5 - Gefangen
Während ich versuchte meine Starre zu überwinden, stolperte ich dem Fremden hinterher. Über meine Schulter schauend, konnte ich noch immer nicht fassen, dass Farins Leiche dort lag. Erst als ich ihn nicht mehr sehen konnte, richtete ich meinen Blick wieder auf den Fremden.
Meine Lage wurde mir erst in dem Augenblick wirklich bewusst, weshalb ich endlich realisierte, was die Fesseln an meinen Handgelenken zu bedeuten hatten.
Ich zog an ihnen und blieb stehen.
>>Mach sie los.<<
Der Fremde blieb mit dem Rücken zu mir stehen und reagierte nicht.
Mein Körper bebte und schmerzte, weshalb ich nun durch die Strapezen endgültig hysterisch wurde. Brüllend forderte ich ihn nochmal auf.>>Mach sie los habe ich gesagt! Mach sie los!<<
Er drehte sich um und sah auf meine Hände.
>>Du weißt das werde ich nicht tun, also sei still und lauf.<< erwiderte er abweisend.
Ich zog noch fester daran und beugte mich vor. Meine Stimme vor Verachtung triefend, keifte ich ihn an.
>>Wenn das so ist, gehe ich keinen einzigen Schritt mehr.<<
Er lächelte. Warum lächelte er? Bevor ich ihm eine Beleidigung an den Kopf werfen konnte erwiderte er mit einer verführerischen Stimme >>Wenn du getragen werden möchtest, musst du doch kein Theater machen. Sag es einfach.<<
Ich knurrte und ohne überhaupt selbst zu realisieren was ich tat, rannte ich auf ihn zu und warf ihn mit meinem Gewicht um.
In völliger rage schlug ich auf ihn ein.
Doch schnell umschloss er mit einer Hand meine Handgelenke und rollte sich mit mir auf dem Boden. Nun saß er auf mir und presste meine Hände auf meinen Bauch.
Bedrohlich ragte er über mir auf und mit einem mal kamen mir die Erinnerungen daran, dass er vor nicht einmal einigen Momenten vier Männer getötet hatte. Ich schloss die Augen nur um sie im nächsten Moment wieder auf ihn zu richten. Seine Wut schien verflogen zu sein.
Diesesmal versuchte ich die Sache ruhiger anzugehen und sprach mit fester Stimme zu ihm. >>Was hast du mit mir vor Fremder? Warum hast du meine Fesseln gelöst, um mir dann neue anzulegen?<<
Ich sah ihm an, dass er mit sich rang, ob er mir antworten sollte oder nicht. Er hätte es lassen können, denn im Grunde wussten wir beide, dass er mir überlegen war, doch er fing an zu sprechen. >>Wir gehen zum Sternenreich. Mehr musst du nicht wissen.<<
Und da war es mit der Ruhe geschehen. Ich fauchte ihn an. >>Dann hättest du mich gleich sterben lassen können. Im Sternenreich werde ich nicht einen Tag überleben, sobald jemand erfährt wer ich bin.<<
Der Fremde runzelte die Stirn, bevor er dann gequält Luft holte. >>Vermutlich hätte ich dir diesbezüglich gestern noch zugestimmt, doch nun ist es anders. Dein eigenes Reich will deinen Tod, also bringst du dem Sternenreich Tod nichts.
Ich bin ehrlich zu dir.
Hätte ich vor dem heutigen Tag erfahren wer du bist, dann hätte ich deinen Kopf an einen Pfahl befestigt und zu den Toren deines Reiches geschickt.
Tod bringst du mir nun nichts mehr.<<
Er richtete sich wieder auf und stellte sich hin, während ich noch immer am Boden lag und die Worte sacken lies.
Ich wusste, dass das Sternenreich das Sonnenreich verachtet und demzufolge auch mich. Andererseits traf es mich gerade dennoch mehr, als ich gedacht hätte.
Mein Reich wollte meinen Tod und mein Feind im Gegensatz nicht mehr.
Aber nicht aus Güte, sondern weil es keine effektive Botschaft mehr an mein Reich wäre. Sie würden im Endeffekt nur die Drecksarbeit für sie erledigen.
Ich fühlte mich plötzlich Nackt und unglaublich verletzlich.
Niedergeschlagen richtete ich mich auf und versuchte das hohle Gefühl in mir zu ignorieren.
>>Einen halben Tag entfernt und wir haben den Wald der stille hinter uns gelassen. Ein kleines Dorf grenzt dort an. Wir holen uns Kleidung, Nahrung und ein Pferd. Danach werden wir zum Sternenreich reiten. Es wird dauern. Unterwegs können wir auch an einem Bach anhalten. Damit das klar ist, ich nehme dich nicht mit in das Dorf. Du wirst warten.<<
Ausdruckslos sah ich ihm in die Augen und nickte. Er warf mir ein Tuch entgegen. >>Du blutest. Für deine Lippen.<< sagte er mit mitfühlender Stimme.
>>Ich brauche deinen Mitleid nicht. Machen wir uns auf den Weg<< erwiderte ich und nahm das Tuch in meine Hände, um das Blut abzuwischen.
Er half mir hoch, woraufhin ich seine Hand abschüttelte. Ich sah zur Seite bis er wieder mit dem Rücken zu mir an der Schnur zog, damit ich losslief.
Irgendwie musste ich mich befreien können, denn auch wenn das Sternenreich meinen Tod nicht wollte...ich wäre eine Gefangene.
>>Wir sind da. Ich binde dich hier an den Baum. Was ich jetzt mache geht leider nicht anders.<< sagte der Fremde.
Gerade wollte ich fragen was er meint, als auch schon im nächsten Moment schwarzer Rauch sich auf meinen Mund absetzte.
Ich sah dem Fremden wütend in die Augen und versuchte zu sprechen. Es ging nicht, sodass ich mich geschlagen gab. Meinen vernichtenden Blick jedoch richtete ich noch immer auf ihn.
>>Ich werde dich verhüllen, sodass dich niemand sehen wird. Es hat also keinen Zweck für dich Wild um dich zu schlagen, zumal ich nicht weiß, ob ein anderer Begleiter freundlicher gesinnt wäre.<<
Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen. Innerlich verfluchte ich ihn und plante schon es ihm heimzuzahlen, sobald ich konnte.
Völlig erschöpft setzte ich mich auf den Boden und wartete.
Müde wie ich war nickte ich nach weniger Zeit ein.
Jemand schüttelte mich. Erschrocken riss ich die Augen auf und sah in honigbraune Augen.
Der Rauch um meinen Mund verschwand, doch ich hatte nicht die Kraft dazu zu sprechen.
Stattdessen stand ich auf und wartete bis er das Wort ergriff.
Doch er tat es nicht. Er reichte mir lediglich ein Stück Brot und Käse, welches ich augenblicklich verschlang und erst im Nachhinein merkte wie hungrig ich war.
Nachdem ich noch etwas Wasser getrunken hatte zog mich der Fremde mit sich zu einem Pferd.
Ruckartig hob er mich hoch und setzte mich auf den Sattel, um kurz darauf selbst hinter mir Platz zu nehmen.
Mein Körper wurde steif und ich rutschte nach vorne, um so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bringen, wie es ging.
>>Sitz nicht so steif. Dir wird noch alles schmerzen.<< schimpfte er und zog mich mit diesen Worten enger an sich. Ohne Erfolg versuchte ich ihn von mir weg zu drücken, doch sein Griff war eisern.
>>Arroganter Mistkerl<< knurrte ich.
>>Da du ja auch so ein Engel bist oder?<< erwiderte er.
>>Ich nehme wenigstens keine Leute gefangen und schleppe sie durch das halbe Land.<< erwiderte ich.
>>Punkt für dich Zwerg.<< Lachte er.
>>Nenn mich nicht so.<< erwiderte ich wütend.
Zu meiner Überraschung schwieg er.
Als die Nacht einbrach hielten wir an.
Er hob mich aus dem Sattel und reichte mir frische Kleidung.
>>Wir schlagen unser Lager hier auf. Dort drüben ist ein Bach, da kannst du dich waschen.
Ich mache in der Zeit ein Feuer.
Komm nicht auf die Idee zu fliehen, denn die Schnur kann nur ich allein lösen.<<
Ich sah hinunter auf die Fesseln und drehte mich dann abrupt um und lief zum Bach.
Erst als ich im Wasser war merkte ich wie sehr ich es vermisst hatte, denn ich liebte das Wasser. Es hatte eine solch beruhigende Wirkung auf mich, dass ich fast alles vergessen konnte.
So blieb ich drin, bis meine Finger schrumpelig waren. Erst dann ging ich zurück an das Ufer um mich anzuziehen.
Als ich meine Hände betrachtete wurde mir bewusst wie verdreckt ich war. Meine Haut war von einem hellen Hautton, der davor vom ganzen Dreck seine Farbe verloren hatte.
Gedankenverloren zog ich mir die neue weiße Tunika an, die mir der Fremde mitgebracht hatte. Dazu eine schwarze enge Hose und meine alten Stiefel. Meinen Dolch schnallte ich trotzdem an meinen Oberschenkel, auch wenn er mir momentan wenig nützte.
Ich stampfte zurück zum Lager und kramte in meiner Tasche nach irgendetwas, womit ich mir die Haare bürsten konnte. Meine dunklen Locken waren verknotet und selbst im Wasser war es schwer sie zu lösen.
Plötzlich stand der Fremde vor mir und reichte mir eine Bürste. Ich sah ihn verwundert an.
Er grinste. >>Deine Haare sahen aus wie ein Vogelnest, da dachte ich du könntest eine Bürste gebrauchen.<< schmunzelte er. Ich riss ihm die Bürste aus der Hand und setzte mich an das Feuer, ohne ihn nochmal anzusehen.
Der Kampf mit meinen Haaren war erst dann beendet, als der Fremde vom Bach zurückkam. Mir stockte der Atem, ich konnte nicht anders, als ihn zu betrachten.
Im Mondlicht schienen seine nassen Haare gänzlich weiß zu sein und seine dunklen Brauen zog er leicht zusammen bei dem versuch seine Tunika zu entwirren. Als er sie sich überstreifen wollte, hing mein Blick an seinem Oberkörper. Obwohl seine Haare so hell schienen, wie der Mond, stellte seine gebräunte Haut einen angenehmen Kontrast dar.
Als er sich seine Tunika überstreifte, beobachtete ich hypnotisiert die Bewegungen seiner Muskeln.
Ein Krieger durch und durch. Ich hasste ihn dafür, dass er mir den Atem raubte.
Ich hasste ihn, weil ich wusste, dass dieser schöne Mann mich vor zwei Tagen noch getötet hätte.
Ich merkte nicht, dass ich ihn noch immer anstarrte, bis sein Blick den meinen traf.
Keiner von uns rührte sich. Es war schon fast unheimlich wie intensiv sein Blick war. Er zog seine vollen Augenbrauen zusammen und sah geistesabwesend auf meine Fesseln.
>>Schlaf etwas.<< sagte er und legte sich mit diesen Worten auf seine Schlafmatte, auf der anderen Seite des Feuers.
Ich tat es ihm gleich und schlang das Fell fester um mich.
>>Wer bist du Fremder?<< flüsterte ich nach einer Weile in die Stille hinein, da die Neugier mich schier überwältigte.
Er drehte sich um und blickte mir in die Augen.
>>Genieß die Ungewissheit, denn es wird kein Geheimnis sein, dass dir gefallen wird. Jetzt schlaf Kaleana.<< antwortete er mit wieder dieser samtweichen Stimme.
Erschöpft schloss ich die Augen und fiel in einen tiefen Schlaf.
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