- Kapitel 3 -
Während ich langsam wieder zu mir komme und alles ein wenig klarer wird, höre ich weit entfernt eine dunkle Stimme, die beruhigend zu mir spricht. Ist das etwa der General? Ganz sicher bin ich mir da nicht, bis dieser Mann plötzlich laut ruft:
"Genug geschlafen, Prinzessin!"
So etwas Blödes kann doch nur von ihm ...
Im nächsten Augenblick wird mir auch schon ein Schwung eiskaltes Wasser ins Gesicht geschüttet. Ich erschrecke mich so sehr, dass ich japsend nach Luft schnappe. Automatisch schnellt mein Oberkörper hoch, nur um dabei mit dem Kopf gegen jemanden zu stoßen. Autsch, verdammt!
Genervt reibe ich über meine schmerzende Stirn und ganz allmählich erkenne ich die Umrisse einer Person. Ein Mann kniet neben mir und hatte sich bei seinem dämlichen Versuch mich aus der Ohnmacht zu holen wohl direkt über mein Gesicht gebeugt.
Welcher Vollidiot ...
Ich blinzle und will einen Wut- und zugleich Schmerzensschrei ausrufen, aber meine Lippen geben keinen Ton von sich. Stattdessen starre ich jetzt mit weit aufgerissenen Augen in Richtung leuchtendes Eisblau ...
Davis ... war ja klar!
Er weicht direkt ein Stück von mir zurück, um Sekunden später aufzuspringen und sich ebenfalls mit gerunzelter Stirn über eben diese zu reiben. Na hoffentlich gibt das eine schöne Beule bei ihm! Gleichzeitig befürchte ich allerdings, dass er mich jeden Augenblick wütend anschreien wird. Schließlich gibt der General mir die Schuld für diese Kopfnuss, da bin ich mir absolut sicher!
Doch Davis schweigt seltsamerweise und begutachtet mich dafür intensiv von Kopf bis Fuß, so dass mein Körper unwillkürlich von einer, erstaunlicherweise, angenehmen Gänsehaut überzogen wird. Will er mich mit seinen Augen röntgen, ob ich eventuell verletzt bin, oder was sollte dieses genaue Betrachten, das mich zusätzlich durcheinander bringt?
"Sie haben einen ganz schönen Dickkopf, Stabsgefreite Janssen", gibt der General schmunzelnd von sich, als sein Blick schließlich wieder auf mein Gesicht fällt.
Ich bin total perplex, denn zum ersten Mal sind die leichten Grübchen in seinen Wangen und sogar Lachfältchen um seine eisblauen Augen sichtbar. Zutiefst fasziniert kann ich kaum meinen Blick davon wenden. Er scheint nicht unbedingt der fröhliche Typ zu sein, zumindest verbarg er diese Tatsache bislang sehr gut. Vielleicht ist das andere auch einfach nur seine Vorgesetzten-Miene ... Meine Gedanken werden jäh von ihm unterbrochen.
"Und ich muss zugeben, Sie haben mich definitiv beeindruckt ..."
Augenblicklich überkommt mich ein Gefühl von Stolz bei seinem Kompliment und ich lächle ihn dankbar an.
"... für drei Sekunden!", fährt Davis plötzlich abfällig fort, gerade, als ich mich überschwänglich bei ihm bedanken möchte. Die Worte bleiben mir just im Halse stecken. Sein Gesichtsausdruck hingegen ist wieder hart und sein Blick undurchschaubar.
In keinerlei Hinsicht zu wissen, woran ich bei ihm bin, macht mich ungewollt sauer. Mein Lächeln verschwindet daher unwillkürlich aus meinem Gesicht und ich kontere, ohne überhaupt darüber nachzudenken mit wem ich hier spreche:
"Und ich dachte, Sie können auch nett sein ... für eine Sekunde!"
Herrgott! Mich hat bislang noch nie jemand innerhalb kürzester Zeit derart auf die Palme gebracht! Mein Vorgesetzter hingegen dreht sich von mir weg und murmelt etwas, das ich kaum richtig verstehen kann. Diese Reaktion ist wahrscheinlich die Beste ... für uns beide!
Einen langen Moment herrscht Stille ... bis ...
"Stabsgefreite Janssen, was bilden Sie sich eigentlich ein?"
Oh, verdammt ... Er ist wohl doch noch nicht fertig mit mir. Mit einem großen, schnellen Satz ragt er jetzt drohend über mir, die Hände angespannt in seine Hüften gestemmt.
"Ich bin mit Sicherheit niemals Ihr Freund mit dem Sie nach dem Training Zöpfe flechten, oder Schminktipps tauschen, also vergessen Sie schleunigst das Wort 'nett' und zollen mir den nötigen Respekt! Verstehen wir uns?"
Die zischenden Töne kommen gerade so aus seinem Mund gepresst. Anscheinend muss Davis sich ziemlich zusammenreißen, damit er nicht völlig ausflippt. Mir geht es kaum anders ...
Am liebsten hätte ich ihm wegen diesen unterschwellig sexistischen Aussagen geantwortet, dass ihm Zöpfe und Wimperntusche bestimmt gut stehen würden, allerdings beiße ich mir rasch auf die Zunge.
Als Antwort senke ich bloß meinen Kopf, denn ich bin keineswegs an weiteren, dummen Beleidigungen von ihm interessiert. Militärische Gehorsamspflicht: Okay ... Aber Unterwürfigkeit ...
Ich konzentriere mich lieber darauf, meinen schmerzenden Körper langsam vom Boden neben der Mauer aufzurichten, wo ich wieder zu mir gekommen war. Stöhnend taste ich mich ab, wobei ich schließlich vorsichtig den hart gewordenen Matsch von meinen Sportklamotten klopfe.
Glück im Unglück, denn abgesehen von meinem Stolz scheine ich in keinster Weise großartig verletzt zu sein. Gedanklich stehe ich bereits unter einer wohltuenden, heißen Dusche ... das warme Wasser perlt ...
Plötzlich stellt sich General Davis sehr nahe vor mich.
"Und nun wiederholen Sie das Ganze nochmal!"
HÄ? Spinnt der jetzt?
Ich schaue meinen Vorgesetzten ungläubig an, denn das kann auf keinen Fall sein Ernst sein! Mein Sturz ist durchaus schmerzhaft gewesen, ich war deswegen sogar in Ohnmacht gefallen und er ... In mir kocht die Wut, wie ein Vulkan kurz vorm Ausbrechen, und ich befinde mich keineswegs in der Lage, Zurückhaltung zu üben.
"Bitte was?", rufe ich laut aus, wobei ich mich skeptisch auf dem Gelände umschaue. Sollte das ein schlechter Scherz sein? Abgesehen von meiner körperlichen Verfassung, geht die Sonne bereits unter und wir sind die Einzigen, die weit und breit auf dem großen Trainingsplatz dastehen.
Total genervt will ich ihm meine Sicht auf die Situation und seine absurde 'Bitte' erläutern, als ich mich nun laut sagen höre:
"Falls es Ihnen entgangen ist, ich bin verletzt, dann setzt die Dämmerung bald ein und die anderen sind auch schon längst weg!"
General Davis' Mund verzieht sich in Sekundenschnelle zu einer harten Linie und ich weiche prompt einen kleinen Schritt vor ihm zurück.
"Stillgestanden!", brüllt er mich an und ich gehorche mit einem nervösen Zittern. Mit ihm ist wohl nicht gut Kirschen essen, wenn man ihn dezent auf etwas hinweisen möchte ...
"Ich habe Ihnen zuvor gesagt, dass Sie niemals meine Handlungen in Frage stellen werden! Müssen Sie sich Paragraph 1 des Soldatengesetzes nochmal in Ihr löchriges Gehirn rufen, oder was? Und da Sie die letzten Minuten zum Regenerieren nutzten, als Ihre Kameraden den Parcours erfolgreich zu Ende absolvierten, werden Sie das jetzt nachholen! Ohne Fehler! Verstehen wir uns? Und wenn ich nur ein weiteres 'Mimimi' höre, schmeiße ich Sie noch heute achtkantig aus meiner Einheit!"
Der General schnaubt wütend, denn anscheinend sind ihm Widerworte komplett neu, oder eine andere Meinung, als seine, verabscheut er zutiefst ... Ich bin mir da nicht sicher. Nein, ich bin mir sicher, dass meine Meinung ihm zuwider ist.
Nichtsdestotrotz antworte ich ihm mit erhobener Stimme:
"Verdammte Scheiße, ich war ohnmächtig und habe mich in keinster Weise ausgeruht!"
General Davis stellt sich erneut dichter vor mich hin, bevor er abfällig auf mich herunter schaut.
Seine Statur beeindruckt mich aus dieser unmittelbaren Nähe wieder viel zu sehr. Die markanten Wangenknochen, das harte Kinn mit dem stoppeligen Drei-Tage-Bart, die vollen, blassroten Lippen und diese eisblauen Augen, im Gegensatz zu seinem eher gebräunten Teint, könnten einem mit Sicherheit schlaflose Nächte bereiten. Ich halte die Luft an, weil sein angenehm männlicher Duft nach Leder mit einer gewissen Süße in mir ganz andere Gefühle aufkommen lässt. Ist das eine masochistische Ader, oder was geht da Seltsames in mir vor, selbst wenn er mich anschreit!?
"Janssen", flüstert er jetzt eindringlich, "glauben Sie wirklich, Ihre Feinde würden auf Ihre armseligen Bedürfnisse eingehen?"
Erneut überkommt mich ein Zittern, gefolgt von einer Gänsehaut bei seiner rauen, tiefen Stimme und ich schüttle meinen Kopf, den ich abermals gesenkt habe. Zum einen als Antwort für ihn, zum anderen, um diese falschen Gedanken schnellstmöglich los zu werden, wenn ich ihn auch nur ansehe und gerade keinen Hass wegen seinen offenkundigen Beleidigungen empfinde.
"Parcours, los! Und kommen Sie ja nicht auf die Idee, dass ich das mit dem Fallobst an der Mauer noch einmal in der Art toleriere, Janssen!", befiehlt Davis mir streng und ich zwinge mich, trotz seines dämlichen Kommentars, schweigend loszulaufen. Meine Knochen schreien beinahe vor Schmerzen, aber niemals lasse ich dem General die Genugtuung zuteil werden vor ihm aufzugeben!
Nach dem diesmal sogar erfolgreichen Sprung von der Mauer, falle ich an Ort und Stelle auf meine Knie, rolle mich dann flach auf den Rücken, wobei ich schnaufend alle Viere von mir strecke. Mein schwerer Atem erfüllt die Luft, während ich allmählich das schöne orange-rot der untergehenden Sonne in den Wolken erblicke.
Das wäre ja nahezu romantisch, wenn ...
Was stimmt eigentlich nicht mit mir? Diese Gedanken passen unter keinen Umständen zu mir und am Allerwenigsten zur Situation!
Auf einmal schiebt sich General Davis' Gesicht in mein Blickfeld. Er schaut indes skeptisch auf mich herunter, wie ich dort, völlig fertig von dem Tag, auf dem Boden im Dreck liege.
Mein Brustkorb hebt und senkt sich schnell, wobei es fast so aussieht, als wäre ihm das auf irgendeine Weise unangenehm. Zumindest reißt Davis abrupt seinen Blick von mir und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wendet er sich zum Gehen. Betont lässig joggt dieser inzwischen mit langen, kraftvollen Schritten vom Trainingsgelände.
Unser Vorgesetzter war zwar in den letzten Stunden bei den Übungen immer neben einzelnen Gruppenmitgliedern hergerannt, damit er denjenigen wahrscheinlich besser anschreien konnte, aber ausgepowert hatte sich der General wohl kaum dabei ...
Scheiß Angeber!
Ich beschließe, dass für mich das harte Training abgeschlossen und die heiße Dusche nun endlich frei gegeben ist. Deshalb hieve ich meinen müden Körper hoch und schlendere langsam zum Wohnheim zurück. Allerdings nicht, ohne einen kurzen Abstecher in die Kantine zu machen.
Das letzte Sandwich, das ich dort ergattern kann, vertilge ich im Nu und fühle mich mit einem vollen Magen ein wenig besser, als zuvor.
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