Kapitel zehn - Drei Stunden bis zum Kollaps
Die Wände waren noch rot und es roch schon nach Wein - manchmal hasste Kara Frankreich.
Während sie durch die Gänge schlich, die wie leer gefegt waren, konnte sie die HYDRA Agenten durch die offenen Fenster hören, wie sie durch Clints Pfeile starben. Bis auf ein paar Wachen schien die Etage völlig leer zu sein - alle waren draußen, um sich von ihrem Verbündeten abmetzeln zu lassen.
Der erste Raum, in dem Kara nach weiteren Geiseln suchte, war der Maschinenraum. Keine Kameras, dicke Türen und absolute Stille - es war der fast perfekte Ort, um Geiseln zu verstecken.
Ab da an ging alles ganz schnell: von Raum zu Raum schaltete sie die übrigen HYDRA-Wachen aus, gab den Geiseln ihre Waffen und befahl ihnen sich nicht zu bewegen, bis Kara ihnen das Zeichen geben würde, dass alles geregelt war.
Zwei Stunden waren vergangen, in denen sie mit jeder Minute weniger Gebrüll von draußen hörte, als wären fast alle von HYDRA hier umgekommen. Ein oder zwei Mal hatte sie selbst das Fenster geöffnet, um aus der Ferne jemanden mit einer auf dem Boden herumliegenden Pistole zu erschießen.
Eine weitere Stunde dauerte es, bis sie jeden Raum noch nach übrig gebliebenen HYDRA Agenten abgesucht, sowie mit Clint über ASL kommuniziert hatte, dass die Luft rein war.
Sie hatten es doch tatsächlich geschafft, zu zweit mit einem impulsiven Plan eine SHIELD-Basis vor einer HYDRA Übernahme zurück zu erobern. Wenn sie ehrlich war, hätte Kara nicht gedacht, dass sie da lebend rausgekommen wären.
"Wo ist eigentlich das Serum?", wollte Clint nebenbei von ihr wissen, als sie mit den übrigen SHIELD Agenten, die noch nicht von den Neonazis umgebracht worden waren, die Leichen borgen - sowohl die der Gegner, als auch die ihrer eigenen Leute.
Nachtragend war es schwer zu sagen, wer wer war.
"Es ist nicht mehr da, wo du es hingetan hattest."
Unwissend tuend zuckte Kara mit den Schultern, als wüsste sie nicht genau, wo es gelandet war. "Keine Ahnung, vielleicht hast du es in den Tiefen meiner Tasche nicht gefunden."
In Clints Augen konnte sie förmlich sehen, wie dieser langsam eins und eins zusammenzählte - angefangen mit dem plötzlichen Fehlen des Serums in ihrer Tasche, die sie neben ihm auf dem Dach gelassen haben musste, bis zu ihrer plötzlichen Veränderung in körperlicher Belastbarkeitskapazität.
Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Wirkung nachlassen würde, und die Nebenwirkungen einsetzen würden - es sei denn, die Messungen über die Dauer, die sie zusammen mit den restlichen Daten auf der Yacht in Brand gesetzt hatte, wären falsch gewesen. Kara hatte nicht alle Seiten Information gelesen, bevor sie sie für immer zerstört hatte - jetzt flog ihr das alles wieder um die Ohren. Nach allem war es schließlich schwer zu sagen, welche Nebenwirkungen bei ihr auftreten würden, wenn sie nicht einmal wusste, welche Nebenwirkungen es überhaupt gab.
Etwa zehn Uhr morgens, eine halbe Stunde, seitdem sie kurz über das Verschwinden der Phiole gesprochen hatten, fing Kara vermehrt an stark zu schwitzen, obwohl sie gar keine starke körperliche Arbeit tat, sondern nur die Toten zählte, die sie zuvor gemeinsam in den unterschiedlichsten Räumen gefunden hatten. Sie musste etwas blass um die Nase gewesen sein - jedenfalls behandelten sie alle so, als wäre ihr wegen dem ganzen Blut und der großen Anzahl an Leichen schlecht.
Dass Clint sie noch nicht darauf angesprochen hatte, ließ sie darauf schließen, dass er bloß keinen Konflikt ausbrechen wollte, während sie verzweifelt versuchten die letzten Trümmerteile SHIELDs zusammenzuhalten. Ihm war dennoch mit jeder Interaktion zwischen ihm und Kara mehr anzusehen, wie er nicht länger schweigen konnte. Und als wäre seine passiv-aggressive Stille nicht schon anstrengend genug, wurde ihr immer schwindelig, sobald sie länger als zwei Minuten eine durgehende Aktivität durchführte, als hätte sie sich einen Virus eingefangen.
"Können wir reden?", überwand sich der Bogenschütze schließlich, als Kara gerade alleine in dem Raum, in dem die identifizierten Leichen Jerry und Durants lagen, auf dem Boden saß, um sich ein wenig zu erholen.
Mittlerweile musste jeder mitbekommen haben, dass es ihr ganz und gar nicht gut ging - trotzdem verließ kein einziges Wort darüber ihren Mund.
"Meinetwegen", erwiderte sie zu ihm aufsehend und richtete sich langsam an der Wand gestützt auf. Das Schwindelgefühl setzte wieder ein, das sie für eine Minute aus der Bahn knockte. Jede ihrer Bewegungen musste eine große rote Flagge des Unwohlseins sein.
"Geht es dir gut?", wollte er besorgt von ihr wissen, während er sie musterte.
Obwohl sie kurz davor war, umzukippen, hob Kara einen Daumen in die Höhe.
"Bin nur erschöpft. Es waren ein paar harte 24 Stunden."
Clint zog seine Augenbrauen zusammen, sah an ihr vorbei. Viel zu spät bemerkte sie, worauf er genau blickte: der kleine Hügel an ihrem rechten Arm, wo sie durch eine Schnittwunde das Serum in ihren Blutkreislauf gebracht hatte.
"Was hast du da?"
"Nur eine kleine Schnittwunde. Einer von HYDRA hat mich da mit meinem Messer erwischt."
Es erschreckte sie fast, wie leicht ihr diese offensichtliche Lüge über die Lippen ging, obwohl es für sie noch nicht einmal einen guten Grund gab, zu lügen. Wenn nicht, machte es die Situation sogar noch komplizierter.
Kara konnte es in seinen Augen sehen: er glaubte ihr nicht. Wie könnte er auch, wenn alle Indizien gegen ihr Wort sprachen?
Stumm erwartete er die Wahrheit, doch die Agentin blieb still. Ihr einziger Austausch folgte darüber, dass sie sich gegenseitig in die Augen sahen, doch das musste für ihn als Bestätigung reichen.
"Lüg' mich nicht an", sagte er - der Augenkontakt blieb bestehen. "Du hattest das schon auf dem Dach."
Eiserne Stille folgte auf seine Erkenntnis - wieder eine Bestätigung für seine Vermutung. Ihr Kopf fühlte sich wie in Watte eingelegt an - so würde ihr keine glaubwürdige Lüge über die Lippen kommen, also hielt sie es für besser zu schweigen.
"Was hast du getan?"
Defensiv verschränkte Kara ihre Arme vor der Brust. "Was nötig war."
"Was hast du getan?", wiederholte der Bogenschütze seine Frage, dieses Mal dringlicher.
Die Welt fing wieder an sich zu drehen.
"Kannst du es dir nicht schon denken?" Sie hatte ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht, nicht ganz sicher warum überhaupt.
Etwas sagte ihr, dass sie jeden Moment zusammenklappen könnte. Wem machte sie etwas vor, ihr ging es offensichtlich miserabel.
"Kara?"
Sie konnte ihre Augen kaum offen halten.
"Keine Sorge, meine Familie hat ein starkes Immunsystem."
Ihr letzter Satz, bevor ihr die Augen zufielen, und sie Clint direkt in die Arme fiel.
Es stellte sich heraus, dass ihre Familie, in der Tat, kein starkes Immunsystem hatte.
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