
Kapitel 7
„Lena, Lena", kicherte Mia, die grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Das ging ja schneller als gedacht."
„Was?", fragte ich nervös, obwohl ich natürlich genau wusste, was sie meinte. Auch ich konnte nicht anders als wie ein Depp zu grinsen.
„Wie er dich angesehen hat ... na holla", freute Mia sich. „Wird Zeit, in die Vollen zu gehen. Wie wär's mit 'nem Date?"
„Spinnst du?", fragte ich entgeistert, konnte mir jedoch ein Lachen nicht verkneifen. Der bloße Gedanke an ein Date ließ mein Herz schneller schlagen und mir wurde schlecht vor Aufregung. „Micha behandelt mich nicht besser als alle anderen auch."
„Also, mich hat er nicht gegen eine Wand gepresst und angesehen, als würde er mich am liebsten zum Nachtisch verspeisen", wandte Mia ein.
„Er hat mich nicht so angesehen!", wehrte ich mich. Mein Grinsen wurde immer breiter. Hatte er mich tatsächlich so angesehen?
„Micha ist wahrscheinlich das attraktivste Wesen, dass je einen Fuß auf das Pflaster dieses Städtchens gesetzt hat, und nett ist er obendrein", sagte Mia. „Also halt dich ran."
„Nur schade, dass ich es nicht in die Top Ten der Beauty-Queens schaffe", maulte ich. Dann sah ich Mias Blick und musste lachen. „Schon gut, schon gut, ich werde mir Mühe geben."
„Das wollte ich hören", freute Mia sich. „Wie stellen wir es am besten an? Du kannst ihn ja schlecht zur nächsten Stufenparty einladen."
„Ich werde ihn gar nicht einladen!", wehrte ich mich. „Da kann ich mir ja gleich einen Schild um den Hals hängen, wo draufsteht 'Hey, ich steh voll auf dich'."
„Dann halt nicht", schmollte Mia.
„Vielleicht sollte ich es etwas langsamer angehen", schlug ich versöhnlich vor. „Nicht mehr hinter einem Baum verstecken, wenn er den Schulhof überquert, wäre doch schon mal ein guter Anfang."
Kichernd und wilde Pläne schmiedend liefen wir weiter, bis sich unsere Wege trennten.
Bereits um drei Uhr Nachts wachte ich vom Rütteln meiner Rollläden auf. Draußen tobte ein Sturm, zog und zerrte an allem, was er zu fassen bekommen konnte und peitschte den Regen nur so gegen die Hauswand.
Stöhnend drehte ich mich um und versuchte, weiterzuschlafen, aber der Sturm wurde nur noch lauter. Sein Brüllen und Fauchen faszinierte mich und ließ mein Herz schneller schlagen.
Ich liebte Wind. Ich liebte diese Unwetter, solange ich sicher in meinem Bett lag.
Auf einmal krachte und grollte es beängstigend laut, und ehe ich mich versah, saß ich aufrecht im Bett.
Ein Gewitter! Da hielt mich nichts mehr unter meiner Decke. Wenn ich eh nicht schlafen konnte, konnte ich mir ja wenigstens die Blitze ansehen.
Barfuß tapste ich zum Fenster, zog so leise wie möglich die Rollläden nach oben (auch wenn das kaum eine Rolle spielte bei der Lautstärke, die das Unwetter dort draußen hatte), und öffnete das Fenster.
Neugierig streckte ich meine Nase nach draußen in den Regen, einfach die kühlen Tropfen auf der Haut genießend. Der Wind pustete meine Haare durch, strich mir mit schauerlich kalten Fingern über den Hals und zischte und pfiff in meine Ohren.
Schlagartig wach lächelte ich in die Nacht hinaus, bestaunte, wie der Regen im gelblichen Licht der Straßenlaternen funkelte, wie er bestimmt kniehoch spritzte, als er auf die Straße aufkam.
Dann zuckte ein greller Lichtschein über den Himmel und tauchte die dunklen Schemen der Nacht für einen Moment in ein Labyrinth aus Grau. Kurz darauf folgte der Donner wie das Knurren eines wilden Tieres.
Ich ertappte mich dabei, wie ich leise zurückknurrte, und verstummte sofort.
Noch eine Weile stand ich so am Fenster, atmete die frische, regenschwere Nachtluft ein und staunte jedes Mal aufs Neue über die wilde Zickzackspur, die die Blitze durch die Dunkelheit zogen.
Dann schloss ich das Fenster und legte mich, den Geruch nach Regen immer noch in der Nase, in mein Bett und war kurz darauf wieder eingeschlafen.
Als es am nächsten Morgen jedoch immer noch wie aus Eimern schüttete, ließ meine Begeisterung für das Wetter rapide nach.
Dem Spektakel vom Fenster aus zuzusehen war etwas anderes, als es bald hautnah mitzuerleben.
Mir graute jetzt schon vor meiner halben Stunde Schulweg.
Lustlos verschlang ich mein Müsli. Als ich dann noch daran dachte, dass ich ja heute Micha wiedersehen würde, wurde mir augenblicklich so schlecht vor Aufregung, dass ich die letzten Bissen herunterwürgen musste.
Noch mit dem letzten Bissen im Mund eilte ich in mein Zimmer, begutachtete mich kritisch im Spiegel in der Schranktür und stand kurz davor, zum Schminkkasten meiner Mutter zu greifen. Gerade noch rechtzeitig fiel mir wieder ein, wie viel Arbeit das Abschminken war, und ich verwarf den Gedanken. Stattdessen probierte ich alle Pullis einmal durch, bis ich mich endlich für einen entschieden hatte, in dem ich trotz meines verschlafenen Aussehens und der wild abstehenden, lockig-kurzen Haare halbwegs passabel aussah.
Es gab Tage, an denen meine Haare nussbraun schimmerten, aber heute war unvorteilhafter Weise einer der strubbeligen Tage. Naja, daran konnte ich jetzt auch nichts mehr ändern.
Auch beim Schulzeug packen, war die Nervosität nicht von Vorteil – ich brauchte fast doppelt so lange, weil ich immer wieder in meinem Stundenplan nach dem falschen Wochentag guckte oder verzweifelt nach dem Matheheft wühlte, obwohl ich es bereits eingepackt hatte.
Endlich fertig, packte ich Bücher und Hefte sicherheitshalber in eine Plastiktüte und packte auch Ersatzklamotten (ebenfalls in einer Plastiktüte) ein. Dann schlüpfte ich in Regenjacke und Regenhose, zog den Regenschutz über meinen Rucksack, brüllte „Tschüss!" quer durchs ganze Haus und trat hinaus in den prasselnden Regen.
Wer einmal versucht hat, eine halbe Stunde lang einen Schirm zu tragen, weiß, warum ich nichts mehr von Regenschirmen hielt. Außerdem konnte ich bei diesem Sturm so ein Teil auch höchstens gebrauchen, um in die Schule zu fliegen.
Natürlich kam der Wind gnadenlos von vorne und blies mir den kalten Regen direkt ins Gesicht, egal wie gesenkt ich den Kopf auch hielt.
Ich war gerade mal zwei Häuserblocks weiter, als ich spürte, wie die Feuchtigkeit meine Arme erreichte. Ein Hoch auf diese Regenjacke.
Ein Glück, dass ich keine Schminke benutzte, sonst hätte ich heute Morgen wohl die ultra-wasserfeste Variante gebraucht. Eine Zeit lang hatte ich mich tatsächlich jedes Mal vor der Schule hübsch gemacht, aber es hatte nicht lange gedauert, bis die Faulheit gesiegt hatte.
Jetzt begann ich mich wieder zu fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, wenigstens dezent Make-Up zu tragen und nicht mehr von jedem zweiten auf Fünfzehn geschätzt zu werden.
Darüber konnte ich mir ja am Wochenende zusammen mit Mia Gedanken machen. Jetzt musste ich erst mal halbwegs trocken in die Schule kommen. Ok, einfach nur in die Schule kommen.
Resigniert sah ich an mir herunter und stellte fest, dass aus meinen Schuhen bereits das Wasser wieder herauslief. Die Regenhose klebte an mir, und die Regenjacke hielt auch nur noch das Gröbste ab. Dabei hatte ich erst die Hälfte des Schulwegs hinter mir.
Selbst an Micha denken half nicht mehr, um meine Situation auszublenden. Dafür zitterte ich bereits zu stark, und jeder Schritt war einfach nur ekelhaft, da das ganze Regenwasser bereits in meiner Kleidung zu zirkulieren schien.
Wie sehr freute ich mich nur auf meine trockenen Wechselklamotten. Nur gut, dass ich vorsorglich sogar ein Handtuch eingepackt hatte.
Andere Eltern fuhren ihre Kinder bei diesem Sauwetter, und so wunderte es mich nicht, keine Menschenseele auf meinem Schulweg zu treffen.
Unglücklicherweise waren meine Eltern der Meinung, dass es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung gab. Meine Kleidung war schlecht.
Aber unglücklicherweise gab es für mich fast nichts schlimmeres als Klamottenläden, und so schob ich den Kauf neuer Regenkleidung bereits ein Jahr lang vor mir her.
Meine Eltern überließen das mir. Für sie war ich alt genug, und sie wussten, dass die Wetterlage überzeugender war als ihre Argumente, und da selbst die mich nicht herum bekommen hatte, sparten sie sich die Energie. Dafür kannten sie ihre Tochter zu gut.
Mit klappernden Zähnen bog ich in die Straße ein, in der die Schule lag und erspähte zwischen dem Regenvorhang vereinzelt Leute, die mit Kapuze und Regenschirm zum rettenden Gebäude hasteten.
Der Wind hatte nachgelassen, trotzdem kämpfte der ein oder andere verzweifelt mit seinem Regenschirm, und die weniger guten Exemplare waren bereits nach oben gebogen.
Unwillkürlich musste ich grinsen, als auf einmal kein Regen mehr in mein Gesicht peitschte, obwohl um mich herum weiter die Sturzbäche zu Boden gingen.
Irritiert sah ich auf und bereute das sofort, als mein Herz einen Schlag aussetzte. Micha.
Micha, der mit seinem Regenschirm neben mich getreten war und ihn nun schützend über uns beide hielt.
„Du hast aber erstaunlich gute Laune trotz des Wetters", begrüßte Micha mich lächelnd.
„Ist ja auch witzig zu sehen, wie sich die billigen Regenschirme in Regenschüsseln verwandeln", meinte ich zähneklappernd. „Du brauchst übrigens nicht den Schirm über mich zu halten. Nasser kann ich eh nicht mehr werden."
„Oh." Es schien, als nehme Micha erst jetzt richtig in Augenschein, und was er sah, beunruhigte ihn. „Du bist ja pitschnass. Meine Güte, frierst du nicht?"
„Wie sieht's denn aus?", fragte ich, wobei meine Zähne zur Untermauerung des Gesagten kräftig aufeinanderschlugen.
„Nicht gut sieht es aus", sagte Micha. „Meine Güte, so kannst du dich doch nicht in den Unterricht setzen."
„Tu ich ja auch nicht. Ich hab extra Wechselklamotten dabei", erklärte ich. „Ich weiß ja, wie ich nach 'ner halben Stunde Schulweg aussehe."
Das mit der halben Stunde hatte ich natürlich nur hinzugefügt, um einen Mitleidsbonus zu bekommen.
Es funktionierte.
„Oh mein Gott, wie machst du es dann im Winter, wenn es einen Schneesturm gibt?", fragte Micha entgeistert. „Erfrierst du dann nicht?"
„Bis jetzt habe ich es immer überlebt", sagte ich Schultern zuckend, was ich sofort bereute, als sich das eisige Wasser in meinen Klamotten neu verteilte. Ich schauderte.
„Aber manchmal war es ganz schön knapp", fügte ich hinzu, an den einen Tag denkend, als der Schnee beim Erreichen der Schultür zentimeterdick auf meinen Schultern gelegen hatte.
„Wo wohnst du?", fragte Micha unvermittelt.
Gemeinsam betraten wir den Schulhof, aber ich bemerkte es kaum. Nur die Menschendichte erhöhte sich rapide und ich wurde leicht gegen Micha gedrückt.
Kleinlaut nannte ich meine Straße, bezweifelte jedoch, dass Micha das etwas helfen würde. Aber er nickte sofort und sagte prompt: „Wenn es das nächste Mal schlechtes Wetter ist, hole ich dich ab."
Mit tellergroßen Augen starrte ich Micha an, wodurch sein Selbstbewusstsein sich langsam aber sicher in Verlegenheit wandelte.
„Nur wenn du willst, natürlich", fügte er verunsichert hinzu.
„Doch, na klar will ich", brachte ich hervor und wäre beinahe gegen die Eingangstür zum Schulgebäude gerannt.
Im letzten Moment gelang es mir, die aufzureißen und ins Trockene zu stolpern.
„Danke", fügte ich noch schnell hinzu, und Michas verlegener Gesichtsausdruck wurde wieder mit einem Lächeln weggewischt.
„Keine Ursache. Ich fahre ja eh mit dem Auto."
Mit diesen Worten trennten wir uns, Micha ging Richtung Lehrerzimmer und ich eilte in die Mädchentoilette, um mich umzuziehen.
Nicht nur wegen der Kälte zitterten meine Finger so stark, dass ich beinahe zu spät zu Englisch gekommen wäre, weil ich doppelt so lange wie normalerweise zum Umziehen brauchte.
Englisch war zwar mein LK, trotzdem nahm der Lehrer es mit der Pünktlichkeit, ja eigentlich mit allem nicht so genau.
Beine baumelnd saß er auf dem Lehrerpult, machte bei jedem reinkommenden Schüler einen Haken auf seiner Liste und tratschte währenddessen mit den Schülern in der ersten Reihe.
Trotz des Wetters trug er Sandalen, kurze Hose und Hawaiihemd, also das, was er immer trug, ob Winter, Sommer, Regen oder Schneesturm.
Ok, wenn der Schnee hoch genug lag, trug er Wollsocken in den Sandalen, aber mehr auch nicht.
Mit einem breiten Grinsen ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen, setzte hastig einen normalen Gesichtsausdruck auf und bemerkte eine halbe Minute später, dass meine Mundwinkel erneut nach oben gerutscht waren.
Schade, dass heute bereits Freitag war. Aber vielleicht regnete es Monat ja auch? Was sagte denn der Wetterbericht? Ab wann war es für Micha denn schlechtes Wetter?
Hoffentlich nicht erst bei Starkregen und Orkanböen.
In Gedanken stellte ich mir bereits vor, wie Micha mich mitnahm, und betete dass er nicht auf dem Lehrerparkplatz parkte. Das würde sonst wahrscheinlich ein wenig schräg kommen.
Seelig durchträumte ich die beiden Englischstunden und verpasste dadurch einen ausführlichen Bericht über den letzten Mallorca-Urlaub, den ich bereits in mindestens fünf Varianten gehört hatte.
Dann schlenderte ich in die Pause, wo ich Mia am gewohnten Platz traf.
Sie empfing mich mit einem breiten Lächeln, das ich mit einem nervösen Grinsen erwiderte.
Gleich hatten wir Mathe. Gleich würde ich Micha wiedersehen.
Mir wurde leicht schlecht vor Aufregung.
Wie sollte ich mich verhalten? Ich konnte ihn ja schlecht in Kampfsportmanier begrüßen, aber auch ein strahlendes „Hi" würde vielleicht etwas schräg kommen. Gar nicht begrüßen und mich so verhalten wie die meisten anderen Schüler ging allerdings erst recht nicht.
„Ich seh schon, wir drehen lieber eine Runde um den Block und reden", meinte Mia amüsiert. Ob meine Gedanken mir auf die Stirn geschrieben standen? Hoffentlich war ich für Micha nicht so leicht zu durchschauen.
„Gut Idee", stimmte ich kleinlaut zu und huschte nervös hin und her guckend neben Mia über den Schulhof. Zum Glück hab es gerade eine Regenpause, sonst hätten mich keine zehn Pferde wieder nach draußen gebracht.
„Jetzt stell dich mal nicht so an!", zischte Mia mir ärgerlich zu, doch kaum lief ich halbwegs normal, erspähte ich Micha und wäre vor Schreck beinahe über einen Sechstklässler gefallen.
Augenblicklich beschleunigte ich, sodass ich beinahe über meine eigenen Füße fiel.
Mia jedoch rollte nur mit den Augen und versuchte, hinter mir herzukommen.
Fluchend holte sie mich ein, als ich das Schulgelände verlassen hatte und Micha außer Sichtweite war.
„Was hältst du davon", keuchte sie aufgebracht, „würdevoll vom Schulhof zu spazieren und nicht auszuschreiten, als gelte es einen Wettbewerb zu gewinnen? Willst du nun einen guten Eindruck auf ihn machen oder nicht?"
„Ja, schon, aber ..." Ich seufzte ergeben. „Ich habe das Gefühl, ich werde noch paranoid."
„Micha soll dich doch sehen."
„Aber es macht wohl kaum einen guten Eindruck, wenn ich plump über den Schulhof schlurfe."
„Es macht sicher auch keinen guten Eindruck, wenn du wie ein aufgescheuchtes Hühnchen die Flucht ergreifst", wandte Mia ein.
Ärgerlich knuffte ich meine Freundin in die Seite, musste jedoch unwillkürlich lachen.
„Ok. Und wie soll ich mich deiner Meinung nach gleich in Mathe verhalten?", fragte ich mit großen Augen. Dabei zappelte ich so wild, dass Mia mir einen kritischen Seitenblick zuwarf.
„So schon mal nicht", stellte sie kühl fest. „Wie wäre es mit nett 'Hallo' sagen, anlächeln und sich ansonsten ganz normal benehmen?"
„Ich kann's zumindest versuchen", willigte ich ein. Dann huschte ein breites Grinsen über mein Gesicht.
„Was ist?", fragte Mia leicht irritiert.
Ich kicherte.
„Nun spuck's schon aus!" Neugierig geworden sah meine Freundin mich an.
Einen Moment lang spannte ich sie auf die Folter, dann brachen die Worte aus mir hervor. Fast ohne auch nur nach Luft zu schnappen berichtete ich Mia über meine Begegnung heute Morgen mit Micha, und seinem Angebot, mit mitzunehmen, wenn das Wetter zu schlecht sei.
Ungläubig starrte Mia mich an, mit strahlenden Augen und mindestens genauso viel Begeisterung für das Geschehene, wie ich selbst empfand.
„Wie findest du eigentlich meine Klamotten? Sehe ich gut aus?", fragte ich unvermittelt.
Da musste Mia lachen.
„Also ist es kein Zufall, dass deine Klamotten heute mehr hermachen als sonst."
„Ist das ein 'Ja, du siehst gut aus'?", fragte ich hoffnungsvoll.
„Wenn Micha auf kleine, wilde Streunermädchen steht, ist sein Herz dir bestimmt hoffnungslos verfallen", grinste Mia, nachdem sie mich nochmal eingehend gemustert hatte.
„Was soll denn das heißen?", entrüstete ich mich. Aber ein Blick nach unten bestätigte leider Mias Aussage.
Die Ärmel meines etwas zu großen Pullis waren bis über die Ellenbogen hochgeschoben, wodurch meine schlichten, dunklen Lederarmbänder zum Ausdruck kamen. Um den Hals baumelte mir eine Kette mit einem verschnörkelten Silberanhänger und meine Hose sah aus wie vom Rasenmäher überfahren, so viele Löcher und Flicken hatte sie.
Mir gefiel der Stil.
Aber auf einmal hatte ich wieder die blonde, fein angezogene Studentin vor Augen, die aussah wie aus H&M gefallen, und Eifersucht wallte in mir auf. Wie konnte ich nur einbilden, dass Micha auf sowas wie mich stehen könnte?
Mia schien meine Selbstzweifel zu bemerken und legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Mit den Klamotten siehst du aus wie ein kleiner Wildfang", sagte Mia aufrichtig. „Und soweit ich das beurteilen kann findet Micha sowas interessant."
„Hm." Kritisch warf ich einen zweiten Blick an mir herab, aber Mia kannte mich zu gut und wusste, dass sie mich überzeugt hatte.
Zumal es für mich ein unglaubliches Kompliment war, als „Wildfang" bezeichnet zu werden.
Dankbar für ihre aufbauenden Worte hakte ich mich bei Mia unter und schlenderte mit ihr zurück zum Schulhof.
„Kommst du heute wieder mit zu Ju-Jutsu?", fragte ich Mia voller Vorfreude. „Ich habe nämlich den Eindruck, Micha geht jeden Tag ins Training."
„Ich aber nicht", entgegnete Mia trocken. „Frag doch Micha, ob er dich mitnimmt."
„Hey!", spielerisch stieß ich sie in die Seite. Dann legte ich den Kopf schief und dachte einen Moment darüber nach.
„Gar keine so schlechte ...", begann ich, verstummt jedoch abrupt, als ich Micha erspähte.
Den Anblick, der sich mir bot, hätte ich mir lieber erspart.
Eine junge, hübsche Referendarin plauderte mit Micha. Die beiden lachten und schienen sich prächtig zu verstehen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro