schlief, bestätigte ihm, dass er richtig lag. Es war schön jemandem so vertrauen zu können und gleichzeitig war es schön, wenn andere einem vertrauten.

Für einen Moment überlegte er, Daichi oder Kiyoko eine Nachricht zu schreiben. Bestimmt machten sie sich Sorgen um ihn, der als gerade Ausgelernter mit einer ganzen Gruppe aufgeweckter, und mitunter ziemlich verhaltensaufälliger Kinder allein gelassen wurde. Er entschied sich am Ende aber doch dagegen.

Er konnte ihnen später immer noch mit stolzgeschwellter Brust davon erzählen, wie er einen Streit zwischen Shouyou und Tobio geschlichtet, Yuu vor dem sicheren Tod gerettet und die Kinder dazu gebracht hatte, in Rekordzeit ihr Spielzimmer aufzuräumen. Die Sache mit den Dinos und Ryus Debakel mit seinen Klamotten würde er aber eher weglassen müssen, wenn er nicht ausgelacht werden wollte. Suga wollte gerade in einen leichten Dämmerschlaf übergehen, als es auf der anderen Seite des Zimmers plötzlich raschelte, und ihn das Geräusch dazu zwang, seine Augen wieder zu öffnen.

Shouyou stand auf seiner Matratze, seine wuscheligen Haare noch zerzauster als sonst und die Augen klein vom Schlaf. Wirklich lange hatte er es nicht in seinem Bett ausgehalten.

"Ich muss aufs Klo.", sagte er leise, drehte sich um und begab sich auf den Weg dahin, wo er die Tür vermutete. Schlaftrunken wie er war, stolperte er über den Deckenhaufen, unter dem Tobio bis dato friedlich geschlafen hatte. Shouyou wunderte sich aufrichtig, als besagter Tobio daraufhin aus dem Tiefschlaf hochschreckte, und seinen Zorn über das unsanfte Wecken auf seine, ebenfalls sehr unsanfte, Art an Shouyou ausließ. Es brauchte aber auch nicht viel, um den zierlichen Jungen zu Boden zu reißen.

Shouyou gab ein quietschendes Geräusch von sich, Hitoka riss sofort die Augen auf und fing laut an zu weinen, Yuu sah den Lärm als Anlass dazu, ebenfalls aufzuspringen, durchs Zimmer zu rennen und jeden Einzelnen mit "Aufgewacht, die Sonne lacht!" wachzurütteln und der Hälfte der, nun hellwachen, Kinder fiel ein, dass sie eigentlich auch ganz dringend zur Toilette mussten. Dabei hatte Suga sie extra nach dem Zähneputzen noch einmal dazu angehalten, sich vor dem Schlafengehen zu entleeren, aber erzähl das mal einem Kindergartenkind. Das war es dann wohl mit dem Mittagsschlaf. Es hätte so schön sein können.

Der einzige, der das ganze Chaos ohne ein einziges Augenzucken verschlief, war Tadashi. Es konnten Fliegerbomben über Tokyo abgeschossen werden oder Vulkane ausbrechen, Tadashi würde es verschlafen und während draußen die Apokalypse ausbrach, träumte er von seinen Abenteuern mit Tsukki und seinem menschenfressenden Dinosaurierfreund, wie sie Hand in Hand in einen schlecht gezeichneten Sonnenuntergang tanzten.

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Suga hatte schon eine Weile nicht mehr in den Spiegel geschaut, und doch war er sich sicher, dass Augenringe und neu hinzugekommene Stressfalten sein Gesicht zierten. Weningstens hatte er es geschafft, sich ein neues Oberteil anzuziehen. Wenn es nach ihrer kleinen Zwischenmahlzeit zu den Gruppen der Katzen und der Eulen nach draußen in den Garten ging, musste er zumindest gesellschaftsfähig aussehen und nicht so, als wäre er gerade nach einer durchzechten Nacht aus dem Bett gefallen. Yaku und Akaashi verstanden bei so etwas leider auch keinen Spaß.

"Tobio, meinst du nicht, dass du schon genug davon getrunken hast? Du kriegst noch Bauchschmerzen.", fragte er den Kleinen beiläufig, der sich jetzt schon seine vierte Tasse Milch einschenkte. Der verständnislose Blick, den er ihm zuwarf, sprach Bände. Es war Tobios Glück, dass er sein Lieblingsgetränk hier mit niemandem teilen musste, und sich die anderen Kinder eher um den Orangensaft stritten.

Das süße Zeug war sicherlich schlecht für die Zähne, aber wenigstens musste so niemand zum Trinken gezwungen werden. Auch Kei saß friedlich, mit seinem Kuscheltier auf dem Schoß, am Tisch und knabberte zu seinem Saft ein paar Kekse. Gut, wenn er schon keinen Spinat gegessen hatte, dann wenigstens Kekse. Sugawara musste seinen Eltern ja nicht erzählen, was genau ihr Sohn heute gegessen hatte, solange es überhaupt etwas war.

"Gehen wir heute in den Garten?", fragte Yuu jetzt bestimmt schon zum fünfzigsten mal und hibbelte auf seinem Stuhl herum, als hätte er Ameisen im Hintern. Seine Augen leuchteten voller Vorfreude darauf, endlich mit seinen Freunden Power Rangers, Weltraumpiraten oder was auch immer zu spielen. Auch Ryu zeigte seine wachsende Unruhe, indem er gefährlich mit dem Stuhl kippelte und damit die blass gewordene Hitoka neben ihm in Angst und Schrecken versetzte.

"Ja, wir gehen in den Garten. Aber erst, wenn alle aufgegessen haben.", antwortete Sugawara ihm auch zum fünfzigsten mal. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass Shouyous Vorhersage mit der Regenwolke zum Glück doch nicht eingetreten war. Stattdessen strahlte schon von draußen die Sonne ins Zimmer, blendete einen unzufriedenen, da immer noch reichlich verschlafenen, Tadashi und verkündete Suga die frohe Botschaft, dass er heute nicht den ganzen Nachmittag in der Bude Flöhe hüten musste.

Wenn die Kinder ihrem Bewegungsdrang frönen durften, dann lebten sie regelrecht auf, waren weniger knatschig und stritten sich auch nicht so häufig. Auf dumme Ideen kamen sie aber nach wie vor. Er erinnerte sich noch lebhaft daran, wie Daichi sich einmal den Fuß verstaucht hatte, weil er Yuu von einem Baum retten musste. Bis heute wusste keiner, wie Yuu dort hochgekommen war, aber zur Sicherheit, damit so etwas nicht noch einmal passierte, hatten sie in der Kindergartenleitung beschlossen, einfach den ganzen Baum abzusägen. Erst später war ihnen klar geworden, dass diese Aktion keinen Sinn gehabt hatte, da Yuu auch ohne Baum immer wieder neue Wege fand, sich ins Lebensgefahr zu bringen.

Nachdem nach Yuu und Ryu nun auch Shouyou damit angefangen hatte, laut und schief "Go Go Power Rangers!", zu singen, Tobio am Rande eines Nervenzusamenbuchs stand, weil Tadashi in seiner Schläfrigkeit aus Versehen seine Milch umgeschüttet hatte und Chikara sich nützlich machen, und dabei Hisashis karierte Kuscheldecke mit einem Geschirrtuch verwechselte, wusste Sugawara, dass der Zeitpunkt gekommen war, die kleinen Wänster an die frische Luft zu stecken, bevor es ein noch größeres Geschrei gab.

Das Aufräumen verlief diesmal ohne weitere Probleme, auch wenn Tobio, ihr Jüngster, noch beim Wegräumen seines Geschirrs vor sich hinschluchzte und von Shouyou getröstet werden musste. Ein merkwürdiger Anblick war das, aber wenigstens lachte er ihn nicht aus, so wie Kei es wieder einmal tat. Sugawara macht sich daran, den Tisch, diesmal mit einem ordentlichen Putzlappen, grob abzuwischen und scheuchte die schon ungeduldig herumzappelnden Kinder in Richtung Waschraum, damit sie sich den Mund wuschen und, ganz wichtig, noch einmal auf die Toilette gingen.

Letzteres schienen auch alle verstanden zu haben, außer einer von ihnen. Sugawara kannte seine Pappenheimer schon lange genug, um sich nicht mehr darüber zu wundern.

"Ich muss nicht. Ich war vorhin schon.", behauptete Shouyou, der mit verschränkten Armen vor ihm stand, und sich strikt weigerte, mit zu den anderen Kindern in den Waschraum zu gehen, obwohl er beim Vesper drei Gläser Saft getrunken hatte und jetzt schon von einem Fuß auf den anderen trat.

"Doch, du musst. Gerade du! Wir haben keine Wechselsachen mehr für dich da, also rein mit dir!", widersprach Sugawara und schubste den Jungen geradewegs in Richtung Waschraum. Chikara, der schon mit allem fertig war, schickte er hinterher, damit er aufzupasste, dass Shouyou nicht wieder irgendwelchen Blödsinn machte. Währenddessen konnte er sich um den kleinen Tobio und Hitoka kümmern, die noch ein bisschen mehr Hilfe brauchten und musste keine Angst haben, dass Shouyou in der Zeit irgendwelche sperrigen Gegenstände in die Toilette warf. Die letzte Überschwemmung hatte ihm wirklich gereicht.

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Als sie etwa eine halbe Stunde später alle im Garten waren, konnte Sugawara endlich aufatmen. Die Nachmittagssonne wärmte sein Gesicht und die harte Bank, auf der er sich niedergelassen hatte, fühlte sich zwecks Mangel an Alternativen fast so bequem an, wie ein richtiges Sofa. Er hatte sich gar nicht viel bewegt und trotzdem taten ihm schon die Knochen weh. Daichis und Kiyokos Abwesenheit machte ihm wirklich zu schaffen. Hoffentlich waren die beiden bald wieder fit genug, um sich auf das Chaos der Krähengruppe einzulassen. Aber solange, wie sie krank waren, musste er sie eben vertreten.

Ein müdes, aber amüsiertes Lächeln schlich sich auf Sugawaras Gesicht, als er seinen beiden Problemkindern, Shouyou und Tobio, dabei zusah, wie sie sich freudig und diesmal ganz ohne Streitereien einen Ball zuwarfen. Natürlich dauerten diese Momente nicht lange an, aber es lohnte sich, sie auszukosten. Immer wenn die beiden sich stritten und er ihre Freundschaft in Frage stellte, dachte er an das strahlende Lächeln von Shouyou, wenn er es wieder einmal geschafft hatte, einen Ball von Tobio zu fangen. Als Tobio vor einem Monat von der Krippe in den Kindergarten gekommen war, war es ihm schwer gefallen, Freundschaften zu schließen, bis Shouyou den Jüngeren unter seine Fittiche genommen hatte.

"Deine Kinder spielen so schön zusammen. Ich wünschte in meiner Gruppe wären auch alle so friedlich.", seufzte Yaku, der Leiter der Katzengruppe, ließ sich neben Sugawara auf die Bank fallen und streckte die Beine von sich. Er sah genauso erschöpft aus, wie Sugawara sich fühlte und scheinbar hatte sich Sugawara wegen seines fleckigen Shirts umsonst Sorgen gemacht. Das von Yaku sah noch viel schlimmer aus.

"Friedlich?", fragte Sugawara dennoch ungläubig und lachte nervös. "Als friedlich würde ich die nicht bezeichnen. Die haben den ganzen Tag nur Unfug im Kopf. Heute Mittag haben sie nicht mal 'ne halbe Stunde geschlafen." Yaku lachte daraufhin fast schon schadenfroh und wurde im folgenden Moment schon wieder ernst, die Stirn in tiefe Falten gezogen.

"Lev hat Shouhei und Sou dazu angestiftet, die Wände anzumalen. Mit schwarzem Edding. Dabei haben wir im Kindergarten gar keinen Edding.", fing er an und fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare, "Tetsurou hat eins der Klos verstopft und geschlafen hat heute keiner von ihnen. Wusstest du schon, dass Taketora neuerdings mit Essen wirft?"

Jetzt musste Sugawara ebenfalls lachen. Und er hatte Yaku für seine brave Gruppe beneidet.

"Seit Lev in die Gruppe gekommen ist, ist es das reinste Chaos. Frag mich nicht, wie man es als Dreijähriger schafft, in einer Woche viermal die Vorhänge abzureißen, aber er schafft es." Sugawara folgte dem Blick seines Kollegen zu dem Jungen, der durch seine reine Körpergröße fast wie ein Schulkind wirkte. Gerade versuchte er, eins der Mädchen aus der Eulengruppe auf der Schaukel anzuschubsen. Mit Betonung auf "versuchte", denn wenige Sekunden später hatte er das Mädchen stattdessen von der Schaukel geschubst. Zum Glück war das Kind eins der zähen Sorte und fand das anscheinend auch noch lustig.

"Am meisten Sorgen mach ich mir aber um Kenma.", sagte Yaku plötzlich, "Er ist nicht mehr ganz neu in der Gruppe, aber jetzt wo Tetsurou sich mit diesem Koutarou von den Eulen angefreundet hat, bleibt er auf der Strecke. Er redet auch immer so wenig und geht überhaupt nicht auf andere Kinder zu." Sugawara suchte mit seinen Augen den Spielplatz nach einem kleinen Jungen mit etwas längeren, schwarz glänzenden Haaren ab, und fand ihn sogleich im Sandkasten vor. Gerade wurde er von Shouyou belästigt, der ihn wild gestikulierend zum Spielen aufforderte. Tobio stand schweigend daneben, den Ball von seinem letzten Spiel mit Shouyou fest umklammert und beobachtete die Situation mit gewohnt grimmigem Blick.

"Ich glaube, mit Kenma ist alles in Ordnung.", sagte Sugawara, um seinem Kollegen Mut zu machen, "Das wird schon noch mit ihm. Er ist eben etwas ruhiger als die anderen Kinder."

"Ich hoffe, du hast Recht.", erwiderte Yaku mit einem Lächeln und Sugawara spürte voller Erleichterung, dass er bei all dem Chaos scheinbar einen Verbündeten hatte. Während Yuu und Ryu wie angestochen durch den Garten rannten, sich auf den Boden schmissen und laut jauchzend über die Wiese rollten, obwohl man das als Power Ranger eigentlich nicht so machte, nutzte Sugawara die Zeit, um sich noch eine Weile mit Yaku darüber zu unterhalten, was ihre Schützlinge alles so angestellt hatten. Mit den Geschichten, die sie sich erzählten, konnte man bestimmt ganze Bücher füllen.

Es dauerte nicht lange, da wurden schon die ersten Kinder von ihren Eltern, Großeltern, oder älteren Geschwistern abgeholt. Die Zeit war wie im Flug vergangen und draußen wurde es schon langsam dämmrig. Der verdiente Feierabend rückte immer näher.

"Mama!", schrie der kleine Shouyou durch den ganzen Garten, als er seine Mutter am Gartentor erblickte, sprang von der obersten Stange des Klettergerüsts über einen verwirrt dreinblickenden Tobio hinweg und rannte in beeindruckendem Tempo geradewegs zu seiner Mutter.

Die Wiedersehensfreude war riesig und erst nach unzähligen Küsschen und Umarmungen hatte der Kleine seine Mutter endlich wieder losgelassen und lief, fröhlich hopsend, wobei er fast über seine eigenen Füße stolperte, auf die Bank zu, auf der Sugawara und Yaku immer noch saßen, um sich von seinen Erziehern zu verabschieden. Seine Mutter folgte ihm mit bedächtigen Schritten und lächelte über die endlose Energie ihres Sohnes, der auch ohne richtigen Mittagsschlaf noch lange nicht müde war.

"War mein kleines Schätzchen heute brav im Kindergarten?", fragte sie, halb an ihren Sohn und halb an die Erzieher gerichtet, was sie immer tat, wenn sie Shouyou abholte. Sugawara, dem als Flashback sämtliche unschönen Szenen des Tages durch den Kopf gingen, wollte ihr zuerst ehrlich antworten. Dann aber machte er seinen bisher größten Fehler des Tages, indem er Shouyou noch einmal ins Gesicht sah. Der Kleine hatte sich an den langen Rock seiner Mutter geklammert und schaute treuherzig, mit großen braunen Rehaugen zu ihm hoch. Es sollte wirklich verboten sein, so niedlich auszusehen.

"Ja, Shouyou war heute ein ganz braver Junge.", heuchelte Sugawara und schlug sich innerlich mehrmals mit der Hand gegen die Stirn, " Er hat schön mit Tobio und Kenma gespielt, und dann ist er für sein Alter schon so selbstständig.", Die letzte Aussage war zumindest nicht gelogen. Trotzdem war "brav" nicht gerade ein Wort, welches zu dem kleinen Störenfried mit dem orangefarbenem Wuschelkopf passte. Seine Mutter fragte zum Glück nicht weiter nach, nickte zufrieden und strich sich behutsam über ihren leicht gewölbten Bauch. Suga war schon seit geraumer Zeit aufgefallen, dass sich da etwas anbahnte.

"Das freut mich, jetzt wo mein kleiner Shouyou doch bald ein großer Bruder wird.", bestätigte sie ihm nun endlich seine Vermutungen und Shoyou sprang, wie auf Kommando, aufgeregt plappernd an ihr hoch und demonstrierte allen Anwesenden damit, wie sehr er sich auf sein kleines Schwesterchen freute. Sugawara war hin und hergerissen zwischen freudiger Anteilnahme über das neue Baby und der leisen Befürchtung, dass das Universum explodieren würde, wenn noch so eine Miniaturausgabe von Shouyou auf der Welt herumlief. Trotzdem wünschte er der jungen Familie alles Gute und verabschiedete sich von Shouyou, der ihm zum Glück einmal nicht auf den Schoß oder sonst wohin reiherte.

So ging der stressige Tag langsam seinem Ende zu. Kurz bevor Shouyou mit seiner Mutter den Kindergarten verlassen hatte, waren ihnen Tobios Eltern entgegen gekommen. Sugawara hatte von weitem noch gesehen, wie sich die beiden Jungs zu einem Wettrennen anstachelten, und jetzt wohl den angrenzenden Stadtpark auf den Kopf stellten. Zum Glück waren jetzt andere für das körperliche Wohl der kleinen Draufgänger verantwortlich. Trotzdem betete Sugawara dafür, dass sie sich zumindest nicht die Knochen brechen würden.

Auch Tadashi und Kei wurden schon bald von ihren Eltern abgeholt, wobei Tadashi kurz davor auf dem Karussell eingeschlafen war, und es gar nicht bemerkt hatte, dass er die ganze Zeit von Tetsurou, einem der Älteren aus der Katzengruppe und seinem Kumpel Koutarou, im Kreis gedreht wurde. Auch Lev wurde irgendwann davon abgehalten, sich und anderen Kindern noch mehr Blessuren zu verpassen, und ging stattdessen seiner älteren Schwester auf die Nerven, die laut Yaku seit einem Jahr die Grundschule besuchte. Alles in allem war es ein eher entspannter Nachmittag, und Sugawara konnte sich keinen besseren Abschluss seines Arbeitstages vorstellen. Am meisten freute er sich aber, als er auf seinem Handy eine Nachricht von Daichi erblickte.

Scheinbar hatte er seine Grippe überstanden und würde, schneller als erwartet, wieder in seine gewohnte Arbeit einsteigen. Jetzt fehlte nur noch Kiyoko und die Krähengruppe war wieder komplett, so wie es sich gehörte. Sugawara winkte noch einer fröhlich lächelnden Hitoka hinterher, die als letzte von ihrer Mutter abgeholt wurde, und machte sich schließlich daran, seine Sachen zusammenzupacken. Ein anstrengender Tag im Kindergarten ging zuende, doch es würden noch viele weitere anstrengende Tage folgen.

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