- Kapitel 50 -
Ich träume wirre Dinge von Davis, wie er mich immer und immer wieder zu sich zieht und dann auf verschiedene Arten abserviert, oder zutiefst verletzt. Das erweist sich eher als Realität, aber zugleich als ein schrecklicher Alptraum für mich.
Ganz plötzlich ist mir eiskalt und im nächsten Augenblick spüre ich wie mein Arm berührt wird. Die Angst, dass mich jemand gegen meinen Willen anfasst begleitet mich so viele Jahre und ist allgegenwärtig, deswegen schreie ich panisch auf, bevor ich überhaupt richtig wach und zu mir gekommen bin!
Langsam nehme ich wahr, dass wirklich jemand direkt neben meinem Bett steht und über mir ragt. Ich habe in der Sekunde eine solche verdammte Angst, erstarre und zittere wie Espenlaub.
"Ich ... ich ... es tut mir leid. Ich wollte Sie bestimmt nicht ... e-erschrecken!", stammelt eine raue, männliche Stimme. Ganz allmählich erkenne ich sie. Es ist ungefähr so, als würde sich ein dunkler Nebel um mich herum lichten, während ich jetzt zu mir komme.
Ich reibe über meine müden Augen, mein Blick klärt sich, wobei ich nun Davis erkenne, der wie erstarrt vor mir steht und knallrot angelaufen ist. Ungläubig fixiere ich ihn, während er inzwischen anfängt nervös mit seinen Händen zu spielen.
"Was zum Teufel machst du mitten in der Nacht in meinem Zimmer und an meinem Bett? Spinnst du völlig?", will ich aufgebracht von ihm wissen. Es ist mir gerade scheiß egal, dass ich ihn duze und zudem sehr harsch klinge. Der Schock sitzt einfach ziemlich tief.
Er räuspert sich und deutet mit einer Hand auf das Buch, das neben mir liegt und die heruntergefallene Decke.
"Nur ... ähm ... ich ...", versucht er dabei zu erklären.
Davis fährt sich mit der Hand sichtlich nervös durch seine Haare.
"Tut mir leid", murmelt er, während ich mich abrupt aufrichte, die Decke greife und angespannt vor meine Brust presse.
Ich schaue skeptisch zu ihm hoch, wobei er nun ziemlich unbeholfen und mit unsicherer Stimme sagt:
"Ich würde dir nie etwas tun! Ich hoffe, das weißt du!? Also, das solltest du zumindest wissen ..." Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich den General noch nie so beschämt gesehen.
"Du weißt schon noch was ich dir letztens erst erzählt habe, oder?", blaffe ich ihn weiter an.
Davis senkt den Kopf und erwidert leise:
"Ja, ja, natürlich. Aber ... aber ich bin anders. So etwas würde ich dir niemals antun!"
"Wow, willst du mich verarschen?", platzt es aus mir heraus. Überrascht schnellt sein Kopf in meine Richtung und er starrt mich ungläubig an.
"Was?", zischt er und seine Augen beginnen zu funkeln.
"Du machst mir Komplimente, du machst dich ständig an mich ran, küsst mich und plötzlich stehst du nachts auch noch ohne Grund an meinem Bett!? Meinst du nicht, das ist zu viel des Guten?"
Ich beginne mich langsam in Rage zu reden. Wenn er mir weh tun konnte, dann würde ich das Gleiche mit ihm machen! Davis starrt mich entsetzt über meine klaren Worte an, allerdings bemerke ich schnell wie sich sein Gesichtsausdruck allmählich verändert und rasende Wut in ihm aufsteigt. Er ist eindeutig verletzt.
Zumindest geht der General innerhalb von Sekunden zum Angriff über, als er mit zusammengekniffenen Augen ruft:
"Was? Janssen, Sie haben mit mir geflirtet und mich geküsst. Sie wollten es und haben mich auch noch zu sich gezogen!"
"Ach, jetzt sind wir also wieder bei Sie und Janssen? Na schön, Herr General, Sie haben eine verdammte Partnerin! Mike Winter und ich sind wenigstens nur gute Freunde!" Das ist ein Schlag ins Gesicht, zumindest hoffe ich das.
Davis bekommt augenblicklich rote, glühende Wangen, allerdings vor Empörung, denn er brüllt entrüstet:
"Freunde? Das ich nicht lache! In dem einen Moment küssen sie mich und im nächsten liegen sie mit ihm im Bett! Wem zur Hölle haben Sie noch alles Versprechungen gemacht, oder hüpfen Sie einfach aus purem Spaß durch die Betten?"
Ich traue meinen Ohren nicht! Was für eine respektlose und dreiste Behauptung! Innerlich explodiert alles in mir!
"RAUS! RAUS HIER! SOFORT!", schreie ich und zeige aufgebracht mit meinem Arm in Richtung Tür. Mein Herz pocht vor Adrenalin und unfassbarem Zorn. Ich würde ihm am liebsten eine schallende Ohrfeige verpassen!
General Davis wirft mit einem grimmigen 'WROOOOAW' seine Hände in die Luft, stapft mit lauten Schritten zur Schlafzimmertür und dreht sich abrupt ein letztes Mal zu mir um.
Er ruft nun mit einem ziemlich boshaftem Unterton in seiner Stimme:
"Ach ja, und übrigens Janssen, Melina und ich treiben es nur! Meine Partnerin, wie Sie sie nennen, ist einfach ein exklusiver, geiler Fick zur Abwechslung! Sie haben sie doch gesehen! Wer könnte da schon 'Nein' sagen?"
In der nächsten Sekunde schmeißt Davis mit Karacho die Tür hinter sich zu, so dass sie laut scheppernd ins Schloss fällt ...
Sie ist was?
Ich bin dermaßen aufgekratzt, dass ich die restliche Nacht kein Auge zumache. Die letzte Aussage von Davis hallt immer und immer wieder durch meinen Kopf: Melina ist ein exklusiver, geiler Fick zur Abwechslung!
Weiß sie das auch?
Ich habe nicht die geringste Ahnung, was im Augenblick schlimmer für mich ist!? Der Gedanke, dass die beiden sich körperlich nahe kommen, oder die nagende Vorahnung, dass Davis scheinbar gar keine Gefühle für irgendjemanden hegen kann ... Mir ist kotzübel bei jeder dieser Vorstellung und es tut so unfassbar weh!
Bittere Tränen laufen mir ungewollt über die Wangen, während ich mein Buch vor lauter aufgestauter Empörung und quälender Verzweiflung gegen die geschlossene Tür werfe. Es landet offen und mit dem Einband nach oben auf dem Boden.
Der Titel 'Stolz und Vorurteil' scheint mich in diesem Moment auffallend zu verspotten.
**********
Der nächste Tag beginnt bereits sehr früh im Morgengrauen auf dem Schießstand und es ist generell unsere erste Schießübung innerhalb der Qualifizierungsrunde für die KSM Ausbildung.
Nach der fast schlaflosen Nacht kann der Zeitpunkt dafür wirklich nicht schlechter sein. Zumal das Zielen eine hohe Konzentration fordert und das scheint bei mir heute gar unmöglich!
Dies reflektiere ich zumindest auch im schlaftrunkenen Zustand, als mein Gähnen zum fünften Mal innerhalb der letzten paar Minuten über den Platz ertönt. Ich blinzle mehrmals mit den Augen. Wie oft sollte ich jetzt Luft holen vor dem Schuss? Mein Ein- und Ausatmen wird jäh wieder zu einem herzhaften Gähnen. Ach, verdammt!
"Langweilen wir Sie etwa, Stabsgefreite Janssen?" fragt die neugierige und zugleich tadelnde Stimme von Offizier Schulz plötzlich hinter mir. Ich schaue zu ihm auf. Er mustert mich derweil eingehend und sieht nicht sehr erfreut aus ... verständlich!
Schnell schüttle ich meinen Kopf und murmele:
"Entschuldigung ... Natürlich nicht, Herr Offizier Schulz."
Ich schließe kurz die Augen, atme bewusst tief ein und aus, um meinen Fokus wieder auf die Aufgabe zu setzen.
Die ganze letzte Nacht über hatte es ziemlich viel geregnet, weswegen unsere Position nicht gerade zum Wohlbefinden beiträgt. Meine Kameraden und ich liegen nämlich gerade in unseren Tarnanzügen gekleidet mit Helm, Visier, Ohrschutz und dem Gewehr nebeneinander im dicken Schlamm und versuchen in zwanzig Metern Entfernung ein statisches Ziel zu treffen.
Für den heutigen Zweck sind es auf viereckige Holzscheiben aufgehängte Plakate mit verschiedenen Symbolen darin. Die kleinen, schwarzen Kreise in der Mitte stellen die Gegner dar, die viereckigen Kästchen die Räume, in denen einige Geiseln gefangen gehalten sind. Diese haben hellblaue Punkte und sollten möglichst nicht getroffen werden!
PENG! PENG!
Ich habe bereits das fünfte Mal daneben geschossen und fluche jetzt frustriert über meine mangelnden Fähigkeiten, falsch, aufgrund meiner fehlenden Konzentration:
"Verdammte Scheiße!"
Mike liegt neben mir im Dreck und hat längst die gesamte Munition in seiner Scheibe versenkt. Die Geiselnehmer getroffen, die Geiseln befreit, seine Mission war zumindest erfolgreich.
Er schaut fragend zu mir herüber und sagt ohne zu zögern:
"Du bist ein bisschen zu weit links und verreißt ein wenig beim Ausatmen. Warte, ich helfe dir!"
Im nächsten Moment springt mein bester Freund auf und meldet:
"Sicherheitsüberprüfung durchgeführt. G36 ist entladen, Patronenlager frei und gesichert."
Er gibt seine Waffe bei Offizier Schulz ab, der hinter uns patrouilliert und die Bewertungen unserer Leistungen auf seinem Klemmbrett notiert.
Ich kneife automatisch ein Auge zu und schaue durch das Dreifach-Zielfernrohr. Oh mein Gott, selbst das machte ich schon falsch! Beide Augen öffnen, ruhig atmen, kurze Atempause, dabei ins Zielen übergehen und Schuss! Wieder daneben, toll!
Key kommt direkt zu mir zurückgelaufen und tippt an meine Schulter, damit ich weiß, dass er hinter mir steht. Ich senke das Gewehr, wobei er sich Sekunden später dicht neben mich legt und vorsichtig mit seinem Oberkörper halb auf meinen Rücken rutscht, um meine Haltung zu korrigieren. Mein Körper liegt jetzt gerade hinter dem Gewehr, das ich erneut an meine Schulter setze, während Mike inzwischen unmittelbar neben mir liegt und sanft meine Arme korrigiert.
Plötzlich johlt Ben und ruft sogleich lachend zu uns rüber:
"Uhhh, von hinten mag ich es auch gern! Nimm mich doch endlich mal, Baby! Ich könnte dir Sachen zeigen, da träumst du von! Bestimmt besser, als klein Mickey Mäuschen hier ..."
Key reißt seinen Kopf herum und starrt unseren Kameraden böse an.
"Halt die Fresse, Ben! Du bist echt widerlich! Guck lieber nach vorne und erschieß nicht noch zwei Geiseln!", kontert Mike stinksauer und flüstert mir im Nachhinein liebevoll zu:
"Lass dich nicht provozieren, Leyli. Ich bin für dich da. Wenn du möchtest, kann ich ihm auch eine reinhauen!?"
Ich schüttle direkt den Kopf.
"Lieber nicht", wispere ich zurück.
In der Sekunde will ich Bens dämlichen Kommentar einfach ignorieren und aus meinem Gedächtnis löschen. Also atme ich tief durch, um mich zu beruhigen, ziele und gebe die nächsten Schüsse ab.
PENG! PENG! PENG!
Die Kugeln sitzen endlich und erwischen den schwarzen Punkt des Geiselnehmers. Lächelnd schaue ich nach rechts zu Mike, der immer noch dicht neben mir liegt und zuvor gespannt auf die Scheibe geguckt hatte.
"Getroffen!", rufe ich erleichtert.
Er grinst mich jetzt freudestrahlend an. Sein Gesicht ist meinem dabei so nah, dass ich seine kleinen Lachfältchen sehen kann und die funkelnden, grünen Augen.
"Du bist einfach ein Naturtalent!", ruft Mike stolz aus.
Ich lache spöttisch, erwidere:
"Schön wärs! Das ist wohl eher dein Verdienst, aber danke dir." und nehme dabei lächelnd das Reflexvisier ab. Mein bester Freund tut es mir gleich.
Sein Atem streicht nun leicht über mein Gesicht und er schaut mir lange und intensiv in die Augen, so dass ich eine Gänsehaut bekomme.
Mit einem Mal höre ich jedoch ein lautes, genervtes Räuspern hinter uns und fahre herum. Dort steht niemand Geringeres, als General Davis und starrt uns beide funkelnd an, wie wir dicht nebeneinander im Dreck liegen, unsere Gesichter nur Millimeter voneinander entfernt.
Eine unbegreifliche Nervosität macht sich in mir breit, weil mir sein unverblümter Vorwurf von letzter Nacht geradewegs in den Sinn kommt. Verdammter Mist ...
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