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Inzwischen wird es draußen wieder kälter und der Herbst beginnt. Raven ist gerade im Stall und reitet ein paar Runden auf ihrem Pferd, als sie ein paar Mal angerufen wird. Sie bekommt dies nicht mit, weil sie ihr Handy beim Reiten immer in ihrer Jacke behält, die sie im Stall liegen lässt.
Nachdem sie den Stall ausgemistet hat, schaut sie auf ihr Handy und sieht, dass sie vier verpasste Anrufe hat. Sonst wird sie nie angerufen und wundert sich ein wenig. Es ist ihre Sozialarbeiterin gewesen. Raven hatte jedoch wenig Lust auf ein Gespräch mit ihr, weshalb sie nicht zurück rufen würde. Nun liest sie die Nachrichten in dem Whatsapp- Chat mit ihren sogenannten Freundinnen. Als Freundinnen würde Raven sie allerdings niemals bezeichnen. Eigentlich waren es alle Zicken. Aber Raven hatte eine Zeit lang niemanden und diese Clique hatte sich ihr angenommen. Aus welchen Gründen auch immer. Wahrscheinlich waren es gemeine Gründe. Sie würden sich heute Abend zu einem Spieleabend treffen. Das war das einzig gute an dieser Freundesgruppe. Die Spiele, die sie gemeinsam spielten. Eine ganze Weile hatte sich Raven in dieser Gruppe wohlgefühlt, weil sie niemand anderes hatte und nicht wusste, wie sich eine echte Freundschaft zwischen Mädchen anfühlt. Diese Freundesgruppe konnte allerdings nichts anderes, als zu lästern, was Raven extrem auf die Nerven ging. Ihr eigenes Leben war eben spannender, als das von Melanie oder sonst wen, über den die Freunde lästerten. Wenn sie alleine unterwegs waren, lästerten sie sogar teilweise über die anderen. Nachdem sie Rue nun kennengelernt hatte, fühlte sich diese sogenannte Freundschaft noch falscher an.
"Ich muss noch schauen, ob ich es heute Abend schaffe" , schreibt Raven in die Gruppe und widmet sich wieder ihrem Pferd. Danach macht sie sich auf den Weg zu Niv. Die beiden reden darüber.
"Ich glaube, du solltest hingehen. Es wird dir guttun, deine Freundinnen Mal wieder zu sehen"
"Ich würde sie nicht gerade meine Freundinnen nennen. Sie haben mich doch nur aufgenommen , um aus erster Hand zu erfahren, ob die Gerüchte über mich wirklich stimmen, um dann noch mehr lästern zu können"
"Soll ich mitkommen?", fragt er liebevoll.
"Schon vergessen? Jungs verboten. Als wenn wir erst zehn wären" , sagt sie und verdreht die Augen.
"Ich würde sagen, du gehst noch einmal hin und hast vielleicht einen schönen Abend. Und wenn es doof ist, kannst du immer noch nie wieder hingehen"
"Okay. Ich gehe hin. Aber dann muss ich jetzt auch los. Also, bis Morgen" , sagt sie, umarmt ihn noch zum Abschied und macht sich auf den Weg zu einer der Freundinnen, bei der Zuhause der Spieleabend stattfindet.
Als sie klingelt begrüßt gleich die ganze Bande sie an der Tür.
"Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr. Wo warst du denn?", fragt eine.
"Bestimmt bei diesem komischen Kerl mit dem seltsamen Hut" , antwortet die andere.
"Niv ist nicht seltsam"
"Achja, so hieß der Typ. Kann ja nur komisch sein, wenn er schon so einen seltsamen Namen hat. Wieso verbringst du eigentlich so viel Zeit mit dem?" , fragt eine andere.
"Weil ich ihn zufälligerweise mag!" , erklärt Raven und fühlt sich total bescheuert, sich bei den anderen rechtfertigen zu müssen. Sowas waren doch keine Freunde.
"Kann ich jetzt endlich reinkommen?", fragt sie und ist schon total genervt. Kurz überlegt sie, ob sie einfach wieder gehen soll. Trotzdem hört sie Niv in ihrem Hinterkopf. Sie würde dem ganzen noch eine Chance geben. Wie konnte sie es nur so lange mit diesen Mädchen aushalten?
"Hier, wir haben dir einen Platz freigehalten. Sekt oder Bier?", fragt die Gastgeberin.
"Gar nichts von beidem. Ich nehme ein Wasser", lächelt sie.
"Ach komm schon. Ein bisschen Alkohol lockert doch die ganze Stimmung auf"
"Nein. Ich habe gesagt, dass ich keinen Alkohol trinken möchte. Verdammt, akzeptier das doch einfach!" , wird sie nun wütend. Das waren sicherlich keine Freunde. Sie konnte es hier keine einzige Sekunde mehr aushalten.
"Wisst ihr was? Ihr könnt mich alle Mal!" , sagt sie, steht auf und zeigt ihnen den Mittelfinger, um aus der Tür zu stürmen.
"Was ist denn mit der los?", fragt eines der Mädchen in die Runde.
"Keine Ahnung, hat bestimmt irgendwas genommen. Die kommt schon wieder an. Hat schließlich nur diesen Niv. Niemanden sonst"
"Lass uns noch ein Trinkspiel spielen, okay? Das hier habe ich neu" , sagt die Gastgeberin und erklärt den Mädchen das nächste Spiel.
Raven war inzwischen stehen geblieben.
"Ich hasse es hier. Warum hast du mich bloß überredet, Niv?" , fragt sie in die Stille hinein. Sie macht sich auf den Weg nach Hause, doch kommt irgendwann automatisch zu Niv.
"Alles okay?", fragt dieser, als er sie schon wieder vor ihrer Haustür stehen sieht. "Warst du überhaupt da?"
"Ja. Und ich hasse dich dafür, dass du mich überredet hast, hinzugehen. Ich hasse die Mädchen."
"Es tut mir Leid. Ich dachte, es sind deine Freundinnen"
"Ich frag mich ehrlich gesagt, wie ich diese jemals als meine Freundinnen bezeichnen konnte. Sie sind einfach nur schrecklich. Entweder lästern sie, oder sie trinken Alkohol"
"Du warst mit ihnen befreundet, weil du einsam warst"
"Und dann wurde ich so niveaulos?"
"Scheinbar schon" , sagt Niv.
"Hey!" , sagt sie und boxt ihm gegen den Arm.
"Mit dir bin ich viel lieber zusammen. Kann ich hier bleiben?" , fragt sie.
"Für dich habe ich immer Platz", lächelt er und zieht sie in eine innige Umarmung.
Danke", erklärt sie und die beiden legen sich in sein Bett, um noch eine Serie auf seinem Fernseher zu schauen. Niv gibt ihr Klamotten von sich, die sie zum Schlafen anziehen kann. Sie zieht sich schon wieder einfach so vor ihm aus und er wendet die Augen ab.
"Bin ich eigentlich so hässlich?", fragt sie in die Stille hinein. Er schaut sie wieder an und sie hat immer noch nur noch Unterwäsche an und er schaut schnell wieder weg.
"Verdammt Nein! Du bist wunderschön, Raven. Und gerade das ist das Problem" , erklärt er ihr.
"Was?", fragt sie verdutzt.
"Das verstehe ich nicht"
"Musst du auch gar nicht", erwidert er nun schüchtern. Sie zieht sich nun das lange Shirt über und kommt ihm langsam näher. Er hat immer noch den Arm vor sein Gesicht gehalten. Sie nimmt den Arm zärtlich weg und nimmt sein Gesicht zärtlich in ihre Hände.
"Was machst du-?", will er fragen, doch sie lässt ihn nicht mehr ausreden, sondern küsst ihn einfach.
Ihre Lippen berühren sich zunächst erst ganz zaghaft, vorsichtig, als wenn sie dem anderen nicht wehtun wollen. Doch dann genießt Raven den Kuss so sehr, dass sie forscher wird und ihre Lippen auf seine drückt. Die beiden küssen sich sehr lang.
"Wow" , ist das erste, was Niv hervorbringt, als ihre Lippen sich voneinander lösen.
"Ich liebe dich, Niv"
"Ich liebe dich auch, Raven"
Die beiden küssen sich noch einmal. Die beiden küssen sich noch eine Weile, bis sie voneinander ablassen.
"Das war der Wahnsinn. Du bist der Wahnsinn", erklärt Niv, nachdem sie sich geküsst haben.
"Ich bin schon viel zu lange in dich verliebt"
"Du auch?", fragt Niv.
"Und wir waren viel zu blöd, um die Gefühle des anderen zu erkennen"
"Und wieso hast du mich dann geküsst?" , fragt Niv.
"Wegen Rue"
"Wegen Rue? Das verstehe ich nicht"
"Naja, sie meinte du magst mich auch"
"Dann mag ich Rue" , grinst er und küsst sie noch einmal.
Die beiden suchen sich einen Film aus der Sammlung von Netflix aus und schauen ihn gemeinsam an. Sie kuscheln sich aneinander und es ist ganz anders, als sonst. Schöner. Es fühlt sich noch geborgener an.
"Soll ich uns Popcorn machen?", fragt Niv nach einer Weile.
"Ich will dich aber gar nicht loslassen", lächelt Raven.
"Komm" , sagt er und deutet ihr an, dass sie auf seinen Rücken springen soll. Er trägt sie in die Küche und sie soll eine Schüssel aus dem oberen Schrank holen. Er holt aus dem unteren Schrank das Popcorn.
"So", sagt er, als er die Packung in die Mikrowelle getan hat. "Nun müssen wir nur noch warten"
"Mit dir warte ich am liebsten" , sagt sie. Sie sitzt immer noch auf seinem Rücken und klammert sich an ihm fest. Die Umarmung tut gut.
"Ich bin froh, dass es dich gibt" , sagt Raven auf einmal in die Stille hinein. Ihre Stimme klingt traurig.
"Alles okay?", fragt er und setzt sie nun ab, um ihr in die Augen zu schauen.
"Ja, es ist nur so, dass wir das Spiel immer zusammen gespielt haben. Ich habe die beiden immer auf dem Rücken durch die Gegend getragen. Ich musste gerade daran denken"
"Tut mir Leid"
"Du kannst ja nichts dafür"
"Es tut mir Leid, dass du all das erleben musstest. Dass du all das Leid ertragen musst. Das hast du nicht verdient, Raven"
"Das Popcorn ist fertig" , sagt Raven in diesem Moment, um das Thema zu wechseln. Es sollte ein schöner Abend werden. Er sollte nicht von ihrer Trauer überschattet werden. Sie hatten sich schließlich das erste Mal geküsst.
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