ZWEIUNDDREISSIG - Vince
Ich starre hinunter auf das Spielfeld und sehe den Jungs mal wieder beim Spielen zu. Dick eingemummt verfolge ich konzentriert jede einzelne Übung und versuche zu verstehen, was der Coach damit erreichen möchte. Kleine Rauchwölkchen steigen aus den Mündern der Jungs auf. Wäre es hier oben nicht mindestens genauso kalt wie dort unten, wäre ich fast froh, dass ich nicht mitmachen muss.
Mittlerweile merke ich jeden Tag mehr, wie sehr ich mich wieder danach sehne, mit East zusammen über das Feld zu hetzen. Zu siegen. Zu feiern. Zu triumphieren.
Aber es geht nicht.
Ich schließe für einen Moment meine Augen und atme tief durch. Ziehe dann die dicke Jacke von East enger um mich und starre wieder hinunter auf das Feld. Am Himmel wird es schon dunkel, weshalb das Flutlicht eingeschaltet wurde. Es erinnert mich an die vielen Spiele, bei denen ich dabei sein durfte. Die aufgeheizte Atmosphäre, die jubelnden Fans, der eiserne Siegeswille der Mannschaft und eben das grelle Licht der Flutlichtanlage.
Mein Herz sticht sehnsüchtig, als ich an all die Eindrücke zurückdenke. Schnell fische ich mein Handy aus der Hosentasche. Das Training sollte in fünf Minuten vorbei sein. Innerlich sehne ich mich schon nach dem warmen Essen von Mama daheim. Ich vergrabe mein Kinn tiefer in dem dicken Kragen der Winterjacke und sehen den Jungs zu, wie sie sich nun locker auslaufen und Dehnübungen machen.
Mein Blick wandert über das Spielfeld zur Tartanbahn. Die Cheerleader-Mädchen sind mittlerweile schon nach Hause gegangen, nachdem sie ein mörderisches Training absolviert haben. Nur ein Mädchen joggt noch tapfer seine Runden um den Platz. Mit entschlossenem Blick und wippenden Pferdeschwanz läuft Hayden eine Runde nach der anderen. Sie lässt sich nicht ablenken, sich nicht aus dem Rhythmus bringen und sieht beinahe frisch aus.
Ich seufze schwer, als ich sie dort unten sehe. Sie war schon immer verbissen, aber mir kommt es so vor, als hätte sie in letzter Zeit noch eine Schippe auf ihre Verbissenheit draufgelegt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit trommelt der Coach endlich alle restlichen Jungs zusammen, die mittlerweile kleine Gruppen gebildet haben und mehr Blödsinn machen als sich wirklich zu dehnen. Gesammelt verlässt die Mannschaft den Platz und marschiert in die Richtung der Umkleidekabine.
Dann kann es nicht mehr allzu lange dauern, bis East rauskommt und wir endlich nach Hause fahren können.
Keine Ahnung warum ich Volltrottel mich darauf eingelassen habe, bei den Trainings zuzusehen. Oder viel besser gesagt, mich immer von East chauffieren zu lassen. Würde ich alleine fahren, dann könnte ich nach meiner letzten Stunde abhauen und müsste mir nicht viermal die Woche hier draußen den Allerwertesten abfrieren.
Langsam stehe ich auf, stopfe mein Handy in meine Jackentasche und gehe langsam die vielen Stufen der Zuschauertribüne hinunter zum Spielfeldrand. Ich erwische mich dabei, wie ich Hayden suche und verfolge stumm ihre Bewegungen. Als ich an der Bande ankomme, joggt sie gerade an mir vorbei.
Stirnrunzelnd beobachte ich sie weiter. Ihre Atmung geht nun viel mehr stoßweise und sieht nicht mehr kontrolliert aus, wie zuvor. Wenn man mich fragt, sieht es viel eher so aus, als würde sie mehr beben als atmen. Ihre Hände zittern ein kleines bisschen und wenn mich nicht alles täuscht, knicken ihre Knie bei jedem Schritt ein Stückchen ein.
Ich beiße mir konzentriert auf die Unterlippe und beobachte weiterhin ihre unkontrollierten Beinbewegungen. Eine ganze Runde schleppt Hayden sich noch um den Platz. Sie sieht nicht in meine Richtung und trotzdem weiß es, dass ich ihr zusehe.
Sie ballt ihre Hände zu Fäusten, während sie an mir vorbeijoggt. Ich schlucke schwer. Hayden blickt fokussiert nach vorne, ihr Pferdeschwanz wippt nach wie vor nach links und rechts und trotzdem ist das Beben ihres Körpers nicht zu übersehen.
In dem Moment passiert es.
Hayden stolpert und stürzt. Alle Viere von sich gestreckt bleibt sie mit dem Gesicht nach unten liegen. Ihr Körper durchläuft ein Zittern, während ich nur ihre lauten Atemzüge höre.
Panisch starre ich über den Platz, aber keiner ist mehr da. Nur Hayden und ich. Hayden liegt noch immer am Boden, sie macht keine Anstalten aufzustehen.
Mein Herz trommelt wild, als ich Eastons Jacke fallen lasse und zu ihr laufe.
"Hayden", rufe ich panisch und falle neben ihr auf die Knie. Sie reagiert nicht. Ich fasse ihr an ihre eiskalte Schulter und möchte sie zur Seite drehen. Ihre Augen halb geschlossen wimmert sie etwas Unverständliches. Ihr Körper fühlt sich an wie ein Flummi. Haydens Lider flattern, während sie immer und immer wieder hilflos nach Luft ringt.
Meine Hände zittern und für einen Moment habe ich keine Ahnung, was ich machen soll. Ich lasse ihre Schulter los und atme heftig ein und aus. Hayden sackt wieder zur Seite, als wäre sie ein lebloser Sack.
Denk nach, Vince, denk nach!
Hilflos schaue ich auf, in der Hoffnung dass vielleicht jemand aus der Kabine zurück gekommen ist. Aber nur Hayden und ich sind auf dem Platz.
Es wird keiner kommen, der euch beiden hilft.
"Okay, okay", sage ich mehr zu mir, als zu Hayden. Sie liegt schwer auf meinem Arm, nach wie vor ist sie kaum ansprechbar. Ich gehe in die Hocke und lehne ihren schmalen Oberkörper gegen meine Brust. Ihr Kopf sackt schwer gegen mein Schlüsselbein, während ich sie so zu positionieren versuche, dass ich sie gleich aufheben kann. Durch den dünnen Stoff ihres Sporttops spüre ich Knochen, die ich früher nicht gespürt habe.
Ich schlucke schwer und atme tief durch. Versuche, sie aufzuheben. Aber ich schaffe es nicht. Ich ächze, schwer, als ich versuche, uns beide hochzustemmen. Schwer keuchend starre ich zu ihr.
Sie hat die Augen geschlossen, würde ich es nicht besser wissen, dann würde ich sagen, dass sie beinahe friedlich aussieht. Mein Herz krampft sich zusammen und ich wende meinen Blick schnell von ihr ab.
"Hayden komm schon", flüstere ich, während ich erneut versuche, sie hochzuheben. Die Muskeln in meinen Armen beginnen zu zittern und für einen Moment, habe ich Angst, dass ich das Mädchen fallen lasse.
Du schaffst es wieder nicht.
Um es nicht falsch zu verstehen, Hayden wiegt quasi nichts. Viel mehr bin ich das Problem. Ich und meine scheiß Muskeln, die seit dem Koma eher aus Watte bestehen.
Ein zweites Mal muss ich das Mädchen auf den Boden zurücksinken lassen. Noch immer regt sie sich nichts. Ihr Gesicht ist feuerrot und einzelne schweißnasse Strähnen kleben ihr im Gesicht.
Mein Herz trommelt wild gegen meinen Brustkorb und meine Hände zittern aufgeregt. Entmutigt starre ich auf Hayden hinunter und merke, wie mir Tränen der Verzweiflung in die Augen steigen. Dieses Mädchen braucht Hilfe. Es braucht definitiv Hilfe. Verdammt, warum konnte sie nicht fünf Minuten früher zusammenbrechen?
Ich schüttle bei dem Gedanken schnell den Kopf und fokussiere mich wieder auf das Hier und Jetzt. Ich versuche, all meine Kräfte zu mobilisieren und atme tief durch. Erneut stemme ich uns beide hoch. Ich kneife meine Augen zusammen, meine Knie zittern. Haydens Kopf ruht noch immer schwer an meiner Brust. Laut schnappe ich mehrere Male nach Luft, bis wir plötzlich stehen. Meine Beine wackeln gefährlich und Hayden droht mir jeden Moment von den Armen zu rutschen, aber wir stehen.
Angestrengt laufe ich die ersten Schritte in die Richtung der Umkleidekabine. So schnell es geht, überquere ich mit dem Mädchen auf meinen Armen den Rasen. Meine Knie sind weich und drohen bei jedem Schritt einzuknicken. Meine Unterarme beginnen unter der Last von Hayden, obwohl sie nun wirklich nichts wiegt, zu zittern. Mein ganzer Körper spannt sich an, schreit nach einer Pause. Aber die gebe ich ihm nicht.
Ich spüre Haydens kalte und verschwitzte Haut auf meinen Händen. Merke, wie ihr Kopf immer weiter nach hinten rutscht. Verzweifelt starre ich zu der blauen Tür mit unserem hässlichen Schulmaskottchen, die noch immer so weit weg zu sein scheint.
"Halte durch", keuche ich und versuche, meine Schritte noch etwas mehr zu beschleunigen.
Verdammtes Koma, vor zwei Jahren wäre es nicht so anstrengend gewesen. Mein Herz pocht hart gegen meinen Brustkorb, jeder Atemzug fühlt sich wie ein Messerstich in meiner Lunge an. Die eiskalte Luft scheint zu wenig zu sein, ich merke, wie mein Körper immer mehr nach Sauerstoff schreit.
Endlich erreiche ich die schwere Eisentür. Mit den letzten Kräften trete ich mit meinem Fuß gegen die Tür. Hayden rutscht mir immer mehr aus den Armen und ich muss leicht in die Hocke gehen, damit sie nicht auf den Boden fällt.
"Aufmachen!", brülle ich laut und verzweifelt. Was, wenn mich niemand hört? Gerade möchte ich erneut ansetzten und gegen die Tür treten, als die Klinke nach unten gedrückt wird.
Der Coach steht im Türrahmen, er sieht mich stirnrunzelnd an. Sein Blick wandert weiter nach unten, zu Hayden. Er zieht scharf die Luft ein und runzelt die Stirn.
"Sie ist gelaufen, gestolpert und jetzt nicht mehr anprechbar, ich..."
"Bring sie rein", unterbricht mich der Coach und drückt die Tür weiter auf. "Brown, Anderson, helft Holden!", bellt er Befehle ins Innere. Ich merke, wie vier starke Arme das Mädchen von mir wegziehen. Michael Brown sieht mich ernst an und scheucht einige Jungs von den Bänken weg. Sie legen Hayden ab und bringen sie in die stabile Seitenlage.
Ich atme schwer, stütze mich an der Wand ab. In der Umkleide stinkt es fürchterlich nach Schweiß, aber das interessiert mich in diesem Moment ehrlich wenig. Mein Blick heftet sich auf Hayden, die nach wie vor hilflos auf den Spielerbänken liegt. Ihre Augen noch immer geschlossen. Ich nehme wahr, wie der Coach den Notruf wählt und wie immer mehr Jungs aus der Dusche kommen.
Mein Körper zittert, meine Knie sind weich. Jetzt spüre ich erst recht, wie sehr mich meine Kräfte verlassen haben.
"Vince?"
Easts Stimmen kommt von irgendwoher. Ich schüttle kaum merklich den Kopf. Einzelne schwarze Punkte tanzen von meinen Augen und ich suche mit meiner linken Hand Halt. Eine starke Hand packt mich am Oberarm und zieht mich weg von der Wand. Ich stolpere, vertraue demjenigen blind. Schließlich werde ich auf eine Bank gedrückt. Ich blinzle mehrere Male, bis ich Easton sehe, der vor mir in der Hocke sitzt.
Mein Atem geht stoßweise. Die schwarzen Flecken vor meinen Augen wollen nicht verschwinden, egal wie oft ich blinzle.
"Vince, atme", versucht East mir zu helfen. Er hält mir eine Wasserflasche hin, die ich nur mit einem Kopfschütteln ablehnen kann. Alleine der Gedanke daran, lässt mich würgen. Ich beuge mich nach vorne, den Kopf zwischen meine Beine. Würge immer wieder. Ich spüre, wie sich East neben mich setzt und einen Arm auf meinen Rücken legt, während ich immer und immer wieder den Drang verspüre, meinen kompletten Mageninhalt wieder ans Tageslicht zu bringen.
Die bunt gemusterten Fließen auf dem Boden verschwimmen langsam und ich blinzle wieder hektisch. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie East eine Traube von Jungs verscheucht, die sich um uns beide gebildet hat. Dann kommt der Coach. Er redet kurz mit meinem besten Freund, aber ich verstehe nicht, was er sagt. Nach wie vor muss ich stoßweise atmen. Meine Hände zittern unkontrolliert und ich lasse meinen Kopf schwer gegen die Schulter von East fallen.
Er hält mich fest, während ich mich erschöpft nach Hayden umsehe. Die breiten Schultern von Brown und Anderson verdecken ihren schmalen Körper, aber sie liegt noch immer da.
Ich merke, wie Eastons Brustkorb vibriert, er muss mir wohl irgendetwas sagen. Aber ich höre nichts. Nur dieses verdammte Piepen in meinen Ohren. Ich schließe meine Augen und atme tief aus.
Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis endlich die Sanitäter eintreffen. Vier laufen sofort zu Hayden, während East zwei zu uns winkt. Ein älterer Mann kniet sich vor mich und redet mit mir. Ich versuche, aufmerksam zuzuhören und verstehe trotzdem nur einzelne Gesprächsfetzen. Mein Blick wandert an ihm vorbei, hin zu Hayden. Verschwommen nehme ich wahr, wie ihr eine Sauerstoffmaske aufgesetzt wird und dann auf eine Trage gehievt wird.
Hände greifen mir unter die Arme und ich stehe mit zitternden Knien auf. Links und rechts von mir stützen mich Sanitäter, während wir langsam die Umkleide verlassen. Ein Krankenwagen und ein Notarztauto stehen auf dem Rasen vor der Tür. Hayden wird gerade in den Rettungswagen geschoben.
Ich muss laut husten und noch einmal würgen. Die zwei Sanitäter neben mir halten mich fest, reden mit mir, aber ich verstehe nichts. Es ist mir ziemlich peinlich, dass ich mich so anstelle, immerhin bin ich nicht auf die Laufbahn geknallt. Ich atme mehrere Male tief durch.
Ich meine, ein "geht es wieder?" von links zu hören. Stumm nicke ich, während wir die wenigen Schritte bis zum zweiten Auto überbrücken. Die Tür hinter dem Fahrersitz wird geöffnet und ich lasse mich schwer auf den Sitz fallen. Rechts neben mir öffnet sich die Tür und eine junge Sanitäterin nimmt auf dem Mittelsitz Platz. Ich werde angeschnallt und lasse meinen Kopf gegen die Kopfstütze sinken.
Das Schwindelgefühl wird langsam leichter und auch das Piepen in meinem Ohr lässt langsam nach. Ich atme tief durch. Der Wagen setzt sich in Bewegung.
"Kannst du mich hören?", will die Sanitäterin neben mir wissen. Ich nicke kraftlos und schließe die Augen. Ich höre Sirenen, bestimmt der Rettungswagen von Hayden.
"Hayden?", frage ich leise.
"Es wird alles gut", höre ich erneut die ruhige Stimme neben mir. Sie gibt mir ein gutes Gefühl. Es wird alles gut hört sich gut an. Ich nicke stumm und merke, wie der Wagen langsam an Geschwindigkeit aufnimmt. Meine Arme zittern nach wie vor unkontrolliert, das Piepen in meinem Ohr ist aber beinahe verschwunden.
Ich merke, wie ich unter der dicken Winterjacke komplett verschwitzt bin. Mein gesamter Körper fühlt sich so an, als hätte ich den ganzen Tag Schwerstarbeit auf einer Baustelle geleistet.
"Von deinem Freund habe ich erfahren, dass du Vincent Holden heißt. Ist das richtig?"
Ich nicke erneut und öffne wieder meine Augen. Vor uns sehe ich den Rettungswagen, der mit Blaulicht und Sirene durch die Straßen braust.
"Wann hast du Geburtstag?", will die Sanitäterin neben mir wissen. Ich runzle die Stirn und seufze dann.
"Vierter Juli", bringe ich schließlich hervor.
"Independence Day", erwidert die Frau neben mir und lächelt. Wieder nicke ich kraftlos.
Übelkeit breitet sich wieder in meinem Bauch aus und beuge mich wieder nach vorne. Auf keinen Fall will ich hier ins Auto kotzen, weshalb ich meine Lippen fest aufeinander presse. Meine Atmung beschleunigt sich, ich spüre eine Hand auf meinem Rücken. Ein Druck baut sich in meinem Bauch auf, bis ich schließlich laut würge. Verdammte Scheiße.
_____
Ich sitze angespannt auf einem Stuhl im Wartebereich. Der Arzt hat mir Gott sei Dank sein okay gegeben, nachdem ich mich mehrere Stunde in einem Bett ausgeruht habe. Zwar ermahnte er mich, dass ich meinen Körper enorm überanstrengt habe, das war mir aber in dem Moment ziemlich egal.
Er meinte außerdem, dass auch der Schock ein Grund für meine heftige Reaktion war. Und dass ich mich jetzt mindestens die nächsten zwei, drei Tage ausruhen soll und keine körperliche Betätigung machen darf.
Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und muss wieder daran denken, wie schnell alles ging. Daran, wie Hayden auf der Tartanbahn zusammen brach. Und daran, wie sie einfach liegen blieb.
Die Tür zur Notaufnahme wird aufgestoßen und ich sehe, wie Papa hektisch in den großen Wartebereich stürmt. Hinter ihm taucht East auf. Soweit ich weiß, waren die beiden vorher schon da, wurden aber von den Ärzten nach Hause geschickt, weil ich geschlafen haben.
Hinter den beiden taucht nun auch Mama auf, die sofort zu mir stolpert. Sie geht vor mir in die Hocke und sieht mich besorgt an.
"Alles okay? Geht es dir gut?", will sie wissen. Papa redet daraufhin sofort mit einer der anwesenden Krankenschwestern, während East sich auf den Stuhl neben mir sinken lässt. Ich nicke nur wieder als Antwort auf Mamas Frage und atme tief durch.
"Leslie, kommst du?", will Papa von ihr wissen. Ein Arzt steht hinter ihm. Mama sieht mich fragend an, ich nicke wieder. Einen Moment lang überlege ich, ob ich mitgehen soll. Dann entscheide ich mich dagegen. Wenn ich eines hasse, dann sind es Gespräche mit den Ärzten.
East und ich sitzen schweigend nebeneinander und beobachten das Gewusel um uns herum. Schwestern eilen hektisch umher und versuchen, jedem Patienten gerecht zu werden. Angehörige sitzen stumm um uns herum und warten darauf, bis ihnen gesagt wird, was mir ihren Liebsten passiert.
"Alles okay?", flüstert East neben mir.
Ich nicke stumm und schüttle dann gleich den Kopf. Ihm kann ich nichts vormachen. Er kennt mich besser, als jeder andere. Tränen steigen mir in die Augen, als ich an die vergangenen Stunden denke.
"Ich hätte schneller sein müssen", erwidere ich. "Es ging alles so schnell. Ich hätte schneller sein müssen. Und meine Arme hätten nicht die ganze Zeit nachgeben dürfen. Dann hätte ich sie schneller zu euch bringen können."
Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und ich krümme mich auf dem Plastikstuhl zusammen. East legt einen Arm um mich und zieht eng an sich. Ich spüre, wie er auch den zweiten Arm um mich legt und mich fest drückt, während ich mein Gesicht hinter meinen Händen verstecke. Stumm lasse ich den Tränen freien Lauf.
"Du hast richtig gehandelt", brummt East. "Hayden kann froh sein, dass du bei ihr warst. Und dass du ihr so schnell geholfen hast."
Er hält mich fest, während eine Träne nach der anderen über meine Wange kullert.
"Ihr geht es bestimmt schon besser", fährt mein beste Freund fort. "Sie ist jetzt bei den Ärzten, die kümmern sich um sie. Und die bringen sie schon wieder auf deine Beine. Das haben sie doch bei dir auch geschafft."
"Ich darf morgen nicht zur Schule", unterbreche ich ihn. "Und übermorgen auch nicht."
Ich wische mir über mein Gesicht, während mein Kopf noch immer schwer in Eastons Schoß liegt. Sein Arm ruht auf meiner Schulter, während ich wieder versuche, mich zu beruhigen.
"Das ist doch nicht schlimm", antwortet East. Schnell schüttle ich den Kopf. Er versteht mich nicht. Wie denn auch.
"Früher hätte ich nie ein Problem damit gehabt, ein bewusstloses Mädchen über den Platz zu tragen."
East seufzt erneut und nimmt sich einen Moment lang Zeit, die richtige Antwort zu finden. Ich beobachte das Paar gegenüber von uns. Ein älterer Mann und eine ältere Frau. Beide weinen. Vermutlich wurde das Kind von ihnen eingeliefert. Und anscheinend steht es nicht wirklich gut darum.
"Du warst gottverdammte acht Monate im Koma, Vince, es war eine wahnsinnige Leistung, dass du Hayden überhaupt so weit getragen hast."
Ich richte mich wieder auf und sehe, wie auch in Eastons Augen Tränen schimmern. Er lächelt mich schief an.
"Du ruhst dich jetzt aus und wenn du wieder okay bist, dann machen wir deine Übungen nach der Schule zusammen, okay? Und wir können miteinander laufen gehen, nur so lange wie du kannst. Und dann wirst du ganz bestimmt wieder schnell der Alte, okay?"
Ich wende meinen Blick von ihm ab, da ich merke, wie sich schon wieder Tränen sammeln. Verschwommen sehe ich, wie ein Arzt zu dem alten Paar gegenüber von uns geht und mit ihnen redet. Die Frau schreit laut auf, während der Mann heftig zu weinen beginnt. Mein Herz zieht sich bei dem Anblick zusammen, weshalb ich schnell wieder zu East schaue.
"Danke", flüstere ich leise.
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