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SIEBZEHN - Judy

Schon allein der Geruch meines Risottos verdreht meinen Magen. Naserümpfend stochere ich in meinem Mittagessen herum und zwinge mich dazu, wenigstens ein paar Bissen runter zu würgen. Der Vormittag war kräftezerrend. Einerseits, weil wir drei Tests geschrieben haben, andererseits, weil das Pochen in meinem Bein seit gestern Abend nicht mehr nachgelassen hat.

Es ist bei weitem nicht mehr so schlimm wie kurz vor dem Abendessen, aber das unangenehme Gefühl geht nicht mehr weg. In der Nacht konnte ich kaum schlafen, während der Prüfungen konnte ich mich kaum registrieren und anstatt Hunger fühle ich nur noch Übelkeit. 

Ich möchte mich nicht selbst belügen. Die Angst, dass etwas mit meinem Stumpf nicht stimmt, wird mit jeder Sekunde mehr. Immer dann, wenn ich das Gefühl habe, dass der Druck im Bein weniger wird, kommt er doppelt so stark zurück. In der Zwischenstunde war ich mir sicher, brechen zu müssen. Ich war kurz davor, meinen Bruder anzurufen, oder Vince die Wahrheit zu erzählen. 

Gestern Abend, als es so schlimm war wie noch nie zuvor, ließ er mir keine Ruhe mehr. Auch dann nicht, beim Essen, als er das Thema ständig auf meinen kleinen Zusammenbruch lenken wollte. Mama und Miles wurden skeptisch und ich frage mich, wie ich es geschafft habe, das Thema immer wieder irgendwie auf Jackie lenken zu können. 

Colleen würde dich zur Schnecke machen. Du weißt ganz genau, dass du deine Gesundheit aufs Spiel setzt. Ist dir das alles wirklich wert? Nach all dem, was du durchgemacht hast?

"Halt die Klappe", zische ich und picke eine Tomate aus dem Risotto. 

"Hast du was gesagt?" Valery sieht mich fragend an. Ich schüttle entschuldigend den Kopf und schiebe mir dann die Gabel in den Mund. Mein Magen protestiert augenblicklich. Meine Faust schließt sich fest um das Besteck und ich konzentriere mich voll und ganz auf das Kauen. 

Das Pochen in meinem Stumpf verstärkt sich wieder. Mir wird warm und kalt gleichzeitig und die Stimmen um mich herum verzerren sich zu einem unangenehmen Wirrwarr. Spätestens jetzt wäre der Zeitpunkt, Mama alles zu beichten. Aber allein der Gedanke an die Notaufnahme lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen. Und ich möchte um jeden Preis vermeiden, dass Mama sich sorgen machen muss. 

Also zwinge ich mich, die Tomate hinunterzuschlucken und einige Reiskörner auf die Gabel zu schaufeln. 

"Was hast du bei Frage Nummer vier?", möchte meine beste Freundin von mir wissen und beißt ein riesiges Stück von ihrem Flammkuchenstück ab. "Die LIDFC-Länder?"

Ganz schwach meine ich mich zu erinnern, dass ich die Frage heute gelesen habe. Aber ob ich eine Antwort angekreuzt habe, geschweige denn, die Richtige, kann ich absolut nicht sagen. 

Mit einem Mal werde ich unglaublich müde. Ich blinzle mehrere Male und atme tief durch, aber die Müdigkeit schwappt wie eine Welle über mich und begräbt mich komplett unter sich. 

Immerhin hast du auch die ganze Nacht kein Auge zu getan. 

"Ich habe das Gefühl, Frankreich gehört nicht dazu. Aber all die Models auf der Pariser Fashion-Week sind immer so unglaublich dünn." Valery verdreht die Augen und beißt einen weiteren, großen Bissen von ihrem Flammkuchen ab.

Ich würde die letzten paar Reiskörnchen hinunter und atme dann tief durch. Die Hand, in der ich meine Gabel halte, fühlt sich taub an und vor meinem Blickfeld tanzen schwarze Punkte. Wie in Trance versuche ich meine Box zu schließen und in meinem Rucksack zu verstauen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie meine beste Freundin mir ihr Glas Wasser zuschiebt. 

"Du siehst aus wie ein Gespenst. Alles okay bei dir?", möchte sie besorgt wissen. Abwesend nicke ich und umgreife dann mit zitternder Hand das kühle Glas. Hebe es unter großer Anstrengung an und nippe dann. Merke, wie das Wasser meine trockene Kehle nach unten läuft und meinen Kopf für einen kurzen Moment klärt. 

Reiß' dich zusammen. Sei kein Feigling. Dir fehlt nichts. Es ist alles okay. Du bildest dir alles nur ein.

Mir ist nach Weinen zumute. Die Stimmen in meinem Kopf häufen sich. Brüllen sich gegenseitig an, streiten sich, was real ist und was nicht. Es fühlt sich an, als hätte ich einen Bienenstock auf meinen Schultern sitzen. 

"Wenn wir nach draußen gehen sollen, sag bitte Bescheid. Die Luft hier drin ist wirklich furchtbar." Val fächelt sich mit ihrer Hand etwas Luft zu und stupst mich dann mit einem vorsichtigen Lächeln an. Ich nicke nur und kneife meine Augen zusammen. Das Summen verstummt für einen Moment.

Das Pochen im Bein bleibt. 

"Habe ich dir von unserem Date gestern schon erzählt?" Valerys Blick wird verträumt, als sie mir von dem gestrigen Abend mit Lucas erzählt. Ich bemühe mich, ihr zu folgen. Mich für sie zu freuen und an den richtigen Stellen zu lächeln und ihre Hand zu drücken. In mir drin tobt ein Feuer. Es fühlt sich so an, als würde mein komplettes Bein in Flammen stehen. Als wäre es eingekesselt in eine Stahlwand und würde innerhalb der nächsten Sekunden explodieren.

Auf meiner Haut breitet sich eine Gänsehaut aus. Schauer laufen meinen Rücken hinab und lassen mich immer wieder zusammenzucken.

Reiß. Dich. Zusammen. Verdammt!

"Ich kann nicht mehr!" Mit einem lauten Stöhnen lässt sich Aly auf den Platz gegenüber von mir sinken und stellt ihr Tablett ruckartig auf dem Tisch ab. Sie vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen und stöhnt dann laut auf. Valery kichert und schiebt ihr ein Stück ihres Cookies zu. 

"Eine Klausur in Geschichte, Literatur, Psychologie und ein Test in Sport an einem Tag? Die wollen uns umbringen." Aly wirft Val einen dankenden Blick zu und stopft sich dann das süße Gebäck in den Mund.

"Immerhin hast du keine Geo-Klausur vermasselt", jammert meine beste Freundin und deutet dann auf sich. "Mir wurde gerade klar, dass Frankreich gar keines der LIDFC-Länder sein kann. Das wars dann auch mit der letzten Frage, die ich vielleicht richtig haben könnte." 

Ich betrachte die beiden stumm. Vage erinnere ich mich daran, dass auch ich heute die Geographie-Klausur mitgeschrieben habe. Ebenfalls bei der Frage mit den LIDFC-Ländern einen kurzen Hänger hatte. An die anderen Fragen? Kann ich mich nicht erinnern. Habe ich überhaupt etwas hingeschrieben? Die Klausur überhaupt abgegeben?

Meine beiden Freundinnen lachen laut auf und auch ich verziehe meine Mundwinkel zu einer schiefen Grimasse, obwohl ich keine Ahnung habe, was gerade so lustig ist. Mein Handy blinkt und zeigt mir den Eingang einer neuen Nachricht an. Wenn ich mich jetzt bewege und meine Sitzposition nur etwas verändere, wird das Pochen in meinem Bein nur noch schlimmer.

Wie zur Hölle, soll ich es in zwanzig Minuten schaffen, aufzustehen und zum nächsten Kurs zu gehen?

"... einen Skandal?", höre ich Aly neben mir Valery fragen. Meine beste Freundin zuckt nur mit den Schultern und bricht sich ein weiteres Stückchen ihres Cookies ab. 

"Nicht dass ich wüsste. Im Moment ist es so langweilig wie ein Crêpe ohne Schokosoße." Aly kichert und beißt von ihrem Sandwich ab. Ich betrachte die beiden stumm von der Seite und wünsche mir nichts sehnlicheres, als dass ich mich besser am Gespräch beteiligen könnte. Aber wenn ich jetzt auch nur ein Wort sage, dann wird mein komplettes Risotto wieder hoch kommen. 

Wie zur Bestätigung rumort mein Magen im selben Moment und ein weiterer Schuss zieht sich durch mein Bein, bis hinauf zur Hüfte. Ich keuche laut auf und täusche einen Hustenanfall vor. Val wirft mir einen prüfenden Blick zu. Mit hochrotem Kopf greife ich nach dem Wasser und nippe erneut an dem kalten Glas. 

"Wollen wir am Wochenende wieder einen Riverdale-Marathon starten?", möchte Aly wissen und lenkt somit die Aufmerksamkeit von meiner besten Freundin wieder auf sie. Val nickt aufgeregt.

"Unbedingt! Die vierte Staffel soll zwar etwas strange sein, aber wenn Jug weiterhin so viel Screentime bekommt, verzeihe ich den Produzenten alles. Judy?"

Ich bringe ein Nicken zustande. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper ist angespannt. Insgeheim bereite ich mich auf die nächste Welle vor. Fürchte mich vor den Schmerz und umklammere unter dem Tisch meinen Oberschenkel. Meine Finger krallen sich in die Haut, aber ich spüre nichts. 

Aly und Val planen währenddessen weiter, vereinbaren, wer welchen Snack mitbringen soll und wann wir uns treffen. Ich segne das mir Aufgetragene mit einem Nicken ab, auch wenn ich keinen blassen Schimmer habe, was meine Aufgabe ist. 

Ein lautes Scheppern zerreißt die heitere Stimmung in der Kantine.

Ich zucke zusammen und blicke über die Schulter, von wo das Geräusch hergekommen ist. Auch Valery und Aly unterbrechen ihre Planung und recken die Köpfe um zu sehen, was passiert ist. 

Hayden steht zitternd in der Mitte der Kantine. Um sie herum verteilt das ganze Geschirr und Essen. Ihr Blick ist starr auf den Boden gerichtet und ihr Körper bebt unkontrolliert. Röte kriecht ihren Hals nach oben, ihre Augen sind weit aufgerissen. Die Gespräche um uns herum verstummen und jeder blickt direkt zu ihr. Ob sie es merkt, weiß ich nicht. Ihre Lippen bewegen sich, aber kein Laut dringt aus ihrem Mund. 

Hinter ihr sehe ich zwei jüngere Mädchen, die hinter vorgehaltener Hand zu kichern beginnen und ich werfe ihnen einen wütenden Blick zu. Auch wenn sie mich vermutlich nicht sehen und ich sie einerseits verstehen kann, ist es absolut nicht okay, sich jetzt über Hayden lustig zu machen. 

Amber und Josie eilen ihrer Freundin zur Hilfe und nehmen sie in die Mitte der beiden. Zu dritt verlassen sie die Kantine und reden beruhigend auf sie ein. Haydens Blick schweift unkontrolliert durch den Raum. Es scheint fast so, als wüsste sie gar nicht, wo sie sich befindet und wie ihr geschieht. Sie stolpert mehrere Male und geht einmal fast zu Boden, würde sie nicht von beiden Seiten gestützt werden. Keiner wagt es, auch nur einen Mucks von sich zu geben und niemand eilt den Mädchen zu Hilfe. Alle sitzen wir wie versteinert auf unseren Plastikstühlen und sehen dem Spektakel zu. 

Erst als die schweren Flügeltüren wieder ins Schloss fallen, werden die Gespräche wieder auf genommen. Aly sieht uns mit nach oben gezogenen Augenbrauen an und deutet dann auf den halb aufgegessenen Cookie, der in der Mitte des Raumes liegt.

"Ich habe es euch ja schon immer gesagt: Dieser ganze Schlankheitswahn bringt überhaupt nichts." Demonstrativ schiebt sie sich ein weiteres Stückchen in den Mund und kaut genüsslich darauf herum, während ich noch immer die Tür betrachte, durch die Hayden gerade bugsiert wurde.

Aly mag Recht haben, allerdings glaube ich nicht, dass nur eine Diät an all dem gerade Schuld war. 

___

"Willst du Salami oder Schinken?", fragt Vince und schmiert eine weitere Portion Butter auf sein Sandwich.

"Schinken bitte", erwidere ich und blättere die Zeitschrift vor mir um. Wieder werden Outfits von Promis bewertet und vor allem die Kleider von Sofia Carson gefallen mir. Vince klappt unsere Sandwiches zusammen und legt sie in den Sandwichmaker, während ich Leslies Zeitschriften durchstöbere.

Dann lässt sich mein Freund neben mich auf den Stuhl fallen und legt seinen Kopf auf meiner Schulter ab. Er legt einen Arm um meine Hüfte und seufzt dann laut. 

"Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich das nochmal sage: Aber ich hab' echt keine Lust mehr auf Schule", jammert er dann. Genauso wie Aly hat auch er heute einen Tag voller Leistungsnachweise überstehen müssen. Ich fahre ihm durch die Haare und lächle.

"Wenigstens hast du es jetzt hinter dir", meine ich und versuche, mein Bein zu entlasten. Auch wenn das Pochen am Nachmittag erträglicher wurde, es ist nach wie vor da. Eine falsche Bewegung, ein Moment Belastung zu viel und es wird wieder stärker.

"Mhm", brummt Vince. Lege meine Wange auf seinen Hinterkopf und schließe dann die Augen. Atme den Duft von meinem Freund ein. Seine Hand sucht den Weg unter meinen Pullover und streichelt meine Haut. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus und es wäre gelogen, wenn ich behaupte, dass ich nicht jede einzelne Sekunde mit ihm zusammen genieße. 

Seine Berührungen sind federleicht und ich frage mich, ob das plötzliche Herzklopfen, wann immer wir uns so nahe sind, irgendwann nachlasen wird.

In dem Moment passiert es wieder. Ich zucke zusammen und winkle mein Bein an, als ein erneuter Blitz durch meine gesamte linke Körperhälfte schießt. Meine Muskeln verkrampfen sich und ich schaffe es gerade so, nicht aufzuschreien. Vince richtet sich auf und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. 

"Krampf", keuche ich und deute auf mein Bein. Ein schiefes Lächeln ziert mein Gesicht, während ich mein Bestes versuche, um mir nichts anmerken zu lassen. Vince schüttelt dann den Kopf, richtet sich auf und verschränkt seine Arme vor meiner Brust.

"Lüg' mich nicht länger an", sagt er dann mit rauer Stimme. Der Sandwichmaker hinter uns piepst, aber mein Freund macht keine Anstalten, auch nur aufzustehen und unsere Brote herauszunehmen. 

"Vince, bitte...", flüstere ich und merke, wie sich langsam Tränen in meinen Augen sammeln.

"Ich möchte dir helfen. Warum lässt du es nicht zu?" Jetzt steht er doch auf und zieht den Stecker, nimmt unsere Sandwiches heraus und legt sie auf je einen Teller. Dann dreht er sich zu mir um und lupft eine Augenbraue.

"Das ist... normal", versuche ich mich erneut herauszureden. Ich senke meinen Blick auf die Tischplatte. Eine erste Träne tropft auf das helle Holz. 

Sehr gut, Judy. Sehr überzeugend. Jetzt wird er mit Sicherheit locker lassen.

"Ich möchte nicht mit dir streiten. Nicht schon wieder. Aber dass das normal ist, brauchst du mir nicht erzählen." Vince atmet laut aus. Ich hebe vorsichtig meinen Blick und entgegne seinem starren Blick. Ist er wütend? Besorgt? Verunsichert? Ich kann es nicht sagen.

"Hayden hatte heute in der Kantine einen Nervenzusammenbruch. Du sitzt hier vor mir, weinend, kannst mir nicht sagen was los ist." Er lacht bitter und zuckt dann mit den Schultern. "Langsam glaube ich, dass ich das Problem bin." 

"Bist du nicht", widerspreche ich sofort mit weinerlicher Stimme. Vince atmet mehre Male tief durch und schließt einen Moment lang die Augen. Dann nickt er mehrere Male, kommt auf mich zu und geht vor mir in die Hocke. Nimmt beide meiner Hände in seine und sieht mich mit einem ruhigen Blick an.

"Was auch immer los ist, Judy, du kannst mit mir reden und mir vertrauen." 

Ich nicke nur. Wieder schießt ein Schmerz durch mein Bein. Dieses Mal ist es zu viel. Mein Oberkörper klappt nach vorne und wäre Vince nicht da, der mich halten könnte, würde ich vermutlich vom Stuhl auf den Boden fallen. Ich kralle mich an seinen Ärmeln fest und schreie. Kneife meine Augen fest zusammen und bin gefangen im Schwarz. Im Schwarz des Schmerzes und der Angst. Es fühlt sich so an, als würde mein Bein verbrennen, als würde es mir Millimeter für Millimeter abgeschnitten werden und eine giftige Substanz in die Wunde geschüttet werden.

Mein Körper bebt und Tränen strömen über meine Wangen. Vince hält mich fest, reibt mir über den Rücken und redet auf mich ein. So plötzlich wie der Schmerz angefangen hat, ist er auch wieder weg. Meine Augen öffne ich trotzdem nicht. Ich vergrabe meinen Kopf in der Halskuhle meines Freundes und atme seinen vertrauten Geruch ein. Sicherheit, Geborgenheit, Liebe. An jedem Tag würde er mir das Gefühl geben, nur heute nicht. Heute rieche ich nur Angst. Und Schmerz. 

"Judy?", flüstert Vince irgendwann? Ich schüttle den Kopf und ziehe ihn noch fester an mich. Vince seufzt und hebt mich dann hoch. Ich presse meine Augen noch fester zusammen, als er mich in einen anderen Raum trägt. Er ächzt unter meinem Gewicht. Natürlich. So eine starke Belastung ist er nicht gewöhnt. Soll er seinen Körper nicht noch immer schonen?

Fein gemacht. Du richtest dich nicht nur selbst zu Grunde, sondern auch den Jungen, den du liebst. 

"Lass mich runter", flüstere ich und versuche mich aus seinen Armen zu winden. Vinces Arm knickt ein und ich sinke zu Boden. Wir stehen im Flur, direkt vor dem Badezimmer. Stumm öffnet mein Freund die Tür und bietet mir seinen Arm am, um mich zu stützen. Ich sehe ihn fragend an, aber er blickt mir nicht in die Augen. 

Langsam gehe ich in den Raum und bleibe dann ratlos in der Mitte stehen. Vince schließt die Tür hinter uns und stopft dann seine Hände in die Hosentaschen. Zwei Schritte trennen uns voneinander, aber irgendetwas sagt mir, dass das nicht genug ist.

"Ausziehen", sagt Vince dann. Noch immer sieht er mich nicht an, sondern mustert die Fließen am Boden. Ich schüttle verwirrt den Kopf und sehe ihn fragend an.

"Vince, was..."

"Zieh' deine Hose aus. Und deine Prothese. Ich glaube dir nicht, dass alles okay ist und glaube dir auch nicht, dass das normal ist. Irgendetwas stimmt nicht. Und mein Gefühl sagt mir, dass es etwas mit deinem Bein zu tun hat." 

Ich merke, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht und mein Herz zwei Stockwerke tiefer sackt. Meine Hände beginnen zu zittern. 

"Nein", bringe ich tonlos hervor. Wie zur Bestätigung schüttle ich den Kopf und humple dann auf Vince zu. Umgreife seine Handgelenke und flehe stumm darum, dass er mich endlich ansieht.

"Nein", wiederhole ich dann. Mein Atem wird heftiger und Angst breitet sich in meiner Brust aus. 

Das wars. Du bist erledigt. 

"Judy. Bitte." Endlich hebt er seinen Blick. Sieht mich mit einem flehenden Blick an und nimmt dann meine Hände in seine. Ich schüttle wieder den Kopf, merke, wie eine weitere, heiße Träne über meine Wange rollt. 

"Was glaubst du, würde Colleen sagen, wenn sie dich so sieht?" 

Ich zucke zusammen und sehe Vince an. Er weiß, dass er mit dieser Aussage einen wunden Punkt getroffen hat und sie empfindlich ich reagiere, wenn meine tote Zwillingsschwester in etwas mit reingezogen wird.  

Die Angst verwandelt sich zu Panik und mit einem Mal wird die Luft im Raum dünn. Ich schnappe nach Atem, versuche, Luft in meine Lugen zu füllen, aber es ist nicht genug. Schwarze Punkte tanzen vor meinem Sichtfeld. Ein Piepsen breitet sich in meinem Kopf aus, meine Hände werden taub und immer noch bekomme ich zu wenig Luft. Ich atme, versuche zu atmen, möchte atmen, aber es...

Starke Arme schließen sich um mich und halten mich und hindern meinen Körper daran, auf den Boden zu fallen. Wieder halte ich mich an Vince fest und wieder ist er es, der mich davor bewahrt, zu stürzen. 

Vorsichtig zieht er mich zur Badewanne, setzt sich auf den Rand und mich neben sich. Meine Hände zittern und ich schäme mich für mich. Dafür, wie ich mich aufführe, wie ich ihm gegenüber wirken muss. 

Wie ein Kleinkind. 

"Judy..." Vinces Stimme ist nur ein leises Flüstern. Er nimmt meine Hand in seine und drückt sie fest. Dann steht auf und geht vor mir in die Knie. Stumm betrachte ich ihn, wie er seine Hand langsam hebt und meinen Pullover nach oben schiebt. Am Knopf meiner Jeans nestelt und mich stumm um Erlaubnis bittet.

Ich weiß, dass er mich niemals zu etwas zwingen würde, was ich nicht möchte. Ich weiß, dass er mir nur helfen möchte und nur das Beste für mich will. Und ich weiß auch, wann es für mich Zeit ist, aufzugeben. 

Tränen laufen über meine Wangen, während ich die Augen schließe und dann nicke. Mein Herz pocht wie verrückt und alles in mir schreit danach, ihn wegzustoßen. Aus diesem Raum zu flüchten und mich irgendwo einzusperren. Trotzdem stehe ich kurz auf, als Vince mir meine Hose abstreift und vorsichtig über meine Beine zieht. Er hat mich schon nur in Unterhose bekleidet gesehen. Ich schäme mich nicht dafür. Ich schäme mich auch nicht für meine Prothese, die er auch schon häufig gesehen habe.

Und trotzdem fühle ich mich heute das erste Mal so wirklich nackt vor ihm. 

"Es tut mir wirklich, wirklich leid", flüstert Vince und auch seine Stimme zittert leicht. Er drückt meine Hand und drückt dann den entsprechenden Knopf, um meine Prothese abschnallen zu können. Ich wimmere leise und kralle mich am Badewannenrand fest. Das Trommeln in meinem Brustkorb wird nur noch stärker. 

"Judy - schau mich an." Vince legt eine Hand auf mein rechtes Knie. Ich hebe meinen Blick und betrachte stumm seine haselnussbraunen Augen. Mein Freund neigt seinen Kopf zur Seite und zieht seine Augenbrauen besorgt nach oben.

"Egal, was du hast. Egal was gleich passieren wird, ich liebe dich. Und daran wird sich auch nichts ändern, egal was hier nicht stimmt. Ich liebe dich und wir stehen das zusammen durch, okay?" 

Ich nicke und schniefe. Schließe meine Augen. Vorsichtig nestelt Vince an meinem Bein und zieht dann das Silicon, das meine Haut vor der Prothese schützt, ab. Das Pochen in meinem Bein wird leichter, dafür höre ich Vince scharf einatmen.

"Mein Gott...", flüstert er. Ich weiß, was er sieht. Vermutlich ist es noch röter als heute Morgen.  Meine Schultern fallen nach unten und ich schlage meine Hände vor mein Gesicht. Das wars. Er weiß es. 

"Ich... Judy, warum hast du nichts gesagt?", wispert er und nimmt meine Hände in seine. Ich schüttle nur stumm den Kopf. Fühle mich schwach, hilflos und so unglaublich nutzlos. 

"Ich.. hm... Dir ist klar, dass das ein Arzt sehen muss, oder?"

Ich nicke nur. Vince steht auf, lässt mich los und verlässt den Raum. Lässt mich alleine zurück. Und mit einem Mal fühle ich mich so einsam, wie schon seit langem nicht mehr. 

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