- Kapitel 8 -
Für unsere Gruppe beginnt ein neuer Tag mit einem Offizier Hartmann, der um 4.30 Uhr schreiend in der Stube auftaucht, uns unsanft aus den Federn wirft und im Morgengrauen ein paar Runden über den Trainingsplatz jagt. Und das alles, bevor wir überhaupt an etwas anderes denken dürfen.
Wir sind in der kurzen Zeit keineswegs als Team im Ganzen zusammengewachsen, aber wer Schmerz, Schweiß und Leid teilt, steht sich wohl automatisch irgendwie näher. Bislang dienten die Übungen auch nur dem Zweck die Ausdauer jedes einzelnen Soldaten zu stärken und für die kurzweilige Bindung zu einem einzelnen Partner.
Außerdem haben wir kaum Freizeit, weswegen Max, Paul, Ben und ich nur im ungezwungenen Geplänkel miteinander kommunizieren. Abgesehen von Mike, spreche ich mit keinem der Jungs über ein Leben vor all dem hier.
Dennoch verspüre ich eine indirekte Zugehörigkeit und Akzeptanz ihrerseits. Ich lächle zufrieden, indessen mein versonnener Blick auf meine Kameraden fällt, die gerade dabei sind, genau wie ich, das Frühstück im Speisesaal zu verschlingen.
Zu diesem Zeitpunkt scheinen die vier Jungs derart in ihr Gespräch vertieft, so dass sie mich nicht weiter beachten. Eigentlich ist es eher in eine machohafte Angeberei über ihre neuen Bestzeiten beim Training ausgeartet ... bis Max plötzlich zu mir herüber schaut und mit seiner Gabel und dem darauf aufgespießten Rührei in meine Richtung zeigt.
"Ich will ja nichts sagen, aber du El, läufst und kletterst uns wirklich allen davon. Selbst unser lieber Mike hier hat da keine Chance, obwohl er ... was warst du noch gleich, Surferboy?"
Das Rührei fällt prompt von der Gabel, als Max damit zu Mike schwenkt. Dieser richtet seinen amüsierten Blick allerdings auf mich.
"Ich war der beste Sprinter in unserem Leichtathletikteam an der Schule! Und nicht nur da, auch im Hochsprung und Hindernislauf habe ich immer den ersten Platz gemacht!"
Mikes Stolz ist bei diesen Worten unüberhörbar. Der kesse Unterton und sein Blick mit den wackelnden, dunkelblonden Augenbrauen bringen mich jedoch ungewollt zum Schmunzeln.
Auf einmal mischt Ben sich jetzt in das Gespräch ein, indem er prustend feststellt:
"Na das muss ja ein beschissenes Team gewesen sein, denn das kleine Äffchen hier, jumpt dir jedes Mal vor der Nase weg! Aber El, bei deinen dünnen Ärmchen sollte man dringend noch etwas mehr Arbeit investieren. Ich hätte da nämlich die perfekte Übung für dich, Süße ..."
Sogleich legt er seine langen Finger an das Wasserglas vor ihm, fährt damit auf und ab, nur um mir dabei leise stöhnend zuzuzwinkern.
"Bah, du bist so ein Widerling!", rufe ich angeekelt aus und rolle mit den Augen, bevor Ben plötzlich von allen Seiten mit Rührei, Salamischeiben und Brötchen beworfen wird.
"Meine Fresse, so nötig kann man es doch niemals haben!", ergänzt Paul, schüttelt verständnislos seinen roten Lockenkopf und haut unserem Kameraden zusätzlich von hinten mit einem leisen Patsch auf den kahl rasierten Schädel.
"Hey, hey, ist ja gut, Leute! Ich hab's verstanden!", ruft Ben kapitulierend aus, wobei er sich zugleich über sein Meister Proper Gesicht streicht, um die Essensreste daraus zu entfernen. Es ist die Frage, wie lange er den Wink mit dem Zaunpfahl angeblich versteht ...
Mike legt im nächsten Moment tröstend seinen Arm auf meine Schulter und raunt mir leise zu:
"Tut mir leid, Lely. Wir haben ihm schon mehrmals versucht zu verklickern, dass wir alle miteinander klar kommen müssen und er sich endlich zurücknehmen soll bei dir, aber irgendwie ..."
"... aber irgendwie muss er ständig den Höhlenmenschen spielen?", ergänze ich laut mit einem zugleich boshaften Blick in Bens Richtung. Meine rechte Hand gleitet in die Höhe über die Mitte des Tisches.
Max, Paul und Mike brechen prompt in lautes Gelächter aus und klatschen der Reihe nach mein angedeutetes High-Five ab, wobei Ben mir bloß beleidigt die Zunge rausstreckt.
Inzwischen habe ich den unwiderruflichen Eindruck, dass ich mich im Notfall auf die Jungs verlassen kann, sogar auf den Schmierlappen Ben. Wahrscheinlich, weil meine anderen Kameraden ihn dazu zwingen würden, aber ganz besonders baue ich sowieso auf Mike ... 'meinen' Mike.
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie er mir einen kurzen Blick zuwirft und zwinkert. Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung, tue es ihm gleich und erhalte als Antwort ein strahlendes Lächeln. Diese kurze, unschuldige Geste gibt mir direkt ein gutes Gefühl für den restlichen Tag.
Wir haben heute einen wichtigen Kurs über die Verletztenversorgung in einem der Seminarräume, weswegen ich zwischenzeitlich vom Tisch aufspringe, mich kurz verabschiede und schnell zum Schlafsaal zurück sprinte.
Dort angekommen, mache ich mich frisch, werfe mir ein neues Paar der zu großen Sportklamotten über und verstecke meine Haare, wie tagtäglich, unter einer Cappy.
Ich bin ziemlich erleichtert heute einen Tag ohne General Davis zu verbringen. Der Kurs liegt außerhalb seines Aufgabenbereichs und er wird auch nicht als Prüfer vor Ort sein. Das ungewollte Kribbeln in meinem Körper, wenn ich ihn sehe ...
NEIN! Ich kann mir diese Zerstreuung auf keinen Fall erlauben, wobei ich im Geiste gewissermaßen mein neues Mantra wiederhole: Halte dich und deine Gedanken fern vom General!
Selbst, als ich gestern Abend mit Mike in seinem Bett 'The Expendables' auf dem Laptop schaute, war ich in Gedanken bei Davis und versuchte zunächst verzweifelt zu analysieren, warum genau er mir nicht aus dem Kopf ging. Das hatte ich auf diese Weise noch nie erlebt. Normalerweise mag ich nämlich keine Männer, die mich so abwertend behandeln, wie er, mich vorverurteilen und derart fies sind, ohne einen triftigen Grund!
Irgendetwas läuft gerade ganz arg schief im Staate 'General Grumpy' und ich habe absolut keine Ahnung, wie ich dieses Wirrwarr in mir geradebiegen soll ...
Hat Ben mich einfach zu oft irgendwo gegenlaufen lassen, so dass ich an einer unerkannten Gehirnerschütterung leide und in Wirklichkeit gar nicht zurechnungsfähig bin? Mein Kopf fühlt sich zumindest in keinerlei Hinsicht knusper an mit diesen Gedanken ...
Während Mike nach dem gestrigen Training mit voller Aufmerksamkeit beim Film verweilte und mehrmals neben mir vor Spannung leicht zusammenzuckte, war ich darüber hinaus viel zu sehr damit beschäftigt mir vorzustellen, wie Davis wohl im Privatleben sein würde. Ob auch er Filmabende liebt? Und wenn ja, welche Genre würden sein Interesse wecken?
Letzten Endes fiel ich, angekuschelt an Keys Schulter, in einen tiefen, angenehmen Schlaf.
Heute Morgen wachte ich dann vollständig bekleidet in meinem eigenen Bett wieder auf, nachdem Offizier Hartmann, wie ein durchgedrehter Wecker, in unseren Schlafsaal gestürmt kam.
Mike verkörpert einfach den besten Freund, den man sich überhaupt wünschen kann, ist mein Gedanke, während ich jetzt mit schnellen Schritten auf dem Weg zum Seminarraum bin. Und für mehr Überlegungen, besonders in Bezug auf Männer, sollte ich mein Gehirn wirklich nicht benutzen!
**********
Im Kurs über die Verletztenversorgung sind Key und ich erneut ein super Team, denn die Übungen gehen uns zusammen auf gewisse Weise leicht von der Hand.
"Keine Angst, ich hab' dich, Leyli und ich lasse dich bestimmt nicht los!"
Zu dem Zeitpunkt zieht Mike mich fest umschlungen aus einem nachgestellten Autowrack und presst mich dabei eng an seinen sportlich trainierten Oberkörper. Seltsamerweise fühle ich mich sogar in dieser Situation wohl bei ihm.
Offizier Schulz nickt zustimmend in unsere Richtung, wobei Ben bloß einen neidischen Blick übrig hat.
"Genau so! Gut gemacht ihr beiden! Stabsgefreiter Winter vermittelt das Gefühl der Sicherheit und Sie, Stabsgefreite Janssen, verlassen sich auf ihn. Ein sehr schönes Bild!", ergänzt unser Ausbilder zufrieden und schwenkt sogleich einen roten Kugelschreiber über das Klemmbrett mit seinen Notizen für den heutigen Tag.
Mike und ich geben uns ein ausgelassenes High-Five. Wir stehen direkt bereit für die nächste anspruchsvolle Übung. In dem Moment ruft Ben jedoch total genervt:
"Ja ja, wenn ich das Püppchen hätte, würde ich sie auch mir nichts, dir nichts aus dem Wagen heben. Wieso muss ich immer den Schwersten von allen haben? Mach dich mal leichter, du Penner!"
"Sag mal, geht's noch? Du bist doch hier der Mucki-Oberproll, dann sieh zu jetzt! Außerdem hast du mich bestimmt schon zwei Mal mit dem Kopf gegen das Lenkrad knallen lassen und das hat rein gar nichts mit meinem Gewicht zu tun", schnauzt Max zurück und zappelt dabei wild in Bens Armen. Die beiden sehen einfach urkomisch aus und ich muss mir ein Lachen echt verkneifen.
Offizier Schulz greift allerdings stirnrunzelnd ein.
"Stabsgefreiter Peters! Sie sind das perfekte Beispiel dafür, wie man es nicht macht! Geben Sie ihrem Gegenüber Vertrauen und konzentrieren Sie sich, sonst lasse ich Sie die Übung gleich noch einmal mit Fischer wiederholen!"
"Gott bewahre!", ruft Paul völlig entsetzt aus der anderen Ecke des Raumes und lässt währenddessen fast den Erste-Hilfe-Dummy fallen, den er hertragen soll. Nun brechen doch alle in herzhaftes Gelächter aus ... zumindest fast alle!
"Haha, sehr witzig Leute!", murrt Ben beleidigt und zerrt dabei weiter an Max, der bloß genervt mit den Augen rollt.
Ich lege mich inzwischen in Rückenlage auf den Boden, um das Andeuten der Herzdruckmassage und der Mund-zu-Mund-Beatmung mit Mike üben zu können, als sich völlig unerwartet die Tür zum Seminarraum mit einem festen Ruck öffnet.
Davis erscheint mit einem äußerst mürrischen Gesichtsausdruck im Türrahmen. Sein durchdringender Blick fällt unverzüglich auf mich ...
Mir stockt jäh der Atem, so als wäre ich bei etwas erwischt worden, das ich nie getan habe ...
Doch Mike wendet sich direkt mit einem neckischen, leisen Kichern in meine Richtung. Er kniet bereits neben mir, beugt sich aber plötzlich viel näher mit seinem Oberkörper und dem Kopf über mich, so dass seine Lippen fast die meinen berühren.
Sein Atem, seine Worte streifen meinen Mund, wobei er schelmisch grinsend flüstert:
"Weißt du, ich habe dir mal ein Versprechen gegeben und werde jetzt beweisen, wie ernst es ist!"
Ich schaue Mike entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen in sein gefährlich strahlendes Gesicht. Was soll der ganze Mist? Wem genau will er hier etwas beweisen? Gleichzeitig spüre ich jedoch, wie der General uns scheinbar unentwegt anstarrt.
Kaum hat mein bester Freund diesen Satz zu Ende gebracht, ruft Davis mit erboster, tiefer Stimme von der Tür aus:
"Stabsgefreite Janssen, auf ein Wort! PRONTO!"
Er dreht sich einfach um und entfernt seine türrahmenfüllende, große Gestalt mit lauten, polternden Schritten. Offizier Schulz erhielt von dem General lediglich ein kurzes Handzeichen, aber er nimmt diese Tatsache gelassen zur Kenntnis ...
Toll, danke Mike! Voll in die Scheiße geritten ...
Oder will er mich gar nicht deswegen sprechen?
Total überrascht von seinem plötzlichen Auftauchen und mit einem zugleich mulmigen Gefühl, springe ich auf, um meinem Vorgesetzten schnellstmöglich hinterher zu rennen. Er wirkt schon wütend genug ...
Mein Herz fängt derweil an zu rasen. Was will er bloß von mir?
Na ja, wenigstens habe ich jetzt seine ungeteilte Aufmerksamkeit, versuche ich mich irgendwie zu beruhigen. Obwohl ich mir zutiefst unsicher bin, dass das ein gutes Zeichen ist!?
Mike zeigt mir allerdings einen Daumen hoch, kurz bevor ich aus dem Raum trete und ich könnte ihn dafür erwürgen. Schnell küsse ich meinen Mittelfinger, bevor ich damit in seine Richtung zeige. Er hält sich lachend die Hand auf seine Brust, in dem Bereich wo das Herz sitzt. Ich rolle mit den Augen. Kein guter Zeitpunkt, um mich aufziehen zu wollen!
Meine Nervosität steigt ins Unermessliche, während ich die Tür zum Seminarraum leise schließe und suchend nach dem General Ausschau halte.
Es dauert nicht lang, bis ich ihn erblicke ... Davis steht ein Stück den Flur hinunter mit dem Rücken zu mir, seine Arme vor der Brust verschränkt und er starrt konzentriert aus dem Fenster.
Wir sind allein.
Auch dieser Fakt beruhigt mich in keinerlei Hinsicht.
Vor allem wirkt der General in seiner Haltung sehr angespannt und keineswegs besonders aufgeschlossen, oder empfänglich für ein Gespräch mit mir.
Das wird gar nicht gut ausgehen!
Es entpuppt sich mit Sicherheit als Katastrophe, kommen allmählich die Befürchtungen in mir hoch.
Ich nähere mich ihm vorsichtig und frage trotzdem möglichst unbefangen:
"Was gibt es denn so Wichtiges?"
Gleichzeitig hoffe ich, dass er die Unsicherheit in meiner Stimme nicht wahrgenommen hat und verschränke lieber die Arme vor der Brust, damit er auf keinen Fall meine vor Nervosität zitternden Hände sieht.
Die Antwort vom General lässt kaum auf sich warten. Ohne Umschweife murrt er mit seiner kühlen und emotionslosen Stimme:
"Es gibt etwas sehr Wichtiges, denn Sie werden das Programm hier verlassen, Janssen!"
Sein Blick ist dabei noch immer stur aus dem Fenster gerichtet ...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro