- Kapitel 55 -
Während ich beinahe flüchtend aus dem Hauptausgang der Krankenstation trete, sehe ich, dass Mike nach wie vor auf mich wartet und zwar direkt auf den Stufen vor dem Gebäude. Sichtlich nervös tigert er gerade die Treppen hoch und runter, seine Hände in den Taschen des Overalls versteckt, wobei er zeitgleich irgendetwas vor sich hinmurmelt.
Mein bester Freund schaut direkt auf, als die große Glastür mit einem dumpfen Geräusch hinter mir ins Schloss fällt und lächelt schüchtern in meine Richtung. In Sekundenschnelle kommt Mike auf mich zugestürmt, nimmt sanft meine Hand und möchte von mir wissen:
"Hey Kleines, wie geht's dir? Was hat die Ärztin gesagt?"
"Alles gut, es ist nichts schlimmes. Geprellte Rippen und das Schulterblatt hat einen mitbekommen. Ich soll einfach ein paar Tage Bettruhe halten, aber das ist im Nu wieder verheilt! Viel wichtiger ist, wie geht es dir überhaupt?"
Entsetzt sehe ich jetzt auf seine Wunden und die blauen Flecken im Gesicht, an den Händen und Armen. Mike ist schon wieder verletzt ... Meine Wut wegen seiner unnötigen Schlägerei mit dem General ist gleichzeitig fast verflogen.
Key sieht mich mit geweiteten Augen an, als er schockiert stammelt: „
"Ach, ich hab nichts ... Aber du ... es tut mir so leid! Das war alles meine Schuld! Wenn, wenn ich nicht ..."
"Nein!", unterbreche ich ihn entschieden. Meinen restlichen Unmut schlucke ich herunter, denn tief im Inneren weiß ich, dass die Verletzungen ausschließlich in meiner Verantwortung liegen. Genau deshalb versuche ich Mike nun zu beruhigen.
"Ihr habt euch zwar benommen wie zwei idiotische Alpha-Männchen, aber ich bin selber Schuld, dass ich dazwischen gegangen bin ohne auf meine Deckung zu achten! Das sollte mir im Einsatz besser nicht passieren! Aber dir muss das bestimmt nicht leid tun, okay?"
Mike senkt dennoch schuldbewusst seinen Kopf, nickt und flüstert:
"Okay."
Wir laufen mittlerweile Hand in Hand über das Kasernengelände. Diese aufkommende, seltsame Stille zwischen uns wird jäh unterbrochen, als mein bester Freund sich räuspert und enthusiastisch sagt:
"Zur Wiedergutmachung bringe ich dich aber jetzt ins Bett. Ähmm, also nicht so. Ich meine, nach Hause. Also nicht wirklich nach Hause ... ich ähm ... oh man ..."
Mike schüttelt den Kopf über sich selbst und ich lächle ihn aufmunternd an, indessen meine Hand seine zur Ermutigung drückt.
"Du kannst mich gerne zu meiner vorläufigen Unterkunft begleiten, Key. Und ich würde mich sogar sehr darüber freuen."
Er atmet erleichtert auf und wirkt gleichzeitig irgendwie dankbar für meinen Zuspruch.
"Und ich würde dich sehr gerne begleiten."
Mein Kamerad strahlt mich an, wobei wir, immer noch Händchen haltend, zum Haus des Generals schlendern.
Kurz bevor wir jedoch die Haustür erreichen, wird diese plötzlich weit aufgerissen und Davis tritt in den Türrahmen. Mein Herz pocht wie wild ... Er starrt auf unsere ineinander verschlungenen Hände und atmet scharf ein, bevor er nun zu mir sieht. Mike lässt sich davon jedoch nicht irritieren.
Wir stehen keine drei Meter vom Haus und von unserem Vorgesetzten entfernt, aber trotzdem tritt mein bester Freund jetzt selbstbewusst vor mich, wobei er mir zärtlich ein paar Strähnen aus dem Gesicht streicht.
Ich weiß gar nicht wie mir geschieht, als er im nächsten Moment seine Lippen ganz unerwartet auf meine legt. Überrascht von der Situation küsse ich ihn vorsichtig zurück.
Seine Lippen sind weich und schmecken nach frischem Minzkaugummi. Dieser hinterhältige Mistkerl! Ist das etwa geplant gewesen?
Davis hustet auf einmal ziemlich laut und murmelt etwas vor sich hin. Mike schmiegt sich inzwischen mit seiner Wange an meiner und seufzt zufrieden, während er mich an sich zieht. Ich spüre, dass er mich gar nicht los lassen möchte und sich jetzt nur unwillig von mir verabschiedet.
"Bis bald, Süße. Ruh dich etwas aus und werde schnell wieder gesund! Ich komme dich morgen auf jeden Fall besuchen!"
Mike küsst mich erneut, dieses Mal ganz behutsam auf die Stirn. Er strahlt mich liebevoll an und mein Herz macht einen kleinen Hüpfer.
Der General steht allerdings immer noch in der Tür und murmelt abermals etwas vor sich hin, das fast so klingt wie:
"Nur über meine Leiche!"
Ich beachte ihn absichtlich nicht. Stattdessen küsse ich Key jetzt zum Abschied schüchtern lächelnd auf seine Wange und flüstere zustimmend:
"Ich freu mich drauf."
Prompt ergreift mein bester Freund meine Hände und hinterlässt auf ihnen federleichte Küsse, bevor er mir mit einem glücklichen Lächeln zuzwinkert und sich fröhlich pfeifend auf den Weg zu seiner nächsten Übung macht. Sekunden später verschwindet Mike bereits winkend hinter der nächsten Ecke. Wow, das war ... unerwartet!
Mein Herz schlägt unwillkürlich höher, nachdem ich mich zur Haustür drehe. Scheiße, Davis steht wie eine verdammte Statue in dem blöden Türrahmen und knirscht jetzt hörbar mit den Zähnen. Energisch gehe ich auf ihn zu, wobei ich ihn absichtlich weiterhin ignoriere, während ich mich an ihm vorbeidränge.
Ich habe gerade erst zwei Schritte ins Innere gemacht, da schlägt Davis die Haustür von innen laut ins Schloss. Überrascht zucke ich zusammen und er nutzt mein kurzes Zögern, um mich mit wenigen, aber großen Schritten zu überholen und sich direkt vor mir aufzubauen.
Ohne Vorwarnung drängt der General mich langsam rückwärtsgehend zurück gegen die Haustür und stützt bereits seine Hände rechts und links neben meinem Kopf ab.
"Was zur Hölle sollte das?", zischt er mich erbost an und seine vor Wut glitzernden Augen fixieren mich. Ich muss ihm endlich deutlichere Ansagen machen ... vielleicht ... Oh Gott, warum riecht er bloß so gut?
"Was meinen Sie?", fauche ich einfach mürrisch zurück.
"Die Küsse zum Teufel! Was denn sonst? Du hast gestern noch gesagt, ihr seid nur Freunde! War das gelogen? Willst du was von Winter?"
Davis atmet schwer, als er beinahe widerwillig diese Frage stellt und ich spüre jäh seinen heißen Atem auf meinem Gesicht. Jetzt überschreitet er aber sowas von eine Grenze!
"Das geht Sie einen Scheiß an!", erwidere ich ernst und bestimmend, aber er schüttelt nur seinen Kopf.
Davis' Blick ist intensiv, als er überraschender Weise mit rauer Stimme flüstert:
"Da war doch überhaupt gar kein Funke zwischen euch beiden! Bei uns ist das anders! Sieh es ein, er und du, das passt nicht! Aber du und ich ..."
Zum Teufel! Ich kann gar nicht glauben, was er da gerade gesagt hatte und starre Davis ungläubig an, so als würde sich genau jetzt vor mir ein Paralleluniversum auftun. Marvels Multiversum lässt grüßen!
Sekunden später landen seine weichen Lippen hart und fordernd auf meinen und eine Gänsehaut durchläuft meinen gesamten Körper. Ich schließe, wie ferngesteuert, meine Augen bei diesem hemmungslosen und leidenschaftlichen Kuss und ich muss mich ganz schön zusammenreißen ihn nicht näher zu mir zu ziehen. Meine Schmerzen sind unlängst vergessen. Behutsam drückt er jedoch nun seinen Körper gegen meinen und ich schmiege mich äußerst zufrieden an ihn.
Wieso fühlt es sich so gut an, verdammt? Wieso fühlt er sich so verdammt gut an?
Bevor ich diesen unfassbaren Fehler aber weiter fortsetze, halte ich Davis direkt wieder auf. Verdammte Scheiße!
Ein kleiner Schubs gegen seine Schultern reicht aus, dass er seine Lippen von meinen nimmt und ich rufe prompt stocksauer:
"Stopp! Glaubst du ernsthaft, ich würde mir nichts, dir nichts mit dir rum ... machen?"
"Ach Prinzessin, das hast du doch gerade schon! Ein bisschen zumindest ..."
Davis grinst mich arrogant an und mustert jetzt ganz offensichtlich meinen Körper, bevor er mit hochgezogener Augenbraue schelmisch sagt:
"Und wieso auch nicht? Du hast es doch genauso gespürt ... gib es einfach zu! Da ist eine gewisse Anziehung zwischen uns. Und da mir ein Vögelchen gezwitschert hat, dass du für ein paar Tage Bettruhe verordnet bekommen hast, könnte ich dich doch jetzt ins Bett bringen!"
Davis grinst mich dabei nun noch selbstgefälliger an als zuvor, und ich bin mir sicher, auf jeden Fall eine Gehirnerschütterung zu haben, denn das kann er gerade nicht ernsthaft zu mir gesagt haben!
Da ich aber leider nicht aus diesem absurden Traum erwache und mein Kopf auch nicht schmerzt, schreie ich ihm angewidert ins Gesicht:
"Lass den Scheiß! Du bringst mich niemals ins Bett!", und gebe ihm in der nächsten Sekunde eine schallende Ohrfeige! Wie kann er es wagen?
Der General verzieht kurz schmerzhaft sein Gesicht, aber es sieht eher so aus, als hätte es bei ihm im nächsten Augenblick einfach nur 'Klick' gemacht. Die Mimik um seine Mundpartie herum und der Ausdruck in seinen Augen verändern sich prompt, wobei er mich plötzlich mit einem gewissen Entsetzen betrachtet.
"Hat ... hat dich schon mal jemand ins Bett gebracht?", flüstert Davis und seine eisblauen Augen suchen verzweifelt etwas in meinen. Eine Bestätigung, oder dergleichen.
Unbedacht verschränke ich meine Arme vor der Brust. Schlechte Idee, Schmerz lass nach!
"Und auch das geht dich einen Scheiß an!", zische ich erbost zurück.
Davis' Ausdruck wird mit einem Mal etwas sanfter, als er raunt:
"Hey Prinzessin, ich meine es Ernst! Hattest ... du schon mal Sex?"
Mir dreht sich der Magen um bei dieser Frage.
Ich bin überrascht, dass sein betiteln für mich als 'Prinzessin' dieses Mal nicht so abwertend klingt, sondern irgendwie süß, aber ich will unter keinen Umständen auf seine blöde Frage antworten!!! Was erwartet er denn überhaupt?
Siedend heiß denke ich über eine passende Antwort für ihn nach, aber mein Zögern sagt mehr als tausend Worte in diesem Moment. Davis' entgeisterter Gesichtsausdruck spricht Bände, zumal er abrupt zwei Schritte von mir zurücktritt und kaum hörbar 'FUCK' zischt.
Zutiefst gekränkt über seine plötzlich ablehnende Haltung rufe ich erbost:
"Na und wenn schon! Muss ja nicht jeder so ein Fuckboy sein, wie du es bist!"
Schnellstmöglich quetsche ich mich an ihm vorbei. Davis hält mich erst gar nicht auf.
Das Gästezimmer erreiche ich innerhalb von Sekunden ... mein körperlicher Schmerz ist in der gleichen Zeit jedoch einem zerreißenden Herzschmerz gewichen ... und diesmal bin ich diejenige, die die Tür laut ins Schloss fallen lässt.
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